Urteil des LG Berlin vom 09.10.2006

LG Berlin: zustand, heizungsanlage, ermessen, mieter, ausnahme, einfluss, abrechnung, augenschein, gutachter, vollstreckbarkeit

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Gericht:
LG Berlin 62.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
62 S 297/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 315 BGB, § 535 Abs 2 BGB, § 7
Abs 1 S 1 HeizkostenV
Wohnraummiete: Überwiegend verbrauchsabhängige Umlage
der Heizkosten bei einem Altbau mit guter Wärmedämmung
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09. Oktober 2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Tiergarten - 7 C 192/05 - unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise geändert.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin über den vom Amtsgericht in
dem angefochtenen Urteil bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 235,38 € nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247
BGB seit dem 25. September 2006 zu zahlen; das Versäumnisurteil des Amtsgerichts
Tiergarten vom 31. Oktober 2005 wird entsprechend abgeändert.
Wegen des weitergehenden Zinsantrages wird das vorgenannte Versäumnisurteil
aufrecht erhalten.
II. Die Beklagten haben die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen, mit
Ausnahme der Kosten der Säumnis der I. Instanz, welche die Klägerin vorab zu tragen
hat.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit
Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a
Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die klagende Vermieterin ihren erstinstanzlichen Antrag auf
Heizkostennachzahlung aus den Abrechnungen für die Kalenderjahre 2003 und 2004
weiter, soweit das Amtsgericht die Klage in Höhe von 235,38 € abgewiesen hat, während
die beklagten Mieter die Zurückweisung der Berufung erstreben.
II.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig. Das Amtsgericht hat die Berufung
zugelassen und sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§
511, 513, 517, 519, 520 ZPO.
Die Berufung hat in der Sache auch ganz überwiegend - mit Ausnahme eines geringen
Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs - Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten über den vom Amtsgericht zuerkannten Betrag
von 576,72 € hinaus einen Anspruch auf weitere Heizkostennachzahlung aus den
Abrechnungen für 2003 und 2004 in Höhe von 235,38 €.
Die aus Bl. 4 f. d. A. ersichtliche Heizkostenabrechnung vom 06.12.2004 und die aus Bl.
28 f. d.A. ersichtliche Heizkostenabrechnung vom 22.04.2005 sind formell
ordnungsgemäß. Was eine Nebenkostenabrechnung im Einzelnen zu enthalten hat,
ergibt sich aus ihrem Zweck. Sie soll den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des
Vermieters nachzuprüfen. Dazu muss er die Abrechnung gedanklich und rechnerisch
nachvollziehen können. Diese Funktion erfüllt sie nur, wenn sowohl die Einzelangaben als
auch die Abrechnung insgesamt klar, übersichtlich und aus sich heraus verständlich
sind. Abzustellen ist dabei auf das durchschnittliche Verständnisvermögen eines
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sind. Abzustellen ist dabei auf das durchschnittliche Verständnisvermögen eines
juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters. Soweit die Parteien keine
besondere Abrede getroffen haben, muss eine ordnungsgemäße
Nebenkostenabrechnung regelmäßig als Mindestangaben eine Zusammenstellung der
Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel
und den Abzug der Vorauszahlungen des Mieters enthalten (BGH NJW 1982, 573 ff.; BGH
GE 2003, 250). Diese Angaben sind in den streitgegenständlichen Abrechnungen
enthalten.
Die Abrechnungen sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Nach dem weiteren Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 08.02.2007 (Bl. 204 f.)
sowie insbesondere aufgrund der Ausführungen des von ihr eingeschalteten
Sachverständigen, des Bauphysikers .......... in seiner Stellungnahme vom 05.02.2007
(Bl. 206ff.) ist die Berufung der Klägerin nunmehr m.E. begründet.
Allein streitentscheidend in der Berufungsinstanz ist noch die Frage, ob die Klägerin
die Heizkosten zu Recht zu 70 % nach Verbrauch und zu 30 % nach der beheizten
Fläche umgelegt hat. Da die Beklagten keine Anschlussberufung eingelegt haben, ist
davon auszugehen, dass sie die weiteren in erster Instanz erhobenen Einwände, auf die
sie auch sonst nicht mehr zurückkommen, nicht mehr geltend machen.
Es ist entgegen den Ausführungen des Amtsgericht nicht davon auszugehen, dass die
Klägerin den Abrechnungen ermessensfehlerhaft einen falschen Abrechnungsmaßstab
zugrunde gelegt hat. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Heizkostenverordnung (HeizkV) sind von
den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage mindestens 50 vom Hundert,
höchstens 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu
verteilen. Die Festlegung innerhalb der Bandbreite 50/70 steht dabei im Ermessen des
Gebäudeeigentümers, das jedoch nach § 315 BGB gebunden ist, so dass im Einzelfall
trotz der Einhaltung der generellen Grenzen der HeizkV die Wahl nicht dem billigen
Ermessen entsprechen kann (Schmidt/Futterer-Lammel, Mietrecht, 9. A., 2007, § 7
HeizkV Rn 5). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die
konkrete Wahl des Verteilungsmaßstabs sich an den wärmespezifischen Eigenheiten des
jeweiligen Gebäudes auszurichten hat (vgl. Schmidt/Futterer-Lammel a.a.O.).
