Urteil des LG Berlin vom 02.04.2017

LG Berlin: fonds, anleger, aufklärungspflicht, beratungsvertrag, anlageberater, interessenkonflikt, zeichnung, anhörung, provision, gesellschaft

1
2
3
Gericht:
LG Berlin 10.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 O 36/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 280 BGB
Leitsatz
1. Zur Aufklärung über das Totalverlustrisiko einer Unternehmensbeteiligung (Medienfonds)
kann es genügen, dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsabschluss einen Prospekt zu
überlassen, wenn darin die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich enthalten
sind.
2. Bei der Frage der Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über die ihm in Folge der
Vermittlung zustehenden Vergütungen ist zwischen normalen Vertriebsprovisionen
(Innenprovisionen) und Rückvergütungen zu unterscheiden. Nur letztere sind auch unterhalb
der vom BGH festgesetzten Schwelle (Innenprovision mehr als 15% der Beteiligungssumme)
aufklärungspflichtig.
3. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn Teile der - offen
ausgewiesenen - Ausgabeaufschläge und Verwaltungskosten, die der Kunde über die Bank
oder eine sonstige Vertriebsgesellschaft an die Fondsgesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken
an den Anlageberater umsatzabhängig zurückfließen, so dass dieser ein für den Kunden nicht
erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen, die
Zahlungen also schmiergeldähnliche Funktion haben.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen einer angeblichen
Falschberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung eines Medienfonds in Anspruch.
Die Klägerin war seit 2004 Kundin der Beklagten und unterhielt bei dieser ein Konto und
ein Wertpapierdepot. Für die Betreuung der Klägerin war der bei der Beklagten
beschäftigte Bankberater Herr Christoph … zuständig. Im Zuge der nach der
Kontoeröffnung geführten Gespräche gab die Klägerin gegenüber Herrn … an, sie habe
schon einmal Erfahrungen mit Medienfonds gesammelt und sich an einem Filmleasing
Fonds mit der Bezeichnung … Production II beteiligt. In einem von ihr am 28.11.2004
unterzeichneten Vermögensanlagebogen kreuzte sie als Anlagestrategie die Kategorien
“Chancenorientiert – Hohen Ertragschancen stehen hohe Risiken gegenüber” und
“Steueroptimierte Anlage – Langfristige unternehmerische Beteiligung an
geschlossenen Fonds” an. Wegen weiterer Einzelheiten bezüglich des erstellten
Vermögensanlagebogens wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.
Am 29.10.2004 zeichnete die Klägerin eine Beteiligung in Höhe von nominal 50.000 EUR
an dem streitgegenständlichen Fonds (Beteiligungsangebot 77 der DaimlerChrysler
Services an der … Zweite Productions GmbH & Co. KG), nachdem ihr zuvor von
Mitarbeitern der Beklagten der Prospekt des Beteiligungsangebots ausgehändigt worden
war. Bei dem Fonds handelt es sich um einen leasingähnlichen Filmfonds, der auf die
Erzielung möglichst hoher Steuervorteile angelegt ist. Auf die Beteiligung hat die
Klägerin eine Einlagezahlung aus Eigenmitteln in Höhe von 30.000 EUR erbracht und in
Höhe von weiteren 20.000 EUR die in dem Beitrittsformular angebotene Finanzierung
über ein Darlehen der …-… gewählt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage
K 1 eingereichte Beitrittserklärung der Klägerin vom 29.10.2004 sowie auf den als Anlage
K 2 vorgelegten Beteiligungsprospekt Bezug genommen.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Die Klägerin behauptet, sie sei vor der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung
von dem Bankberater D. ausführlich anhand des Fondsprospekts beraten worden. Dass
die Beklagte für die Vermittlung des Fonds eine Vergütung von lediglich 8 % der
Bareinlage bzw. 4,8 % des Nominalanteils erhalten habe, wie diese vorträgt, bestreitet
die Klägerin mit Nichtwissen. Insoweit vertritt sie überdies die Auffassung, dass es sich
bei den von der Beklagten vereinnahmten Zuwendungen um aufklärungspflichtige
Rückvergütungen gehandelt habe, welche unabhängig von ihrer Höhe
aufklärungspflichtig seien. Ein weiterer Beratungsfehler sei darin zu sehen, dass in dem
bei der Beratung durch den Mitarbeiter der Beklagten verwendeten Fondsprospekt nicht
ausreichend deutlich auf die mit der Beteiligung verbundenen Risiken und insbesondere
auf die Gefahr eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals hingewiesen werde.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 30.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2009 zu zahlen sowie sie aus
ihrer Verpflichtung aus ihrem Darlehensvertrag mit der … vom 29.10./22.11.2004 in
Höhe von 34.104,14 EUR freizustellen, Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Beteiligung
mit nominal 50.000 EUR an dem Beteiligungsangebot 77 der … Services, der … GmbH
& Co. KG (Leasingähnlicher Filmfonds) vom 29.10./22.11.2004.
