Urteil des LG Berlin vom 29.03.2017

LG Berlin: zahlungsunfähigkeit, sammlung, auflage, link, anhalten, quelle, entscheidungsbefugnis, gehalt, leasingvertrag, ratenzahlung

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Gericht:
LG Berlin 33. Große
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
533 Qs 73/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 96 Abs 2 S 2 OWiG, § 473 Abs
5 StPO
Leitsatz
1. Die Erzwingungshaft darf nicht bedingt für den Fall aufrechterhalten werden, dass der
Betroffene künftig die Ratenzahlungsverpflichtungen nicht einhält.
2. Ist der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage, die gesamte Geldbuße sofort zu
entrichten und bewilligt ihm das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde aus diesem Grund
Zahlungserleichterungen, kommt Erzwingungshaft nur wegen der jeweils fälligen Teilraten in
Betracht.
3. In entsprechender Anwendung des § 473 Abs. 5 StPO trägt der Beschwerdeführer die
Kosten des Beschwerdeverfahrens, wenn er die Tatsachen, die den Erfolg der Vorinstanz
geschaffen hat.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. April 2009 wird aufgehoben.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Das Bezirksamt Mitte verhängte gegen den Betroffenen am 17. April 2008 rechtskräftig
drei Geldbußen in Höhe von insgesamt 1.600,00 EUR. Da der Betroffene die Geldbuße
nicht zahlte, beantragte das Bezirksamt gegen ihn Erzwingungshaft anzuordnen. Auf das
Anhörungsschreiben des Amtsgerichts Tiergarten teilte er mit, dass er die Geldbuße
nicht in einem Betrag zahlen könne, da ihm durch die abgewendete Insolvenz seines
Unternehmens enorme Kosten entstanden seien. Er bot an, die Gesamtsumme in
monatlichen Raten von 250 Euro zu begleichen. Weitere Angaben zu seinen
wirtschaftlichen Verhältnissen machte er nicht. Das Amtsgericht Tiergarten ordnete
daraufhin insgesamt 42 Tage Erzwingungshaft an. Gegen diesen Beschluss hat der
Betroffene fristgemäß sofortigen Beschwerde eingelegt und gleichzeitig einen Nachweis
für sein monatliches Gehalt als Geschäftführer von netto 2.435,23 Euro vorgelegt. Von
diesem Betrag seien insgesamt ca. 1.300 Euro abzuziehen, die er aufbringen müsse,
um Schulden zu begleichen und um die Raten für einen PKW-Leasingvertrag zu
bedienen. Das Bezirksamt Mitte hat dem Betroffenen daraufhin gestattet, die Geldbuße
in monatlichen Raten zu zahlen. Da er jedoch keine Rate gezahlt hat, hat das
Bezirksamt die Ratenvereinbarung aufgehoben und den Antrag gestellt, das
Erzwingungshaftverfahren fortzusetzen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. April 2009 ist aufzuheben, da das
Bezirksamt Mitte von Berlin dem Betroffenen eine Ratenzahlung bewilligt hat. § 96 Abs. 2
S. 2 OWiG schreibt vor, dass das Gericht die Anordnung der Erzwingungshaft aufheben
muss, wenn die Vollstreckungsbehörde dem Betroffenen gestattet, die Geldbuße in
Raten zu zahlen. Die Erzwingungshaft hat als Beugemittel nur den Zweck, eine
gegenwärtig bestehende Zahlungspflicht durchzusetzen (KK-Mitsch, § 96 OWiG Rdn. 29).
Die Erzwingungshaft darf nicht bedingt für den Fall aufrechterhalten werden, dass der
Betroffene künftig die Ratenzahlungsverpflichtungen nicht einhält (LG Zweibrücken,
Beschluss vom 15. Dezember 1993, 1 Qs 131/93, MDR 1994, 299 – zitiert nach juris).
Diese Verfahrensweise mag formalistisch und nicht verfahrensökonomisch erscheinen:
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Diese Verfahrensweise mag formalistisch und nicht verfahrensökonomisch erscheinen:
Der Erzwingungshaftbeschluss wird aufgehoben, obwohl anschließend sofort wieder
Erzwingungshaft anzuordnen ist, da der Betroffene bislang keine Rate beglichen hat.
Dieser Weg ist aber erforderlich, um klarzustellen, welche Zahlungsverpflichtung
durchgesetzt werden soll. Denn ist der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage, die
gesamte Geldbuße sofort zu entrichten und bewilligt ihm das Gericht oder die
Vollstreckungsbehörde aus diesem Grund Zahlungserleichterungen, kommt
Erzwingungshaft nur wegen der jeweils fälligen Teilraten in Betracht(LG Berlin, Beschluss
vom 19. Oktober 2009, 533 Qs 143/09; LG Heidelberg, Beschluss vom 7. August 2006, 2
Qs 48/06, zitiert nach juris).
Die Bitte des Bezirksamtes, das Erzwingungshaftverfahren fortzusetzen, ist als Antrag
zu verstehen, erneut Erzwingungshaft anzuordnen. Darüber hat das Amtsgericht zu
bestimmen, weil die Entscheidungsbefugnis der Kammer im Beschwerdeverfahren mit
der Aufhebung des Erzwingungshaftbeschlusses endet.
III.
Der Beschwerdeführer hat nach § 46 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO
die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel in entsprechender
Anwendung des § 473 Abs. 5 StPO wie ein erfolgloses Rechtsmittel zu behandeln ist.
Die Vorschrift des § 473 Abs. 5 StPO wird auf Fälle entsprechend angewendet, in denen
das Rechtsmittel nur Erfolg hat, weil sich die Sachlage in der Zwischenzeit verändert hat,
die Ausgangsentscheidung aber ursprünglich rechtmäßig ergangen war (vgl. Meyer-
Goßner, StPO, 52. Aufl., § 473 Rn. 31 für den Fall der Herabsetzung der Tagessatzhöhe
im Berufungsverfahren bei zwischenzeitlicher Änderung der wirtschaftlichen
Verhältnisse). Das muss erst recht dann gelten, wenn der Beschwerdeführer die
Tatsachen, die den Erfolg der Beschwerde begründenden, pflichtwidrig erst nach der
Entscheidung der Vorinstanz geschaffen hat. So liegt der Fall hier. Nach § 66 Abs. 2 Nr.
2b) OWiG ist der Betroffene für den Fall der Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, der
Vollstreckungsbehörde schriftlich darzulegen, warum ihm die fristgemäße Zahlung nach
seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist. Die Erzwingungshaft soll den
Betroffenen gerade dazu anhalten, entweder die festgesetzte Geldbuße zu zahlen oder
der Vollstreckungsbehörde seine (ggf. teilweise) Zahlungsunfähigkeit darzutun (KK-
Mitsch, 3. Auflage, § 96 OWiG Rdn. 1). Erst durch die detaillierten Angaben im
Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer die Voraussetzung dafür geschaffen,
ihm Zahlungserleichterungen zu gewähren.
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