Urteil des LG Bielefeld vom 11.05.2010

LG Bielefeld (geistige schöpfung, kläger, zeitschrift, sammelwerk, datenbank, veröffentlichung, anlage, örtliche zuständigkeit, juristische person, urheberrecht)

Landgericht Bielefeld, 4 O 292/06
Datum:
11.05.2010
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 292/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger ist Professor für Mathematik an der Fakultät für Mathematik der Universität
B.. Die Beklagte ist ein Verlagshaus für wissenschaftliche Publikationen. Am
22.11.1985 schloss der Kläger einen Vertrag mit der R. P. Company in D., Holland, mit
dem er zum Herausgeber der Zeitschrift "K-T." wurde (Anlage K1). Ziff. 1 der Additional
provisions lautet: "Should R. inform the Editor that it is unable to continue to publish the
journal because of insolvency, or should R. fail to publish an issue of the journal within a
period of 12 months, despite a sufficiency of accepted contributions, then the goodwill
and copyright both to the title and the contributions to the journal will be transferred to the
Editor forthwith.” Bei Vertragsabschluss war an eine Online-Veröffentlichung weder
gedacht noch eine solche vorausgesetzt noch in Aussicht genommen worden; die
Zeitschrift sollte als Druckwerk erscheinen. Der Kläger stellte den Beirat der Zeitschrift
zusammen und sammelte Manuskripte, die er einem Begutachtungsverfahren unterwarf,
in dem mindestens zwei Gutachten von zwei fachlich ausgewiesenen Gutachtern
eingeholt wurde. Danach entschied er, manchmal noch nach weiterer Rücksprache mit
dem fachkompetenten Mitglied des Beirats, über die Annahme des Manuskripts und
sandte dieses an den Verlag in D.. Dieser stellte einen Drucksatz her, ließ diesen von
den Autoren Korrektur lesen, arbeitete sodann die Korrekturen ein und stellte eine zum
Druck geeignete Ausfertigung her. Diese wurde sodann an den Kläger versandt, der
schließlich entschied, in welchem Heft ein Manuskript in welcher Reihenfolge
erscheinen sollte, und dieses dem Verlag in D. mitteilte.
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In der Folgezeit wurde der Verlag R. von K. A. Publishers B.V. in D. übernommen. Im
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Jahr 1996 begannen Online-Veröffentlichungen von Artikeln.
Im Laufe des Jahres 2003 wurde die Kommunikation zwischen Verlag und Kläger
zunehmend angespannt. Im November 2003 wurden seitens des Verlags
Verhandlungen über einen neuen Vertrag initiiert, der – ausweislich eines am
03.12.2003 gefaxten Vertragsentwurfs vom 10.11.2003 (Anlage K7/K7a) – auch Online-
Veröffentlichungen einschloss.
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Im Februar 2004 fusionierte S. mit K. A. Publishers; die Produktion der Zeitschrift
verblieb in D.. In den Niederlanden firmiert S. seitdem unter S. S. + B. M. B.V.
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Die Verhandlungen über einen neuen Vertrag wurden aktiv bis Ende April 2004
betrieben, führten jedoch nicht zum Abschluss eines neuen Vertrags. Der Kläger
stimmte Online-Veröffentlichungen nie ausdrücklich zu und der Verlag informierte den
Kläger nicht über solche.
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Artikel aus der Zeitschrift werden jedenfalls seit Oktober 2004 auf der von der Beklagten
betriebenen Internet-Seite www.S.link.com veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine
aus über 1 Mio. Artikeln aus über 1.700 Zeitschriften der S.-Gruppe bestehende
Datenbank mit Suchmaschine.
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Im Laufe der Jahre 2004/2005 kam es zu Verzögerungen bei Herstellung und
Veröffentlichung der Zeitschrift. Zum einen beklagte sich der Kläger über Verspätungen
in der Produktion, zum anderen beklagte man sich seitens des Verlags u.a. über die
verzögerte und willkürliche Einsendung von Manuskripten durch den Kläger und dass
man auf eine Antwort zur Freigabe von Heften gewartet habe. Es gab jedenfalls
Unzufriedenheiten auf beiden Seiten.
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Mit E-Mail vom 07.05.2006 (Anlage K12) machte der Kläger Frau B., seine
Ansprechpartnerin beim Verlag, auf die aus seiner Sicht bestehende urheberrechtliche
Problematik der Online-Veröffentlichung wegen Mangels an Zustimmung aufmerksam.
