Urteil des LG Bielefeld vom 27.04.2010

LG Bielefeld (los, höhe, treu und glauben, bieter, ausschreibung, einheitspreis, apotheke, auslegung, anlage, pos)

Landgericht Bielefeld, 9 O 8/09
Datum:
27.04.2010
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 8/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.016.471,59 € (in Worten:
Viermillionensechszehntausendvierhunderteinundsiebzig 59/100 Euro)
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf
3.894.639,87 € seit dem 2.5.2007 sowie auf 121.831,72 € seit dem
1.12.2007 zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 10 % und die
Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Beklagte seinerzeit noch firmierend als Z. – errichtete in der Zeit von 2004 bis 2008
das Großbauvorhaben Neubau des J. Klinikums in N.. Nach Durchführung einer
öffentlichen Ausschreibung erteilte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage des
Angebotes vom 12.11.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 07.04.2005 den
Auftrag zur Durchführung der Rohbauarbeiten. Die Arbeiten umfassten die Lose
"Funktionstrakt und Bettenhäuser" (Los 040.1), "Eltern-Kind-Zentrum" (Los 040.2), sowie
"Küche / Lager" (Los 040.3) mit einer Bruttoauftragsumme von insgesamt 21.712.802,62
€. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B sowie Besondere und Zusätzliche
Vertragsbedingungen. Wegen der Einzelheiten der Vertragsgestaltung wird auf die
Zuschlagsschreiben (Anlagen K 1 A, K 1 B und K 1C zur Klageschrift) sowie das
Vertrags-Leistungsverzeichnis und die Vertragsbedingungen (Anlagen K 2A, K 2B und
K 2C) verwiesen. Auf das Nachtragsangebot der Klägerin vom 08.05.2006 erweiterte die
Beklagte unter dem 12.05.2006 den Auftrag um die Rohbauarbeiten an der Apotheke
mit einer Bruttoauftragssumme von 648.140,55 € (Anlagen K 3) und um zusätzliche
Leistungen (Anlage K 4).
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In den Leistungsverzeichnissen für die Lose 1 bis 3 sind für die Rohbauarbeiten die
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relevanten Bestimmungen zum Bausoll gleichlautend beschrieben. Im Titel "Beton- und
Stahlbetonarbeiten" findet sich jeweils folgende Beschreibung der Pos. Fertigteildecke
H 3-4 m (Filigran):
"Hinweis:
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Bei der Deckenkonstruktion handelt es sich um Flachdecken mit einer Gesamtdicke von
23 + 7 = 30 cm und 29 + 7 = 36 cm Dicke in den Stahlfestigkeitsklassen C 30/37. Die
Elemente bestehen aus einem 7 cm dicken Betonfertigteil mit einbetonierten
Gitterträgern und werden mit Breiten bis 2,50 m eingesetzt. Die erforderliche
Durchstanzbewehrung wird werksseitig in die Elementplatte eingebaut. ... Die
erforderliche Querbewehrung ist auf den Fertigteilen als Stabstahlbewehrung zu
ergänzen. ...
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Fertigteildecke H 3-4 m (Filigran)
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Decken aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung einschl. Beischalung,
Montageunterstützung und Gitterträger o.ä. im Fertigteil. Die Bewehrung einschl. der
statisch anrechenbaren Bewehrung aus Gitterträgern ca 10 kg/m2 ist einzurechnen.
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Der Ortbeton wird gesondert vergütet. ...
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Deckenstützweiten unterschiedlich, entsprechend den jeweiligen Gebäudeachsen, 3,60
bis 7,20 m. ...
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Vorbeschriebene Statik beinhaltet auch die durch den AN zu erstellende (umzurechnen)
Statik und die Prüfstatik durch den mit dem Gesamtbauvorhaben beauftragten
Prüfstatiker."
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Die Klägerin bot hierauf einen Einheitspreis von 19,85 €/m2.
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Die nachfolgenden Positionen umfassen u.a. in sieben weiteren LV-Positionen die
Durchstanzbewehrung sowie Betonstahl / Fertigteile "Betonstahl, Stäbe, Listenmatten,
Lagermatten (sonstige Fertigteile)", z.B. mit einer vorgegebenen Masse von 192 to. beim
Los 1 sowie Betonstabstahl.
