Urteil des LG Bochum vom 16.11.2010

LG Bochum (abmahnung, kläger, bezug, aufrechnung, höhe, angebot, forderung, uwg, wettbewerber, frist)

Landgericht Bochum, 12 O 162/10
Datum:
16.11.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 162/10
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.196,43 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
22.07.2010 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages leistet.
T A T B E S T A N D:
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Beide Parteien vertreiben im Internet Schmuck u.a. der Marke F. Mit der vorliegenden
Klage begehrt der Kläger nach einem Gegenstandswert von 30.000,-- € Erstattung der
durch eine von ihm gegenüber dem Beklagten ausgesprochenen Abmahnung vom
05.07.2010 entstandenen Kosten. Wegen der Einzelheiten der in dem
Abmahnschreiben genannten Beanstandungen wird auf den Schriftsatz vom 05.07.2010
(Bl. 7 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Bereits zuvor hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 den Kläger
abmahnen lassen. In dem Abmahnschreiben wurde insbesondere Bezug genommen
auf die durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.07.2009
am 11.06.2010 eingetretenen Änderungen. Es wurde beanstandet, dass am 12.06.2010
noch die frühere Widerrufsbelehrung verwandt worden sei. Wegen weiterer Einzelheiten
wird auf das Schreiben vom 29.06.2010 (Bl. 147 d.A.) Bezug genommen. Eine weitere
Abmahnung ließ der Beklagte mit Schreiben vom 10.08.2010 aussprechen. In diesem
Schreiben, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, heißt es u.a.:
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"Aus diesem Grund haben wir Ihrem Rechtsanwalt in der Parallelangelegenheit den
Vorschlag unterbreitet, dass man hier wechselseitig auf die Geltendmachung der
Rechte aus den Abmahnungen verzichtet und die Kosten gegeneinander aufhebt, was
bedeutet, dass jede Seite ihre Anwaltskosten selbst trägt. Wir stellen anheim, dies zu
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bedenken. Wenn dies für Sie in Betracht kommt und Sie einen entsprechenden
Vergleich akzeptieren, würden wir nicht auf die Hereingabe der Unterlassungserklärung
bestehen. Hierzu erwarten wir Ihre Stellungnahme ebenfalls innerhalb oben genannter
Frist."
Mit den durch diese Abmahnung entstandenen Kosten von 1.023,16 € rechnet der
Beklagte gegen die Klageforderung auf. Hinsichtlich des verbleibenden Restbetrages
erklärt er die Aufrechnung mit den Kosten, die durch die Abmahnung vom 29.06.2010
entstanden sein sollen.
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Der Kläger hält die von ihm ausgesprochene Abmahnung für berechtigt. Die daraus
resultierende Forderung sei schon deswegen nicht durch Aufrechnung untergegangen,
weil die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Beklagten als
rechtsmissbräuchlich einzustufen sei.
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Der Kläger beantragt,
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wie erkannt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hält mit näherem Vortrag im Schriftsatz vom 11.11.2010, auf den
verwiesen wird, das Vorgehen des Klägers für rechtsmissbräuchlich. Auch inhaltlich
seien die mit der Abmahnung des Klägers erhobenen Vorwürfe nicht begründet.
Widersprüchliche Widerrufsbelehrungen habe der Beklagte nicht verwendet. Soweit ihm
die Verletzung von Informationspflichten vorgeworfen werde, sei die Belehrung der
Kunden im Rahmen der Begründung ihrer Mitgliedschaft bei f ausreichend. Hinsichtlich
der zur Aufrechnung gestellten Forderungen könne ihm auch nicht der Einwand des
Rechtsmissbrauchs entgegen gehalten werden. Denn er habe selbst mit hohem
Aufwand dafür gesorgt, dass bei den eigenen über tausend Artikeln die neue
Widerrufsbelehrung verwandt wurde. Erst bei der Neueinstellung seiner Angebote habe
er erkannt, dass sich der Kläger und andere Mitbewerber diese aufwendige Tätigkeit
erspart hätten. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Schriftsatz vom
11.11.2010 erneut Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird Bezug
genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen
Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Ohne Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte kann es für die Annahme
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht ausreichen, dass mehrere Wettbewerber ihren
Unterlassungsanspruch durch denselben Rechtsanwalt durchsetzen lassen.
