Urteil des LG Bochum vom 24.03.2010

LG Bochum (sturz, umkehr der beweislast, risiko, nacht, toilette, verletzung, komplikation, lege artis, pflegepersonal, einwilligung)

Landgericht Bochum, I-6 O 213/09
Datum:
24.03.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 O 213/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die Rechträgerin des L ist, Schadensersatz
wegen einer vermeintlich unzureichenden Betreuung und einer vermeintlich fehlerhaften
Behandlung.
2
Am 02.05.2008 wurde die Klägerin stationär in der Klinik für Neurologie des L
aufgenommen, um eine medikamentöse Neueinstellung bei gegebenem
Parkinsonsyndrom durchzuführen; darüber hinaus litt die Klägerin unter chronischen
LWS-Beschwerden und Herz-Rhythmus-Störungen. Ausweislich des Pflegeberichts
wurde die Klägerin ab dem Aufnahmedatum zur Toilette begleitet und erhielt zudem
pflegerische Mithilfe bei der Körperpflege. Ausweislich des Pflegeberichtes verringerte
sich jedenfalls während des stationären Aufenthaltes die pflegerische Mithilfe.
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Am 13.05.2008 morgens gegen 03.15 Uhr stürzte die Klägerin, die zu dieser Zeit allein
zur Toilette, die sich außerhalb des Zimmers befand, unterwegs war. Der Sturz
ereignete sich auf dem Rückweg von der Toilette in das Zimmer der Klägerin und zwar
nach Verlassen des Toilettenbereiches im Flur. Streitig ist dabei, ob diese sich zuvor
bemerkbar gemacht hatte . Bei dem Sturz erlitt die Klägerin jedenfalls im
Oberarmbereich links eine subkapitale Humeruskopffraktur(= Oberarmkopffraktur).
Insoweit wurde sie nach dem Unfallereignis sofort in die chirurgische Abteilung des
Krankenhauses der Beklagten verlegt, wo die Indikation zu einem operativen Eingriff
gestellt wurde
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Die Klägerin wurde noch am gleichen Tag mittels eines Diomed-Bogens über die
operative Versorgung aufgeklärt. Nach präoperativer Diagnostik wurden dann am
5
14.05.2008 im Rahmen des operativen Eingriffs eine offene Reposition der Fraktur und
eine Osteosynthese mittels winkelstabiler Platte vorgenommen.
Der postoperative Verlauf gestaltete sich zunächst komplikationslos, insoweit wurde die
Klägerin bereits frühzeitig mobilisiert. Insoweit verblieb sie bis zum 26.05.2008 auf der
chirurgischen Abteilung, anschließend wurde sie auf die neurologische Abteilung
zurückverlegt, wo sie zunächst bis zum 17.06.2008 verblieb. Hier traten in der Folgezeit
Schmerzen im Oberarmbereich auf, die zu einer weiteren Röntgenkontrolle führten, als
deren Folge die Klägerin erneut in die chirurgische Abteilung verlegt wurde. Dort wurde
am 19.06.2008 ein Schraubenwechsel vorgenommen und 5 mm kürzerer, winkelstabile
Schrauben eingesetzt.
6
Nach komplikationslosem postoperativem Verlauf wurde die Klägerin letztlich am
24.06.2008 aus der stationären Behandlung entlassen. Nachfolgend erlitt die Klägerin
bei 2 häuslichen Stürzen weitere Frakturen, die operative versorgt werden mussten.
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Die Klägerin macht geltend, dass zum einen die Betreuung und Beaufsichtigung
unzureichend gewesen wäre und zum anderen dann die bei dem Sturz hervorgerufene
Verletzung im Rahmen des operativen Eingriffs fehlerhaft behandelt worden sei.
8
So sei sie zunächst auf der neurologischen Abteilung nicht ausreichend beaufsichtigt
und betreut worden wäre, was zu dem Sturz am Morgen des 13.05.2008 geführt habe.
Den Ärzten und dem Pflegepersonal der Beklagten sei aufgrund des Krankheitsbildes
bekannt gewesen, dass sie sturzgefährdet gewesen sei und das Bett nicht allein habe
verlassen dürfen. Als sie in der Nacht des 13.05.2008 zur Toilette gemusst habe, habe
sie mehrfach nach einer Schwester geschellt, trotz dieses mehrfachen Schellens sei
jedoch niemand erschienen und habe sich um sie gekümmert oder ihr Hilfe geleistet.
Aus diesem Grunde habe sie notgedrungen allein aufstehen und sich zur Toilette
begeben müssen, dabei sei sie dann zu Fall gekommen. Zu dem Sturz sei es also nur
deshalb gekommen, weil eine ausreichende Beaufsichtigung und Betreuung bzw.
