Urteil des LG Bochum vom 02.02.2010

LG Bochum (angebot, uwg, kennzeichnung, hersteller, abmahnung, verfügung, antrag, unterlassung, verkehr, bezug)

Landgericht Bochum, I-17 O 159/09
Datum:
02.02.2010
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
17. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-17 O 159/09
Tenor:
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird angeordnet:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer
Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt
wie im f-Angebot mit der Nr. ###### geschehen im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Angebot
von Waren an Verbrauchern im Fernabsatz
1. Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu
verkaufen, die keine dauerhafte Kennzeichnung nach § 7 Elektrogesetz
enthalten, die den Hersteller und/oder Importeuer eindeutig
identifizieren;
und/oder
2. Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu
verkaufen, ohne dabei eine deutsche Bedienungsanleitung der Ware
beizufügen und ohne vorher im Rahmen der Werbung oder des
Angebots darauf hingewiesen zu haben.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsbeklagte 53 %
und die Verfügungsklägerin 47 %.
Der Streitwert wird auf 15.000,- € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Beide Parteien vertreiben Elektroartikel auf der Auktionsplattform f im Internet.
2
Unter der f-Angebotsnummer ####### verwendete die Verfügungsbeklagte in den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu diesem Angebot unter der Ziffer 12.3 die
nachfolgende Klausel:
3
"Ausschließlicher Gerichtsstand ist das Amtsgericht unseres Geschäftssitzes,
soweit der Kunde ein Kaufmann im Sinne des HGB oder eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts ist."
4
Wegen der weiteren Einzelheiten des Angebots wird auf Bl. 37 bis 42 verwiesen.
5
Am 08.11.2009 erwarb die Verfügungsklägerin über die Plattform f von der
Verfügungsbeklagten den digitalen Bilderrahmen mit der Artikelnummer #####. Dieser
Artikel wurde der Verfügungsklägerin am 16.11.2009 geliefert. Das Gerät trägt keinen
Hinweis auf den Hersteller. Ein entsprechender Platz zur Anbringung eines solchen
Hinweises ist auf der Rückseite des Geräts vorhanden. Dem Gerät war eine 9 Seiten
umfassende Bedienungsanleitung in englischer Sprache beigefügt. Ein Hinweis darauf,
dass die Bedienungsanleitung nur in englischer und nicht in deutscher Sprache
beigefügt wird, ist dem Angebot der Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.12.2009 mahnte die Verfügungsklägerin die
Verfügungsbeklagte ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung bis zum 10.12.2009 auf. Die Verfügungsklägerin mahnte dabei
die fehlende Kennzeichnung des Herstellers bzw. Importeurs im Sinne des
Elektrogesetzes, eine fehlende EG-Konformitätserklärung, die fehlende deutsche
Bedienungsanleitung sowie eine unzulässige Gerichtsstandsvereinbarung ab. Wegen
der Einzelheiten des Schreibens vom 03.12.2009 wird auf die Ablichtung Bl. 52 bis 54
Bezug genommen.
7
Nachdem die Verfügungsbeklagte auf die Abmahnung nicht reagierte, hat die
Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 16.12.2009 den Erlass einer einstweiligen
Verfügung beantragt mit dem Ziel, der Verfügungsbeklagten zu untersagen,
8
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem
Angebot von Waren an Verbraucher im Fernabsatz
9
a) Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu verkaufen, die
keine dauerhafte Kennzeichnung nach § 7 Elektrogesetz enthalten, die den
Hersteller und/oder Importeur eindeutig identifizieren;
10
und/oder
11
b) Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu verkaufen,
ohne dabei entweder eine EG-Konformitätserklärung beizufügen oder einen
Hinweis, wo die EG-Konformitätserklärung nachzulesen ist, anzubringen;
12
und/oder
13
c) Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu verkaufen,
14
ohne dabei eine deutsche Bedienungsanleitung der Ware beizufügen;
und/oder
15
d) Waren im Fernabsatzhandel anzubieten und dabei in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu bestimmen, dass ausschließlicher Gerichtsstand das
Amtsgericht ist, wenn dies wie in der Anlage ASt 1 ersichtlich geschieht.
16
Nachdem die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2010 die
Anträge zu b) und d) zurückgenommen hat, beantragt sie,
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der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es
bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes in Höhe bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft
oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Angebot von
Waren an Verbraucher im Fernabsatz
18
Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu verkaufen, die
keine dauerhafte Kennzeichnung nach § 7 Elektrogesetz enthalten, die den
Hersteller und/oder Importeur eindeutig identifizieren;
19
und/oder
20
Waren im Sinne des Elektrogesetzes anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne
dabei eine deutsche Bedienungsanleitung der Ware beizufügen und ohne
vorher im Rahmen der Werbung oder des Angebots darauf hingewiesen zu
haben.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
22
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagte macht geltend, dass die Verfügungsklägerin
rechtsmissbräuchlich handele. Dafür spreche der Umstand, dass die Klägerin in der
Abmahnung vom 03.12.2009 sowie in zwei weiteren Abmahnungen vom 24.09.2009
und 29.01.2010 jeweils überhöhte Gegenstandswerte angegeben habe. Auch hätten
sämtliche Vorwürfe bereits bei der ersten Abmahnung am 24.09.2009 geltend gemacht
werden können. Ferner spreche für einen Rechtsmissbrauch, dass die
Verfügungsklägerin in den eilbedürftig gestellten Abmahnungen die Unterlassung und
die Kostenerstattung gleichermaßen geltend gemacht habe.
24
Die Verfügungsbeklagte rügt ferner, dass die Anträge der Verfügungsklägerin viel zu
unbestimmt seien. Eine Unterlassung könne nur in Bezug auf die Warengruppe, hier
also allenfalls in Bezug auf digitale Bilderrahmen verlangt werden.
25
Hinsichtlich des Antrages zu a) ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass § 7
Elektrogesetz keine zwingende Kennzeichnung auf dem Gerät vorschreibe. Auch sei es
nicht erkennbar, dass das Marktverhalten der Mitbewerber durch die geforderte
Kennzeichnung geregelt werden könne.
26
Im Hinblick auf den Antrag c) ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass eine
Gebrauchsanleitung nicht beigelegt werden müsse.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird Bezug
genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen
Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll.
28
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
30
1.
31
Der von der Verfügungsbeklagten gerügte Rechtsmissbrauch ist im Sinne von § 8 Abs.
4 UWG zur Überzeugung des Gerichts nicht festzustellen. Zwar hat die
Verfügungsklägerin im Rahmen der Abmahnungen vom 24.09.2009 und 03.12.2009
jeweils Geschäftswerte angenommen, die das erkennende Gericht so nicht
übernommen hat. Daraus kann jedoch nicht zwingend auf ein überwiegendes
Gebührenerzielungsinteresse im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG geschlossen werden, weil
die Bemessung der Gegenstandswerte in Wettbewerbssachen bei den verschiedenen
Gerichten durchaus signifikant unterschiedlich ist und so für den Abmahnenden eine
gewisse Unsicherheit besteht, ob der von ihm angenommene Geschäftswert letztlich
von dem jeweiligen Gericht so geteilt wird.
32
Der Verfügungsklägerin kann im vorliegenden Fall auch nicht vorgehalten werden, dass
sie die in den Abmahnungen vom 24.09.2009, 03.12.2009 und 29.01.2010 jeweils
gerügten Verstöße nicht einheitlich in einer Abmahnung vorgebracht hat. Denn die
Verstöße bezogen sich jeweils auf unterschiedliche f-Angebote, und zwar bei der
Abmahnung vom 24.09.2009 auf das f-Angebot Nr. ######, bei der Abmahnung vom
03.12.2009 auf das f-Angebot ##### und bei der Abmahnung vom 29.01.2010 auf das f-
Angebot #######. Zudem sind die Abmahnungen hinreichend zeitlich versetzt.
33
Schließlich spricht auch die Geltendmachung von Eilbedürftigkeit im Hinblick auf die
Unterlassung und auf die Zahlung nicht zwingend für ein überwiegendes
Gebührenerzielungsinteresse. Die gleichzeitige Geltendmachung des
Unterlassungsanspruchs und des entsprechenden Aufwendungsersatzanspruchs in
dem Abmahnschreiben ist in Wettbewerbssachen nicht unüblich und nicht zu
beanstanden. Im Hinblick auf einen drohenden Verlust der Wirkungen der
Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist der Abmahnende stets gehalten, die
Sache zu forcieren.
34
2.
35
Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist im vorliegenden Fall nicht
widerlegt. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie von den hier
gerügten Verstößen erst am 16.11.2009 bzw. am 03.12.2009 Kenntnis erlangt hat. Da
der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 16.12.2009 per Fax bei Gericht
eingegangen ist, ist die Monatsfrist gewahrt.
36
3.
37
Gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11, 5, 5 a UWG kann die Verfügungsklägerin in allen nach der
teilweisen Antragsrücknahme noch relevanten Punkten die begehrte Unterlassung
verlangen.
38
a)
39
Der von der Verfügungsbeklagten vertriebene digitale Bilderrahmen verstößt gegen § 7
Elektrogesetz.
40
Nach § 7 S. 1 Elektrogesetz sind Elektro- und Elektronikgeräte dauerhaft so zu
kennzeichnen, dass der Hersteller eindeutig zu identifizieren ist. Dem Zusammenhang
mit § 7 S. 3 Elektrogesetz kann dabei entnommen werden, dass der Gesetzgeber von
einer Kennzeichnung auf dem Gerät selbst ausgeht. Im Hinblick darauf, dass jedenfalls
auf der Rückseite des von der Verfügungsbeklagten vertriebenen digitalen
Bilderrahmens hinreichend Raum für die erforderliche Kennzeichnung vorhanden ist,
besteht daher keine Veranlassung, hier darauf zu verzichten. Die Verfügungsbeklagte
kann sich folglich nicht darauf berufen, dass der Hersteller auch etwa der Rechnung zu
entnehmen sei.
41
Die fehlende Kennzeichnung und der Verstoß gegen § 7 Elektrogesetz stellt sich auch
als unlautere Handlung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar. Die
Herstellerkennzeichnungspflicht ist Voraussetzung dafür, dass die Altgeräte für die
Zuordnung nach § 14 Abs. 5 S. 7 Elektrogesetz identifiziert werden können. Sie gehört
damit zum System der präventiven Kontrolle nach dem Elektrogesetz, das die
Inanspruchnahme der Kollektivgemeinschaft verhindern soll und folglich
wettbewerbsrechtlich relevant ist (Grotelüschen/Karenfort, BB 2006, 955 ff.). Zudem
ermöglicht die Kennzeichnungspflicht nach § 7 Elektrogesetz erst die Prüfung, ob der
Hersteller nach Maßgabe von § 6 Elektrogesetz registriert und damit die spätere
Rücknahme und Entsorgung des Geräts wirtschaftlich gesichert sind. Damit dient die
Vorschrift auch vor diesem Hintergrund dem Interesse der Allgemeinheit und der
Verbraucher an einer geordneten Entsorgung, mithin einem wichtigen
Gemeinschaftsinteresse. Die Verletzung einer solchen Norm indiziert grundsätzlich die
wettbewerbsrechtliche Unlauterbarkeit im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (vgl.
Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 4 UWG Rdnr. 11.3).
42
b)
43
Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte den digitalen Bilderrahmen nur mit einer
englischsprachigen Bedienungsanleitung vertreibt, ohne auf das Fehlen einer
deutschsprachigen Anleitung hinzuweisen, stellt sich als irreführende Handlung im
Sinne von § 5 Nr. 1 bzw. § 5 a Abs. 2 UWG dar. Bei Elektro- und Elektronikgeräten
erwarten die interessierten Verkehrskreise regelmäßig eine Bedienungsanleitung. Dies
gilt nach Überzeugung des erkennenden Gerichts auch für digitale Bilderrahmen, wie
dem vorliegenden. Dass auch der Hersteller des hier streitgegenständlichen digitalen
Bilderrahmens eine Bedienungsanleitung für notwendig erachtet hat, belegt die
Tatsache, dass er eine solche dem Produkt beigefügt hat. Wird aber herstellerseits eine
gedruckte Bedienungsanleitung für erforderlich erachtet, liegt es nahe, dass bei einem
Vertrieb in Deutschland das Produkt auch mit einer solchen in deutscher Sprache
versehen wird (OLG München OLGR 1999, 78). Eine dahingehende Erwartung hat dann
auch naheliegender Weise der Verkehr. Dieser sieht sich in seiner berechtigten
Erwartung getäuscht, wenn das Produkt nur mit einer englischsprachigen Anleitung
44
vertrieben wird, ohne dass darauf vorher hingewiesen wurde.
Das erkennende Gericht gehört zu den angesprochenen Verkehrskreisen und kann
daher selbst beurteilen, von welchen Vorstellungen der von dem vorliegenden Angebot
angesprochene Verkehr ausgeht.
45
Soweit die Verfügungsklägerin den Antrag zu c) in der mündlichen Verhandlung vom
02.02.2010 abweichend von dem Wortlaut in der Antragsschrift vom 16.12.2009 gestellt
hat, liegt darin keine Antragsänderung, sondern lediglich eine Klarstellung. Insoweit war
das Gericht nach § 139 ZPO im Rahmen seiner Prozessleitung gehalten, auf
sachdienliche Anträge hinzuwirken.
46
4.
47
Die Sachanträge der Verfügungsklägerin sind schließlich auch nicht zu weit gefasst. Die
Unterlassung wettbewerbsrechtlich relevanten Verhaltens kann vom Verletzer nicht nur
im Hinblick auf eine bestimmte Produktart (digitale Bilderrahmen), sondern kann hier
zumindest auch im Hinblick auf eine bestimmte Warengruppe (Elektrogeräte im Sinne
des Elektrogesetzes) verlangt werden.
48
5.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Bei der Bemessung
des Gegenstandswertes hat das Gericht für die ursprünglichen Anträge zu a), b) und c)
jeweils einen Betrag von 4.000,00 EUR und für den Antrag zu d) einen Betrag von
3.000,00 EUR zu Grund gelegt.
50