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Die Beklagte nahm die Rohbauarbeiten am 11.12.2006 ab (Anlagen K 5A - D) und die
Klägerin erstellte Schlussrechnungen getrennt nach Losen in einer Gesamthöhe von
29.805.113,36 € (Anlagen K 6 – K 9). Die Beklagte stellte nach Prüfung zunächst eine
Werklohnforderung von 24.359.466,34 € brutto fest. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Prüfungsfeststellungen vom 02.04. / 08.05.2007 (Anlagen K 10 bis K 13) verwiesen.
Später korrigierte sie das Prüfergebnis um 182.336,84 € zzgl. MwSt., also 211.510,73 €
brutto zugunsten der Klägerin.
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Die Klägerin mahnte den von ihr errechneten Schlussrechnungsbetrag für die Lose 1 bis
3 mit Anwaltsschreiben vom 02.05.2007 unter Fristsetzung auf den 07.05.2007 an. In
einer Besprechung am 30.05.2007 anerkannte die Beklagte außerdem 136.345,09 €
brutto, die Klägerin verzichtete auf Beträge von 71.753,91 € und 853.533,82 € brutto und
berechnete den Werklohn nunmehr mit 28.684.219,21 € brutto. Die Beklagte holte zur
Auslegung des Leistungsverzeichnisses eine Stellungnahme des Privatgutachters Prof.
Dr. Ing. W. ein. Aufgrund der Stellungnahme vom 18.06.2007, auf die wegen der
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Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage B 13), prüfte die Beklagte den
Werklohnanspruch der Klägerin erneut und kürzte ihre Feststellungen um 1.102.202,38
€ netto = 1.278.554,60 € brutto.
Während des Rechtsstreits haben die Parteien außergerichtliche Vergleichsgespräche
geführt. Unter dem 23.09. / 30.09.2009 haben sie einen Anwaltsvergleich nach § 796 a
ZPO abgeschlossen und sich über sämtliche streitgegenständlichen Forderungen und
Gegenforderungen geeinigt mit Ausnahme der nachfolgend aufgelisteten Forderungen
der Klägerin:
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1. Mehrforderung nach Ziffer II.7. und II.8 der Klageschrift in Höhe von 2.090.942,86 €
bzw. 665.416,12 € brutto,
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2. Mehrforderung nach Ziffer II. 18 der Klageschrift aus Pos. 05.600 des
Leistungsverzeichnisses Apotheke in Höhe von 20.080,28 € brutto
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3. Kürzung der Schlussrechnung aufgrund der Stellungnahme von Prof. Dr. Ing. W. in
Höhe von 1.278.554,76 € brutto.
18
Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage B 36 mit Schriftsatz vom 15.10.2009 zu
den Akten gereichten Vergleich (Bl.195-198 d,A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin verlangt nunmehr noch 3.894.639,86 € für die Lose 1 bis 3 und 121.831,72
€ für das Los "Apotheke". Wegen der Berechnung wird auf die "Herleitung der
Klageforderung nach Teilvergleich" (Anlage zur e-mail vom 26.04.2010, Bl. 274 – 276
d.A.) verwiesen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass in dem Leistungsverzeichnis unter der Position
"Fertigteildecke" mit dem Einheitspreis von 19,85 € / m2 weder die
Durchstanzbewehrung noch die Biegezug- oder die Querbewehrung im Ortbeton
abzurechnen seien. Die Kürzungen um 1.802.536,95 € netto aus dem
Schlussrechnungspositionen 05.790, 05.930 (Los 1), 05.730 (Los 2) und 05.640 (Los 3)
seien unberechtigt. Das Gleiche gelte für die Kürzungen der
Schlussrechnungspositionen 05.780, 05.800, 05.810, 05.920, 05.940, 05.950 (Los 1),
05.720, 05.740, 05.750 (Los 2), 05.630, 05.650 (Los 3) und 5.590 (Apotheke) für
Stabstahl in Höhe von zunächst 573.634,59 € netto und später weiteren 1.102.202,38 €
netto. Die Biegezugbewehrung mit einem Gewicht von – unstreitig – 17,5 kg/m2 sei
unter der LV-Position "Betonstahl / Fertigteile" abzurechnen, die Durchstanzbewehrung
unter den hierfür vorgesehenen LV-Positionen. Die Querbewehrung sei unter der LV-
Position "Stabstahl" abzurechnen. Das Leistungsverzeichnung unterscheide zum
Zwecke der Kalkulation insbesondere zwischen dem 7 cm starken Betonfertigteil und
den Gitterträgern einerseits und der Biegezug- und Durchstanzbewehrung andererseits.
Die Anordnung, die Bewehrung "einzurechnen", sei daher dahin zu verstehen, dass die
Bewehrung bei der statischen Berechnung anzusetzen sei und zwar mit einem Wert von
10 kg/m2 für die Gitterträger. Diese Auslegung ergebe sich insbesondere bei
Berücksichtigung der Anforderungen an öffentliche Ausschreibungen nach § 9 VOB/A,
da die Stahlmengen ohne die – unstreitig – bei Abgabe der Angebote fehlende
Ausführungsplanung nicht habe berechnet werden können.
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Die Klägerin hat zunächst beantragt,
22
die Beklagte zu verurteilen,
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1. an sie 4.896.312,78 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 02.05.2007 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe einer
Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 841.892,58 €,
2. an sie weitere 58.296,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab dem 10.04.2007 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe
einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 18.633,99 €,
3. an sie weitere 143.760,70 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2007 zu zahlen.
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25
Nach Abschluss des Vergleiches beantragt sie nunmehr,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. an sie 3.894.639,87 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 02.05.2007 zu zahlen,
2. an sie weitere 121.831,72 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab dem 10.04.2007 zu zahlen.
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Im Übrigen erklärt sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
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Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und beantragt im übrigen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen von Prof. W. (Anlagen B
13 und B 38, 39), die Biegezugbewehrung und die Querbewehrung im Ortbeton seien –
anders als die Durchstanzbewehrung - mit der Position "Fertigteildecke" abzurechnen.
Der Ausschreibungstext sei eindeutig. Sie behauptet hierzu, die Formulierung
"einzurechnen" sei in Leistungsverzeichnissen gebräuchlich und im Sinne von
"einzukalkulieren" zu verstehen. Der Positionstext im Zusammenhang mit der DIN 1045
enthalte für die Bieter ausreichende Angaben, um die erforderliche Stahlmenge zu
errechnen. Die Durchstanzbewehrung sei im Leistungsverzeichnis gesondert erfasst, da
es sich hier um ein Sonderbauteil handele. Die Beklagte ist der Auffassung, die Position
für Betonstahl / Fertigteile (z.B. 05.790 Los 1 / Funktionstrakt) erfasse lediglich
Betonstahl für "sonstige Fertigteile", also nicht die umfangreichen Fertigteildecken.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen
Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. Ing. L. aus Essen sowie schriftliche
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Gutachtenergänzung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 28.04.2009 (Bl. 178-180 d.A.) und die schriftlichen Ergänzungen
vom 15.04.2009 (Bl.169-171 d.A.), 28.04.2009 (Bl.181 f. d.A.) und vom 15.02.2010
verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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A.
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Die mit dem Abschluss des Anwaltsvergleichs nicht erledigte Klage ist zulässig und
begründet.
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I.
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Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn gemäß § 631 Abs.1 BGB in
Höhe von 3.894.639,87 € aus den Losen 1 bis 3 und von 121.831,72 € aus dem
Nachtragsauftrag "Apotheke".
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1.) Die Klägerin hat die Biegezugbewehrung in den Fertigteildecken in den korrekten
Positionen der Leistungsverzeichnisse abgerechnet.
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Die Leistungspositionen "Fertigteildecken" mit dem Einheitspreis von 19,85 € / m2
umfassen nicht die Biegezugwehrung.
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Bei der Auslegung des Leistungsverzeichnisses kommt es darauf an, wie das
Vertragswerk nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte aus der Sicht eines
objektiven Erklärungsempfängers zu verstehen ist (Kniffka, ibr-online-Kommentar,
Stand: 26.05.2009, § 631, Rn.525). Hier ist das Verständnis von Technikern
entscheidend, da Erklärungsempfänger der Ausschreibung die technisch ausgebildeten
Bieter waren.
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Nach den Erläuterungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. L. ergibt sich aus der
Ausschreibung für den Fachmann, dass der Bewehrungsanteil (Biegezugbewehrung,
Durchstanzbewehrung, Querbewehrung) nach den Stahllisten (z.B. Pos. 05.700 ff. des
Loses 1 / Funktionstrakt) abzurechnen ist.
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Die Biegezugbewehrung sollte gesondert unter den Positionen für Betonstahl (z.B.
05.790 in Los 1 / Funktionstrakt) abgerechnet werden. Die Formulierung in der
Leistungsposition "Fertigteildecken", die Bewehrung sei einzurechnen, ist entgegen der
Behauptung der Beklagten nicht üblich und für Techniker auch nicht so zu verstehen,
dass die Bewehrung in den Einheitspreis der Fertigteildecken einzubeziehen sei.
Vielmehr kann die Klausel aus technischer Sicht aus dahin verstanden werden, dass
der Auftragnehmer hierin aufgefordert werde, die Statik nach deren Vorlage durch den
Auftragnehmer auf die Bewehrung umzurechnen. Die Ausführungen des
Sachverständigen sind verständlich und nachvollziehbar. Das Gericht folgt ihnen in
vollem Umfang, zumal in der Leistungsposition "Fertigteildecken" lediglich die
Gitterträger erwähnt werden. Die fehlende Erwähnung der Durchstanz- und der
Biegezugbewehrung, die ein größeres Gewicht haben als die Gitterträger, wäre nicht
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nachvollziehbar, wenn man der Interpretation der Beklagten folgte.
Der Sachverständige hat seine Auffassung überzeugend begründet. Zum einen hat die
Beklagte die Durchstanzbewehrung unstreitig etwa in den Positionen 05.700 ff. des
Leistungsverzeichnisses zu Los 1 / Funktionstrakt gesondert ausgeschrieben. Dies wäre
nicht notwendig gewesen, wenn alle Bewehrungsbestandteile in der Pos. 05.540
enthalten sein sollten. Ein Unterschied zwischen der Durchstanzbewehrung und der
Biegezugbewehrung, die es nahelegen würde, die Erstgenannte gesondert
auszuschreiben und die Letztgenannte nicht, besteht nicht. Die gesonderte
Ausschreibung allein der Durchstanzbewehrung ist entgegen der Auffassung der
Beklagten (und ihres Privatgutachters) insbesondere nicht aufgrund der DIN 18331 als
sog. "Einbauteil" oder "Sonderbauteil" gerechtfertigt. Denn die DIN 18331 kennt keinen
Begriff "Sonderbauteil" und um ein "Einbauteil" handelt es sich bei der
Durchstanzbewehrung ebenfalls nicht. "Einbauteile" im Sinne der DIN 18331 sind
demnach etwa Schienen oder Isokörbe, die lediglich eine Nutzungsfunktion haben,
während die Decke auch ohne Einbauteile statisch bestehen könnte. Die
Durchstanzbewehrung hat hingegen eine konstruktive Funktion und besteht aus dem
gleichen Stahl wie die übrige Bewehrung. Schließlich ist sie auch in der
Bemessungsnorm für Betonbau, DIN 1045 Teil 1 erwähnt. Ein "Einbauteil" ist die
Durchstanzbewehrung entgegen der Ansicht der Beklagten (und ihres Privatgutachter)
auch nicht deswegen, weil sie unstreitig industriell vorgefertigt ist. Denn auch der
Betonstabstahl und die Stahlmatten sind unstreitig industriell vorgefertigt.
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Für den Betonstahl sieht das Leistungsverzeichnis in Los 1 eine von der Auftraggeberin
ermittelte Menge von 192 to. vor, die sich nach den Ausführungen des
Sachverständigen nicht erklären lassen, wenn die Biegezugbewehrung unter dieser
Position nicht abgerechnet werden sollte.
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Insbesondere spricht folgender Umstand für die Auslegung der Klägerin: Bei der hier
vorliegenden Ausschreibung nach VOB/A darf der Bieter grundsätzlich eine nach § 9
VOB/A konforme Ausschreibung erwarten (Kniffka, a.a.O., Rdnr.533). Nach DIN 18331
ist für eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung nach § 9 VOB/A erforderlich, dass
in der Leistungsbeschreibung Angaben zu Anzahl, Art und Maßen der Bauteile bzgl.
Beton, Schalung und Bewehrung gemacht werden. In der Leistungsposition
"Fertigteildecken" sind lediglich Angaben über die Gitterträger zu finden, so dass
Angaben zu den übrigen Bestandteilen der Bewehrung an anderer Stelle im
Leistungsverzeichnis, nämlich hier in den entsprechenden Positionen des
Leistungsverzeichnisses für Betonstahl, aufgenommen wurden. Eine Regelung
dergestalt, dass die Bewehrung mit einzukalkulieren sei, hätte, wie der Sachverständige
weiter ausführt, vorausgesetzt dass die auftraggeberseitig zu erstellende Statik dem
Auftragnehmer bereits im Zuge der Angebotskalkulation vorgelegen hätte. Dies war
unstreitig nicht der Fall. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
ist es einem Bieter nicht ohne Weiteres möglich, die erforderlichen Stahlmengen im
Zuge der Angebotsbearbeitung mal eben hinreichend genau abzuschätzen. Es gibt
zwar in der DIN 1055 Lastannahmen, die als Grundlage in eine statische Berechnung
einfließen können, der Bieter kennt
einer bestimmten beabsichtigten Nutzung ergeben. Im Termin hat der Sachverständige
ergänzend ausgeführt, dass sich die Bewehrung aus dem Eigengewicht der Decke und
der Verkehrsbelastung errechnet. In der DIN 1055 sind für die Frage der
Verkehrsbelastung bestimmte Standardannahmen getroffen. Im Krankenhausbau sind
aber gerade Sondernutzungen üblich, zu denen es bei Angebotsabgabe keine
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konkreten Informationen gibt. Dem Bieter ist auch das Tragsystem (Spannrichtungen
u.ä.) unbekannt, das Einfluss auf die Bemessung der Bewehrung hat. In der
Leistungsposition "Fertigteildecken" sind Deckenstützweiten "entsprechend den
Gebäudeachsen 3,60 bis 7,20 m" vorgesehen. Bei einer Verdopplung der Spannweite
der Filigrandecken vervielfacht sich jedoch die Last. Mit der Ermittlung überschlägiger
Standardbewehrungsgrade sei es demzufolge nicht getan. Vielmehr seien die
unterschiedliche Verhältnisse vor Ort zu berücksichtigen, um sichere
Bewehrungsmassen zu ermitteln. Dementsprechend sei es sinnvoll, dies analog der
Stahllisten abzurechnen. Andernfalls hätte der Bieter – wenn man der Auslegung der
Beklagten folgt - zunächst die Aufgabe des Bauherrn (Statik) zu erledigen. Die Beklagte
hätte sich die Beauftragung eines Prüfstatikers ersparen können. Der Bieter hätte zur
Zeit der Angebotserstellung außerdem einen Teil des Wissens des Auftraggebers
haben müssen.
Der Sachverständige hat in seinen mündlichen Ausführungen im Termin außerdem
darauf hingewiesen, dass auch der von der Klägerin. berechnete Einheitspreis von
19,85 € für einen Quadratmeter Fertigdecke sich lediglich auf den Beton beziehe, die
Bewehrung aber nicht enthalte. Der Einheitspreis im Standardwerk vom Plümecke für
eine vergleichbare Decke ohne Bewehrung bewege sich bei 20,58 € / m2. Bei
Berücksichtigung der Biegezugbewehrung von 17,5 kg/m2 steige der Preis um 11 € /m2.
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2.) Die Klägerin hat ferner die Querbewehrung korrekt abgerechnet.
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Auch die Querbewehrung ist nicht Gegenstand der Leistungspositionen
"Fertigteildecke". Nach dem überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist
die Querbewehrung im Ortbeton ein ganz normaler Bestandteil der Bewehrung, die aus
Stabstahl hergestellt wird. Die Querbewehrung wird nur deshalb erforderlich, weil die
Konstruktion aus Fertigteilelementen mit Ortbetonergänzung besteht. Die
Querbewehrung ist damit kein Bestandteil der und unter "Fertigteildecke"
abgerechneten Filigranplatten, sondern Bewehrungsbestandteil der Ortbetonergänzung.
Der Ortbeton – so heißt es etwa unter Pos. 05.540 des Leistungsverzeichnisses zu Los
1 / Funktionstrakt - wird jedoch gesondert vergütet.
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Die Ausführungen des Privatgutachters Prof. Ing W., selbst die Querbewehrung sei unter
"Fertigteildecken" abzurechnen (Anlage B 13), die ausschließlich auf für ihn
fachfremden Überlegungen zu Satzbau und Grammatik beruhen, vermögen
demgegenüber nicht zu überzeugen.
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Die Formulierung "Decken aus Fertigteilen mit Ortbetonergänzung" in der
Positionsbeschreibung der Fertigteildecken ist demgegenüber kein Grund, die
Ortbetonergänzung als Bestandteil der Fertigelemente zu begreifen. Hier handelt es
sich nach den Erläuterungen des Sachverständigen im Termin lediglich um eine
Systembezeichnung.
53
II.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 291, 288 BGB. Zinsen sind bzgl. des
Restwerklohnanspruchs für die Apotheke lediglich ab Rechtshängigkeit zu zahlen, da
eine Mahnung des Schlussrechnungsbetrages insofern nicht vorgetragen worden ist.
55
III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs.1, 91 a, 709 ZPO.
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