Urteil des LG Berlin vom 15.03.2017

LG Berlin: vitamin, vernehmung von zeugen, produkt, geschäftsführer, schwestergesellschaft, werbung, abmahnung, form, klagebefugnis, unternehmen

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Gericht:
LG Berlin Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
103 O 40/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 5 UWG
Wettbewerbsverstoß: Werbung für ein Vitamin C-Präparat "mit
12-Stunden-Wirkung"
Tenor
1. Den Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall der
Beklagten zu 1) zu vollziehen am Beklagten zu 2), untersagt, im geschäftlichen Verkehr
für das Produkt “Axx-C-Rxx Vitamin C mit 12-Stunden-Wirkung” zu werben:
a)
“Wenn sie nämlich so Vitamin C konsumieren, ohne Langzeitwirkung, ist in der
Regel nach einer Stunde alles verbraucht ... Normalerweise müssten wir permanent
tagsüber, auch nachts eigentlich immer wieder Vitamin C konsumieren”,
b)
“... - die Verwertbarkeit ist viel höher, wenn wir natürliches Vitamin C
konsumieren. Wenn ich synthetisches Vitamin C nehme, pinkel ich sehr viel aus.”
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2007 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten je zur Hälfte.
5. Das Urteil ist zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 €,
im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich
10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die
Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Insbesondere hat er
darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Die Beklagte zu 1) ist ein niederländisches Unternehmen, das
Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Sie warb am 22.10.2006 in einer auf dem
Fernsehsender xxx ausgestrahlten Dauerwerbesendung für das Produkt “Axx-C-Rxx
Vitamin-C mit 12-Stunden-Wirkung”. Die Werbung erfolgte in Form eines Dialogs
zwischen einem Moderator und dem Beklagten zu 2). Im Rahmen dieses Dialogs äußerte
sich der Beklagte zu 2) u.a. wie aus dem Tenor ersichtlich. Wegen der Einzelheiten des
Gesprächs wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.09.2007 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12.01.2007 mahnte der Kläger die Beklagte zu 1) ab.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Aussagen irreführend seien. Der menschliche
Körper sei zur Aufrechterhaltung seiner Funktionen nicht auf die stündliche Zufuhr von
Vitamin C angewiesen. Es sei auch nicht zutreffend, dass natürliches Vitamin C
gegenüber synthetisch hergestelltem Vitamin C eine höhere Verwertbarkeit
(Bioverfügbarkeit) habe.
Die Beklagten seien verpflichtet, die Kosten der Abmahnung zu erstatten. Insoweit werde
ein Pauschalbetrag von 140,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer geltend gemacht. Die
Pauschale ergebe sich aus der Ermittlung der Kosten, die pro Abmahnung anfielen.
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Der Kläger beantragt:
I. Den Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer untersagt,
im geschäftlichen Verkehr für das Produkt A-C-R Vitamin C mit 12-Stunden-
Wirkung”:
1.
“Wenn Sie nämlich so Vitamin C konsumieren, ohne die Langzeitwirkung, ist in
der Regel nach einer Stunde alles verbraucht ... Normalerweise müssten wir permanent
tagsüber, auch nachts eigentlich immer wieder Vitamin C konsumieren”,
2.
“... - die Verwertbarkeit ist viel höher, wenn wir natürliches Vitamin C
konsumieren. Wenn ich synthetisches Vitamin C nehme, pinkel ich sehr viel aus.”.
II. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 166,60 € zuzüglich Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor: Der Kläger sei nicht klagebefugt im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, da
sein Hauptzweck und seine Haupttätigkeit darin bestehe, die wirtschaftlichen Interessen
seines Prozessbevollmächtigten zu fördern. Er handele zudem rechtsmissbräuchlich, da
er gezielt gegen sie und ihre Schwestergesellschaft xxx xxx GmbH vorgehe.
Die Aussagen seien zutreffend. Sie beträfen nicht ihr Produkt, sondern Vitamin C
allgemein. Bezogen darauf seien sie richtig.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der beiderseitigen
Schriftsätze Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden
erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§
5, 8 Abs. 1 UWG einen Unterlassungsanspruch und gegen die Beklagte zu 1) gemäß §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Insoweit schließt die Kammer
sich dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Oktober 2006 in vollem Umfang
an. Das Oberlandesgericht hat nach Anhörung der Parteien und Vernehmung von
Zeugen entschieden, dass die Angriffe der dortigen Beklagten, der xxx xxx GmbH,
gegen die Klagebefugnis des Klägers insgesamt nicht erfolgreich sind. Die Kammer hat
keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich hieran etwas geändert haben könnte. Das
Urteil ist sehr ausführlich auf 28 Seiten begründet worden und hat sich, soweit dies ohne
Einsichtnahme in die Akte feststellbar ist, mit zahlreichen Einwendungen der Beklagten
im Einzelnen auseinander gesetzt. Dass das Oberlandesgericht hierbei
entscheidungserhebliche Behauptungen und Beweisantritte der Beklagten übersehen
haben sollte, ist fernliegend. Es bleibt daher hinsichtlich der Klagebefugnis bei der für
den Kläger als alt eingesessenem Wettbewerbsverband bestehenden Vermutung, deren
Widerlegung Sache der Beklagten wäre.
Die Vermutung ist nach wie vor, insbesondere durch die nunmehr erhobenen Rügen,
nicht widerlegt. So ist der Vortrag der Beklagten hinsichtlich des angeblichen
“Mitgliederfangs” des Klägers, d. h. dem Versprechen, dass man nicht mehr abgemahnt
werde, wenn man Mitglied des Klägers werde, nicht ausreichend substantiiert. Die
Beklagte trägt zu den Einzelheiten des “Mitgliederfangs” nichts vor, es fehlen jegliche
Angaben zur Person dessen, der eine solche Zusage gemacht haben soll, auch werden
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Angaben zur Person dessen, der eine solche Zusage gemacht haben soll, auch werden
Angaben zu Zeit, Ort und näheren Umständen nicht gemacht.
Schließlich ist auch die Behauptung der Beklagten, sämtliche von ihrem
Prozessbevollmächtigten und anderen Rechtsanwälten angesprochenen Personen oder
Unternehmen hätten Angst vor dem Kläger, vollständig unsubstantiiert.
Ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen des Klägers gerade gegen die Beklagte und die xxx
xxx GmbH kann nicht festgestellt werden. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen,
dass sich von mehr als 1300 Abmahnungen im Jahr 2005 gerade einmal je 8
Abmahnungen gegen die Beklagte und ihre Schwestergesellschaft und von 1400
Abmahnungen im Jahr 2004 4 Abmahnungen gegen die Beklagte und 7 Abmahnungen
gegen die xxx xxx GmbH richteten. Von einem gezielten Vorgehen gegen die Beklagte
zu 1) kann daher keine Rede sein.
Die Äußerungen des Beklagten zu 2) in der Werbesendung sind irreführend. Sie stellen
sich als Werbeaussagen für das Produkt der Beklagten dar, denn in der ersten Aussage
wird die normale Vitaminzufuhr der Vitaminzufuhr mit Langzeitwirkung in Form des
Produkts der Beklagten gegenüber gestellt, in der zweiten Aussage vergleicht die
Beklagte ihr “natürliches” Vitamin C mit synthetischem Vitamin C. Beide Aussagen sind
nicht zutreffend.
Auch wenn es richtig sein sollte, dass der Mensch Vitamin C mehrmals über den Tag
verteilt zu sich nehmen soll, weil es schnell abgebaut wird, kann keine Rede davon sein,
dass die Vitamin-C-Zufuhr stündlich erfolgen müsse, weil nach einer Stunde alles
verbraucht sei. Die Beklagte verweist selbst auf Empfehlungen, wonach die Zufuhr zwei-
bis dreimal am Tag erfolgen sollte. Dies entspricht den Anwendungshinweisen für das
Präparat der Beklagten, das zweimal am Tag genommen werden soll, um eine Vitamin-
C-Versorgung über 24 Stunden zu erreichen. Dasselbe Resultat lässt sich aber auch bei
normaler Ernährung erzielen. Es ist gerade nicht erforderlich, permanent, auch nachts,
Vitamin C zu konsumieren.
Irreführend ist auch die Behauptung, dass natürliches Vitamin C eine höhere
Verwertbarkeit habe. Der Kläger hat dargelegt, dass ein Unterschied in der Wirksamkeit
von Ascorbinsäure, die aus der Acerolakirsche gewonnen wird, und Ascorbinsäure, die
synthetisch hergestellt wird, nicht besteht. Gegenteiliges haben die Beklagten nicht
dargelegt. Sie beziehen sich auf Untersuchungen, die reines Vitamin C mit der Wirkung
von Vitamin C in Obst und Gemüse verglichen haben. Dabei soll aufgrund der Tatsache,
dass das Vitamin in dem natürlichen Verbund mit anderen sekundären Pflanzenstoffen
eingebettet ist, dem Vitamin im Obst eine höhere Bioverfügbarkeit zukommen. Es ist
jedoch nicht ersichtlich und wird von den Beklagten auch nicht vorgetragen, dass das
von ihnen vertriebene Produkt diese sekundären Pflanzenstoffe enthält, die erst die
höhere Verwertbarkeit begründen. Insofern besagen die von den Beklagten vorgelegten
Unterlagen nichts darüber, dass ihr Präparat eine höhere Verwertbarkeit hat als
synthetisches Vitamin C.
Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist nur gegenüber der Beklagten zu 1)
gegeben, denn der Beklagte zu 2) wurde nicht abgemahnt. Er haftet als Geschäftsführer
auch nicht für Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
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