Mit Schreiben vom 19.05.2006 an die S. S. + B. M. B.V. (Anlage K13) untersagte die
Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Verlag jede Veröffentlichung weiterer
Manuskripte. In der Folgezeit kam es dennoch zu Druck- und Online-Veröffentlichungen.
Zuletzt wurde Band 4 des Heftes 37 veröffentlicht (Anlage B4).
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Am 21.06.2006 überwies der S.-Verlag einen Betrag in Höhe von 10.000,00 € auf das
Konto des Klägers. Am 26.06.2006 kam es zu einem Verhandlungsgespräch in H., über
das seitens der Beklagten ein Ergebnisprotokoll (Anlage K16) gefertigt wurde. Daraus
ist unter anderem ersichtlich, dass die Herstellung der Zeitschrift ab sofort in H. erfolgen,
der Rechtsstandort jedoch in D. verbleiben sollte. Bei dieser Besprechung wurde
seitens des S.-Verlags eine schriftliche Agenda (Anlage K 19) vorgelegt, in der es unter
dem Tagesordnungspunkt "Kostenerstattung" heißt: "Zahlung für Vol. 35 am 21.06.2006
angewiesen. Die [...] 1. Zahlung (in Höhe von EUR 10.000,00) einer noch zu
vereinbarenden Beteiligung der Herausgebers an den Nettoeinnahmen aus der
elektronischen Nutzung der Zeitschrift wurde am 21.6.2006 angewiesen." In der
Folgezeit wurden die Hefte 3 und 4 aus Band 36 im Internet veröffentlicht.
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Am 13.10.2006 wurde die S.-Verlag GmbH mit der S. S. + B. M. GmbH als
aufnehmendem Unternehmen aufgrund Verschmelzungsvertrags vom 29.08.2006
verschmolzen und die S. S. + B. M. GmbH in S.-Verlag GmbH umfirmiert.
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Im Laufe des Winters 2006/2007 legten sämtliche Herausgeber der Zeitschrift "K-T." ihre
Herausgeberschaft nieder. Mit Schreiben vom 03.01.2007 (Anlage K50) setzte die
Beklagte dem Kläger eine Frist zur Ablieferung weiterer Manuskripte und drohte mit
Ablehnung für den Fall, dass der Kläger die Frist fruchtlos verstreichen lasse. Da der
Kläger weitere Manuskripte nicht lieferte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom
08.02.2007 (Anlage K51) die Kündigung des Vertragsverhältnisses, hilfsweise den
Rücktritt vom Herausgebervertrag.
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Der Kläger hat bereits einen Verlagsvertrag mit einem neuen Verlag, der eine neue
Zeitschrift mit neuem Titel und dem alten Herausgeberbeirat, aufgefüllt um einige neue,
jüngere Mitglieder, verlegen wird.
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Der Kläger trägt vor, seit 2003 sei ihm klar gewesen, dass der Verlag an Online-
Veröffentlichungen gedacht habe. Erst im Laufe des Jahres 2005 habe er positiv
Kenntnis von dem kommerziellen Vertrieb der Online-Zeitschrift genommen. Daher sei
er davon ausgegangen, dass Vertragsverhandlungen ernsthafter werden würden, weil
der Verlag von seiner Zustimmung abhängig sei und deshalb eine Verhandlung über
die Vergütung erfolgen könne. In diesem Sinne habe er sich seit Ende 2003 mit seiner
Prozessbevollmächtigten beraten.
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Der Zufluss von Manuskripten sei regelmäßig, hinreichend und rechtzeitig erfolgt.
Verspätungen seien zustande gekommen, weil die Manuskripte nicht druckfertig
gewesen seien und ihm seitens des Verlags keine Mitteilung gemacht worden sei. In
einem Telefongespräch am 06.06.2006 zwischen seiner Prozessbevollmächtigten
einerseits sowie Dr. M. und Dr. H. auf Seiten von S. sei schließlich ausdrücklich und
übereinstimmend festgelegt worden, dass jede weitere Veröffentlichung der Zeitschrift in
Druck oder online seiner individuellen Zustimmung bedürfe und dass die Untersagung
von Veröffentlichungen ohne seine Zustimmung aufrecht erhalten bleiben solle. In allen
Gesprächen seit dem 06.06.2006 sei die Untersagung immer wieder bestätigt worden.
