Urteil des LG Berlin vom 15.03.2017

LG Berlin: treu und glauben, film, nummer, nennwert, zeichnung, verzug, rückabwicklung, unerlaubte handlung, beratungsvertrag, wirtschaftliche einheit

Gericht:
LG Berlin 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 8/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 252 BGB, § 254 Abs 2 BGB, §
276 Abs 1 BGB, § 280 BGB, §
358 BGB
Bankenhaftung: Pflicht zur Offenlegung von Rückvergütungen
im Rahmen eines Beratungsvertrages
Leitsatz
1. Solange sich in der Allgemeinheit nicht die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei
Mitarbeitern der Großbanken im Zweifel davon auszugehen sei, dass diese die Interessen
kapitalsuchender Dritter verträten und das etwa bereits bestehende Kundenverhältnis nur zur
Kontaktaufnahme nutzten, besteht kein Anlass zu einer Änderung der Grundsätze, nach
denen ein Beratungsvertrag auch mit einer Bank stillschweigend zustande kommen kann.
2. Der Zeichner eines Medienfonds kann von einer Bank, mit der er- auch stillschweigend-
einen Beratungsvertrag geschlossen hat, eine Aufklärung darüber erwarten, dass die Bank
aus seiner Einlage einen Teil als Vertriebsprovision erhält (sog. Rückvergütung, Anschluss
BGH XI ZR 510/07). Dies gilt auch dann, wenn sich aus dem Prospekt die Höhe der weichen
Kosten korrekt ergibt und es dem Vertrieb gestattet war, Untervermittler einzusetzen.
3. Eine Bank, die ihren Kunden unter den genannten Voraussetzungen nicht aufklärt, handelt
auch dann schuldhaft im Sinne unbewusster Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB, wenn die
Beratung noch vor Bekanntwerden der Entscheidungen des BGH vom 19.12.2006 (XI ZR
56/05) und 20.01.2009 (XI ZR 510/07) stattgefunden hat.
4. Hat ein Anleger bei früherer Gelegenheit einen Fondsanteil gezeichnet, für dessen Vertrieb
die ihn seinerzeit beratende Bank mit seinem Wissen eine Rückvergütung erhielt, kann
hieraus nicht darauf geschlossen werden, dass ihm bei einer späteren Zeichnung gleichgültig
war, ob die Bank auch dort eine -nicht offen gelegte- Innenprovision erhält.
5. Ein Kapitalanleger kann sich (entgegen BGH II ZR 141/90) bei der Geltendmachung
entgangenen Gewinns nicht mehr auf den Erfahrungssatz berufen, dass Kapitalbeträge
gewissen Umfangs nicht ungenutzt blieben, weil die nunmehr herrschenden
Kapitalmarktverhältnisse die Annahme nicht mehr rechtfertigen, dass aus Alternativanlagen
in jedem Fall Gewinn erzielt worden wäre und daher allein die Falschberatung den Eintritt von
Gewinn verhindert hat (Anschluss KG 4 U 143/06, Anlagezeitpunkt hier: 2003/04).
6. Ein Anleger, der seine Fondseinlage drittfinanziert hat, ist bei Inanspruchnahme der
beratenden Bank nicht zur Schadenminderung gehalten, der finanzierenden Bank gegenüber
einen Widerruf des Darlehensvertrages nach dem Verbraucherkreditgesetz oder nach § 495
BGB zu erklären.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 105.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2009 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen
steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar
aus der von ihm am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment
... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer
... resultieren.
3. Die zu 1. bis 2. genannten Leistungen schuldet die Beklagte Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der
Kommanditisten-Nummer ... an sie.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3
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dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... in
Verzug befindet.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 29.750,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2009 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von allen Verbindlichkeiten bezüglich des von
ihm bei der ... AG aufgenommenen Darlehens zu den Darlehens-Kontonummern ... -62
und -70 freizustellen.
7. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen
steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar
aus der von ihm am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment
... 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ...
resultieren.
8. Die zu 5. bis 7. genannten Leistungen schuldet die Beklagte Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Kläger am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-
Nummer ... an sie.
9. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Kläger am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ...
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... in
Verzug befindet.
10. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
11. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
12. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung zweier Fondsbeteiligungen in
Anspruch.
Nach den sog. Medienerlassen des Bundesfinanzministeriums aus 2001 und 2003
konnten bei Publikums-Filmfonds die Herstellungskosten des Films sofort als Aufwand
verbucht werden, wenn die Anleger-Gesellschafter Einfluss darauf hatten, welche Filme
wie produziert werden (sog. Blind Pool). Damit konnte ein Anleger gegebenenfalls 100 %
seiner Einlage sofort als negatives Steuerergebnis geltend machen. Auf dieser
Grundlage konzipierte die VIP Vermögensberatung M. GmbH im Jahr 2001 u.a. den „...
3“, der eine Beteiligung des Publikums als Treuhandkommanditist an der ... GmbH & Co.
KG (fortan: VIP3 Fonds-KG) vorsah. Das Fondskonzept stellte eine Absicherung von
100% des Anteils des Lizenzgebers an den Produktionskosten aller realisierten Filme
bzw. Ersatzproduktionen zzgl. Fondsnebenkosten ohne Agio in Aussicht, welche in der
Form einer Schuldübernahme durch die D. Bank AG geplant sei. Für die
Produktionskosten (inkl. Liquiditätsreserve) sei die Verwendung von 87,2 % des
Kommanditkapitals vorgesehen. Wegen des näheren Inhaltes des mit „Garantiefonds ...
3“ überschriebenen Prospektes wird auf dessen als Anlage K5 zur Klageschrift zu den
Akten gelange Ablichtung Bezug genommen.
Im Oktober 2002 kam die P...C... GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in einem
Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG steuerlich
anerkennungsfähig sei. Im November 2002 bestätigte die P...C... V.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zudem in einem Rechtsgutachten die
Ordnungsgemäßheit des Emissionsprospektes. Im Juni 2003 beschied das Finanzamt
München II, dass die Verluste der VIP3 Fonds-KG für Zwecke der Anpassung der
Einkommensteuervorauszahlungen und der Eintragung eines Freibetrages bei Anlegern
auf der Lohnsteuerkarte anerkannt würden. Die Beklagte nahm die VIP3 Fonds-KG in ihr
Anlageprogramm auf und erhielt für den Vertrieb von Fondsanteilen eine Provision von
8,25 % des Beteiligungswertes.
Der Kläger war seit 1984 Kunde der Beklagten. Zwischen 1984 und 2004 war die
Beklagte die einzige Bankverbindung des Klägers. Der Mitarbeiter H. F. der Beklagten
empfahl ihm im Jahr 2003 die Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG. Der Inhalt des
Gesprächs ist streitig. Mit Zeichnungsschein vom 25.11.2003 beteiligte sich der Kläger
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Gesprächs ist streitig. Mit Zeichnungsschein vom 25.11.2003 beteiligte sich der Kläger
mit einem Beteiligungsbetrag von € 100.000 zzgl. 5% Agio an der VIP3 Fonds-KG
(Anlage K1).
Zwischenzeitlich hatte die VIP Vermögensberatung M. GmbH den „... 4“ aufgelegt, der
eine Beteiligung des Publikums als Treuhandkommanditist an der ... 4 GmbH & Co. KG
(fortan: VIP4 Fonds-KG) zum Gegenstand hatte. Dieses Beteiligungsangebot sah unter
anderem eine obligatorische Finanzierung von 45,5 % des Kommanditkapitals vor, wobei
der Anleger ein endfälliges Darlehen aufnehmen und ihm die Zinsen bis zum 30.11.2014
gestundet werden sollten. Eine Absicherung von mindestens 115 % des
Kommanditkapitals ohne Agio werde - so der Prospekt - mittels einer Schuldübernahme
durch die ... AG erfolgen. Für die Produktionskosten (inkl. Liquiditätsreserve) sei
wiederum die Verwendung von 87,200 % des Kommanditkapitals vorgesehen. Wegen
des näheren Inhaltes des mit „Garantiefonds ... 4“ überschriebenen Prospektes wird auf
dessen als Anlage K6 zur Klageschrift zu den Akten gelange Ablichtung Bezug
genommen.
Im April 2004 kam die P...C... GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in einem Gutachten
zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG steuerlich
anerkennungsfähig sei. Im selben Monat beschied das Finanzamt München II, dass die
Verluste der VIP4 Fonds-KG für Zwecke der Anpassung der
Einkommensteuervorauszahlungen und der Eintragung eines Freibetrages bei Anlegern
auf der Lohnsteuerkarte anerkannt würden. Im Mai 2004 bestätigte die E. & Y. AG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zudem in einem Rechtsgutachten die
Ordnungsgemäßheit des Emissionsprospektes. Die Beklagte nahm auch die Beteiligung
an der die VIP4 Fonds-KG in ihr Anlageprogramm auf und erhielt für den Vertrieb von
Fondsanteilen eine Provision von 8,45 bis 8,72 % des Beteiligungswertes.
H. F. empfahl dem Kläger auch die Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG. Der Inhalt auch
dieses Gesprächs ist streitig. Mit Zeichnungsschein vom 09.12.2004 beteiligte sich der
Kläger mit einem Beteiligungsbetrag von € 50.000 zzgl. 5% Agio an der VIP4 Fonds-KG
(Anlage K3). Einen Betrag von € 29.750,00 leistete der Kläger aus Eigenmitteln. Zugleich
nahm er bei der B. H.- und Vereinsbank AG ein endfälliges Darlehen über weitere €
22.750,00 zu 7,475 % p. a. nominal fest bis zum Ende der Laufzeit auf. Das Darlehen
sollte am 30.11.2014 nebst der bis dahin gestundeten Zinsen in einem Betrag
zurückzuzahlen sein. Der Kläger wies die ... AG an, den Auszahlungsbetrag an die VIP4
Fonds-KG zu überweisen. In der Darlehensurkunde heißt es weiter:
Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Ich bin an meine auf Abschluss des vorgenannten Verbraucherkreditvertrages
gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ich sie widerrufe. Dieser Vertrag
bildet mit der von mir abgegebenen Beitrittserklärung eine wirtschaftliche Einheit (§ 358
BGB - Verbundene Geschäfte). Steht mir für die Beitrittserklärung ein gesetzliches
Widerrufsrecht zu, für das die §§ 355 ff. BGB gelten, so ist mein Recht zum Widerruf
dieses Verbraucherdarlehensvertrages gemäß (§ 495 BGB) ausgeschlossen. Erkläre ich
dennoch den Widerruf dieses Verbraucherdarlehensvertrages gegenüber der
H.Vereinsbank, so gilt dies auch als Widerruf der Beitrittserklärung gegenüber dem
Treuhandkommanditisten.
(...)
Widerruf bei bereits ausgezahltem Darlehen
Treuhandkommanditisten oder der Fondsgesellschaft vor Ablauf der Widerrufsfrist durch
Überweisung zugeflossen, so kann ich dennoch mein Widerrufsrecht ausüben. Habe ich
vor Wirksamwerden des Widerrufs bereits eine Leistung von dem
Treuhandkommanditisten oder der Fondsgesellschaft erhalten, so muss ich die
empfangene Leistung binnen 30 Tagen nach Zugang meines Widerrufs bei der
H.Vereinsbank an den Treuhandkommanditisten oder die Fondsgesellschaft zurück
gewähren und diesen die gezogenen Nutzungen herausgeben. Die H.Vereinsbank tritt
im Verhältnis zu mir hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs jedoch in die Rechte und
Pflichten des des Treuhandkommanditisten und der Fondsgesellschaft ein. Sie wird eine
von mir an den Treuhandkommanditisten oder die Fondsgesellschaft geleistete Zahlung
erstatten. Kann ich die von dem Treuhandkommanditisten oder der Fondsgesellschaft
erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurück gewähren, so bin ich verpflichtet,
insoweit Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass ich die empfangene
Leistung bestimmungsgemäß genutzt habe. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann
ich vermeiden, wenn ich die erbrachte Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in
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ich vermeiden, wenn ich die erbrachte Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in
Anspruch nehme.
Ende der Widerrufsbelehrung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf dessen als Anlage K3
zur Klageschrift zu den Akten gelange Ablichtung Bezug genommen.
Beide Fondsgesellschaften investierten sodann in die Filmproduktion und reichten die
hereingenommenen Mittel nach Abzug der Vertriebskosten an den
Produktionsdienstleister weiter. Der weitere Fluss der Gelder ist streitig. Im Oktober 2006
kam die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes München I zu dem Ergebnis, dass die
Verantwortlichen der Fondsgesellschaften prospektwidrig nur einen Teil der für die
Filmproduktion vorgesehenen Mittel tatsächlich investiert und den Restbetrag im Wege
einer Kapitalanlage zu Sicherung des Kommanditkapitals wie Festgeld angelegt hätten.
Im Jahr 2007 forderten die Finanzbehörden demgemäß die den Anlegern zunächst
gewährten Steuervorteile wieder zurück. Sie machten geltend, dass die investierten
Mittel zu überwiegenden Anteilen nicht unter Eingehen eines unternehmerischen Risikos
zur Filmproduktion verwendet, sondern vielmehr bei Banken eingezahlt worden seien.
Mit der am 13.02.2009 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf
Rückabwicklung seiner Beteiligung in Anspruch. Er macht geltend, die Beklagte habe ihn
beim Abschluss beider Beteiligungen in einer eine Schadensersatzhaftung
begründenden Weise unzutreffend beraten. Sie habe ihre Pflichten aus einem
stillschweigend abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag verletzt.
Der Mitarbeiter H. F. der Beklagten habe ihm erläutert, dass es sich bei der VIP3 Fonds-
KG um einen Garantiefonds handele, bei dem die D. Bank den Anlegern die Rückzahlung
ihres eingesetzten Geldes zu 100 % garantiere. Das steuerliche Ergebnis sei
hervorragend und das Fondskonzept abgesichert. Die Beklagte habe bundesweit
Vertriebsmitarbeiter zu unzutreffenden Angaben über die Absicherung der Einlage
angehalten, was sich aus an die Öffentlichkeit gelangtem Vertriebsmaterial ergebe.
Auch bei der Zeichnung des Anteils an der VIP4 Fonds-KG habe ihn die Beklagte falsch
beraten. H. F. sei wieder auf ihn zugekommen mit dem Bemerken, die Beteiligung biete
eine außerordentliche Kombination aus Steuervorteilen, Gewinnchancen und
Kapitalgarantie. Die Kapitalgarantie liege bei 115 % und werde von der B. H.- und
Vereinsbank AG gewährt. Diese sei eine ebenso renommierte Bank wie die D. Bank AG.
Auch im schlimmsten Fall erhalte er - der Kläger - eine Mindestschlusszahlung von 115
%. Die Beklagte habe auch in diesem Fall bundesweit Vertriebsmitarbeiter zu
unzutreffenden Angaben über die Absicherung der Einlage angehalten, was sich aus an
die Öffentlichkeit gelangtem Vertriebsmaterial ergebe, die von einer Kapitalgarantie von
115 % sprächen.
Die Beklagte sei zudem bei beiden Anlässen verpflichtet gewesen, ihn darauf
hinzuweisen, dass sie eine erhebliche Vertriebsvergütung erhalte. Wäre er von der
Beklagten zutreffend beraten worden, hätte er die Anlage nicht gezeichnet.
Weiter schulde die Beklagte die Rückabwicklung der Fondsbeteiligungen unter dem
Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Die Schlusszahlung der
Lizenznehmer werde fälschlich als Garantie für eine Rückgewähr des eingesetzten
Kapitals dargestellt. Tatsächlich bedeute aber auch eine Schlusszahlung von 100 %
allenfalls eine Einlagenrückgewähr von 35 % für die Gesellschafter. Die
Produktionsdienstleister hätten nur ca. 20 % der ihnen zugeflossenen Mittel in die
eigentliche Produktion investiert, der verbleibende Betrag sei dagegen über den
Lizenznehmer an Banken zur Unterlegung der Schuldübernahme weitergeleitet worden.
Die finanzierten Filme hätten damit etwa 80 % ihres Aufwandes aus dritten Quellen
benötigt und auch erhalten. Die Prospekte hätten indes nicht darauf hingewiesen, dass
bis zu 70 % des eingesetzten Kapitals bei Banken eingezahlt werden sollten. Ebenso
fehle ein Hinweis, dass die Fondsgesellschaften infolge dessen an den Erlösen der Filme
nicht zu 100 %, sondern allenfalls zu 20 % beteiligt seien. Die Prospekte verschwiegen,
dass der ebenfalls zur VIP-Gruppe gehörende Fertigstellungsgarant eine unzureichende
Bonität aufgewiesen habe. Die in den Prospekten für den gewöhnlichen Verlauf (sog.
mild case) ausgewiesenen Renditen seien unrealistisch und zudem schon wegen der
Investition von nur eines Teils der Mittel in die Produktion nicht zu erreichen gewesen.
Auch in den Prospekten fehle der Hinweis auf die der Beklagten zugeflossene
Vertriebsprovision. Weiter fehle ein Hinweis, dass die steuerliche Konzeption neu
gewesen sei und der Anleger daher ein hohes steuerliches Risiko eingehe. Die Beklagte
habe das besondere Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen.
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Nach alledem sei die Beklagte ihm zur Rückzahlung der Anlagebeträge zzgl. Agio
verpflichtet. Weiter sei ein entgangener Anlagegewinn von 4 % p.a. zu ersetzen, weil er
bei richtiger Beratung nicht in die Fondsgesellschaften, sondern in Festgeld investiert
hätte. Er habe als Gegenleistung bei der Rückabwicklung lediglich ein Angebot auf
Übertragung der Beteiligung abzugeben.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 105.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in
Höhe von 4 Prozent seit dem 25.11.2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab
Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn von allen steuerlichen und
wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von ihm
am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3 GmbH & Co.
KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... resultierten,
3. die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 2. erfolge Zug um Zug gegen
Abgabe eines Angebotes auf Übertragung der von dem Kläger am 25.11.2003
gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert
von € 100.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... sowie Abtretung aller Rechte aus
dieser Beteiligung an die Beklagte,
hilfsweise,
die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. bis 2. erfolge Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der
Kommanditisten-Nummer ... an die Beklagte,
4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf
Übertragung der von dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der
Kommanditisten-Nummer ... sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser
Beteiligung in Verzug befinde,
hilfsweise,
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Kläger am 25.11.2003 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 3
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 100.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... in
Verzug befinde.
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 29.750,00 zuzüglich Zinsen hieraus in
Höhe von 4 Prozent seit dem 09.12.2004 bis zur Rechtshängigkeit und ab
Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu bezahlen,
6. die Beklagte zu verurteilen, ihn von allen Verbindlichkeiten bezüglich des von
ihm bei der B. H.- und Vereinsbank AG aufgenommenen Darlehens zu den Darlehens-
Kontonummern ... 62 und ... 70 über einen Nennbetrag in Höhe von € 22.750,00 zu
einem Nominalzinssatz von 7,475 % bei einer Laufzeit bis zum 30.11.2014 freizustellen,
7. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn von allen steuerlichen und
wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von ihm
am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 4 GmbH & Co.
KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... resultierten,
8. die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 5. bis 7. erfolge Zug um Zug gegen
Abgabe eines Angebotes auf Übertragung der von dem Kläger am 09.12.2004
gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 4 GmbH & Co. KG im Nennwert
von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... sowie Abtretung aller Rechte aus
dieser Beteiligung an die Beklagte,
hilfsweise,
die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 5. bis 7. erfolge Zug um Zug gegen
Übertragung der von dem Kläger am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der
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Entertainment ... 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der
Kommanditisten-Nummer ... an die Beklagte,
9. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf
Übertragung der von dem Kläger am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film &
Entertainment ... 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der
Kommanditisten-Nummer ... sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser
Beteiligung in Verzug befinde,
hilfsweise,
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der von
dem Kläger am 09.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment ... 4
GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 mit der Kommanditisten-Nummer ... in
Verzug befinde.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, nicht als Beraterin des Klägers, sondern vielmehr als Vermittlerin der
Fondsbeteiligungen gehandelt zu haben. Die Beratungsgespräche hätten anhand der
jeweiligen Prospekte stattgefunden. Die Verhältnisse zu den Schlusszahlungen seien
zutreffend dargestellt worden. Eine flächendeckende prospektwidrige Darstellung der
Schlusszahlung als Garantie habe es nicht gegeben. Zur Aufklärung über die erhaltene
Vertriebsprovision sei sie nicht verpflichtet, weil die hierzu vom Bundesgerichtshof
vorgenommene Auslegung falsch und gegen das Gesetz sei und sie - die Beklagte - in
ihren Grundrechten aus Artt. 12, 14 GG verletze. Zudem weise der Prospekt deutlich auf
die Vertriebskosten hin und enthalte auch einen Hinweis, dass die mit dem Vertrieb
beauftragte VIP Beratung für Banken AG Untervermittler einsetzen könne. Der Kläger
habe daran erkennen können und müssen, dass sie - die Beklagte - Provision erhalte.
Jedenfalls sei ein etwaiger Beratungsfehler nicht kausal für die Anlageentscheidung
geworden. Auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens könne sich der Kläger
nicht berufen. Vielmehr sei es ihm gleichgültig gewesen, wer von den ausgewiesenen
Vertriebskosten wie viel erhalte. Dies ergebe sich daraus, dass er nicht danach gefragt
habe. Jedenfalls treffe sie - die Beklagte - kein Verschulden. Die Änderung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung habe sie nicht vorhersehen können. Sie könne sich
darauf berufen, dass Kollegialgerichte ihre Auffassung teilten.
Auch eine Prospekthaftung komme nicht zum Tragen. Beide Prospekte seien eingehend
auf ihre Plausibilität geprüft worden. Sie stellten die Verhältnisse zur Schlusszahlung
zutreffend dar. Wenn 70 % der Produktionskosten an die Banken geflossen seien, sei
dies prospektwidrig, ohne dass sie - die Beklagte - hiervon bei Zeichnung Kenntnis
gehabt hätte. Die für den gewöhnlichen Verlauf (sog. mild case) ausgewiesenen
Renditen seien plausibel.
So oder so hafte sie – die Beklagte – allenfalls gegen tatsächliche Übertragung der
Fondsbeteiligung an sie. Auch müsse sich der Kläger ein erhebliches Mitverschulden
entgegen halten lassen. Dieser habe pflichtwidrig den Prospekt nicht gelesen.
Hinsichtlich der Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG müsse sich der Kläger zudem auf den
Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages mit der B. H.- und
Vereinsbank AG gerichteten Willenserklärung verweisen lassen. Das
Anteilsfinanzierungsdarlehen sei nach wie vor widerruflich, weil die Widerrufsbelehrung
nicht den Hinweis enthalte, dass mit Widerruf des Darlehensvertrages auch die Bindung
an die Zeichnung des Fondsanteils entfalle. Die Belehrung erwecke den Eindruck, dass
der Anleger die Anteilszeichnung nur widerrufen könne, wenn ihm diesbezüglich ein
eigenständiges Widerrufsrecht zustehe, etwa wegen einer Haustürsituation. Es fehle
auch der Hinweis, dass auch die Gegenseite - und nicht nur der Verbraucher - bei
Rückabwicklung gezogene Nutzungen herauszugeben hätte. Weiter werde dem Anleger
verschwiegen, dass bei Widerruf der Anteilszeichnung auch das Darlehen in Wegfall
gerate. Diese Unklarheiten seien geeignet, den Anleger von einem Widerruf abzuhalten.
Werde der hiernach rechtlich mögliche Widerruf erklärt, sei der Kläger von jedem
Schaden frei. Nachteile entstünden ihm nicht. Nachdem die überwiegende Mehrheit der
Anleger den Widerruf bereits erklärt habe, sei auch bei dem Kläger davon auszugehen,
dass dies der Fall sei. Wenn er noch nicht widerrufen habe, sei er hierzu unter dem
Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht nach § 254 BGB verpflichtet.
Gegebenenfalls sei das hiesige Streitverfahren zum Ruhen zu bringen, bis der Kläger
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Gegebenenfalls sei das hiesige Streitverfahren zum Ruhen zu bringen, bis der Kläger
seinen Rückgewähranspruch gegenüber der B. H.- und Vereinsbank AG durchgesetzt
habe.
Der Kläger repliziert, er sei zum Widerruf des Darlehensvertrages nicht verpflichtet.
Diese Maßnahme stellte ihn nicht vollständig schadlos. Auch eine Vermögensgefährdung
stelle einen Schaden dar. Nachdem die ... AG von einer korrekten Widerrufsbelehrung
ausgehe, sei es ihm nicht zumutbar, gegen diese in mehreren Instanzen zu
prozessieren. Es handele sich nicht um eine Frage der Schadenminderungspflicht, weil
die Beklagten und die ... AG ihm insoweit als Gesamtschuldner hafteten. Die Beklagte
habe sich zudem geweigert, ihn von den Kosten des absehbaren Streitverfahrens gegen
die ... AG freizustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten
gelangten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie ergänzend auf die
Sitzungsniederschrift vom 02.10.2009 Bezug genommen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist weit gehend begründet.
I.
Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von € 105.000,00 nebst Zinsen Zug um Zug
gegen Übertragung des Anteils an der VIP3 Fonds-KG verlangen, weil die Beklagte ihm
wegen pflichtwidriger Anlageberatung zur Rückabwicklung der am 25.11.2003
gezeichneten Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG über € 100.000,00 nebst Agio im Wege
des Schadensersatzes verpflichtet ist, §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB.
1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Beratungsvertrag über die von der
Beklagten vorgeschlagene Investition in die VIP3 Fonds-KG geschlossen worden. Tritt der
Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines
Geldbetrages zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs
angenommen (vgl. BGH vom 04.03.1987 -IVa ZR 122/85-BGHZ 100, 117, 118 f; BGH
vom 06.07.1993 -XI ZR 12/93- BGHZ 123, 126 ff – Bond-Urteil), ohne dass es hierzu
einer gesonderten ausdrücklichen Vereinbarung oder der Vereinbarung eines Entgelts
bedürfte (vgl. BGH vom 04.03.1987 unter 2.a.). So liegt der Fall hier.
Lediglich Anlagevermittler ist demgegenüber derjenige, wer im Interesse des
Kapitalsuchenden mit dem Vertrieb einer Kapitalanlage befasst ist, insbesondere, wer
der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit
Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat
(vgl. nur BGH vom 13.05.1993 -III ZR 25/92- NJW-RR 1993, 1114 mwN.). Dabei kann sich
die Beklagte nicht darauf berufen, dass dies hier der Fall gewesen sei. Denn zwischen
den Parteien ist außer Streit, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht offen gelegt
hat, dass sie tatsächlich vertreiben und nicht beraten wolle. Dieser Umstand ist damit
nicht Bestandteil einer Vereinbarung geworden.
Dass die Beklagte lediglich Anlagevermittlerin wäre, folgt auch nicht aus dem Umstand,
dass der Kläger sie nicht direkt vergütet hätte. Spätestens seit dem Bond-Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 06.07.1993 entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein
Anlageberatungsvertrag die Vereinbarung eines Entgelts zwischen Beratendem und
Anleger gerade nicht voraussetzt, sondern vielmehr auch stillschweigend geschlossen
werden kann. Es mag auch zutreffen oder zumindest wünschenswert sein, dass der
Anleger einem Anlagevermittler selbständiger und in dem Bewusstsein gegenübertrete,
dass dessen Aussagen werbenden und anpreisenden Charakters seien. Dies setzt aber
voraus, dass dem Anleger erkennbar ist, dass die ihm gegenüber tretende Person im
Interesse des Kapitalsuchenden mit dem Vertrieb einer Kapitalanlage befasst ist.
Das dies tatsächlich so war, hat die Beklagte jedoch weder offen gelegt noch hatte der
Kläger Anlass, dies ohne weiteres anzunehmen. Als langjähriger Kunde der Beklagten
musste er bei einer Ansprache durch diese zunächst von einem Beratungs- und gerade
nicht von einem Vertriebsvorhaben ausgehen. Es oblag ihm als Bankkunden auch nicht
etwa, unaufgefordert die Entwicklung der deutschen Großbanken hin zum
Provisionsmodell und die Straffung des Vertriebs zu verfolgen und sich hierüber zu
informieren. Die Beklagte hätte den Kläger vielmehr von sich heraus darauf hinzuweisen
gehabt, dass sich die Vorzeichen einer solchen Ansprache deutlich geändert hatten.
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Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, angesichts der erheblichen
Haftungserweiterungen, welche sich für die Geschäftsbanken aus den Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2006 (-XI ZR 56/05- BGHZ 170, 226ff) und vom
20.01.2009 (-XI ZR 510/07- MDR 2009, 507) ergeben haben, nunmehr das Konzept des
stillschweigend abgeschlossenen Beratungsvertrages als solches in Zweifel zu ziehen
oder die Anforderungen an das Zustandekommen eines solchen Beratungsvertrages zu
verschärfen. Der vielfach angegriffenen Entscheidung vom 20.01.2009 lag ein
Sachverhalt zugrunde, in dem ein ausdrücklicher Beratungsvertrag gerade nicht
geschlossen worden war, so dass aus höchstrichterlicher Sicht kein Bedarf für eine
Revision der Anforderungen an den stillschweigenden Abschluss besteht. Eine
Anpassung wäre auch nur in dem Maße zu rechtfertigen, als sich in der Allgemeinheit die
Erkenntnis bereits durchgesetzt hätte, dass auch bei Mitarbeitern angesehener
Großbanken heutzutage davon auszugehen sei, dass diese im Zweifel die Interessen
kapitalsuchender Dritter verträten und das bestehende Kundenverhältnis nur zur
Kontaktaufnahme nutzten. Eine solche allgemeine Erkenntnis bestand jedenfalls im Jahr
2003, als der Kläger die streitgegenständliche Anlage zeichnete, noch nicht.
2. Die Beklagte hat die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten auch in
haftungsbegründender Weise außer Acht gelassen. Aus dem Beratungsvertrag ist die
Bank zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das
Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu
beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder
haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung
des Börsen- oder Fondsmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich
aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes (Kurs-, Zins- und
Währungsrisiko etc.) ergeben. Für den Umfang der Beratung ist hier insbesondere von
Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr zusammengestelltes
Anlageprogramm aufgenommen und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung gemacht
hat. Jedenfalls die in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte muss sie
einer eigenen Prüfung unterziehen. Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass
seine ihn beratende Bank, der er sich anvertraut, die von ihr in ihr Anlageprogramm
aufgenommenen Kapitalanlagen selbst als „gut“ befunden hat (BGH vom 06.07.1993 -XI
ZR 12/93- BGHZ 123, 126, 129). Die Bank ist daher verpflichtet, eine Anlage, die sie
empfehlen will, mit banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen (BGH vom
07.10.2008 -XI ZR 89/07- BGHZ 178, 149).
Die Beklagte ist der ihr nach alledem obliegenden Pflicht nicht nachgekommen, den
Kläger darüber aufzuklären, dass sie von der VIP Beratung für Banken AG für die
Vermittlung der Fondsanteile 8,25 % der Zeichnungssumme erhielt.
Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile empfiehlt, bei
denen sie verdeckte Rückvergütungen erhält, muss sie den Kunden über diese
Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde beurteilen kann, ob die Anlageempfehlung
allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung
erfolgt ist, oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten
(BGH vom 19.12.2006 -XI ZR 56/05- BGHZ 170, 226ff). Wörtlich führt der
Bundesgerichtshof aus:
„Wenn eine Bank einen Kunden (...) berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei
an den empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen
durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen gefährdet. Es besteht die konkrete
Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den
Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in
ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten.“
Diese anhand von § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF. entwickelte Aufklärungspflicht gilt nicht nur
beim Erwerb von Anteilen an Aktien-, sondern auch an Medienfonds (BGH vom
20.01.2009 -XI ZR 510/07- MDR 2009, 507). Auch nach Auffassung der Kammer sind die
Interessenlagen gleich gelagert und besteht kein Anlass, die Entscheidung vom
19.12.2006 als eine Sonderfallregelung zu behandeln und diejenige vom 20.01.2009 in
die Nähe eines bedauerlichen Irrtums zu rücken.
Dem hiernach bestehenden Aufklärungsgebot hat die Beklagte nicht genügt.
Dass eine mündliche Aufklärung nicht erfolgt ist, ist außer Streit.
Aus dem Prospekt folgt lediglich, dass in erheblichem Umfang Vertriebsprovisionen
gezahlt wurden. Aus dem Umstand, dass die Eigenkapitalbeschaffung in erheblicher
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gezahlt wurden. Aus dem Umstand, dass die Eigenkapitalbeschaffung in erheblicher
Höhe vergütet wird, folgt jedoch entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt/Main (vom
24.06.2009 -17 U 307/08- UA S. 15) nicht etwa, dass diese Vergütung an die dem
Anleger gegenüber als Beraterin auftretende Beklagte fließen würden. Das OLG Frankfurt
dürfte übersehen haben, dass den angeführten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofes zu einer Falschprospektierung der weichen Kosten nichts
entnommen werden kann, die Instanzgerichte also davon ausgehen dürfen, dass auch in
den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen die der Bank (teilweise) zugeflossenen
Provisionen korrekt ausgewiesen waren.
Auch aus dem Hinweis, es sei dem Vertreiber gestattet, Untervermittler einzusetzen,
hatte der Kläger nicht zu entnehmen, dass es sich bei diesem Untervermittler
ausgerechnet um seine langjährige Hausbank handele, welche ihre Vermittlerrolle nicht
offen gelegt hatte. Vorsorglich bemerkt die Kammer, dass auch aus der Firmierung des
Vertreibers als VIP Beratung für Banken AG nicht zu entnehmen war, dass diese
„Beratung“ letztlich nichts anderes als die Gewinnung der Banken als Vertriebskanal
unter Erschließung der dort vorhandenen Kundendaten war.
Der Kläger musste auch nicht etwa deshalb mit dem Zufluss einer Innenprovision an die
Beklagte rechnen, weil er am 17.02.2004 eine Selbstauskunft nach dem
Wertpapierhandelsgesetz ausgefüllt hätte. Zum einen ist streitig geblieben, ob dies den
Tatsachen entspricht, nachdem die Beklagte eine unterschriebene Kopie einer solchen
Erklärung nicht hat vorlegen können. Dies kann aber auf sich beruhen, weil sich aus den
von der Beklagten verwendeten Selbstauskünften („Vermögensanlage für private
Kunden“) nicht ergibt, dass für den Erwerb eines Gesellschaftsanteils Innenprovisionen
an die Beklagte fließen sollten. Der entsprechende Hinweis am Ende des
Erhebungsbogens
„Der Bank können im Zusammenhang mit der Abwicklung von
Wertpapiergeschäften Geldzahlungen oder geldwerte Vorteile (z. B.
Vermittlungsprovisionen wie Vertriebs- oder Vertriebsfolgeprovisionen) durch Dritte
gewährt werden.“
bezieht sich ausdrücklich auf Wertpapiere. Ein Immobilienfondsanteil ist kein Wertpapier.
Auf die Frage, ob eine solche Aufklärung im „Kleingedruckten“ statthaft war, kommt es
daher nicht an.
Soweit sich die Beklagte im Termin darauf berufen hat, dass der Kläger vor Zeichnung
der hier streitgegenständlichen Anlage unter anderem den Filmfonds „Academy 2“
gezeichnet habe, bei dem sich der Zufluss erheblicher Innenprovision an die Beklagte
aus dem Prospekt ergeben habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es ist schon
nicht dargetan, dass der Kläger diesen Umstand seinerzeit überhaupt zur Kenntnis
genommen hätte. Zudem ist nicht zu erkennen, dass damit die Erkenntnis zwingend
verbunden gewesen wäre, dass Filmfonds stets durch Zahlung erheblicher
Innenprovisionen an die Hausbank vertrieben werden.
Aber selbst wenn der Kläger Kenntnis von den Provisionen bei „Academy 2“ gehabt
haben sollte, war dem hiesigen Prospekt jedenfalls gerade kein Zufluss der
Innenprovision an die Beklagte zu entnehmen. Angesichts dessen spricht das Verhalten
bei Zeichnung des Fonds „Academy 2“ gerade nicht dafür, dass dem Kläger die Frage
der Innenprovision generell gleichgültig war. Einen Erfahrungssatz dergestalt, dass sich
ein Anleger zu dem Empfang von Innenprovision durch die Hausbank stets und in jedem
Fall gleich positioniert, gibt es nicht. Nur am Rande sei erwähnt, dass von den
Verhältnissen bei „Academy 2“ auf die hier herrschenden Umstände auch schon
deswegen nicht geschlossen werden kann, weil der Fonds „Academy2“ von der C. Bank-
Gruppe aufgelegt worden war, während die Beklagte hier ein konzernfremdes Produkt in
ihr Anlageangebot aufgenommen hatte.
3. Der Beklagten gelingt auch nicht die ihr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegende
Darlegung, dass sie die Verletzung dieser Aufklärungspflicht nicht zu vertreten habe.
a) Allerdings hat die Beklagte nicht vorsätzlich im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB
gehandelt. Wenn dem Mitarbeiter einer Bank, der einem Kunden Fondsanteile empfohlen
hat, nicht bewusst war, den Anleger darüber aufklären zu müssen, dass und in welcher
Höhe die Bank Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von
der Fondsgesellschaft erhält, haftet die Bank nicht aus vorsätzlicher
Aufklärungspflichtverletzung (vgl. OLG München vom 19.12.2007 -7 U 3009/04- WM
2008, 351). Dies entspricht dem Rechtsgrundsatz, dass im Zivilrecht – anders als im
Strafrecht – das Unrechtsbewusstsein Bestandteil des Vorsatzes ist (sog.
Vorsatztheorie) und daher auch die irrige Annahme der Rechtmäßigkeit des eigenen
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Vorsatztheorie) und daher auch die irrige Annahme der Rechtmäßigkeit des eigenen
Handelns den Vorsatz entfallen lässt (vgl. nur BGH vom 16.06.1977 -III ZR 179/75- BGHZ
69, 142ff – Fluglotsenstreik).
b) Von dem vermuteten Vorwurf der Fahrlässigkeit vermag sich die Beklagte jedoch
nicht erfolgreich zu entlasten, §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 Abs. 1 BGB. Insoweit schützt der
Rechtsirrtum nicht, denn fahrlässig handelt bereits der, der die Pflichtverletzung nicht
erkannt hat, diese bei gehöriger Sorgfalt aber hätte vorhersehen und verhindern können
(sog. unbewusste Fahrlässigkeit, vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, 68. Aufl., Rn. 13 zu § 276
BGB). Dass das Bestehen einer Aufklärungspflicht für sie unvorhersehbar war, vermag
die Beklagte nicht schlüssig darzulegen.
Unzutreffend ist bereits der Ansatz, mit den Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom
20.01.2009 sei eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung betreffend die
Rechtsstellung der Bank als Anlageberaterin beim Vertrieb von Kapitalanlageprodukten
mit Rückvergütung eingetreten. Dass ein Auftragnehmer nach § 667 BGB alle aus dem
Auftrag erlangten Provisionen, Geschenke und andere Sondervorteile herausgeben
muss, welche ihm von dritter Seite zugewendet worden sind und die Besorgnis bergen,
dass hiermit eine Willensbeeinflussung beabsichtigt sei, entspricht seit langem ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. nur BGH vom 18.12.1990 -XI ZR 176/89-
MDR 1991, 799; BGH vom 02.04.2001 -II ZR 217/99- MDR 2001, 884, jeweils mwN.).
Unerheblich ist dabei, ob die Bank im Einzelfall vielleicht gar nicht Beauftragte des
Anlegers sein wollte. Die Beklagte versucht auch an dieser Stelle wiederum, ihre
einseitigen und nicht offen gelegten Vorstellungen von dem Geschehen um die
Zeichnung der streitgegenständlichen Anlage als Gegenstand gemeinsamer
Vereinbarungen auszugeben. Dem kann kein Erfolg beschieden sein. Weiter hat der
Bundesgerichtshof noch vor Auflage des streitgegenständlichen Fonds entschieden,
dass eine Bank zur Offenlegung verpflichtet ist, wenn sie mit dem Vermögensverwalter
eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren
Provisionen und Depotgebühren geschlossen hat (BGH vom 19.12.2000 -XI ZR 349/99-
BGHZ 146, 235).
Andererseits ist es Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass ein Berater
dem Interesse seines Auftraggebers zu dienen hat und nicht auch zugleich Interessen
Dritter, vor allem nicht der Gegenseite. Deshalb darf beispielsweise der Rechtsanwalt –
ein typischer Berater – keine widerstreitenden Interessen vertreten, § 43a Abs. 4 BRAO.
Dass Interessenverflechtungen unaufgefordert transparent zu machen sind, ist auch
außerhalb von Beratungsverhältnissen anerkannt, etwa bei dem für beide Seiten tätigen
Makler oder der Prospektierungspflicht von personellen Verflechtungen bei den
Initiatoren. Die Transparenzverpflichtung trifft danach beratende Dienstleister
verschiedener Couleur, ohne dass es erforderlich wäre, dass eine solche Verpflichtung in
jeder schuldrechtlichen Sonderverbindung anzunehmen (so auch BGH vom 14.03.2003 -
V ZR 308/02- NJW 2003, 1811).
Beide Themenkreise zusammengefasst machten es nicht unwahrscheinlich, dass der
Bundesgerichtshof wie geschehen präzisieren würde. Eine Änderung der Rechtsprechung
liegt dagegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand nämlich gerade
keine obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung dahin gehend, dass eine
Bank auch bei Vorliegen eines Beratungsvertrages nur über solche Innenprovisionen
aufzuklären hätte, die über 15 % hinausgingen. Diese Rechtsprechung des III.
Zivilsenates betraf vielmehr – bereits an der Geschäftsverteilung des
Bundesgerichtshofes ersichtlich – Fallgestaltungen, an denen Banken gerade nicht
beteiligt waren. Angesichts dessen konnte der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die
Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom 20.01.2009 selbst treffen, anstelle den
Großen Senat für Zivilsachen im Wege der Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG mit
der Frage zu befassen. Auch die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des XI.
Zivilsenates vom 12.11.2002 (-XI ZR 3/01- NJW 2003, 424, 425), 02.12.2003 (-XI ZR
53/02- NJW-RR 2004, 632, 633) und vom 20.01.2004 (-XI ZR 460/02- NJW-RR 2004, 1126,
1127) betrafen im Übrigen keine an die Bank geflossenen Provisionen.
Selbst wenn nun die Rechtslage hinsichtlich der Aufklärungspflicht über Innenprovisionen
nach alledem nur unklar war, durfte die Beklagte mithin nicht darauf vertrauen, dass die
15-%-Rechtsprechung auch dann Anwendung finden werde, wenn Geschäftsbanken
aufgrund der bereits erwähnten Umstellung ihres Geschäftsmodells dazu übergehen,
ihre Bestandskunden aus einer Vermittlerrolle anzusprechen, ohne dies offen zu legen.
c) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die angeführte
Kollegialgerichtsrichtlinie berufen. Diese lautet, dass einen Amtsträger in der Regel kein
Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die
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Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die
Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. BGH vom 19.12.1991 -III ZR
9/91- ZIP 1992, 947). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten eine
bessere Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden
kann (BGH vom 06.02.1986 -III ZR 109/84- BGHZ 97, 97,107; BGH vom 16.10.1997 -III
ZR 23/96- NJW 1998, 751, 752). Dieser Gedanke kommt jedoch der Beklagten als
Unternehmerin nicht zugute. Während der hoheitlich handelnde Beamte die Dienstpflicht
hat, die in Frage stehenden gesetzlichen Bestimmungen auch wenn sie ihm unklar
erscheinen oder sich eine Anwendungspraxis noch nicht herausgebildet hat auf den ihm
vorliegenden Fall anzuwenden, geht es hier um eine freie unternehmerische Betätigung
der Beklagten; für eine freie unternehmerische Betätigung indes hat die betreffende
Person selbst die erforderliche Verantwortung zu übernehmen und kann sich nicht auf
die Kollegialgerichtsrichtlinie berufen (BGH vom 19.02.2009 -III ZR 167/08- zitiert nach
juris).
d) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.01.2009 ist auch nicht etwa
deshalb in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken, weil sie ansonsten das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsgebot verletzte. Wie dargelegt, hat sich die
Rechtslage für die betroffenen Banken gar nicht geändert, sondern nur präzisiert. Eine
Änderung der Rechtslage wäre aber auch dann nicht eingetreten, wenn sich die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes tatsächlich geändert hätte. Es entspricht dem
in Kontinentaleuropa vorherrschenden Verständnis der erkennenden Rechtspflege, dass
selbst bei diametralen Änderungen der Rechtsprechung die Rechtslage stets so
gewesen ist wie zuletzt erkannt und man sich hierüber bisher im Irrtum befunden habe.
e) Aus den angeführten Grundrechten der Artt. 12, 14 GG folgt nichts anderes. Zwar ist
die Beklagte Trägerin dieser Grundrechte. Diese sind jedoch nicht schrankenlos
gewährleistet. Vielmehr werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze
bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) und kann die Berufsausübung durch Gesetz oder
auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Der nicht
ausdrücklich geregelte Inhalt der Gesetze wird nach dem hergebrachten Kanon der
juristischen Methode im Wege der Auslegung ermittelt. Entwicklung, Pflege und
verbindliche Verlautbarung der Gesetzesauslegung ist Aufgabe der Rechtsprechung, Art.
92 GG. Der Bundesgerichtshof hat sich auch nicht etwa quasi-gesetzgeberische Gewalt
angemaßt. Was der beratende Bankmitarbeiter einem Anleger zu sagen hat, ist – bei
aller erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für die Beklagte, welche die Kammer
keineswegs verkennt – keine aus Gründen der Staatsraison dem Gesetzgeber zur
Regelung vorzubehaltende Frage.
4. Die unterlassene Aufklärung über den Zufluss der Innenprovision an die Beklagte war
auch ursächlich für die Zeichnung der hier streitgegenständlichen Beteiligung an der
VIP3 Fonds-KG. Der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss des
Klägers war von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst.
Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens, das heißt, dass der Aufklärungspflichtige beweisen
muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte,
er also den unterlassenen Hinweis unbeachtet gelassen hätte (vgl. nur BGH vom
05.07.1973 -VII ZR 12/73- BGHZ 61, 118, 122 - Bastel-Wettbewerb II; BGH vom
02.03.2009 -II ZR 266/07- MDR 2009, 638). Diese Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch
für die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen (BGH vom 12.05.2009 -XI ZR 586/07-
ZIP 2009, 1264 mwN.).
Dieser Beweis gelingt der Beklagten nicht. Die Kammer kann die Behauptung der
Beklagten nicht nachvollziehen, dem Kläger sei die Frage des Zuflusses der
Vertriebsvergütung an die Beklagte gleichgültig gewesen, weil er den Mitarbeiter der
Beklagten danach nicht gefragt habe. Im Gegenteil dürfte dies – wenn überhaupt –
belegen, dass er mit einer solchen Möglichkeit nicht rechnete, weil er nicht auf die Idee
kam, eine Mitarbeiterin seiner Hausbank als im Lager der Initiatoren stehend anzusehen.
Die Beklagte verkennt die Kernaussage der Entscheidungen vom 19.12.2006 und vom
20.01.2009, wenn sie den Erhalt von Vertriebsprovisionen zum bloßen
„Verteilungsinternum“ herabwerten will. Der Bundesgerichtshof sah sich zu den
genannten Entscheidungen gerade nicht (mehr) wegen der Höhe der Provision
veranlasst, sondern wegen des Umstandes, dass Geschäftsbanken diese unaufgedeckt
vereinnahmten.
5. Nach alledem hat die Beklagte den Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn er die
Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG nicht abgeschlossen hätte, §§ 249 ff BGB. Dies
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Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG nicht abgeschlossen hätte, §§ 249 ff BGB. Dies
umfasst ohne weiteres die Rückzahlung des Einlagebetrages und auch des Agios.
Ausschüttungen sind nicht erfolgt und Steuervorteile deswegen nicht abzusetzen, weil
sie zurückgeführt worden sind. Dies steht fest, weil die Beklagte nur kursorisch
bestreitet, dass dem Kläger Steuervorteile aberkannt wurden. Dem steht gegenüber,
dass die Steuerbehörden ihre Behandlung der VIP-Anlagen geändert haben und der
Sachvortrag des Klägers daher plausibel ist. Weitere Steuervorteile als die
zurückgeführten fallen nicht an, weil der Fonds für eine einmalige Steuervergünstigung
konzipiert war.
6. Der Kläger muss sich auch nicht anspruchskürzend Mitverschulden entgegen halten
lassen, § 254 BGB, weil dieser es verabsäumt hätte, den Prospekt zu lesen. Die von der
Beklagten angeführte Rechtsprechung des OLG Stuttgart (vom 23.04.2007 -5 U 157/06-
OLGR Stuttgart 2007, 909) betrifft den Fall, dass sich aus der Lektüre des Prospektes
Tatsachen hätten entnehmen lassen, die erkennen ließen, dass die Angaben des
Vermittlers unzuverlässig sind. Ein solcher Fall liegt ersichtlich nicht vor, denn der
Prospekt verhält sich – wie dargetan – gerade nicht zu dem Bezug von Innenprovision
durch die Beklagte; dies ist der Kern des Vorwurfs. Der Kläger muss sich auch keinen
Abzug deswegen gefallen lassen, weil er eigene Sachkenntnis um Umgang mit
spekulativen Kapitalanlagen gehabt hätte. Selbst wenn der Beklagten der Beweis dieser
streitigen Tatsache gelänge, käme doch ein Mitverschulden nicht in Betracht. Die
angeführte Entscheidung war auch insoweit anders gelagert. Der 5. Zivilsenat des OLG
Stuttgart führt aus:
„Damit war für beide Anlageinteressenten erkennbar, dass der Berater Vo
vornehmlich im Interesse der Kapital suchenden Gesellschaft sowie im eigenen
wirtschaftlichen Interesse tätig war mit der möglichen Folge, dass Anlagerisiken u.U.
nicht hinlänglich herausgehoben, nicht vollständig oder gar verharmlosend dargestellt
werden. Es war daher auf Anlegerseite von vornherein erhöhte Vorsicht zur Vermeidung
eines Schadens geboten.“
Vorliegend ist die Klage dagegen gerade darauf gestützt, dass für den Kläger nicht
erkennbar war, dass die Beklagte vornehmlich im Interesse der Kapital suchenden
Gesellschaft tätig war.
7. Der Zinsanspruch folgt in der zugesprochenen Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2
BGB nF. Weiter gehende Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit Anlagebeginn kann der Kläger
von der Beklagten jedoch nicht verlangen.
Nach § 252 Satz 2 BGB gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet
werden konnte. Danach ist die volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre,
nicht erforderlich; es genügt der Nachweis einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Ist
ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit
Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, dass er gemacht worden
wäre (BGH vom 30.05.2001 -VIII ZR 70/00- MDR 2001, 1249 mwN.).
In Umsetzung dieses Rahmens bietet § 252 Satz 2 BGB dem Geschädigten zwei
Möglichkeiten der Schadensberechnung. Die konkrete Methode beruht auf dem
Nachweis des Geschädigten, dass er durch die unerlaubte Handlung an der
Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihm wegen
Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist (vgl. BGH vom 01.02.1974
-IV ZR 2/72- BGHZ 62, 103, 105). Die abstrakte Methode geht dagegen von dem
regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr aus, dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im
Rahmen seines Gewerbes tätigt und daraus Gewinn erzielt (vgl. BGH aaO.).
a) Den einlassungsfähigen Nachweis, dass er durch die Falschberatung der Beklagten an
der bereits beschlossenen Investition in konkrete, festverzinsliche Wertpapiere gehindert
worden sei, hat der Kläger nicht geführt.
b) Auch auf die Annahme, dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im Rahmen seines
Gewerbes tätigt und daraus Gewinn erzielt, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
Der Kläger ist kein Kaufmann und handelte hier im Bereich der privaten
Vermögensanlage. Die tatsächliche Vermutung der Gewinnerzielung kann ein
Kapitalanleger nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Kammer übersieht dabei nicht,
dass der Bundesgerichtshof vor etwa zwanzig Jahren einem Anleger bei der
Rückabwicklung eines zu Kapitalanlagezwecken erworbenen Kommanditanteils gemäß §
252 Satz 2 BGB entgangenen Gewinn in Höhe eines durchschnittlich zu erzielenden
Zinssatzes mit der Begründung zugesprochen hat, dass Eigenkapital in erheblicher
Höhe üblicherweise nicht ungenutzt bleibe (BGH vom 02.12.1991 – II ZR 141/90, Rn 14
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Höhe üblicherweise nicht ungenutzt bleibe (BGH vom 02.12.1991 – II ZR 141/90, Rn 14
mwN = WM 1992, 143-144). Diese Entscheidung hatte jedoch die
Kapitalmarktverhältnisse der siebziger und achtziger Jahre zur tatsächlichen Grundlage,
nach denen Anlagen in Steuersparmodellen nicht ansatzweise mit den selben Risiken
behaftet waren wie heute. Mit Blick auf den Zeitpunkt der Zeichnung des
streitgegenständlichen Fondsanteils kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass
Alternativanlagen zum Erfolg geführt hätten und damit allein die Falschberatung einen
Gewinn verhindert hat (ebenso KG vom 16.12.2008 -4 U 143/06- n. v., zu B.VI.2 der
Gründe). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof daher am 13.01.2004 entschieden,
dass die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung aufgrund einer zeitnahen, alternativen
Investitionsentscheidung grundsätzlich nur mit Hilfe einer konkreten Berechnung
festgestellt werden kann (vgl. BGH vom 13.01.2004 -XI ZR 355/02- MDR 2004, 520).
c) Die Kammer kann schließlich auch nicht feststellen, dass nach dem gewöhnlichen
Verlauf der Dinge bei dem Kläger ein Zinsgewinn von 4 % p. a. eingetreten wäre, hätte
ihn die Beklagte nicht falsch beraten. Die Lebenserfahrung spricht vorliegend nicht dafür,
sondern dagegen, dass der Geldbetrag in einer Weise angelegt worden wäre, der dem
Kläger einen verlustfreien Gewinn in der genannten Höhe gebracht hätte. Hierbei spielt
auch eine Rolle, dass die getätigte Form der Anlage von der in festverzinsliche
Wertpapiere nach Beschaffenheit, Risiko und steuerlicher Struktur so weit entfernt ist,
dass eine tatsächliche Darlegung im Einzelfall notwendig ist. Hierauf hatte die Beklagte
bereits in der Klageerwiderung hingewiesen. Zu einer Gewährung weiterer Erklärungsfrist
im Anschluss an die mündliche Verhandlung bestand daher keine Veranlassung.
8. Im Rahmen des gebotenen Schadensausgleichs kann die Beklagte nach dem
Rechtsgedanken des § 255 BGB sowie zur Gewinnabwehr verlangen, dass ihr die
streitgegenständliche Beteiligung übertragen wird. Insoweit war die Beklagte gemäß §
322 Abs. 1 BGB lediglich Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung an der VIP3
Fonds-KG zu verurteilen. Dabei reicht es – wie der Kläger es mit dem Hauptantrag
anbietet – nicht aus, als Gegenleistung lediglich ein Angebot auf Rückübertragung
abzugeben. Einmal ganz abgesehen davon, dass sich der Kläger des Umstandes
berühmt, dies längst getan zu haben, wäre ein Gewinn des Klägers hiermit nicht
abgewehrt. Auch käme nicht zum Ausdruck, dass der Kläger verpflichtet ist, an der
Übertragung in jeder – auch jetzt vielleicht noch nicht vorhersehbarer – Form
mitzuwirken. Vorsorglich sei klarstellend darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht
verpflichtet ist, der Beklagten eine Direktbeteiligung an der VIP3 Fonds-KG zu
verschaffen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten schadet der klägerischen Antragsfassung nicht,
dass es sich um eine treuhänderisch gehaltene Beteiligung handelt. Die zur Übertragung
erforderlichen Schritte mögen angesichts dessen zwar nicht im Einzelnen tenoriert sein.
Dies steht jedoch der Vollstreckbarkeit nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sich die
Beklagte gemäß § 293 BGB im Verzug mit der Annahme der ihr jedenfalls mit
Klagezustellung angebotenen Beteiligung an der VIP3 Fonds-KG befindet. Ohne Erfolg
macht die Beklagte geltend, Verzug habe nicht eintreten können, weil der Kläger das
nach Ansicht der Beklagten zur Rückabwicklung erforderliche rechtliche Procedere nicht
eingehalten habe und daher aus Rechtsgründen keine Verpflichtung zur Zahlung
bestanden habe. Welche Schritte zu unternehmen sind, ist unklar und wird von den
Parteien nicht einheitlich beurteilt. Bei dieser Sachlage war es ausreichend, dass der
Kläger seinen Willen zu erkennen gab, an der Übertragung der Beteiligung auf die
Beklagte mitzuwirken. Die Beklagte hingegen hat den Anspruch auf Schadensersatz zu
Unrecht dem Grunde nach in Abrede gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, die
Fondsbeteiligung nicht entgegen nehmen zu wollen.
Kommt es aber nach dem Vorstehenden auf die Frage, welche Schritte der Kläger zu
unternehmen hat, wegen der Regelung des § 756 Abs. 1 ZPO nicht mehr an, wäre es mit
Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar, dem klägerischen Rechtsschutzbegehren im Hinblick auf
Details einer Rückabwicklung den Erfolg zu versagen, welche ohnehin erst im Nachhinein
stattfinden wird.
II.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 2) ist ebenfalls
begründet, nachdem noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ob dem Kläger
noch weitere steuerliche oder wirtschaftliche Nachteile aus dem Beratungsfehler der
Beklagten entstehen.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger erhalte so das positive Interesse der
steueroptimierten Kapitalanlage, verfängt nicht, nachdem die punktuell angefallenen
Steuervergünstigungen zurückgefordert worden sind und nicht vorgetragen ist, was
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Steuervergünstigungen zurückgefordert worden sind und nicht vorgetragen ist, was
dafür spräche, dass dies nicht von Dauer sei. Im Übrigen hat der Ausspruch nicht zur
Folge, dass der Kläger ihm etwa wieder zufließende Steuervorteile nunmehr behalten
dürfte. Diese wären vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs der
Beklagten zuzuleiten (BGH vom 22.03.1979 -VII ZR 259/77- BGHZ 74, 103 mwN.).
Der Zug-um-Zug-Vorbehalt erstreckt sich auch auf das Feststellungsbegehren, weil der
Kläger kein weiter gehendes Klagebegehren geltend gemacht hat und die Kammer
daher gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO daran gehindert ist, die Feststellung vorbehaltlos
zu treffen.
III.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 4) hat ebenfalls
Erfolg, allerdings nur im Hilfsantrag. Wegen der Unbegründetheit des Hauptantrages wird
auf die Ausführungen zu oben I.8. der Entscheidungsgründe verwiesen, die entsprechend
gelten. Aus den in Bezug genommenen Ausführungen ergibt sich auch, dass die
Beklagte sich gemäß § 293 BGB im Verzug mit der Annahme der Beteiligung an der VIP3
Fonds-KG befindet.
IV.
Der Kläger kann von der Beklagten ferner Zahlung von € 29.750,00 nebst Zinsen Zug
um Zug gegen Übertragung des Anteils an der VIP4 Fonds-KG verlangen, weil die
Beklagte ihm wegen pflichtwidriger Anlageberatung zur Rückabwicklung der am
08.12.2004 gezeichneten Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG von € 50.000,00 nebst Agio
im Wege des Schadensersatzes verpflichtet ist, §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB.
1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist nach den oben zu I.1. der
Entscheidungsgründe dargelegten Grundsätzen auch bei dieser Gelegenheit ein
Beratungsvertrag über die von der Beklagten vorgeschlagene Investition in die VIP4
Fonds-KG geschlossen worden.
Die Beklagte hat auch insoweit die sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten
in haftungsbegründender Weise außer Acht gelassen. Sie ist der ihr obliegenden Pflicht
nicht nachgekommen, den Kläger darüber aufzuklären, dass sie von der VIP Beratung für
Banken AG für die Vermittlung der Fondsanteile zwischen 8,45 % und 8,72 % der
Zeichnungssumme erhielt. Aus dem Prospekt zur Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG
ergab sich dieser Zufluss nicht. Im Übrigen kann insoweit auf die Ausführungen zu oben
I.2. der Entscheidungsgründe verwiesen werden, die entsprechend gelten.
Der Beklagten gelingt auch in diesem Zusammenhang nicht die Darlegung, dass sie die
Verletzung dieser Aufklärungspflicht nicht zu vertreten habe. Auf die Ausführungen oben
zu I.3. der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Die unterlassene Aufklärung
über den Zufluss der Innenprovision an die Beklagte war nach den hier entsprechend
geltenden Ausführungen zu oben I.4. der Entscheidungsgründe auch ursächlich für die
Zeichnung der Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG.
Nach alledem hat die Beklagte den Kläger so zu stellen, wie dieser stünde, wenn er die
Beteiligung an der VIP4 Fonds-KG nicht abgeschlossen hätte, §§ 249 ff BGB. Dies
umfasst hier die Rückzahlung des aus Eigenmitteln geleisteten Einlagebetrages, welcher
auch das Agio auf den gesamten Anlagebetrag enthält.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Kammer hier nicht davon auszugehen,
dass der Kläger deswegen von jedem Schaden frei ist, weil er den Widerruf des
Darlehensvertrags erklärt hätte. Der Kläger hat - im Termin persönlich angehört -
dargelegt, dass er das fragliche Darlehen nicht widerrufen habe. Dem ist die Beklagte im
Termin nicht mehr ausdrücklich entgegen getreten. Aber selbst wenn die Beklagte an
ihrem Bestreiten festhalten wollte, brächte dies das Vorbringen des Klägers nicht zu Fall.
Vielmehr wäre es an ihr gewesen, den von ihr behaupteten Widerruf zu beweisen. Dem
steht nicht entgegen, dass der Widerruf nicht der Beklagten, sondern der B. H.- und
Vereinsbank AG gegenüber zu erklären wäre. Der Umfang der erforderlichen Darlegung
richtet sich nämlich stets nach dem, was der Partei an näheren Angaben zumutbar und
möglich ist (vgl. BGH vom 11.04.2000 -X ZR 19/98- NJW 2000, 2812; BGH vom
15.05.2003 -III ZR 7/02- BGHReport 2003, 891, 892). Nur solange Zweifel an der
Richtigkeit der gegnerischen Behauptung bestehen, mag man eine Tatsache schlicht
bestreiten dürfen, deren Kenntnis nur dem Gegner möglich ist (vgl. BGH vom
09.07.1974 -VI ZR 112/73- NJW 1974, 1710 - Arbeits-Realitäten; BGH vom 17.02.1987 -VI
ZR 77/86- MDR 1987, 659 - Insiderwissen). Anlass zu Zweifeln an der Wahrhaftigkeit der
Angabe des Klägers im Termin bestehen indes nicht. In solch einem Fall muss sodann
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Angabe des Klägers im Termin bestehen indes nicht. In solch einem Fall muss sodann
die Partei alle ihr gegebenen Möglichkeiten nutzen, sich die Kenntnis zu verschaffen oder
sich zu vergewissern. Sie ist verpflichtet, sich zu informieren, bevor sie sich erklärt (vgl.
BGH vom 15.11.1989 -VIII ZR 46/89- MDR 1990, 333) und hat dabei nicht nur eigene
Unterlagen zu prüfen (vgl. BGH vom 10.02.1987 -VI ZR 68/86- MDR 1987, 656), sondern
sich ggf. auch weiter zu erkundigen (vgl. BGH vom 15.11.1989 aaO.; OLG Celle vom
16.09.1996 -9 W 110/96- NJW-RR 1997, 290). Dabei stehen der Beklagten aus den
geschlossenen Vereinbarungen, aber auch aus § 810 BGB Auskunftsrechte gegenüber
der B. H.- und Vereinsbank AG dahin gehend zu, ob ein Widerruf des Darlehensvertrages
des Klägers eingegangen ist.
Der Kläger ist auch nicht nach den Grundsätzen der Schadensminderung gehalten, zur
Abwendung oder Minderung seines Schadens den mit der B. H.- und Vereinsbank AG
geschlossenen Darlehensvertrag zu widerrufen, § 254 Abs. 2 BGB. Dabei mag dahin
stehen, ob die Beklagte und die ... AG dem Kläger als Gesamtschuldnerinnen haften,
was eine Verpflichtung zur Schadensminderung entfallen lassen könnte (so etwa OLG
Köln vom 15.09.2005 -8 U 21/05- WM 2005, 2385). Denn die Schadenminderungspflicht
entspringt dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. nur die Nachweise bei Heinrichs,
in: Palandt, 68. Aufl., Rn. 36 zu § 254 BGB und bei Schiemann, in: Staudinger, 2005, Rn.
80 zu § 254 BGB). Nach Treu und Glauben ist der Kläger aber vorliegend nicht gehalten,
sich auf die Inanspruchnahme der B. H.- und Vereinsbank AG verweisen zu lassen.
Die Schadensabwendungs- und -minderungspflicht kann dem Geschädigten den
Gebrauch von Rechtsmitteln gebieten (vgl. BGH vom 09.12.1965 -II ZR 177/63- VersR
1966, 340, 341). Dies kann auch die Verpflichtung begründen, Klage zu erheben (vgl.
BGH vom 05.05.1988 -III ZR 116/87- MDR 1988, 1033). Voraussetzung hierfür ist jedoch
stets, dass die in Betracht kommende Maßnahme Aussicht auf Erfolg verspricht und
dass ihr nicht im Einzelfall Gesichtspunkte der Zumutbarkeit entgegenstehen (BGH vom
23.05.1991 -III ZR 73/90- MDR 1991, 1139).
Vorliegend ist die Inanspruchnahme der B. H.- und Vereinsbank AG dem Kläger nicht
zuzumuten. Denn diese hat bereits zu erkennen gegeben, dass sie die Rechtsansicht
der Beklagten betreffend die Ordnungsgemäßheit der bei Darlehensaufnahme erteilten
Belehrung nicht teilt. Der Kläger müsste sich also darauf einstellen, gegen eine - weitere
- deutsche Großbank in mehreren Instanzen gerichtlich vorgehen zu müssen. Dass die
... AG Entgegenkommen zeigt, ist auch angesichts der absehbaren Vielzahl gleich
gelagerter Fälle unwahrscheinlich. Hinzu tritt, dass für die Zumutbarkeit auch von
Bedeutung ist, ob der Geschädigte das Prozesskostenrisiko selbst tragen soll (vgl.
Schiemann aaO. Rn. 93 mwN.). Vorliegend hat es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger
den gegen die ... AG zu führenden Prozess zu finanzieren. Nur am Rande sei bemerkt,
dass dies die Vermutung nährt, dass die Beklagte den gegen die ... AG zu führenden
Prozess selbst nicht für aussichtsreich hält.
Der Kläger ist darüber hinaus auch deswegen nicht gehalten, die ... AG vorrangig in
Anspruch zu nehmen, weil dies den Sinn der Regelung, auf welche sich die Beklagte
stützt, in das Gegenteil verkehrte. Die Rechtsfigur des Verbundgeschäftes - und damit
auch die hierüber zu gewährende Belehrung - verfolgt den Zweck, den Verbraucher, der
über die für den Abschluss eines von ihm gewünschten Warenlieferungs- oder
Dienstleistungsgeschäfts notwendigen finanziellen Mittel nicht verfügt, vor den erhöhten
Risiken zu schützen, die sich aus der Konstellation drittfinanzierter Abzahlungsgeschäfte
ergeben. Die erhöhten Risiken für den Verbraucher, denen das Gesetz begegnen will,
ergeben sich dabei aus der Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs in
zwei rechtlich selbständige Verträge und der damit verbundenen Gefahr, dass der
Verbraucher zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens verpflichtet bleibt, obwohl er
dem Vertragspartner des Warenlieferungs- oder Dienstleistungsgeschäftes gegenüber
zu Einwendungen berechtigt ist (sog. Aufspaltungsrisiko, vgl. BGH vom 13.01.2009 -XI
ZR 47/08- BKR 2009, 167; BGH vom 28.05.1984 -III ZR 63/83- MDR 1985, 124). Das
Verbraucherkreditgesetz bezweckt mithin, dass der Verbraucher so steht, wie er stünde,
wenn er ein einfaches Abzahlungsgeschäft geschlossen hätte, bei dem der Unternehmer
den Kaufpreis – etwa durch einen Zahlungsaufschub oder eine Ratenvereinbarung –
selbst finanziert.
Will aber das Verbraucherkreditgesetz mit der Rechtsfigur des verbundenen Geschäfts
den Verbraucher vor einem Aufspaltungsrisiko schützen, kann es schon begrifflich nicht
dazu herhalten, den Verbraucher von einer Partei des verbundenen Geschäftes auf die
andere zu verweisen, und sei es auch im Wege der Verpflichtung zur
Schadenminderung. Dies wäre im Gegenteil genau das Ergebnis, welches die getroffene
Regelung im Interesse des Verbrauchers zu vermeiden suchte.
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Auch ein anders geartetes Mitverschulden des Klägers kommt nicht in Betracht. Die
Ausführungen zu oben I.6. der Entscheidungsgründe gelten insoweit entsprechend.
Der Zinsanspruch folgt in der zugesprochenen Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB
nF. Weiter gehende Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit Anlagebeginn kann der Kläger von
der Beklagten gemäß den oben zu I.7. der Entscheidungsgründe dargelegten
Erwägungen nicht verlangen. Hinsichtlich der Gegenleistung kann ebenfalls auf die
obigen Ausführungen, insoweit zu I.8. der Entscheidungsgründe, verwiesen werden.
V.
Der Kläger kann von der Beklagten weiter die Freistellung aus dem zur teilweisen
Finanzierung des Anteilserwerbes an der VIP4 Fonds-KG aufgenommenen Darlehen
verlangen, §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB. Nachdem das Darlehen Bestandteil der
Fondskonzeption war, hätte der Kläger es nicht aufgenommen, wenn er der VIP4 Fonds-
KG nicht beigetreten wäre. Bei der Tenorierung ist zur Individualisierung des Darlehens
neben den eindeutigen Kontonummern die Aufnahme auch der Valuta und des
Zinssatzes nicht erforderlich.
VI.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 7) ist ebenfalls
begründet, nachdem noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ob dem Kläger
auch hinsichtlich dieser Beteiligung noch weitere steuerliche oder wirtschaftliche
Nachteile aus dem Beratungsfehler der Beklagten entstehen. Hinsichtlich der Einwände
der Beklagten und der Gegenleistung kann auf die Ausführungen zu oben II. der
Entscheidungsgründe verwiesen werden.
VII.
Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 9) hat ebenfalls
Erfolg, allerdings nur im Hilfsantrag. Wegen der Unbegründetheit des Hauptantrages
kann wiederum auf die Ausführungen zu oben I.8. der Entscheidungsgründe verwiesen
werden. Aus den in Bezug genommenen Ausführungen ergibt sich entsprechend, dass
die Beklagte sich gemäß § 293 BGB auch mit der Annahme der Beteiligung an der VIP4
Fonds-KG in Verzug befindet.
VIII.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Sätze 1 und
2 ZPO.
Die Entscheidung beruht nicht auf den Ausführungen der Beklagten vom 25.09.2009.
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