Urteil des LG Berlin vom 15.03.2017

LG Berlin: juristische person, gesetzlicher vertreter, vermieter, geschäftsführer, grundsteuer, nebenkosten, wohnfläche, betriebskosten, avb, schnee

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Gericht:
LG Berlin 67.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
67 S 399/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 174 S 1 BGB, § 558 BGB
Wohnraummiete: Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen
durch den Mitarbeiter einer juristischen Person; Vorliegen einer
Teilinklusivmiete
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.September 2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Wedding - 9 C 213/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestands wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Berufung:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft sowie form- und
fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 ZPO eingereicht und auch begründet, § 520 ZPO.
2. Begründetheit der Berufung:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
a. Die Klägerin rügt mit der Berufung zu recht die Abweisung durch das Amtsgericht
wegen Nichtangabe der Wohnfläche.
Der Ansicht des Amtsgerichts, dass die unterbliebene ausdrückliche Angabe der
Wohnfläche zu einem formellen Mangel führt, der die Unzulässigkeit der Klage nach sich
zieht, trifft hier nicht zu.
Grundsätzlich muss sich aus dem Erhöhungsverlangen ergeben, dass und in welcher
Höhe der Vermieter von seinem Recht, vom Mieter die Zustimmung zu einer
Mieterhöhung zu verlangen, Gebrauch machen will. Es muss in erster Linie die erhöhte
Miete betragsmäßig ausgewiesen sein. Dem gemäß bezieht sich die geschuldete
Zustimmung auf den Endbetrag und nicht auf die Quadratmetermiete. Es reicht daher,
wenn entweder der Erhöhungsbetrag oder die erhöhte Miete angegeben wird, wenn der
Mieter dadurch erkennen kann, was er nach der Erhöhung zahlen soll (LG Berlin Urt. v.
24.3.2003 – 67 S 362/02-). Es kommt daher auf die Angabe der Mietfläche für die
Begründungserfordernisse nicht zwingend an, zumal der Mieter die Größe der von ihm
genutzten Wohnung in der Regel kennen dürfte.
b. Das Erhöhungsverlangen muss grundsätzlich von allen Vermietern stammen und an
alle gerichtet sein. Dies ist hier der Fall.
aa. Die Behauptung des Beklagten, seine Ehefrau sei nicht aus dem Mietverhältnis
ausgeschieden, ist unzutreffend.
Nachdem die Klägerin die Einverständniserklärungen beider Eheleute über dieses
Ausscheiden vom 1.11.2001 und ihr Schreiben vom 6.11.2001 vorgelegt hat, steht fest,
dass das Bestreiten des Beklagten insoweit unrichtig ist und Frau x x zum 1.12.2001 aus
dem Mietverhältnis ausgeschieden ist.
Der Beklagte ist daher der richtige Adressat des Mieterhöhungsverlangens.
13
14
15
16
17
18
19
20
21
bb. Der Einwand des Beklagten, das Erhöhungsverlangen sei unwirksam, weil es nicht
von einem Organ der Klägerin unterzeichnet sei, greift im Ergebnis nicht durch.
Ist der Vermieter eine juristische Person, etwa eine GmbH, so muss das
Mieterhöhungsverlangen von dem vertretungsberechtigten Organ stammen
(Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht Kommentar, 9. Auflage 2007, vor § 558
BGB, Rn.:43). Nach den Vorschriften des GmbHG ist dies für die Klägerin der bzw. die
Geschäftsführer. Die organschaftlichen Vertreter können sich aber selbst wiederum
vertreten lassen. Erforderlich ist hierfür eine Einzelvertretungsmacht. Weitere
Untervertretung ist zulässig.
Vorliegend ergibt sich aus dem Inhalt des Mieterhöhungsverlangens, dass kein
Geschäftsführer der Klägerin gehandelt hat. Es ist aber mit einem Zusatz “i.V.”
unterzeichnet.
Zwar trifft die Mitteilung des Beklagten zu, dass § 174 BGB auf gesetzliche Vertreter
nicht anwendbar ist. Abzustellen ist dabei jeweils auf den Handelnden. Hier hat aber, wie
vom Beklagten beanstandet, eben gerade kein gesetzlicher Vertreter, also keiner der
aus dem Kopfbogen der Klägerin ersichtlichen Geschäftsführer gehandelt. Daher kann
die mit dem Zusatz “i.V.” unterzeichnende x x ihre Vertretungsmacht erkennbar nur aus
einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht ableiten. Mithin wäre hier gemäß § 174 S. 1 BGB
eine unverzügliche Zurückweisung des Erhöhungsverlangens wegen fehlender
Vollmachtsvorlage erforderlich gewesen. Dies ist hier nicht der Fall. Das
Erhöhungsverlangen vom 2.11.2005 ist erstmals in der Klageerwiderung vom 3.6.2006
zurückgewiesen worden. Die nahezu 6 Monate später erfolgte Zurückweisung ist nicht
mehr ohne schuldhaftes Zögern.
c. Vorliegend ist das Erhöhungsverlangen aber aus einem anderen Grund unwirksam.
Verlangt der Vermieter im Mieterhöhungsverlangen weitere über eine Mieterhöhung
gemäß § 558 BGB hinausgehende Vertragsänderungen, so ist das Erhöhungsverlangen
insgesamt unwirksam (RE OLG Hamburg vom 20.12.1982 (NJW 1983, 580). So ist etwa in
Bezug auf eine Änderung der Mietstruktur ein Erhöhungsverlangen dann formell
unwirksam, wenn das Angebot zur Änderung der Miethöhe inhaltlich untrennbar mit dem
Angebot zur Änderung der Mietstruktur verbunden ist (LG Berlin GE 2002, 737).
So liegt es hier.
In dem Erhöhungsverlangen wird eine geschuldete Nettokaltmiete in Höhe von 274,67 €
angegeben, die um 54,93 € erhöht werden soll. In der vertraglich vereinbarten Miete sind
aber neben den gesondert berechneten Straßenreinigungs- und
Schornsteinfegergebühren weitere Nebenkosten kalkulatorisch enthalten, wie etwa die
weiteren nach den AVB überbürdeten Betriebskosten wie Grundsteuer und
Versicherungen. Zwar ist in § 3 (3) e) des Mietvertrages vereinbart, dass der Mieter nach
den Bestimmungen der AVB sämtliche Betriebskosten zu tragen hat. Gemäß der
Vertragsbestandteil gewordenen Zusätzlichen Vereinbarung für
Siedlungshäuser/Einfamilienhäuser, dort Ziffer 3, trägt der Mieter neben der Miete die
dort aufgelisteten Kosten sowie deren Nebenkosten. Gemäß dem Vortrag der Klägerin,
mit dem ihr ursprünglicher Vortrag nicht mehr aufrecht erhalten wird, trägt sie vor, dass
der Beklagte die Kosten der Be-/Entwässerung, Beleuchtung (Strom) und Müllabfuhr
selber trägt sowie Kosten für Gartenpflege, Hausreinigung und Schnee- und
Eisbeseitigung nicht anfallen, da der Beklagte diese Arbeiten gemäß der
Zusatzvereinbarung selbst ausführt. Die Kosten für Schornsteinfegerarbeiten und
Straßenreinigung würden ihr, der Klägerin, in Rechnung gestellt und auf den Beklagten
auf Wunsch des Beklagten einmal jährlich ohne monatliche Umlagevorauszahlungen
umgelegt. Dies bestreitet der Beklagte, indem er das Schreiben der Klägerin vom
6.8.1991 vorlegt und meint, es liege eine Teilinklusivmiete vor. Aus diesem ergibt sich,
dass in der geschuldeten Gesamtmiete Betriebskostenanteile für Grundsteuer und
Versicherungen enthalten sind. Dass diese Anteile nach dem im Schreiben genannten
Zeitpunkt ausgegliedert worden wären oder die Klägerin von der Umlage dieser Kosten
auf den Beklagten Abstand genommen hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mithin liegt hier tatsächlich keine Nettokaltmiete, sondern eine Teilinklusivmiete vor,
womit das Erhöhungsverlangen unwirksam ist. Durch die Unterzeichnung des
Erhöhungsverlangens würde zugleich die Mietstruktur in eine Nettokaltmiete geändert.
Die hierzu im Termin vom Klägervertreter beantragte Erklärungsfrist auf die
Ausführungen des Gerichts zur Unwirksamkeit, war hier nicht zu gewähren.
22
23
24
25
Zum einen hat der Beklagtenvertreter schon erstinstanzlich auf Seite 2 des
Schriftsatzes vom 13.Juli 2006 ausgeführt, dass hier eine Teilinklusivmiete vorläge und
das Erhöhungsverlangen unwirksam sei. Das Amtsgericht hat am Schluss der Sitzung
vom 17.7.2006 in seinem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der
Mietstruktur nachvollziehbarer Vortrag zu Vertragsänderungen fehlt. Auf diesen Vortrag
hin hat die Klägerin selbst auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 01.08.2006 vorgetragen,
dass in der Miete des Beklagten die Grundsteuer und Versicherung enthalten sei. Damit
ist unstreitig, dass eine Teilinklusivmiete vorliegt. Der Klägervertreter hatte nach
Darlegung dieser Rechtsansicht des Gerichts auf der Grundlage des eigenen Vortrags
der Klägerin im Termin Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen. Nachvollziehbarer
Vortrag dahingehend, ob und wann sich diese Mietstruktur geändert habe und aus
welchem Grunde der Vortrag der Klägerin selbst aus dem vorgenannten Schriftsatz
unzutreffend sein sollte, ist nicht erfolgt. Ein Grund, zu diesem mithin unstreitigen
Umstand des Vorliegens einer Teilinklusivmiete eine weitere Erklärungsfrist zu gewähren,
ist daher nicht ersichtlich.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 15.05.2007 ist nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung eingegangen. Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung bestehen nicht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum