Urteil des LG Bochum vom 04.12.2008

LG Bochum: treu und glauben, marke, lizenzgebühr, verjährung, herausgabe, anhörung, auflage, anfang, rechtskraft, verzinsung

Landgericht Bochum, 12 O 135/06
Datum:
04.12.2008
Gericht:
Landgericht Bochum
Spruchkörper:
12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 135/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, I-4 U 8/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 326.689,60 € zu zahlen
nebst 8 % Zinsen aus 1.986,37 € vom 01.01.1984 bis zum 02.06.2001
und ab dem 01.01.2003, aus 7.939,80 € vom 01.01.1985 bis zum
02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 23.564,01 € vom 01.01.1986
bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 21.214,42 € vom
01.01.1987 bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 27.440,27
€ vom 01.01.1988 bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus
27.514,05 € vom 01.01.1989 bis zum 02.06.2001 und ab dem
01.01.2003, aus 29.914,72 € vom 01.01.1990 bis zum 02.06.2001 und
ab dem 01.01.2003, aus 33.524,23 € vom 01.01.1991 bis zum
02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 31.662,72 € vom 01.01.1992
bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 27.917,-- € vom
01.01.1993 bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus 23.927,23
€ vom 01.01.1994 bis zum 02.06.2001 und ab dem 01.01.2003, aus
24.835,29 € vom 01.01.1995 bis zum 02.06.2001 und ab dem
01.01.2003, aus 23.592,39 € vom 01.01.1996 bis zum 02.06.2001 und
ab dem 01.01.2003 und aus 21.657,10 € vom 01.01.1997 bis zum
02.06.2001 und ab dem 01.01.2003.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 44 % und die
Beklagte 56 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 588.629,-- € festgesetzt.
T A T B E S T A N D:
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Beide Parteien sind Hersteller von Schneidwaren. Die Beklagte benutzte in den Jahren
1983 bis 1996 auch die zugunsten der Klägerin eingetragene Marke "O". Dieser
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Vorgang war Gegenstand mehrerer zwischen den Parteien geführter
Rechtsstreitigkeiten. Auf die der Klage beigefügten Entscheidungen wird – auch zur
Darstellung des weiteren Streitstandes – Bezug genommen. Durch Urteil des
Oberlandesgerichts Hamm vom 24.06.1997 wurde u.a. festgestellt, dass die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin den aus der Benutzung der genannten Marke entstandenen
Schaden zu ersetzen. Zugleich wurde die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm 4 U
232/96 vom 24.06.1997 verwiesen. Das Urteil ist am 25.08.1998 rechtskräftig geworden.
In der Folgezeit kam es zu Streitigkeiten über die zu erteilende Auskunft. Mit Schreiben
vom 31.05.2001 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Aufstellung über die unter
Verwendung der Marke "O" in den Jahren 1983 bis 1996 erzielten Umsätze. Insgesamt
ergab sich daraus ein Umsatz in Höhe von 57.563.000,-- DM. Auf diese Aufstellung
stützt die Klägerin ihre nunmehr beziffert geltend gemachte Schadenersatzforderung.
Die Klägerin vertritt mit eingehendem weiteren Vorbringen, auf das wegen der
Einzelheiten verwiesen wird, die Auffassung, bei einer Schadensersatzberechnung im
Wege der Lizenzanalogie sei von einer Lizenzgebühr von 2 % auszugehen. Die fiktive
Verletzerlizenz sei darüber hinaus um einen Zinsanteil zu erhöhen. Üblicherweise
würden für verspätete Lizenzzahlungen 8 % Zinsen angesetzt.
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Hilfsweise stützt sich die Klägerin auf den Gedanken der Herausgabe des
Verletzergewinns. Hierzu vertritt die Klägerin die Auffassung, diese erreiche mindestens
die Höhe der Klageforderung.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 588.629,89 € zu zahlen nebst
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8 % Zinsen p.a. aus 3.579,04 € seit dem 01.01.1984,
7
8 % Zinsen p.a. aus 14.305,95 € seit dem 01.01.1985,
8
8 % Zinsen p.a. aus 42.457,68 € seit dem 01.01.1986,
9
8 % Zinsen p.a. aus 38.224,18 € seit dem 01.01.1987,
10
8 % Zinsen p.a. aus 49.441,92 € seit dem 01.01.1988,
11
8 % Zinsen p.a. aus 49.574,86 € seit dem 01.01.1989,
12
8 % Zinsen p.a. aus 53.900,39 € seit dem 01.01.1990,
13
8 % Zinsen p.a. aus 60.404,02 € seit dem 01.01.1991,
14
8 % Zinsen p.a. aus 57.049,95 € seit dem 01.01.1992,
15
8 % Zinsen p.a. aus 50.300,90 € seit dem 01.01.1993,
16
8 % Zinsen p.a. aus 43.112,13 € seit dem 01.01.1994,
17
8 % Zinsen p.a. aus 44.748,26 € seit dem 01.01.1995,
18
8 % Zinsen p.a. aus 42.508,81 € seit dem 01.01.1996,
19
8 % Zinsen p.a. aus 39.021,80 € seit dem 01.01.1997
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zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt – gleichfalls mit eingehendem weiteren Vorbringen, auf das wegen
der Einzelheiten verwiesen wird – die Auffassung, unter dem Gesichtspunkt der
Lizenzanalogie käme kein Schadensersatz oder ein solcher von allenfalls 2.500,-- € in
Betracht. Denn die Beklagte ist der Auffassung, vernünftige Kaufleute in der damaligen
Situation wären übereingekommen, für die Benutzung des Zeichens "O" überhaupt
keine Vergütung oder allenfalls in Form einer einmaligen Pauschale in Höhe von
2.500,-- € zu zahlen. Bei einer Stücklizenz wären allenfalls 0,05 % festgesetzt worden.
Üblich sei darüber hinaus ab einer Umsatzgrenze von 1 Mio. DM eine Degression der
Lizenzgebühren zu vereinbaren. Als Zinssatz wäre allenfalls ein solcher von 5 %
vereinbart worden.
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Im Hinblick auf die nach Rechtskraft des Feststellungsurteils angefallenen Zinsen bis
einschließlich zum 31.12.2002 erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Sie
vertritt weitergehend die Auffassung, den seit Anfang Juni 2001 entstandenen
Zinsansprüchen stünden die Schadensminderungspflicht der Klägerin gemäß § 254
BGB bzw. die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB entgegen. Auch unter
dem Gesichtspunkt der Herausgabe des Verletzergewinns sei der klägerische Anspruch
unbegründet. Letztlich sei kein Anteil des von der Beklagten erzielten Umsatzes bzw.
Gewinns der Benutzung des Zeichens zuzurechnen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Sachverständigen und durch die Anhörung des Sachverständigen im Termin vom
23.09.2008. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen
Stellungnahmen des Sachverständigen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
23.09.2008 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den
Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die
Sitzungsniederschriften ergänzend verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
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Die Klage ist nur teilweise begründet.
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Auf Grund der rechtskräftigen Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten war
im vorliegenden Verfahren nur über die Höhe des zu ersetzenden Schadens zu
befinden. Hinsichtlich der Berechnung des Schadensersatzes hat die Klägerin vorrangig
den Weg der Lizenzanalogie gewählt. Damit war festzustellen, was bei vertraglicher
Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer
gezahlt hätte, wenn beide Parteien die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene
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Sachlage gekannt hätten (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage § 14 Rndr. 274
m.w.N.). Bei der Bemessung der Höhe sind insbesondere der Bekanntheitsgrad und der
Ruf der Marke, das Maß der Verwechslungsgefahr und die Dauer der
Verletzungshandlungen zu berücksichtigen. Die geschuldete Lizenzgebühr ist unter der
Berücksichtigung der genannten Umstände gem. § 287 ZPO vom Gericht zu schätzen
(vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 209). Die Kammer schätzt die fiktiv
anzusetzende Lizenz auf 1,31 % für Umsätze in den Bereichen, in denen die Marken der
Klägerin Schutz genossen. Damit folgt die Kammer den Angaben des Sachverständigen
Dr.-Ing. I. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Beklagte vor und auch nach der
mündlichen Anhörung des Sachverständigen in erheblichem Umfang Einwände gegen
dieses Ergebnis erhoben hat. Bei dem Sachverständigen handelt es sich aber um einen
seit mehreren Jahren auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes tätigen,
öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter. Auch wenn der Sachverständige über
vergleichsweise wenige eigene Erfahrung durch Auswertung von Lizenzverträgen
verfügt, so hat er doch den Gesamtzusammenhang, aus dem seine Kenntnisse und
Erfahrungen herrühren, deutlich gemacht. Insbesondere hat er sich bei der Erstellung
des Gutachtens eingehend mit der Fachliteratur auseinandergesetzt. Seine schriftlichen
Ausführungen und insbesondere der Weg, auf dem er zu seinen Erkenntnissen gelangt
ist, sind für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. In seiner mündlichen
Anhörung hat er sich sachgerecht mit den vorgebrachten Argumenten der Beklagten
auseinandergesetzt und sein Gutachten weiter verdeutlicht. Er hat insbesondere klar
gestellt, warum er sich in einer ersten Näherung einer Analogie zu den Lizenzgebühren
bei technischen Schutzrechten bedient hat. Die von dem Sachverständigen gewählte
Berechnungsformel mag nicht die einzige sein, die in Betracht kommt, die Kammer hat
aber nach den Angaben des Sachverständigen keine Zweifel, dass diese Formel
sachgerecht ist.
Die vom Sachverständigen genannten Lizenzprozentsätze passen sich auch in die
Spannbreite der sonst für üblich gehaltenen Lizenzsätze ein. So sollen die üblichen
Lizenzsätze häufig zwischen 1 und 5 %, bei sehr bekannten Marken auch deutlich
darüber liegen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 14 Rdnr. 278). Der vom
Sachverständigen angesetzte Prozentsatz macht auch nur einen Bruchteil des Satzes
aus, den die Beklagte selbst bei einer Lizenzierung ihrer Marke verlangt.
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Insgesamt hat sich die Kammer daher bei der von ihr vorzunehmenden Schätzung an
den Angaben des Sachverständigen orientiert. Die Kammer folgt dem Sachverständigen
auch insoweit, dass weder eine Einmalzahlung noch eine negative Abstufung der
Lizenzgebühr vereinbart worden wäre.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte einen
erheblichen Teil ihres Umsatzes durch Verkauf in die USA erzielt hat. Erstmals im
Schriftsatz vom 15.10.2008 hat die Klägerin den Umstand des Exports in die USA oder
zumindest dessen Umfang bestritten. Zuvor ging es neben der rechtlichen Bewertung
lediglich um den von Wiederverkäufern erzielten Umsatz. Es kann dahin stehen, ob
dieses Bestreiten im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
zulässig und substantiiert ist. Denn jedenfalls ist es verspätet und rechtfertigt nicht die
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Ob auch die Voraussetzungen eines
gerichtlichen Geständnisses gem. § 288 ZPO vorliegen, braucht demnach schon nicht
mehr entschieden zu werden. Für den Teil des Umsatzes, der sich auf zwar von
Deutschland aus verkaufte und berechnete, aber letztlich in den USA auf den Markt
gebrachten Waren bezieht, hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass
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vernünftige Kaufleute eine Reduzierung des Lizenzprozentsatzes um 50 % auf 0,65
vereinbart hätten.
Auf dieser Basis ergeben sich folgende Einzelbeträge:
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1983 1.986,37 €
35
1984 7.939,80 €
36
1985 23.564,01 €
37
1986 21.214,42 €
38
1987 27.440,27 €
39
1988 27.514,05 €
40
1989 29.914,72 €
41
1990 33.524,23 €
42
1991 31.662,72 €
43
1992 27.917,-- €
44
1993 23.927,23 €
45
1994 24.835,29 €
46
1995 23.592,39 €
47
1996 21.657,10 €.
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Neben der Lizenzgebühr kann die Klägerin auch eine angemessene Zinszahlung
verlangen. Die Kammer geht dabei davon aus, dass in den Lizenzverträgen für den Fall
nicht rechtzeitiger Zahlungen eine Verzinsung in Höhe von mindestens 8 % vereinbart
worden wäre. Die langjährige Praxis einer Kammer für Handelssachen zeigt, dass für
verspätete Zahlungen in Verträgen regelmäßig eine Verzinsung von mehr als 8 %
festgelegt wird.
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Zu berücksichtigen war allerdings, dass ein Teil der Zinsforderung bereits verjährt ist. Im
Ausgangspunkt zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass es sich bei den nach der
Rechtskraft des Feststellungsurteils des Oberlandesgerichts Hamm angefallenen
Zinsen um wiederkehrende Leistungen handelt, für die nach der alten wie der neuen
Fassung des BGB verkürzte Verjährungsfristen gelten. Der Verjährung unterliegen
können somit grundsätzlich die Zinsen, die zwischen dem 25.08.1998 und dem
31.12.2002 fällig geworden sind. Zu berücksichtigen war aber auch, dass die Beklagte
erst Anfang Juni 2001 die geschuldeten Auskünfte erteilt und somit der Klägerin erst
eine Bezifferung ihrer Ansprüche ermöglicht hat. Zumindest nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben kann sich die Beklagte daher für einen Zeitraum vor dem 02.06.2001
nicht auf Verjährung berufen. Wegen Verjährung unberücksichtigt blieb daher nur die
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Zeit vom 03.06.2001 bis zum 31.12.2002.
Den Einwand der Verwirkung kann die Beklagte dagegen nicht mit Erfolg erheben.
Denn sie war zum Schadensersatz verpflichtet und sie hätte es in der Hand gehabt, von
sich aus an die Klägerin eine angemessene Zahlung zu leisten, so dass dann auch die
beanstandete Zinspflicht verfallen wäre.
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Der Klage war somit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben und im
übrigen abzuweisen.
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Soweit die Klägerin sich für den hier gegebenen Fall einer teilweisen Zurückweisung
ihrer Forderung hilfsweise auf die Herausgabe des Verletzergewinns berufen hat, kann
ihr auch diese Berechnungsmethode keinen weitergehenden Erfolg verschaffen. Denn
auch die Klägerin verkennt nicht, dass gem. § 287 ZPO geschätzt werden müsste, in
welchem Umfang der vom Verletzer erzielte Gewinn gerade auf der
Schutzrechtsverletzung beruht. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass sich
der ausschließlich auf der Benutzung eines fremden Kennzeichens beruhende Teil des
Gewinns mit dem deckt, was vernünftige Kaufleute als Gebühr für die Gestattung der
Benutzung des Zeichens vereinbart hätten. Das Ergebnis unterscheidet sich mithin nicht
von dem bei der Lizenzanalogie.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.
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