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie als weiteren Schaden außergerichtliche Kosten
in Höhe von 2.429,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 10.11.2009 zu zahlen.
3. festzustellen, dass die Beklagte die Klägerin von allen steuerlichen Nachteilen
freizustellen hat, die ihr aus dem Erwerb der unter Ziffer 1) genannten Beteiligung
entstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, ihr Berater … habe der Klägerin lediglich den Fondsprospekt
ausgehändigt und hierzu keine weiteren Erläuterungen abgegeben. Ein Beratungsvertrag
sei daher nicht zustande gekommen. Im Übrigen handele es sich bei den von ihr für den
Vertrieb des streitgegenständlichen Fonds vereinnahmten Beträgen auch nicht um
aufklärungspflichtige Rückvergütungen. Schließlich erhebt die Beklagte vorsorglich die
Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
26.08.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280,
249 BGB zu, der die mit der Klage geltend gemachten Zahlungs- und
Feststellungsanträge rechtfertigen würde. Zwar kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt
werden, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag hinsichtlich der
streitgegenständlichen Fondsbeteiligung zustande gekommen ist (dazu 1.). Allerdings
lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte die ihr aus diesem Vertag obliegenden
Pflichten verletzt hätte (dazu 2.).
1. Dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag betreffend die
streitgegenständliche Fondsbeteiligung zustande gekommen ist, kann zu Gunsten der
Klägerin unterstellt werden. Ein solcher Vertrag kommt zustande, wenn ein
Anlageinteressent an eine Bank oder einen sonstigen Berater herantritt, um sich über
die Anlage seines Vermögens beraten zu lassen (BGHZ 100, 117, 122; BGH NJW 2004,
1868f.; BGH, BKR 2008, 188 ff.; OLG München, Urteil vom 02.06.2008 - 17 U 5698/07).
Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Interessent von sich aus oder auf Initiative der
Bank den Berater aufsucht (BGHZ 123, 126 ff. = NJW 1993, 2433 ff. = WM 1993, 1455
ff.).
Die Hürden für die Annahme eines Beratungsvertrages sind demgemäß sehr niedrig
anzusetzen. Nach der zitierten Rechtsprechung treffen eine Bank immer schon dann die
Pflichten aus einem Beratungsvertrag, wenn sich ein Gespräch zwischen einem
17
18
19
20
21
22
23
Pflichten aus einem Beratungsvertrag, wenn sich ein Gespräch zwischen einem
Anlageinteressenten und einem Bankberater entwickelt, in dem eine
Anlageentscheidung thematisiert wird und zumindest den Umständen zu entnehmen ist,
dass die Bank ihre Sachkunde im Interesse des Kunden einbringen will. Allein die bloße
Tatsache, dass ein Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat, führt daher
faktisch stets auch zur Annahme, dass ein Beratungsvertrag geschlossen wurde.
Nach dem Vorbringen der Klägerin wären die Voraussetzungen für den stillschweigenden
Abschluss eines Beratungsvertrags vorliegend damit ohne weiteres zu bejahen. Da die
Beklagte das Klagevorbringen insoweit jedoch bestreitet und ihrerseits vorträgt, ihr
Bankberater habe sich darauf beschränkt, der Klägerin den Beteiligungsprospekt
auszuhändigen, würde der für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen darlegungs- und
beweispflichtigen Klägerin der Nachweis obliegen, dass das von ihr behauptete
Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat.
Nachdem eine Parteivernehmung nach § 447 ZPO mangels Zustimmung der Beklagten
nicht in Betracht kommt und die Klägerin keinen anderen Beweis angetreten hat, könnte
dieser Nachweis allenfalls im Rahmen einer von Amts wegen anzuordnenden
Parteivernehmung (§ 448 ZPO) erbracht werden. Unabhängig davon, ob die für eine
Parteivernehmung nach § 448 ZPO erforderliche Anfangswahrscheinlichkeit hier vorliegt
(Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 448 Rn. 3), wofür nach der persönlichen Anhörung
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 nach Auffassung des
erkennenden Gerichts einiges spricht, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden,
dass das von ihr behauptete Beratungsgespräch tatsächlich stattgefunden hat, weil die
Klage bereits aus anderen Gründen abzuweisen ist.
2. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre
Pflichten aus einem zu unterstellenden Beratungsverhältnis mit der Klägerin tatsächlich
verletzt hätte.
a. Eine als Anlageberaterin auftretende Bank trifft die Pflicht zu einer umfassenden,
wahrheitsgemäßen, sorgfältigen Information über alle Tatsachen und Umstände, die für
die jeweilige Anlageentscheidung des Kunden Bedeutung haben oder haben können
(BGHZ 74, 103). Der Umfang einer Aufklärungspflicht wird im Einzelfall durch die
persönlichen Verhältnisse des Kunden mitbestimmt. Erfolgt die Beratung über die
Anlage eines bestimmten Geldbetrages, sind der Wissenstand des Kunden über die
Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art sowie dessen Risikobereitschaft und das
vorgegebene Anlageziel nebst den speziellen Risiken dieses Anlageobjekts von
Bedeutung. Je unerfahrener der Kunde ist, desto intensiver und deutlicher müssen
Beratung und Aufklärung ausfallen. Die Anlage muss unter Berücksichtigung der
persönlichen Verhältnisse des Kunden anlegergerecht sein (BGH MDR 1993, 861; WM
2000, 1441). Die Beratung muss ebenso wie die empfohlene Anlage auf die Verhältnisse
des konkreten Anlageinteressenten (anlegergerechte Beratung) zugeschnitten sein.
Einem Kunden, der eine sichere Anlage zur Alterssicherung wünscht, darf keine
spekulative Anlage verkauft werden (BGH WM 2000, 1441, 1443; BGH, Urteil vom
14.7.2009 – XI ZR 152/08).
In einer zweiten Ebene hat der Anlageberater den Kunden über alle für die
Anlageentscheidung wesentlichen Kriterien des Anlageobjekts sachgerecht, vollständig
und wahrheitsgemäß zu informieren (objektgerechte Beratung). Inhalt dieser
objektbezogenen Beratungspflicht sind vor allem Hinweise auf besondere Risiken des
Anlageobjekts, Grundlagen für die zu erwartende Rendite sowie allgemeine
marktbezogene Chancen und Risiken des jeweiligen Anlageobjektes, insbesondere
bezogen auf zu erwartende Kurs-, Zins- und Währungsentwicklungen. Die Beratung der
Bank muss richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig sein.
Die Bank muss zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von
Bedeutung sind. Fehlen ihr derartige Kenntnisse, so hat sie das dem Kunden mitzuteilen
und offen zu legen, dass sie zu einer Beratung z. B. über das konkrete Risiko eines
Geschäfts mangels eigener Information nicht in der Lage ist (BGHZ 123, 126, 129;
Bultmann/Hoepner/Lischke, Anlegerschutzrecht, 2009, Rn. 449).
b. Nach diesen Grundsätzen läge eine Pflichtverletzung der beklagten Bank selbst dann
nicht vor, wenn der Klägervortrag in tatsächlicher Hinsicht zutreffend wäre.
aa. Insbesondere hätte die Empfehlung des streitgegenständlichen Fonds den
persönlichen Verhältnissen und Anlagezielen der Klägerin entsprochen und wäre somit
anlegergerecht gewesen. Ausweislich des von der Klägerin am 28.11.2004
unterzeichneten Vermögensanlagebogens (Anlage B 1) handelte es sich bei ihr um eine
erfahrene und wirtschaftlich wohl situierte Anlegerin, die – abgesehen von
Finanztermingeschäften und Optionsscheinen – bereits in sämtliche denkbaren
24
25
26
27
28
29
Finanztermingeschäften und Optionsscheinen – bereits in sämtliche denkbaren
Finanzanlagen investiert hatte. Als Anlagestrategie hatte sie in dem
Vermögensanlagebogen die Kategorien “Chancenorientiert – Hohen Ertragschancen
stehen hohe Risiken gegenüber” und “Steueroptimierte Anlage – Langfristige
unternehmerische Beteiligung an geschlossenen Fonds” angegeben. In diese
Anlagestrategie fügt sich die streitgegenständliche Fondsbeteiligung ohne weiteres ein.