Mithilfe nicht vorgelegen habe. Allein deshalb sei die Beklagte für die Verletzung im
Oberarmbereich verantwortlich.
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Zudem sei nach dem Sturz die erlittene Verletzung im Rahmen des operativen Eingriffs
auch fehlerhaft behandelt worden, weil bei dem operativen Eingriff eine winkelstabile
Platte mit zu langen Schrauben eingesetzt worden sei, denn diese seien 5 mm zu lang
gewesen. Dieser Einsatz falscher Schrauben habe die nachträglich aufgetretenen
erheblichen Beschwerden verursacht. Insoweit hätten jedoch bei der Erstoperation
bereits 5 mm kürzere Schrauben eingesetzt werden müssen. Es hätte den Ärzten der
Beklagten auch auffallen müssen, dass die Schrauben zu lang gewesen seien.
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Demnach sei zum einen die bei dem Sturz erlittene Verletzung ( Schultergelenksbruch )
auf die unzureichende Beaufsichtigung zurückzuführen und zum anderen dann diese
Verletzung auch noch fehlerhaft behandelt worden, was weitere Schmerzen und einen
weiteren operativen Eingriff notwendig gemacht hätten. Dies rechtfertige ein
Schmerzensgeld von 12.000,- €.
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Die Klägerin beantragt,
12
die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes, in das Ermessen des
Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5-
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Prozentpunkten über dem derzeitigen Basiszins ab Rechtshängigkeit zu
zahlen
Die Beklagte beantragen,
14
die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerin sowohl ordnungsgemäß und umfassend
beaufsichtigt und betreut als auch anschließend nach dem Sturz jederzeit
ordnungsgemäß und fachgerecht behandelt worden sei, die nachträglich aufgetretene
Komplikation, die einen weiteren Eingriff notwendig gemacht habe, sei schicksalhaft
gewesen.
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Im Rahmen des stationären Aufenthaltes habe sich die pflegerische Mithilfe deutlich
verringert, so habe sich die Klägerin teilweise allein und sicher mittels des Rollators
fortbewegt. Vor dem Sturz in der Nacht zum 13.05.2008 hätten anwesende
Pflegepersonen sich nicht um die Klägerin kümmern können, weil diese sich zuvor
gerade nicht gemeldet hatte, sondern sich ohne Schellen allein zur Toilette begeben
habe. Insoweit sei in der fraglichen Nacht die Station mit 2 Pflegekräften besetzt
gewesen, die von der Klägerin gerade nicht gerufen worden seien. Es sei bei einem
Schellen von Patienten durch ein Meldesystem gewährleistet, dass die Pfleger auch
tatsächlich benachrichtigt würden. Vor dem Sturz habe sich die Klägerin jedoch gerade
nicht gemeldet. Demnach hätten die Pfleger zwangsläufig keine Hilfe leisten können,
wie dies zuvor in derselben Nacht zweimal bei der Klägerin der Fall gewesen wäre.
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Zudem sei auch die eingetretene Verletzung ordnungsgemäß und lege artis behandelt
worden. So sei der operative Eingriff sach- und fachgerecht durchgeführt und
insbesondere seien die Schrauben der winkelstabilen Platte ordnungsgemäß eingesetzt
worden. Gerade die intraoperativ angefertigten Röntgenaufnahmen in 3 Ebenen hätten
einen korrekten Sitz aller eingebrachten Schrauben gezeigt; auch die postoperative
Röntgenkontrolle habe eine achsgerechte Stellung der Platte ohne Fehlstellung und
ohne zu lang eingebrachte Schrauben gezeigt. Erst bei einer späteren Röntgenkontrolle
im Juni 2008 sei festgestellt worden, dass sich der Oberarm diskret nach distal
abgesenkt habe, gerade diese Röntgenaufnahme zeige auch eine deutliche
Osteoporose bei gegebenem Parkinsonsyndrom. Hier habe sich also durch die
Osteoporose im weiteren Verlauf erst der Oberarmkopf abgesenkt, mit der weiteren
Folge, dass danach dann 2 der eingebrachten Schrauben um 2 bis 3 mm zu lang
gewesen seien und hätten ausgetauscht werden müssen. Dies sei jedoch letztlich ein
schicksalhafter Verlauf, der durch die vorhandene Grunderkrankung der Osteoporose
bedingt gewesen sei.
18
Insoweit sei die Klägerin jedoch vor der Erstoperation u.a. auch auf die Möglichkeit einer
Materiallockerung oder der Notwendigkeit einer Folgeoperation aufgeklärt worden.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen
Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. C1. Wegen des
Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C1
Bezug genommen. Zudem hat es den Sachverständigen Prof. Dr. in der mündlichen
21
Verhandlung vom 24.03.2010 angehört. Darüber hinaus hat die Kammer zum Komplex
der Beaufsichtigung Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X und X1. Wegen
des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 24.03.2010 verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22
Die Klage ist nicht begründet.
23
Die Klägerin kann von der Beklagten weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz
gem. den §§ 280 Abs. 1, 278, 823 Abs. 1, 31, 831, 253, 249 BGB verlangen. Die
Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten liegen nicht vor, denn weder ist die
Beklagte für den Sturz der Klägerin und die dabei erlittene Verletzung verantwortlich,
noch hat die Klägerin nachgewiesen, dass die bei dem Sturz erlittenen Verletzungen
dann im Krankenhaus der Beklagten zusätzlich fehlerhaft behandelt und der operative
Eingriff vom 14.05.2008 fehlerhaft vorgenommen worden ist. Letztlich kann die Klägerin
ihre Ansprüche auch nicht auf eine Aufklärungspflichtverletzung stützen.
24
1.
25
Zunächst kann der Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz nicht auf eine
unzureichende Beaufsichtigung und Betreuung gestützt werden, denn die Beklagte ist
für den Sturz der Klägerin und die dadurch verursachten Folgen unter diesem Aspekt
nicht verantwortlich, so dass insoweit eine Haftung nicht in Betracht kommt.
26
a.
27
Für eine denkbare Haftung wegen unzureichender Beaufsichtigung und Betreuung
müsste die Beklagte ihre nach dem mit der stationären Aufnahme begründeten
Behandlungsvertrag obliegende Sicherungs-, Obhuts- und Überwachungspflichten bzw.
die sich aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht ergebenden
Schutzpflichten schuldhaft verletzt und dadurch den Sturz sowie die Verletzungen
verursacht haben.
28
Für die Beurteilung der Rechtslage können insoweit die maßgeblichen Grundsätze der
Grundsatzentscheidung des BGH vom 28.04 2005 ( = BGH NJW 2005,1937 ff - Sturz
eines Heimbewohners in einem Pflegeheim - ) mit herangezogen werden.
29
aa.
30
Bei der Frage, ob materiell ein objektiver und subjektiver ( schuldhafter )
Pflichtenverstoß vorliegt, sind vom Grundsatz her die aus dem Behandlungsvertrag als
Folge der stationären Aufnahme oder aus den Grundsätzen der allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht erwachsenden Schutzpflichten zu Gunsten meist älterer,
gesundheitlich beeinträchtigter Patienten zu berücksichtigen.
31
Danach erwuchsen der Beklagten als Rechtsträgerin des Krankenhauses aus der
Aufnahme und dem Behandlungsvertrag Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen
Unversehrtheit der ihr anvertrauten Patienten. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche
allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutze der Patienten vor Schädigungen,
32
die diesen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen
Einschränkung durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des
Krankenhauses drohten (BGH NJW 2005,1937(1938); OLG Koblenz NJW-RR
2002,867(868)).
Diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Krankenhäusern oder auch
Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und
personellen Aufwand realisierbar sind (vgl. OLG München, VersR 2004,618(619); LG
Essen, VersR 2000,893). Maßstab müssen das Erforderliche und das für die jeweiligen
Patienten bzw. das Pflegepersonal Zumutbare sein (BGH NJW 2005,1937(1938); OLG
Koblenz NJW-RR 2002,867(868)).
33
bb.
34
Insoweit kann nicht generell, sondern nur auf Grund einer sorgfältigen Abwägung
sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls und des für die jeweils zu beurteilende
Situation maßgeblichen Gesundheitszustandes des Patienten entschieden werden,
welchen konkreten Inhalt die möglichen Obhuts- und Sicherungspflichten im konkreten
Einzelfall hatten. Maßstab bei der Bestimmung der zu treffenden
Sicherungsmaßnahmen sind danach grundsätzlich 3 Gesichtspunkte, nämlich das
angesichts der Krankheitssymptome und der Behinderung des Patienten sowie der
sonstigen Gegebenheiten Erforderliche, um ggf. vorbeugend einen Sturz bezogen auf
die jeweils konkret zu beurteilende Situation zu verhindern, sodann weiter das für das
Pflegepersonal in der konkreten Situation Zumutbare und letztlich vor allem auch das
Recht des Patienten, im Krankenhaus seine möglichst weitgehender Selbstständigkeit
zu erhalten
35
cc.
36
Weiterhin ist in derartigen Fällen auch die Frage der Beweislast bedeutsam werden,
insbesondere wenn der Unfallhergang im Einzelnen nicht mehr aufklärbar ist. Auch
insoweit war die Frage der möglichen Beweislast lange Zeit streitig.
37
Insoweit hat der BGH ( a.a.O. ) in der bereits genannten Entscheidung bestätigt, dass in
solchen Fällen der Grundsatz gilt, dass der Anspruchsteller, hier also die Klägerin das
Vorliegen eines objektiven Pflichtenverstoßes nach den allgemeinen Grundsätzen der
Beweislast schlüssig darlegen und nachweisen muss. Beweiserleichterungen z Bsp.
aus dem Sturz, und der Verletzung als solchen bzw. dem fehlenden Bettgitter kommen
dagegen nicht in Betracht.
38
Eine Umkehr der Beweislast kommt demgegenüber nur in Ausnahmefällen in Betracht,
wenn nämlich ein sog. "voll beherrschbarer Gefahrenbereich" betroffen ist. Eine solche
Situation hat der BGH bei einem Sturz im Pflegeheim oder Krankenhaus nur dann
bejaht, wenn die den Schuldner treffenden Vertragspflichten dahin ging, den Gläubiger
gerade vor einem solchen Schaden in einer konkreten Überwachungssituation – z. Bsp.
Sturz bei einer konkreten Pflege- oder Transportmaßnahme, bei der der Patient im
unmittelbaren Einwirkungsbereich des Pflegepersonal stürzt – zu bewahren.
39
Ein solcher Ausnahmefall für die Anwendung der Grundsätze zum sog. beherrschbaren
Risiko lag hier – wie auch im Fall der genannten Grundsatzentscheidung des BGH –
nicht vor( so auch: OLG Schleswig NJW-RR 2004,237 - Sturz aus dem Bett im
40
Krankenhaus )
dd.
41
In diesem Spannungsfeld zur Feststellung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen
muss danach also eine am Einzelfall orientierte Güterabwägung vorgenommen werden.
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Wesentliche Umstände, die bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind, sind
z.Bsp. der allgemeine Gesundheitszustand und die gegebenen Krankheitssymptome
bei der Einlieferung. Ausgehend davon muss dann entschieden werden, welche
Maßnahmen notwendig sind, um den jeweiligen Patienten vor Schaden zu bewahren.
Dabei kommt es aber auf die gebotenen Maßnahmen bezogen auf die konkrete
Situation an, in der nachfolgend dann das mögliche Schadensereignis eintritt. Bezogen
auf ein gegebenes Sturzrisiko ist also immer maßgeblich, ob dies allgemein für alle
Fallgestaltungen besteht oder ob dieses bei dem Patienten nur in bestimmten
Situationen ( z . Bsp. Sturzanfälligkeit aus dem Bett ) oder bei bestimmten körperlichen
Aktivitäten – z Bsp. nur bei einer Fortbewegung als solche – gegeben ist.
43
b.
44
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Pflichtverletzung der Beklagten
nicht in Betracht.
45
Zunächst einmal hat die Beklagte nachgewiesen, dass sie ausreichende und konkrete
Vorkehrungen getroffen hat, dass hilfsbedürftige Personen in Notsituationen oder bei
gebotener Hilfe – auch in der Nacht – das Pflegepersonal grundsätzlich erreichen
konnte. Insoweit hat nämlich der Zeuge X den Vortrag der Beklagten überzeugend und
glaubhaft bestätigt, dass bei der Beklagten generell eine Rufbereitschaft auch in der
Nacht vorhanden ist, die so geregelt ist, dass Notrufe oder das Klingeln von Patienten in
einer Rufzentrale im Erdgeschoss ankommt, die dauerhaft mit einem diensthabenden
Pfleger besetzt ist und eingehende Notrufe oder das Schellen von Patienten an die
jeweilige Pflegeperson auf den Stationen weiterleitet, wobei insoweit auch
gewährleistet war, dass diese Person in der Rufzentrale die jeweiligen Pfleger auch
erreichen kann bzw. diese Kenntnis davon hatte, wo sich die Pfleger gegebenenfalls auf
den Stationen befinden.
46
Durch dieses System war also grundsätzlich gewährleistet, dass Notrufe oder ein
Schellen von Patienten die zuständigen Pfleger auf den Stationen auch erreichen
würde. Mit diesem System hat die Beklagte also ausreichend Vorsorge getroffen, dass
den Patienten auch während der Nacht in Notsituationen oder bei Hilfebedarf
tatsächlich geholfen werden konnte.
47
Demnach hätte nunmehr die Klägerin beweisen müssen, dass sie vor ihrem Sturz
tatsächlich auf sich aufmerksam gemacht hat, ohne dass das Pflegepersonal der
Beklagten trotz gegebener Möglichkeit in angemessener Frist darauf reagiert hat.