Wesentliches Kriterium für die Auswahl des Verteilungsmaßstabs innerhalb der
vorgegebenen Bandbreite ist der bauliche Zustand des Gebäudes im Hinblick auf den
Wärmeverbrauch durch nutzergesteuertes Verhalten oder durch bautechnische
Vorgaben. Zwar können bei einem Altbau mehrere den Wärmeverbrauch bereits durch
den baulichen Zustand negativ beeinflussende Faktoren vorliegen, so dass das
Nutzerverhalten in geringerem Maße den Wärmeverbrauch beeinflusst. In einem solchen
Fall ist ein Verteilungsmaßstab von 50 : 50 eher gerechtfertigt (vgl. Schmidt/Futterer-
Lammel, a.a.O. Rn 7 m.w.N.). Davon ist hier allerdings nicht auszugehen.
Zwar handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude um einen Altbau.
Allerdings beeinflusst der bauliche Zustand den Wärmeverbrauch der Mieter hier nicht
negativ. Denn es ergibt sich aus der gutachterlichen Stellungnahme .......... , dass der
700 mm dicke Aufbau der Außenwand, bestehend aus Ziegelsteinen und Putz einen
Wärmedurchgangskoeffizienten (“K-Wert”) von 0,861 W/(m² K) aufweist, welcher sogar
noch besser ist, als in der aktuellen Energieeinsparverordnung angegeben. Auch der K-
Wert der Doppelkastenfenster des Objekts (3,00 W/(m²K)) entspricht etwa
Isolierverglasungen, welche noch Anfang der 90er Jahre in Neubauten eingebaut worden
sind. Zusätzlich dazu verfügen zumindest die zur Straße gelegenen Fenster der
Wohnung der Beklagten über Rollläden, welche den Wärmeschutz laut Angaben des
Sachverständigen sogar noch verbessern. Darauf, dass die übrigen Fenster nicht mit
Rollläden ausgestattet sind, kommt es somit nicht an. Die gegen die Ausführungen des
Sachverständigen seitens der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 16.02.2007 erhobenen
Einwände sind unsubstantiiert und greifen nicht durch. Insbesondere ist unerheblich,
dass der Sachverständige .......... nur die Gewerbeeinheit in Augenschein genommen
und weder Kernbohrungen der Außenwände vorgenommen noch die Bauteile geöffnet
hat. Denn der Gutachter hat selbst ausgeführt, es sei bei der Beurteilung des
Wärmeschutzes von Altbauten üblich, von bestimmten Annahmen auszugehen. Im
Übrigen habe er seine Schätzungen auf “der sicheren Seite” vorgenommen, so dass
der tatsächliche Wärmeschutz jedenfalls nicht schlechter sei, als angegeben. Ferner hat
der Sachverständige angegeben, es könne aufgrund der Inaugenscheinnahme des
Gebäudes von außen, zum Teil durch offen stehende Fenster davon ausgegangen
werden, dass die Außenwand- und Fensterkonstruktionen der Gewerbeeinheit und er
Wohnungen identisch ist. Die Beklagten haben ihrerseits weder eigene Angaben zum
Aufbau der Außenwände und zur Konstruktion der Fenster gemacht noch vorgetragen,
worin konkret ihrer Ansicht nach der Unterschied zu der ebenfalls im Erdgeschoss
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worin konkret ihrer Ansicht nach der Unterschied zu der ebenfalls im Erdgeschoss
befindlichen Gewerbeeinheit bestehen soll.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Zustand der Heizungsanlage des Gebäudes.
Diese ist zwar bereits in den Jahren 1962/1963 errichtet worden. Auch sind die
Heizungsrohre unstreitig nicht isoliert. Dies allein führt jedoch nicht dazu, dass das
Vermieterermessen dahingehend reduziert ist, dass ein Verteilungsmaßstabs von 50 :
50 zwingend anzusetzen ist. Vielmehr weist die Heizungsanlage unstreitig keine Mängel
auf. Sie entspricht auch dem üblichen Standard für Altbauten. Im Übrigen ist der Einfluss
des Wärmeschutzes des Bauwerks selbst (Außenwand und Fenster) erheblich größer als
der Einfluss des Zustands der Heizungsanlage. Es erscheint unter Berücksichtigung aller
Umstände des Falls daher hier nicht gerechtfertigt, dass Ermessen der Klägerin, welches
ihr nach der Heizkostenverordnung eingeräumt ist, zu beschränken.
Die Klägerin kann jedoch Verzugszinsen erst ab dem 25. September 2006 verlangen. Es
wird insoweit vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in den
Gründen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen
des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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