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Die Abmahnung des Klägers vom 05.07.2010 war berechtigt, da ihm gemäß den §§ 8, 4
Nr. 11 UWG ein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zustand. Die
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Kostentragungspflicht des Kunden bei Waren im Wert von bis zu 40,-- € ist nicht allein
durch die Widerrufsbelehrung in den AGB des Beklagten wirksam vereinbart (vgl. OLG
Hamm vom 02.03.2010 – 4 U 180/09). Die gemäß § 312 e BGB Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB
i.V.m. Artikel 246 § 3 EGBGB erforderlichen Belehrungen sind unstreitig in dem Angebot
des Beklagten selbst nicht erfolgt. Unerheblich ist, ob der Kunde die nach Artikel 246 § 3
Nr. 2 EGBGB erforderliche Belehrung aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Firma f ablesen könnte (OLG Hamm I-4 W 115/10). Dies folgt schon daraus, dass
Adressat der hier in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen der Verkäufer ist und
der Kunde daher nicht auf möglicherweise Jahre zurückliegende und ihm nicht präsente
Informationen des Betreibers der Verkaufsplattform verwiesen werden kann.
Die Verwendung unterschiedlicher Widerrufsbelehrungen auf der Angebotsseite
einerseits und auf der sogenannten Mich-Seite andererseits werden durch die Anlagen
3 und 4 belegt. Da der Beklagte naturgemäß von seinen eigenen Angeboten unmittelbar
Kenntnis hat, kann er sich nicht darauf zurückziehen, ihm werde nicht mitgeteilt, wann
der Verstoß gewesen sein solle. Der Kläger hat insoweit ein eindeutig bestimmtes
Angebot genannt. Hierzu hätte der Beklagte sich konkret äußern müssen. Auf die Höhe
der Kosten für die somit berechtigte Abmahnung ist nicht zu beanstanden. Da mehrere
Verstöße in Rede stehen, ist der Ansatz eines Streitwertes von 30.000,-- € nicht zu
beanstanden.
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Die Forderung des Klägers ist auch nicht infolge Aufrechnung erloschen. Denn die
Geltendmachung der mit den Abmahnungen verfolgten Unterlassungsansprüche ist als
missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG anzusehen. Ein Rechtsmissbrauch im
Sinne des § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers die
Verfolgung sachfremder Ziele ist. Davon ist bei einer Gesamtbetrachtung aller
Umstände im Zusammenhang mit den Abmahnungen vom 29.06.2010 und 10.08.2010
auszugehen. Hinsichtlich der Abmahnung vom 29.06.2010 fällt auf, dass sie Verstöße
zum Gegenstand hat, die am 12.06.2010, also gerade einmal einen Tag nach
Inkrafttreten der geänderten gesetzlichen Bestimmungen, erkannt worden sind. Dem
Wettbewerber ist damit nicht einmal eine kurze Zeit eingeräumt worden, sein Angebot
auf die Neuregelungen umzustellen. Die einmal festgestellten Verstöße sind dann nicht
sonderlich zügig verfolgt worden, sondern es ist im Schreiben vom 29.06.2010 eine Frist
bis zum 15.07.2010 gesetzt worden. Dieses zeitliche Vorgehen ist für sich genommen
zwar nicht zu beanstanden, bemerkenswert ist aber, dass die Kostenforderung mit
derselben Dringlichkeitsstufe versehen worden ist. Zur Verteidigung des angesetzten –
für sich genommen auch nicht zu beanstandenden – Streitwertes ist dann fälschlich
auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes herangezogen worden, die zu einem
anderen Rechtsgebiet gehört. Nur mit dieser, in Wahrheit Markenrecht betreffenden
Entscheidung ließ sich der vom Beklagten angesetzte "Mittelwert" (vgl. Bl. 150 d.A.)
rechtfertigen. Noch deutlicher zeigt die Abmahnung vom 10.08.2010, dass es dem
Beklagten nicht vorrangig um die Eindämmung unlauterer Wettbewerbspraktiken ging.
Denn mit kaum zu überbietender Deutlichkeit wurde am Ende der Abmahnung selbst
ausgeführt, dass die Abmahnung nur dem Zweck diente, einen
Kostenerstattungsanspruch des Klägers begegnen zu können. Ausdrücklich wird
insoweit erklärt, dass im Falle eines Vergleichs über die Kosten keine
Unterlassungserklärung mehr gefordert werden würde. Dies heißt nichts anderes, als
dass dem Beklagten die Verfolgung der Wettbewerbsverstöße gleichgültig war, solange
er für eigene Verstöße nicht bezahlen musste. Ins Bild passt schließlich, dass der
Beklagte seinen mit der Abmahnung vom 10.08.2010 verfolgten
Unterlassungsanspruch, nachdem der Kläger den Vergleichsvorschlag nicht
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angenommen hatte, nicht mehr weiter verfolgt hat. Da die Geltendmachung der
Unterlassungsansprüche somit als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, besteht auch
kein Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Kosten. Damit
steht dem Beklagten keine aufrechenbare Gegenforderung zu. Die Klage musste daher
Erfolg haben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Bei
der Bemessung des Streitwertes war zu berücksichtigen, dass der Beklagte in erster
Linie die klägerische Forderung selbst in Zweifel gezogen hat. Die sodann erfolgte
Aufrechnung stellt sich damit als streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung dar.
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