Insoweit hat der Zeuge X jedoch den Vortrag der Klägerin, dass diese während der
Nacht vor ihrem Sturz mehrfach geschellt hat, ohne das Pflegepersonal erschienen sei,
gerade nicht bestätigt. Der Zeuge hat nämlich glaubhaft angegeben, dass er sich in
dieser Nacht auf dem Dienstzimmer befunden hat, als er plötzlich einen Aufschrei der
Klägerin wahrgenommen und diese im Flurbereich hat liegen sehen. Insoweit hat er
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definitiv ausgeschlossen, dass die Klägerin vorher geschellt hat, denn dies hätte er
ansonsten in dem Dienstzimmer aufgrund eines Anrufs aus der Rufzentrale
mitbekommen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Damit hat der Zeuge X
also den Vortrag der Klägerin, dass diese mehrfach geschellt habe, nicht bestätigt, da
nach den von den Beklagten getroffenen Vorsorgemaßnahmen ansonsten der Notruf
oder das Schellen den Zeugen X im Dienstzimmer hätte erreichen müssen.
Die Zeugin X1 konnte dazu nichts sagen, mithin hat die Klägerin auch mit deren
Aussage den Beweis nicht erbracht.
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Es erscheint auch keineswegs ungewöhnlich, dass die Klägerin gegebenenfalls
eigenmächtig aufgestanden ist und sich zur Toilette begeben hat. Insoweit soll dieser
Sturz nach den Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen bei dem
dritten Gang zur Toilette passiert sein. Insoweit hat der Zeuge X jedoch angegeben,
dass er der Klägerin während dieser Nacht nicht bei einem Toilettengang geholfen habe
und diese zu keinem Zeitpunkt um Hilfe gebeten hat. Dann muss die Klägerin aber
zwangsläufig auch bei den ersten beiden Malen allein und ohne Hilfe die Toilette
aufgesucht haben. Zudem kann aus den Angaben der Klägerin gegenüber dem
Sachverständigen ebenfalls entnommen werden, dass die Klägerin offensichtlich bei
den nachfolgenden beiden häuslichen Stürzen Hinweise und Absprachen mit dem
Ehemann nicht beachtet und sich bei diesem nicht gemeldet hat, sondern eigenmächtig
und allein aufgestanden ist. Insoweit ist es also keinesfalls ungewöhnlich, dass die
Klägerin ohne Hilfe und allein versucht hat, sich zur Toilette zu begeben, ohne Hilfe
dazu in Anspruch zu nehmen.
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Kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Notruf betätigt oder zwecks
Hilfe geschellt hat, kann dem Pflegepersonal der Beklagten damit nicht der Vorwurf
gemacht werden, dass dieses keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen
bzw. die Klägerin nicht ausreichend beaufsichtigt hat und ihr die notwendige Hilfe nicht
hat zu Teil werden lassen.
51
Damit kommt eine Haftung der Beklagten aus diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.
52
2.
53
Darüber hinaus kann die Klägerin auch weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld
gem. den §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 31, 831 BGB als Folge einer fehlerhaften
Behandlung verlangen.
54
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Behrens kann nicht festgestellt
werden, dass die Klägerin nach dem Sturz und der dabei erlittenen Verletzung im
Krankenhaus der Beklagten tatsächlich fehlerhaft behandelt worden ist. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass sich hier im Rahmen des operativen Eingriffs vom 14.05.2008
eine typische Komplikation einer solchen Operation realisiert hat, ohne dass den Ärzten
der Beklagten diesbezüglich ein entsprechender Vorwurf eines
behandlungsfehlerhaften Vorgehens gemacht werden kann.
55
a.
56
Entgegen der Meinung des Kläger-Vertreters war nach den Ausführungen von Prof. Dr.
C1 die Operation vom 14.05.2008 in der vorgenommen Art und Weise aufgrund der
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eingetretenen Verletzung medizinisch indiziert.
Der Sachverständige hat zunächst darauf hingewiesen, dass es sich um eine dislozierte
Oberarmkopffraktur zusätzlich mit Abbruch des Tuber-culum majus gehandelt habe. Für
ein solches gegebenes Verletzungsbild habe sich die Plattenosteosynthese mit
winkelstabilen Implantaten hervorragend bewährt. Mit dieser Methode würden sich
gerade auch osteoporotische Frakturen hinreichend sicher stabilisieren lassen.
Demnach sei nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand die anatomische
Osteosynthese mit einer winkelstabilen Platte eine der besten operativen Verfahren, um
die Wiederherstellung der Funktion des Schultergelenkes zu erreichen. In ähnlicher
Weise wäre auch eine Oberarmkopfnagelung, wie auf der rechten Seite ausgeführt,
denkbar gewesen. Letztlich seien beide operativen Verfahren bei einer
Oberarmkopffraktur vom Grundsatz her gleichwertig, so dass die Auswahl nicht zu
beanstanden sei.
58
Die Besonderheit bestehe lediglich darin, dass neben den allgemeinen Komplikationen,
die jede Operation mit sich bringen würde, die Gefahr einer Nervenlähmung (Nervus
axillaris), einer Knochennekrose des Oberarmkopfes infolge Durchblutungsmangel,
Schrauben- und Implantatbrüche sowie insbesondere auch der Perforationen von
Schrauben in das Schultergelenk als Komplikation bestehen würden. Gerade die
Perforation werde in vielen Arbeiten, die sich mit diesem Problem beschäftigen,
genannt.
59
Insoweit hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Anhörung jedoch
klargestellt, dass das alternativ denkbare Vorgehen im Wege einer sogenannten
Marknagelung hier an sich keine vollständig gleichwertige Methode gewesen sei, da
hier zusätzlich zur Oberarmkopffraktur auch das Tuberculum majus abgebrochen
gewesen sei, dieses habe jedoch bei der Marknagelung nicht erreicht werden können,
während dies mit einer winkelstabilen Platte, deren Funktionsweise der
Sachverständige in der mündlichen Verhandlung an einem Modell erläutert hat, wieder
habe befestigt werden können. Auch ein rein konservatives Vorgehen sei an sich keine
echte Alternative gewesen, da dann, wenn man hier konservativ vorgegangen wäre und
nicht operiert hätte, der Bruch angesichts des Verletzungsbildes von vornherein in einer
schlechten Beweglichkeit ausgeheilt wäre.
60
Allein der Umstand, dass bei Nutzung einer winkelstabilen Platte auch die Gefahr oder
das Risiko von Perforationen von Schrauben in das Schultergelenk als Komplikation
bestehen würden, stand diese Alternative nicht entgegen, da der Sachverständige
klargestellt hat, dass auch bei einer sogenannten Marknagelung das Risiko einer
Schraubenperforation bestanden hat.
61
Letztlich geht die Kammer demnach aufgrund aller Umstände davon aus, dass hier das
operative Vorgehen medizinisch absolut indiziert war und von den Ärzten der Beklagten
mit dem gewählten Verfahren der Plattenosteosynthese mit einer winkelstabilen Platte
die Methode der Wahl ausgewählt wurde.
62
b.
63
Nach den
ausgegangen werden, dass dieser Eingriff unter Berücksichtigung des ausgewählten
Osteosyntheseverfahrens dann fehlerhaft durchgeführt und es dadurch zu einer
64
Schraubenperforation gekommen ist.
Zwar hat der Sachverständige bestätigt, dass die Nachoperation vom 06.06.2008
ergeben habe, dass eine Schraubenperforation eingetreten sei, so dass ein Austausch
von 2 Schrauben gegen 5 mm kürzere Schrauben erfolgt sei. Diese Perforation beruht
jedoch nicht auf einem fehlerhaften Vorgehen, vielmehr hat sich eine typische
Komplikation verwirklicht, die selbst bei größtmöglicher Sorgfalt nicht sicher zu
vermeiden ist.
65
Insoweit hat der Sachverständige auf die Häufigkeit solcher Perforationen und die
Schwierigkeiten hingewiesen. Trotz intraoperativer Röntgenuntersuchung trete dieses
Phänomen relativ häufig wegen der Konfiguration des Schultergelenkes auf. Die
Schrauben würden divergierend von der Platte ausgehend in dem kugeligen
Oberarmkopf verankert. Dies hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung
angesichts eines Modells und einer mitgebrachten Platte nochmals nachvollziehbar
dargestellt und erläutert.
66
Insoweit hat der Sachverständige auf Nachfrage des Klägervertreters in der mündlichen
Verhandlung auch bestätigt, dass die Schraubenlänge intraoperativ mittels einer
sogenannten Messlehre bestimmt werde. Gleichwohl komme es in nicht wenigen Fällen
anschließend doch zu einer Perforation, wobei dies dann z.B. darin liegen kann, dass
gerade bei porösen Knochen das Gewinde etwas in den Knochen hineingedreht werde
und damit eine Perforation entstehen könne. Dies war jedoch eine typische
Komplikation, die auch bei Einhaltung der größtmöglichen Sorgfalt gerade bei porösen
Knochen eines Patienten sich nicht sicher verhindern lasse, immerhin liege die
Komplikationsrate in solchen Fällen bei mindestens 5 %.
67
Zudem hat der Sachverständige klargestellt, dass die zur Kontrolle ausgeführten
Röntgenaufnahmen auch nicht immer (wegen des SD-Effektes) eine sichere
Abgrenzung, ob eine Perforation vorliege oder nicht, erkennen lassen würden. Darüber
hinaus sei es bisweilen technisch schwierig, eine sichere Information darüber zu
gewinnen, ob dieser Vorgang tatsächlich eingetreten sei, wenn es sich nur um eine
geringe Perforation handele.
68
Diesbezüglich hat der Sachverständige bei der Anhörung noch klargestellt, dass es
theoretisch möglich wäre, mittels Computertomographie die Schraubenlänge zu
bestimmen. Dies sei jedoch ein unverhältnismäßig großer Aufwand, so dass dies in der
Praxis grundsätzlich nicht vorgenommen werde, zumal dies auch unter dem Aspekt der
sogenannten Strahlenhygiene nicht zu verantworten sei. Lediglich dann, wenn
intraoperativ mittels Bildwandlergerät konkret entdeckt würde, dass die Schrauben an
irgendeiner Stelle ins Gelenk perforiert seien, sei grundsätzlich sofort ein Austausch der
Schrauben vorzunehmen.
69
Demnach hat der Sachverständige eine Schraubenperforation grundsätzlich zwar als
Unglück bezeichnet. Dies sei jedoch kein Hinweis dafür, dass bei der Durchführung von
vornherein ungeeignete bzw. zu lange Schrauben verwandt worden seien. Zwar könne
man Schrauben theoretisch auch kürzer auswählen, um damit sicher zu gehen, dass
diese ohne Perforation in der Oberarmkopfspongiosa verankert seien. Gerade bei
porösen Knochen, wie bei denen der Klägerin, sei dies aber nicht günstig, da die
Auslockerungstendenz damit potentiell steigern würde. Damit versuche man gerade in
solchen Fällen stets, die Schrauben bis zur Kortikalis zu führen, um eine optimale
70
Verankerung zu erreichen. Sollte es demnach bei porösen Knochen dann doch einmal
dazu kommen, dass eine Schraubenperforation eintrete, weil gegebenenfalls das
Gewinde etwas in den Knochen hineingedreht worden sei, was nicht zwangsläufig
auffallen müsse, so verwirkliche sich in solchen Fällen eine typische Komplikation
dieses Verfahrens, dass dann auch bei Einhaltung der größtmöglichen Sorgfalt nicht
sicher zu verhindern sei. In solchen Fällen liegt demnach kein behandlungsfehlerhaftes
Vorgehen der Ärzte vor. Dass dies in konkretem Fall der Klägerin anders war, hat der
Sachverständige nicht feststellen können.
Damit können die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten wegen eines
behandlungsfehlerhaften Vorgehens von der Klägerin nicht bewiesen werden.
71
3.
72
Auch auf eine Aufklärungspflichtverletzung können die Ansprüche der Klägerin nicht
gestützt werden.
73
Zwar geht die Kammer nach dem vorgelegten Aufklärungsbogen davon aus, dass hier
eine entsprechende Aufklärung stattgefunden hat, die jedoch insbesondere unter
Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C1 unzureichend
war. Insoweit hat nämlich der Sachverständige darauf hingewiesen, dass gerade bei
Nutzung eines Osteosyntheseverfahrens mittels winkelstabiler Platte auch auf die
Gefahr von Schraubenperforationen hingewiesen werden müsse, da aufgrund neuerer
Untersuchungen davon auszugehen ist, dass in mindestens 5 % der Fälle solche
Perforationen eintreten würden.
74
Gerade auf dieses Risiko einer Schraubenperforation, welches sich hier verwirklicht hat,
ist die Klägerin jedoch vor der Operation im Rahmen des Aufklärungsgespräches nicht
hingewiesen worden. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, durch den Hinweis auf
Materiallockerung sei gleichzeitig auch auf eine Schraubenperforation hingewiesen und
darüber aufgeklärt worden, hat der Sachverständige klargestellt, dass der Begriff
Materiallockerung ein völlig anderes Problem darstellen würde und nicht das Risiko der
Schraubenperforation umfasse. Da selbst nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auf
eine Schraubenperforation abweichend nicht ausdrücklich hingewiesen und über
dieses Risiko gesondert aufgeklärt worden ist, war damit auch nach Meinung der
Kammer die vor der Operation vorgenommene Aufklärung unzureichend, da
insbesondere auf das Risiko, was sich nachträglich verwirklicht hat, nicht hingewiesen
wurde.
75
Gleichwohl verneint die Kammer eine Haftung wegen einer
Aufklärungspflichtverletzung, da die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände
von einer mutmaßlichen Einwilligung der Klägerin ausgeht. In diesem Rahmen hat die
Kammer berücksichtigt, dass nach dem vorgelegten Aufklärungsbogen über eine
Vielzahl schwerwiegender Komplikationen und Folgen aufgeklärt wurde, wie die
handschriftlichen Ergänzungen, die der Beklagtenvertreter nachträglich
undwidersprochen näher erläutert hat, zeigen. Trotz dieser z.B. schwerwiegenden
Komplikationen (z.B. die Möglichkeit einer Embolie etc.) hat die Klägerin ihre
diesbezügliche Einwilligung zur Durchführung der Operation erteilt. Gegenüber den im
Aufklärungsbogen angegebenen Komplikationen und Risiken stellt das nicht
angegebene Risiko der Schraubenperforation eine eher weniger bedeutsame
Komplikation dar.
76
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gleichwertige Behandlungsalternativen mit
geringeren Risiken an sich nicht zur Verfügung standen. Insoweit hat der
Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die alternativ zur
Verfügung stehende operative Methode der sogenannten Marknagelung im konkreten
Fall der Klägerin an sich keine gleichwertige Methode gewesen sei, da vorliegend
neben der Oberarmkopffraktur auch das Tuberculum majus abgebrochen gewesen sei,
welches letztlich nur mittels winkelstabiler Platte hinreichend sicher hätte befestigt
werden können. Zudem habe auch bei der Marknagelung das Risiko einer
Schraubenperforation bestanden. Die weitere Alternative eines konservativen
Vorgehens wäre mit dem hohen Risiko verbunden gewesen, dass der Bruch
gegebenenfalls zwar ausgeheilt sei, aber zu einer schlechten Beweglichkeit geführt
hätte. Gerade diese schlechte Beweglichkeit wird von der Klägerin jedoch jetzt beklagt,
so dass es kaum nachvollziehbar wäre, wenn die Klägerin ein solches Vorgehen
ausgewählt hätte, welches von vornherein mit dem nun beklagten Risiko verbunden
gewesen wäre.
77
Unter Berücksichtigung aller Umstände geht die Kammer deshalb davon aus, dass bei
der Klägerin letztlich kein Entscheidungskonflikt vorgelegen hat und diese auch dann
die Einwilligung zu dem geplanten operativen Vorgehen erteilt hätte, wenn zusätzlich zu
den genannten und in den Aufklärungsbogen aufgenommenen Risiken auch das
zusätzliche Risiko der Schraubenperforation erwähnt worden wäre.
78
Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass an sich vor Bejahung einer mutmaßlichen
Einwilligung zuvor die Klägerin selbst hätte angehört werden müssen, da erst nach
einer solchen Anhörung der betroffenen Patientin eine mutmaßliche Einwilligung
angenommen bzw. beurteilt werden kann, ob sich der Patient tatsächlich in einem
plausiblen Entscheidungskonflikt befunden hat. Davon hat die Kammer hier angesichts
des tatsächlich gegebenen Gesundheitszustands der Klägerin jedoch abgesehen, da
diese letztlich kaum in der Lage ist, vor Gericht zu erscheinen. Insoweit wollte die
Kammer ihr dieses zusätzliche Erscheinen nicht zumuten, um ihr dann letztlich nach
einer Anhörung mitteilen zu müssen, dass ein möglicher Entscheidungskonflikt nicht als
plausibel angesehen wird. Bei dieser Entscheidung hat die Kammer auch
berücksichtigt, dass der im Verhandlungstermin anwesende Ehemann den tatsächlich
gegebenen schlechten Gesundheitszustand der Klägerin bestätigt und angegeben hat,
dass die Klägerin nervlich nicht in der Lage sei, zum Termin zu erscheinen. Bei dieser
Sachlage hielt es die Kammer nicht für angemessen, die Klägerin zu einer an sich
gebotenen Anhörung vor Gericht zu zwingen, obwohl die Voraussetzungen für eine
mutmaßliche Einwilligung an sich auf der Hand liegen.
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Demnach hat die Kammer ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine mutmaßliche
Einwilligung so bejaht, so dass letztlich die Klägerin auch aus einer
Aufklärungspflichtverletzung keine Ansprüche herleiten kann.
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4.
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Insgesamt steht im Ergebnis fest, dass weder Ansprüche wegen unterlassener
Sicherung bzw. mangelhafter Beaufsichtigung und fehlender Mithilfe in Betracht
kommen noch die Voraussetzungen für eine Haftung wegen eines
behandlungsfehlerhaften Vorgehens oder eine Aufklärungspflichtverletzung gegeben
sind. Damit kann die Klägerin also keine Ansprüche gegen die Beklagte durchsetzen,
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mit der Folge, dass die Klage keinen Erfolg hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO
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