An dieser Beurteilung vermag auch der Einwand der Klägerin, der von der Beklagten
vorgelegte Vermögensanlagebogen sei zeitlich erst einen Monat nach der Zeichnung
der streitgegenständlichen Beteiligung erstellt worden, im Ergebnis nichts zu ändern.
Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Exploration des Anlegers schon deswegen
grundsätzlich zu Beginn einer Anlageberatung erfolgen sollte, damit die Bank die dabei
gewonnenen Erkenntnisse bei den auszusprechenden Anlageempfehlungen auch
berücksichtigen kann. Sofern die Beklagte dies vorliegend nicht beachtet haben sollte,
würde dies im Ergebnis jedoch nicht zu einem Schadensersatzanspruch führen. Denn da
die Anlageempfehlung, wie bereits ausgeführt, tatsächlich den persönlichen
Verhältnissen und Anlagezielen der Klägerin entsprochen hat, fehlte es jedenfalls an der
notwendigen Kausalität der Pflichtverletzung.
bb. Die Beklagte hat darüber hinaus auch ihre Pflicht zur anlage- bzw. objektgerechten
Beratung nicht verletzt. Dies gilt wiederum selbst dann, wenn man das Klagevorbringen
in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend unterstellte.
Nach den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der
mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 hatte ihr der Fondsprospekt bereits vor dem
streitgegenständlichen Beratungsgespräch vorgelegen. In dem zwanzig bis dreißig
Minuten dauernden Gespräch habe ihr der Bankberater anhand des vorliegenden
Prospekts, in dem sie sich Notizen gemacht habe, ausführlich die Funktionsweise des
Fonds erläutert (so ausdrücklich Seite 2 des Schriftsatzes der Klägervertreter vom
22.03.2010). Die Beitrittserklärung habe sie erst nach einer Bedenkzeit von einigen
Tagen zu Hause unterzeichnet und per Post an die Beklagte übersandt.
In der Rechtsprechung ist insoweit anerkannt, dass eine Information über das
Anlageobjekt und die damit verbundenen Risiken auch durch die Übergabe eines
Prospekts erfolgen kann, der nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen
Informationen wahrheitsgemäß zu vermitteln und dem Anleger so rechtzeitig übergeben
wird, dass sein Inhalt von ihm noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urt. v.
05.03-2009 – III ZR 302/07, NJW, RR 2009, 697, Tz. 17 m. w. N.). Da die Klägerin unstreitig
mehr als ausreichend Zeit hatte, sich mit dem Fondsprospekt zu beschäftigen, wäre
eine Haftung der Beklagten vorliegend nur dann in Betracht gekommen, wenn die mit
der Kapitalanlage verbundenen Risiken in dem Prospekt nicht hinreichend deutlich
dargestellt worden wären oder wenn der Anlageberater die in dem Prospekt
dargestellten Risiken gegenüber der Klägerin bewusst verharmlost hätte (BGH, Urt. v.
12-07.2010 – III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690, Tz. 10). Beides kann jedoch nicht
festgestellt werden.
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der
Prospekt über ein Beteiligungsangebot, welcher im allgemeinen die wesentliche
Unterrichtungsmöglichkeit für einen Beitrittsinteressenten darstellt, ein zutreffendes und
vollständiges Bild über sämtliche Umstände zu vermitteln, welche für die
Anlageentscheidung von Bedeutung sind (BGHZ 79, 337, 344 f.; 123, 106, 109 f.; BGH,
NJW 2004, 2228, 2229). Dass der hier streitgegenständliche Prospekt diesen
Anforderungen nicht genügen würde, hat die Klägerin – trotz eines entsprechenden
gerichtlichen Hinweises in der Verfügung vom 31.03.2010 – nicht schlüssig dargelegt.
Insoweit beruft sich die Klägerin in der Klageschrift im Wesentlichen nur auf einen
angeblich fehlenden Hinweis auf das Risiko eines Totalverlusts. Ein entsprechender
unübersehbarer Hinweis findet sich jedoch unter dem Kapitel “Chancen und Risiken” auf
Seite 52 des Prospekts, worauf das Gericht bereits mit der Terminsverfügung vom
31.03.2010 hingewiesen hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dieser Hinweis
auch nicht dadurch entwertet, dass auf Seite 12 des Prospekts die Schuldübernahme
durch die … für die laufenden Lizenzzahlungen erwähnt wird, weil auch an dieser Stelle
des Prospekts auf die ungeachtet der Schuldübernahme für die Anleger verbleibenden
Risiken hinreichend deutlich hingewiesen wird.
Schließlich kann eine Haftung der Beklagten auch nicht mit dem Hinweis darauf
begründet werden, dass der Anlageberater die in dem Prospekt dargestellten Risiken
gegenüber der Klägerin bewusst verharmlost hätte. Zwar stellt die Aushändigung eines
Prospekts nach der Rechtsprechung des BGH für einen Vermittler oder Berater keinen
Freibrief dar, um die Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen
30
31
32
33
34
35
36
Freibrief dar, um die Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen
ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die
Entscheidungsbildung des Anlegers mindert (BGH, Urt. v. 12.07.2010 – III ZR 83/06, NJW-
RR 2007, 1690, Tz. 10 m. w. N.).
Derartige Umstände wurden jedoch weder in der Klageschrift noch in den nachfolgenden
Schriftsätzen der Klägerin hinreichend konkret vorgetragen, obwohl das Gericht bereits
mit der Terminsverfügung vom 31.03.2010 auf die der Klägerin auch insoweit obliegende
Darlegungs- und Beweislast hingewiesen hatte. Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer
Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 angegeben hat, dass der
Kundenberater ihr eine Anlage in den streitgegenständlichen Medienfonds als sicher
dargestellt habe, ist dies für einen schlüssigen Vortrag nicht ausreichend. Zum einen ist
bereits nicht eindeutig festzustellen, dass sich der Klägervertreter den Vortrag seiner
Partei in der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2010 zu eigen gemacht hätte, was im
Hinblick auf den Beibringungsgrundsatz und die fehlende Postulationsfähigkeit der
Klägerin notwendig gewesen wäre. Zum anderen ist die Aussage aber auch derart
pauschal, dass sie auch aus diesem Grund den Eintritt in eine förmliche
Beweisaufnahme bzw. Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht hätte rechtfertigen
können.
cc. Schließlich wäre eine Verletzung des - nach dem Vortrag der Klägerin mutmaßlich
zustande gekommenen - Beratungsvertrags auch nicht darin zu sehen, dass die
Beklagte die Klägerin nicht über die Vergütung aufgeklärt hat, welche sie für den Vertrieb
der Beteiligungen an dem streitgegenständlichen Fonds erhält.
aa. Nach der Rechtsprechung des für die Bankenhaftung zuständigen XI. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs muss eine Bank, die einem Anleger Fondsanteile empfiehlt, darauf
hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und
Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält. Die Aufklärung über die
Rückvergütung sei notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden
Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Erst durch die Aufklärung werde der Anleger
in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu
beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfehle, weil sie
selbst daran verdiene (BGHZ 170, 226, 234 = NJW 2007, 1876, Tz. 23). Diese
Rechtsprechung wurde durch eine weitere Entscheidung des Senats vom 20.01.2009 - XI
ZR 510/07 (NJW 2009, 1416) ausdrücklich auf den Vertrieb von geschlossenen Fonds und
insbesondere auch auf Medienfonds erstreckt.
Allerdings ist der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats auch zu entnehmen, dass eine
Aufklärungspflicht nicht generell bezüglich sämtlicher geldwerter Vorteile besteht, welche
eine Bank für den Vertrieb eines bestimmten Kapitalanlageprodukts von dritter Seite
erhält. Vielmehr muss insoweit zwischen echten (aufklärungspflichtigen)
Rückvergütungen und sonstigen Vertriebsprovisionen unterschieden werden. Während
eine Bank über echte Rückvergütungen nach der zitierten Rechtsprechung grundsätzlich
unabhängig von deren Höhe in jedem Fall ungefragt aufklären muss, besteht hinsichtlich
sonstiger Vertriebsprovisionen eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn deren Höhe mehr
als 15 % beträgt. Durch die zuletzt genannte Hinweispflicht, die erst ab einer
bestimmten Höhe der gezahlten Provision eingreift, soll indes nicht ein Interessenkonflikt
der beratenden Bank offen gelegt, sondern dem Anleger ermöglicht werden, die
Werthaltigkeit der Anlage zu beurteilen (BGHZ 158, 110, 118, = NJW 2004, 1732, Tz. 31
ff.; Assmann, ZIP 2009, 2125, 2172).