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Der Kläger ist der Auffassung, sein Urheberrecht aus § 4 I UrhG als Herausgeber sei
durch die Online-Veröffentlichungen verletzt. Er habe einer Online-Veröffentlichung
auch nicht schlüssig zugestimmt. Das Erscheinen der Zeitschrift sei am 30.04.2006 seit
12 Monaten verspätet im Sinne der Additional provisions, Ziff. 1 des Vertrags vom
22.11.1985 gewesen, weshalb Titel, goodwill und die Manuskripte der Druckfassung der
Zeitschrift auf ihn übergegangen seien.
16
Der Kläger trägt schließlich vor, der mit dem Zahlungsantrag zu 7. begehrte Betrag sei
als Teilklage auf Schadensersatz durch die unberechtigte Online-Veröffentlichung zu
verstehen; es seien jedenfalls 10.000,00 € zu zahlen. Da er für Band 35 bereits
10.000,00 € erhalten habe und inzwischen Band 36 und 37 erschienen seien, könne
man – wenn er auch nur das von der Beklagten angesetzte Honorar von 10.000,00 € pro
Band ansetze – die beantragten 10.000,00 € als einen Teil des von ihm geltend
gemachten Schadensersatzes sehen.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass der Titel der Zeitschrift "K-T.", geschäftsführend
herausgegeben von ihm, der goodwill der Zeitschrift und die Manuskripte von Heft
4 aus Band 34 aus dem Jahr 2005 und alle folgenden Hefte und Manuskripte ab
dem 01. Mai 2006 ihm gehören;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Liste aller Einzelabonnenten und aller
Konsortiumsabonnements sowie der in dem jeweiligen Konsortium erfassten
Einzelabnehmer der Druckfassung der Zeitschrift "K-T.", herausgegeben von ihm
und verlegt von der Beklagten, für die Jahre 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006
herauszugeben;
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3. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu geben über sämtliche
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a. Namen und Anschriften und zwar auch in Form von e-mail-Adressen sämtlicher
gewerblicher und öffentlich-rechtlicher Lizenznehmer und Konsortium-
Lizenznehmer sowie die Namen und Anschriften der über ein Konsortium
Zugangsberechtigten seit 1996,
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b. Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher und öffentlich-rechtlicher
Lizenznehmer und Konsortium-Lizenznehmer sowie der Anschriften der über ein
Konsortium Zugangsberechtigten der elektronisch digitalisierten Hefte und Bände
seit 1987,
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c. Menge der an Lizenznehmer und Konsortium-Lizenznehmer ausgelieferten Hefte
und Bände und an wen sie in welcher Menge ausgeliefert wurden,
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d. Namen und Anschriften der Unternehmen, die mit der Vermittlung von Online-
Zugangs-Verträgen beauftragt sind der Online-Version der Zeitschrift "K-T.",
herausgegeben von ihm, und veröffentlicht von der Beklagten;
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4. die Beklagte zu verurteilen, Rechnung zu legen über die erzielten Einnahmen aus
Online-Veröffentlichungen und Online-Archivierungen der Zeitschrift K-T.,
geschäftsführend herausgegeben von ihm, für die Jahrgänge 1987 bis dato;
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5. der Beklagten zu untersagen, die 4 Hefte des Bandes 37 der Zeitschrift K-T.,
geschäftsführend herausgegeben von ihm, online zu vervielfältigen und zu
verbreiten;
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6. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6
Monaten, zu vollziehen an einem ihrer organschaftlichen Vertreter, festgesetzt
wird;
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7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld hinsichtlich der
Klageanträge zu 1. und 2. und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
42
Die Beklagte trägt vor, das Landgericht Bielefeld sei örtlich unzuständig hinsichtlich der
Klageanträge zu 1. und 2., da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis i.S.d. § 29
ZPO bestehe: Sie sei nie Vertragspartner des Klägers oder Rechtsnachfolgerin des
Vertragspartners gewesen, sondern die S. S. + B. M. B.V. Aus diesem Grund sei sie
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auch nicht passiv legitimiert hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und zu 2.
Daneben lägen die Voraussetzungen für einen Übergang von Titel und goodwill auf den
Kläger nach Ziff. 1 der Additional provisions nicht vor, da es der Verlag nicht für einen
Zeitraum von mehr als 12 Monaten versäumt habe, ein Heft der Zeitschrift "K-T." zu
veröffentlichen.
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Das Herausgeberrecht des Klägers gemäß § 4 UrhG erstrecke sich nur auf die von ihm
vorgenommene konkrete Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Artikel für die
Zeitschrift. Sie habe die Artikel aus dem "Zeitschriftenverbund" herausgelöst und im
Rahmen einer Datenbank zugänglich gemacht als Teil einer Datenbank im Sinne der §§
87a ff. UrhG, wodurch der Urheberschutz für die Herausgeber entfallen sei. Das
Urheberrecht am Sammelwerk gemäß § 4 UrhG werde nicht tangiert, da stets nur die
Nutzung der einzelnen Beiträge, nie jedoch eine Nutzung der Zeitschrift als
Sammelwerk erfolge.
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Dadurch, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Online-Veröffentlichungen
beanstandet habe, habe er diesen zumindest konkludent zugestimmt. Spätestens durch
Entgegennahme der Zahlung in Höhe von 10.000,00 € habe der Kläger sein
Einverständnis mit einer Online-Veröffentlichung der Artikel wirksam erteilt, da die
Zweckbestimmung allein dem Zahlenden durch eine einseitige, empfangsbedürftige
Willenserklärung des Schuldners obliege und der Gläubiger dem nur widersprechen
könne, was hier nicht erfolgt sei, weshalb sein Widerspruch unbeachtlich sei. Sie habe
ihre Zahlungsverpflichtung mit den 10.000,00 € vollumfänglich erfüllt.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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A.
50
Die Klage ist – wie von der Beklagten gerügt – hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und
2. bereits unzulässig, da das Landgericht Bielefeld unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt örtlich zuständig ist. Die Voraussetzungen des in Betracht kommenden
Gerichtsstands des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO, auf den sich der Kläger stützt, sind
nicht gegeben, da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis besteht und die
Beklagte auch keine Rechtsnachfolgerin der Vertragspartnerin des Klägers ist.
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Ursprünglich schloss der Kläger am 22.11.1985 einen Vertrag mit der R. P. Company in
D., Holland. Der Verlag R. wurde später von K. A. Publishers B.V. in D. übernommen. Im
Februar 2004 fusionierte der S.-Verlag mit K. A. Publishers und firmiert in den
Niederlanden seitdem unter S. S. + B. M. B.V. Der Kläger schloss seinen Vertrag
demnach mit einer juristischen Person des niederländischen Rechts, deren
Rechtsnachfolgerinnen ihrerseits jeweils juristische Personen des niederländischen
Rechts und nicht identisch mit der Beklagten sind.
52
Auch die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgelegte E-Mail des
Mitarbeiters des S.-Verlags, Herrn Dr. H., vom 02.08.2007 führt entgegen der Auffassung
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des Klägers zu keinem anderen Ergebnis, denn dort wird jedenfalls nicht die Beklagte,
d.h. die S.-Verlag GmbH, als (Rechts-)Nachfolgerin von K. A. Publishers B.V.
bezeichnet. Vielmehr wird mit "S." überhaupt keine bestimmte juristische Person
innerhalb der S.-Gruppe konkretisiert. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach §
29 ZPO bleiben aber die tatsächlichen Parteien eines Vertragsverhältnisses
maßgeblich, nicht unbestimmte Bezeichnungen durch Mitarbeiter innerhalb der S.-
Gruppe. Rechtsnachfolgerin der R. P. Company in D., Holland, als ursprünglicher
Vertragspartnerin des Klägers ist letztlich die S. S. + B. M. B.V., nicht aber die Beklagte.
Eine eventuell faktisch bestehende enge wirtschaftliche Verbundenheit einzelner
juristischer Personen innerhalb der S.-Gruppe vermag an der juristisch
vorzunehmenden Differenzierung nichts zu ändern.
Auf die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Bielefeld hinsichtlich der
Klageanträge zu 1. und 2. wies die Beklagte sowohl bereits in der Klageerwiderung vom
05.10.2006 als auch noch zuletzt in den Schriftsätzen vom 12.07.2007 und vom
16.08.2007 hin. Auch auf einen Hinweis des Gerichts im Rahmen der mündlichen
Verhandlung stellte der Kläger die Klageanträge zu 1. und 2. Danach war die Klage als
insoweit unzulässig abzuweisen.
54
B.
55
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die mit den Klageanträgen zu 3.
bis 7. geltend gemachte Auskunftserteilung gemäß § 101a UrhG oder § 242 BGB,
Rechnungslegung gemäß § 97 I 2 UrhG, Untersagung gemäß § 97 I 1 UrhG, Androhung
eines Ordnungsgeldes gemäß § 97 I 1 UrhG i.V.m. § 890 ZPO und Zahlung von
10.000,00 € gemäß § 97 I 1 UrhG. Denn jedenfalls liegt eine dafür jeweils
vorausgesetzte Verletzung eines Urheberrechts des Klägers durch die Beklagte nicht
vor.
57
I.
58
Zwar hat der Kläger ein Urheberrecht gemäß § 4 I UrhG an den Druckfassungen der
Zeitschrift "K-T.", denn dabei handelt es sich jeweils um ein Sammelwerk.
59
Sammlung ist jede Zusammenstellung mehrerer Werke, Daten oder anderen
unabhängigen Elementen. Ein Sammelwerk verlangt dagegen, dass die Auswahl oder
Anordnung darüber hinaus eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 II
UrhG ist, was bei Zeitschriften mit thematisch aufeinander abgestimmten Beiträgen
angenommen wird. Die Auswahl setzt ein Sammeln, Sichten, Bewerten und
Zusammenstellen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen zu einem
bestimmten Thema unter Beachtung besonderer Auslesekriterien voraus. Als
persönliche geistige Schöpfung gilt auch die herausgeberische Gestaltung, wenn sie
sowohl die Festlegung des Themenkreises beinhaltet, über den informiert werden soll,
als auch die Verteilung des Schwergewichts der aufzunehmenden Beiträge unter
Berücksichtigung der Aktualität der behandelten Fragen sowie die Sammlung und
Anordnung der Beiträge. Denn bei Werken wissenschaftlichen Inhalts findet die
Eigentümlichkeit in erster Linie ihren Niederschlag in der Form und Art der Sammlung,
Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes, die es dem Benutzer, und zwar
auch dem Nichtfachmann, ermöglicht, sich diesen Stoff schnell zu erschließen (Ahlberg,
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in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage 2000, § 4 Rn. 8, 11, 15, 23 m.w.N.).
Die persönliche geistige Schöpfung des Klägers besteht darin, dass er die eingehenden
Manuskripte sammelte und diese einem Begutachtungsverfahren unterwarf. Danach
entschied er, manchmal noch nach weiterer Rücksprache mit dem fachkompetenten
Mitglied des Beirats, über die Annahme des Manuskripts und sandte dieses an den
Verlag. Dieser stellte einen Drucksatz her, ließ diesen von den Autoren Korrektur lesen,
arbeitete sodann die Korrekturen ein und stellte eine zum Druck geeignete Ausfertigung
her. Diese wurde sodann an den Kläger versandt, der schließlich entschied, in welchem
Heft ein Manuskript in welcher Reihenfolge erscheinen sollte, und dieses dem Verlag
mitteilte. Die Auswahl der Artikel und ihre Zusammenstellung in einem Heft und damit
dessen jeweilige thematische Ausrichtung oblag somit dem Kläger mit der Folge, dass
zu seinen Gunsten ein Urheberrecht an dem jeweiligen Sammelwerk, d.h. an jedem
einzelnen Heft der Bände der Druckfassung der Zeitschrift "K-T.", besteht.
61
II.
62
Dieses Herausgeberurheberrecht des Klägers gemäß § 4 I UrhG an den
Druckfassungen der Zeitschrift "K-T." wurde jedoch nicht dadurch verletzt, dass alle in
den einzelnen Heften veröffentlichten Artikel der Zeitschrift "K-T." in die Online-
Datenbank, die unter www.S.link.com abrufbar ist, eingestellt wurden.
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Eine Verletzung eines Urheberrechts an einem Sammelwerk kann nur angenommen
werden, wenn das als rechtsverletzend beanstandete Werk diejenigen Strukturen
hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffes enthält, welche die Sammlung von
Werken und Beiträgen als eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 4 UrhG
ausweisen. Das Urheberrecht am Sammelwerk besteht nur an der Sammlung als
solcher und nicht an den darin enthaltenen einzelnen Werken oder Beiträgen. Für die
Beurteilung des Tatbestandes der Verletzung des Urheberrechts an einem Sammelwerk
gilt Entsprechendes. Nur wenn die Kombination der übernommenen Beiträge
besondere Strukturen in deren Auslese und Anordnung aufweist und das Gewebe der
persönlichen geistigen Schöpfung des Sammelwerkes erkennen lässt, kann eine
Beeinträchtigung des Urheberrechts an einem Sammelwerk im Sinne des § 4 UrhG
angenommen werden (BGH, NJW 1992, 1316, 1318 m.w.N.). Beruht die Schutzfähigkeit
eines Sammelwerks gerade auf dessen systematischer und methodischer Ordnung und
findet nun eine vollständige Neuordnung statt, so liegt keine Verletzung des Rechts am
Sammelwerk vor (Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 4
Rn. 17 m.w.N.).
64
Danach ist vorliegend durch die Verwendung sämtlicher einzelner Beiträge für die
Datenbank, die unter www.S.link.com abrufbar ist, keine Verletzung des Urheberrechts
des Klägers gegeben, das ihm als Herausgeber von Sammlungen dieser Beiträge durch
deren Zusammenstellung zu einzelnen Heften der Druckfassung der Zeitschrift "K-T."
zusteht. Indem die Beklagte die Artikel aus dem vom Kläger zusammengestellten
"Zeitschriftenverbund" herausgelöst und sämtliche Volltexte im Rahmen einer
Datenbank zugänglich gemacht hat als Teil einer Datenbank im Sinne der §§ 87a ff.
UrhG, ist der Urheberschutz des Klägers als Herausgeber des Sammelwerks entfallen.
Denn in der Datenbank stehen alle Artikel nebeneinander, unabhängig von ihrer
Zusammenstellung sowie Zeit und Ort ihres Erscheinens in der Druckfassung der
Zeitschrift "K-T.". Damit ist die vom Kläger vorgenommene Auswahl oder Annordnung
der Beiträge, die seine persönliche geistige Schöpfung im Hinblick auf die
65
Druckfassung darstellt, aufgehoben.
Die Aufnahme der einzelnen Artikel in die Datenbank steht dabei allenfalls in zeitlicher
Hinsicht im Zusammenhang mit ihrer Veröffentlichung in der Druckfassung. Mit der
Aufnahme werden die Artikel jedoch zugleich aus dem Verbund gelöst, in dem sie sich
bis dahin befanden, und sind sodann neben allen weiteren bisher veröffentlichten
Artikeln ohne eine bestimmte Ordnung online abrufbar, insbesondere ohne dass die
vom Kläger geschaffenen Strukturen der einzelnen Sammelwerke noch enthalten sind.
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Eine gewisse "Ordnung" der Artikel entsteht erst wieder durch das Ergebnis des
jeweiligen Suchauftrags eines Nutzers der Online-Datenbank. Es hängt vom Nutzer und
nicht von der Beklagten ab, nach welchen Kriterien die Beiträge aufgerufen, geordnet
und angezeigt werden. Dabei hat es der Nutzer zwar auch in der Hand, bei
entsprechender Anwendung der Datenbank eine Rück-Zuordnung der einzelnen Artikel
zur Zeitschrift "K-T." vorzunehmen. Im Vordergrund steht jedoch die Suchfunktion der
Online-Datenbank, die einem Nutzer bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe eine
Ergebnisliste mit Artikeln liefert, in denen der eingegebene Begriff enthalten ist. In der
Praxis werden als Suchbegriffe Schlagwörter oder Autorenangaben verwendet werden,
um danach einzelne Aufsätze zu finden und zu lesen. Bei diesem Vorgehen ist die
systematische und methodische Ordnung, wie sie die Druckausgaben der Zeitschrift "K-
T." durch die Auswahl und Anordnung durch den Kläger aufweisen, aber gerade
aufgehoben und im Übrigen auch nachrangig. Es erfolgt so stets nur die Nutzung
einzelner Beiträge, nie jedoch eine Nutzung der (ursprünglichen) Zeitschrift als
Sammelwerk.
67
Auch die Tatsache, dass Benutzer zugleich erfahren, in welcher Zeitschrift der jeweils
gefundene Artikel erschienen ist, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Die Beklagte
weist zutreffend darauf hin, dass es für die Frage der Verletzung des Rechts am
Sammelwerk nicht darauf ankommen kann, wie gut die Suchfunktionen der
Datenbanken sind und ob sie eine Zuordnungsfunktion enthalten.
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Im Ergebnis wird daher durch die Online-Veröffentlichung sämtlicher Artikel das
Urheberrecht des Klägers an den einzelnen Druckausgaben als Sammelwerk gemäß §
4 I UrhG nicht tangiert. Eine andere Frage ist, ob und inwieweit die vom Urheberrecht
am Sammelwerk zu unterscheidenden Urheberrechte der jeweiligen Autoren an den
einzelnen Beiträgen betroffen sind. Darüber war hier aber nicht zu entscheiden.
69
C.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 S. 1, 2 ZPO.
71