Diese Unterscheidung hat der XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zuletzt in seinem
Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 338/08, WM 2009, 2306, nochmals ausdrücklich betont.
Dort heißt es wörtlich (Tz. 31):
“Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn - anders als
hier - Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die
Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank
umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein für den Kunden nicht erkennbares
besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen.”
Die von dem BGH mit dieser Entscheidung (weiter) entwickelte Definition
aufklärungspflichtiger Rückvergütungen stellt somit in erster Linie auf die besondere
Herkunft und den Zahlungsweg der Zuwendungen ab. Rückvergütungen sollen dadurch
gekennzeichnet sein, dass sie aus Teilen der Ausgabeaufschläge oder
Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft gezahlt hat,
hinter seinem Rücken umsatzabhängig an die beratende Bank zurückfließen. Ein durch
die Zahlung von Vertriebsprovisionen ausgelöster Interessenkonflikt der beratenden
Bank kann nach dieser Definition, jedenfalls für sich allein genommen, eine
37
38
39
40
Bank kann nach dieser Definition, jedenfalls für sich allein genommen, eine
Aufklärungspflicht noch nicht begründen. Diese zugestandenermaßen eher formale
Differenzierung lässt sich - entgegen einiger kritischer Stimmen in der Rechtsprechung
und Literatur (vgl. etwa OLG Frankfurt, ZIP 2010, 2039, juris Rn. 20 f.; Habersack, WM
2010, 1245, 1252; Koch, BKR 2010, 177, 180 ff.) - auch sachlich rechtfertigen, weil
echten Rückvergütungen gerade aufgrund ihres besonderen Zahlungsweges (“hinter
dem Rücken des Anleger”) letztlich ein schmiergeldähnlicher Charakter innewohnt (OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 1386 juris Rn. 55 f.; Nobbe, WuB I G 1. - 5.10; Varadinek/Röh, ZIP
2009 2383, 2385).
bb. Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte - unabhängig von dem fraglichen
Zustandekommen eines Beratungsvertrags - nicht verpflichtet, die Klägerin über die
vereinnahmten Vertriebsvergütungen aufzuklären.
Da die Klägerin unstreitig weder einen Ausgabeaufschlag noch gesonderte
Verwaltungsgebühren über die Beklagte an die Fondsgesellschaft gezahlt hat, können
diese auch nicht hinter ihrem Rücken an die Beklagte zurückgeflossen sein. Nach der
von der von dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entwickelten Definition handelt
es sich bei der von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovision somit nicht um
echte Rückvergütungen, die unabhängig von ihrer Höhe eine Aufklärungspflicht der Bank
auslösen.
Schließlich begründen die von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovisionen, die
sich nach deren Angaben auf 8 % der jeweiligen Bareinlage bzw. 4,8 % des
Nominalanteils belaufen und damit unter der maßgeblichen 15 % Grenze liegen, auch im
Hinblick auf ihre Höhe keine Aufklärungspflicht. Soweit die Klägerin die Angaben der
Beklagten zur Höhe der Provision mit Nichtwissen bestreitet, geht dies ins Leere, weil die
Darlegungs- und Beweislast auch insoweit dem mutmaßlich geschädigten Anleger
obliegt (vgl. Rotter/Placzek, Bankrecht, 1. Aufl. 2009, § 14 Rn. 41). Ihrer sekundären
Darlegungslast ist die Beklagte durch die Angabe der Provisionshöhe in ihrem Schriftsatz
vom 03.05.2010 nachgekommen. Konkrete Anhaltspunkte, welche Zweifel an der
Richtigkeit dieser Angaben rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Sie
sind für das Gericht auch nicht ersichtlich, zumal sich die von der Beklagen genannte
Provisionshöhe in etwa mit der im Prospekt für die Beschaffung des Eigenkapitals
angegebenen Gebühr von 8,5 % (vgl. dort Ziffer 7.2, S. 24) deckt und im dem für den
Vertrieb von Medienfonds üblichen Rahmen bewegt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum