Urteil des LG Baden-Baden vom 01.03.2013

grundstück, kaufvertrag, vormerkung, vermessung

LG Baden-Baden Urteil vom 1.3.2013, 1 O 239/11
Wiederkaufsrecht: Ausübung des für den Fall des Unterbleibens einer
Bebauung vereinbarten und durch eine Vormerkung gesicherten
Wiederkaufsrechts nach sechzehn Jahren bei Vereinigung und
Weiterveräußerung der verkauften Grundstücke; Verjährung des
Ausübungsrechts
Tenor
1. Die Beklagte Ziffer 1 wird zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem aufgrund des
Grundstückskaufvertrags vom im Wege des Wiederkaufs zustande gekommenen
Grundstückskaufvertrags verurteilt:
a) der Klägerin den Kaufgegenstand des Wiederkaufsvertrages zu übereignen, früher
eingetragen im Grundbuch von Blatt ... unter BV 541, Flurstück ..., B. Straße,
Gebäude- und Freifläche mit einer Größe von 37,72 ar, danach eingetragen im
Grundbuch von Blatt ..., BV lfd. Nummer 5 mit einer Größe von 3772 qm (im
Folgenden „Wiederkaufsgrundstück“), und zwar in den Abteilungen II und III des
Grundbuchs lastenfrei, wobei die Klägerin die Löschungsbewilligung für die zu ihren
Gunsten in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen Belastungen in der Erklärung
der Annahme der Auflassung abgeben wird,
b) zum Zweck gemäß a) jeweils auf eigene Kosten
aa) die Auflassung des Wiederkaufsgrundstücks an die Klägerin zu erklären;
bb) den öffentlich bestellten und vereidigten Vermessungsingenieur Dipl.-Ing. K. zu
beauftragen,
(1)
(a) aus dem Grundstück Gemarkung R., Flurstück Nr. ..., eingetragen im Grundbuch
von, Blatt Nr. ..., BV lfd. Nr. 7, eine Teilfläche herauszuvermessen, die soweit wie
möglich vollständig übereinstimmt mit dem Wiederkaufsgrundstück,
(b) und diese Übereinstimmung sowie die weitere Übereinstimmung, dass die
verbleibende Teilfläche soweit wie möglich mit dem früheren Flurstück ..., früher
eingetragen im Grundbuch von R., Blatt ..., BV lfd. Nr. 6, mit einer Größe von 13.074
m² übereinstimmt, zu bestätigen,
(2) die das Ergebnis der Vermessung wiedergebenden Teilungspläne und
Erläuterungen an die Klägerin und beide Beklagte jeweils per Einschreiben mit
Rückschein zur Genehmigung zu versenden,
(3) nach Genehmigung die Unterlagen beim Landratsamt R., Amt für Vermessung und
Flurneuordnung, einzureichen mit dem Antrag, entsprechend der Herausvermessung
zwei neue Flurstücke im Kataster einzutragen und dem Grundbuchamt mit Kopie an
den Vermessungsingenieur, die Klägerin und die Beklagte Ziffer 1, eine
Fortführungsmitteilung zuzusenden,
c) die Übergabe des Wiederkaufsgrundstücks an die Klägerin mit Wirkung auf den
Tag ihrer Eintragung als Eigentümerin unverzüglich danach zu bewirken.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziffer 1 verpflichtet ist,
a) die Teilung des Grundstücks Gemarkung R., Flurstück Nr. ..., eingetragen im
Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., BV lfd. Nr. 7, mit dem Inhalt zu bewilligen, dass das
Grundstück geteilt wird in zwei selbständige Grundstücke, nämlich das
Wiederkaufsgrundstück (früher eingetragen im Grundbuch von R., Blatt ..., BV lfd. Nr.
5), sowie ein mit dem früheren Flurstück ... mit einer Größe von 13.074 m², früher
eingetragen im Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., lfd. Nr. 6, soweit wie möglich
übereinstimmendes Grundstück,
b) die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks im
Grundbuch zu bewilligen,
c) eine Identitätserklärung abzugeben, die inhaltlich bestätigt, dass das vom
Vermessungsbüro Dipl.-Ing. K. F., herausvermessene Flurstück identisch ist mit dem
Wiederkaufgrundstück und in dieser Identitätserklärung vorsorglich die Auflassung für
das herausvermessene Flurstück zu erklären,
d) neben den vorstehend genannten Erklärungen alle Erklärungen abzugeben, die zur
Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks erforderlich
sind oder vom Grundbuchamt gefordert werden
e) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass sie die
Genehmigung gemäß Ziffer 1. b) bb) (2) des Urteils nicht unverzüglich, spätestens
binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang, erteilt
f) alle Kosten, Abgaben und Steuern zu tragen:
aa. aus der Übereignung des Wiederkaufsgrundstücks an die Klägerin gemäß Ziffer 1,
insbesondere
(1) alle Grundbuchkosten für die Umschreibung, Anlage neuer Grundbuchblätter,
(2) alle Kosten der Löschung der Belastungen in den Abteilungen II und III des
Grundbuchs,
(3) alle Kosten der für die Umschreibung benötigten Erklärungen der Klägerin,
insbesondere für die Protokollierung der Entgegennahme der Auflassung und die
Protokollierung der Identitätserklärung,
(4) die Grunderwerbssteuer,
(5) alle Kosten für öffentlich-rechtliche Genehmigungen aller Art,
bb. aus Besitz, Nutzen und Lasten des Grundstücks bis zum Zeitpunkt der Übergabe,
wobei die Verteilung der Kosten aus Gründen der Vereinfachung bei einer Übergabe
inmitten eines Jahres pro rata temporis zwischen Klägerin und der Beklagten Ziffer 2
stattfindet, das Jahr zu 360 Tagen und den Monat zu 30 Tagen gerechnet.
3. Die Beklagte Ziffer 2 wird verurteilt,
a) jeweils auf eigene Kosten der Erklärung der Auflassung der Beklagten Ziffer 1
zuzustimmen,
b) der Klägerin das Wiederkaufsgrundstück mit Wirkung auf den Tag ihrer Eintragung
als Eigentümerin unverzüglich danach zu übergeben.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziffer 2 verpflichtet ist,
a) dem Ergebnis der Vermessung gemäß Ziffer 1 b) bb) (2) des Urteils sowie den
Erklärungen der Beklagten Ziffer 1 hinsichtlich der Teilung und der
Eintragungsbewilligung gemäß Ziffer 2 a) und 2 b)des Urteils zuzustimmen.
b) neben den vorstehend genannten Erklärungen alle Erklärungen abzugeben, die zur
Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks erforderlich
sind oder vom Grundbuchamt gefordert werden.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
6. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe 415.000 EUR vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ziffer 1 die Rückübereignung eines im
Jahr 1991 verkauften Grundstückes.
2 Die Klägerin und die Beklagte Ziffer 1, damals noch firmierend unter E. GmbH &
Co. KG, schlossen am 14.11.1991 einen notariellen Kaufvertrag (UR-Nr. ...,
Notariat R. I), worin die Klägerin zwei Grundstücke, damals eingetragen im
Grundbuch von R., Blatt ..., BV 541 (Flurstück Nr. ... mit 37,72 ar) sowie BV 542
(Flurstück Nr. ... mit 130,74 ar) zum Preis von 65,00 DM/m² an die Beklagte Ziffer 1
verkaufte.
3 In § 5 des Kaufvertrages verpflichtete sich die Beklagte Ziffer 1, auf dem Flurstück
Nr. ... bis spätestens 31.12.1993 ein Verlagsgebäude mit Druckerei, auf dem
Grundstück Flurstück Nr. ... bis spätestens 31.12.1995 bezugsfertig ein
Bürogebäude zu errichten. Für den Fall, dass die Beklagte Ziffer 1 diese
Verpflichtungen verletzt, wurde bestimmt, dass die Klägerin jederzeit vom
Kaufvertrag zurücktreten oder nach ihrer Wahl als Wiederkäuferin die
Rückübereignung der Grundstücke verlangen kann. Im Falle der Ausübung des
Rücktritts- oder des Wiederkaufsrechts sind der Kaufpreis und bezahlte
Anliegerbeiträge und Erschließungskosten von der Klägerin zu erstatten und vier
Wochen nach lastenfreier Rückauflassung zur Zahlung fällig. Ferner sollte die
Rückübereignung lastenfrei und auf Kosten des Beklagten Ziffer 1 erfolgen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den geschlossenen Kaufvertrag, Anlage K 1,
Bezug genommen.
4 Ferner bewilligte die Beklagte Ziffer 1 zur Sicherung des
Rückübertragungsanspruchs der Klägerin aus ausgeübtem Rücktritt oder
Wiederkaufsrecht eine Rückauflassungsvormerkung, die am 18.05.1992 im
Grundbuch eingetragen wurde (Blatt Nr. ..., Abt. II, lfd. Nr. 1).
5 Die beiden verkauften Grundstücke wurden aus Blatt ... des Grundbuches in das
neu angelegte Blatt Nr. ... als lfd. Nrn. 5 (Flurstück Nr. ...) und 6 (Flurstück Nr. ...)
des Bestandsverzeichnisses am 18.05.1992 übertragen.
6 Am 02.05.1994 wurde die lfd. Nr. 5 mit der lfd. Nr. 6 vereinigt und unter der lfd. Nr. 7
das neue Grundstück Flurstück ..., Gebäude- und Freifläche K. Straße …; … mit
164,46 ar, im Bestandsverzeichnis (BV) eingetragen.
7 Die Beklagte Ziffer 1 errichtete auf dem früheren Flurstück Nr. ..., wie im
Kaufvertrag vereinbart, fristgerecht ein Verlagsgebäude mit Druckerei. Das frühere
Flurstück Nr. ... wurde nicht bebaut.
8 Die E. GmbH & Co. KG änderte ihre Firma im Jahr 2001 in P. KG und im Jahr 2010
in V. KG. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck aus dem Handelsregister,
Anlage 2, Bezug genommen.
9 Die P. KG (jetzt: Beklagte Ziffer 1) schloss am 23.12.2009 mit der Beklagten Ziffer 2
einen notariellen Einbringungs- und Übertragungsvertrag (UR-Nr. .../2009 des
Notars Dr. D. T., H.), worin die Beklagte Ziffer 1 das im Grundbuch von R. Blatt Nr.
..., BV lfd. Nr. 7 eingetragene neue Grundstück Flurstück Nr. ... mit 168,46 ar auf
die Beklagte Ziffer2 übertrug (Ziffer 2 des Übertragungsvertrages). Ferner
vereinbarten die Parteien (Ziffer 2.1.2 des Vertrages), dass die in Abteilung II
hinsichtlich des übertragenen Grundstücks eingetragenen Lasten und
Beschränkungen mit den inhaltlich bekannten, der jeweiligen Belastung zugrunde
liegenden Verpflichtungen von der H. Verlag KG zur dinglichen Haftung
übernommen werden. Ferner wurde vereinbart (Ziffer 2.4 des Vertrags), dass die
mit den im Zusammenhang mit den übertragenen Vermögensgegenständen,
darunter auch das Grundstück, im Zusammenhang stehenden schuldrechtlichen
Verbindlichkeiten von der H. Verlag KG nicht übernommen werden. Wegen der
Einzelheiten wird auf den geschlossenen notariellen Vertrag, Anlage B 1, Bezug
genommen.
10 Die Beklagte Ziffer 2 wurde am 01.07.2010 als neue Eigentümerin im Grundbuch
eingetragen.
11 Der beurkundende Notar Dr. T. übersandte dem Liegenschaftsamt der Klägerin mit
Schreiben vom 30.12.2009 den beurkundeten Vertrag mit der Bitte um Mitteilung,
dass kein Vorkaufsrecht besteht oder dass auf die Ausübung desselben
verzichtet, oder aber innerhalb der gesetzlichen Frist zu erklären, dass das
Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage B 2 Bezug
genommen.
12 Mit Schreiben vom 15.01.2010, beim Notar eingegangen am 19.01.2010, teilte der
Fachbereich Finanzwirtschaft der Klägerin dem Notar Dr. T. mit, dass kein
gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß §§ 24, 25 BauGB besteht, und übersandte ein
Negativzeugnis. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage B 3 Bezug genommen.
13 Im Juli 2011 beschloss der Gemeinderat der Klägerin hinsichtlich des früheren
Flurstücks Nr. ..., jetzt eingetragen im Grundbuch von R. Blatt ..., BV lfd. Nr. 5 mit
2.772 m², ihr Wiederkaufsrecht auszuüben. Durch Schreiben vom 20.12.2011 teilte
der Oberbürgermeister der Klägerin diesen Gemeinderatsbeschluss sowie die
Geltendmachung des Wiederkaufsrechtes der Beklagten Ziffer 1 mit. Wegen der
Einzelheiten wird auf Anlage 12 Bezug genommen.
14 Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückübereignung, Auflassung und
Übergabe des früheren Flurstücks Nr. ..., welches inzwischen als eigenständiges
Grundstück nicht mehr besteht, sondern Teil des neuen Grundstücks Flurstück Nr.
... ist.
15 Sie behauptet, sie könne das vereinbarte Wiederkaufsrecht auch hinsichtlich nur
eines der beiden verkauften Grundstücke ausüben. Aufgrund der zu ihren Gunsten
eingetragenen Vormerkung sei die Eigentumsübertragung an die Beklagte Ziffer 2
ihr gegenüber relativ unwirksam. Die Beklagte Ziffer 1 habe in dem
Übertragungsvertrag aus dem Jahr 2009 die sich aus dem Kaufvertrag von 1991
ergebenden Verpflichtungen nicht vollständig übertragen. Der Anspruch auf
Rückübereignung sei weder verjährt noch sei dieser verwirkt. Die Ausübung sei
nicht treuwidrig, da auch eine andere Nutzung möglich sei.
16 Die Klägerin beantragt,
17 I. Die Beklagte Ziffer 1 wird zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem aufgrund
des Grundstückskaufvertrags vom 14.11.1991, Urkundenrolle-Nr. des Referats I,
Notariat R., im Wege des Wiederkaufs zustande gekommenen
Grundstückskaufvertrags verurteilt:
18 a) der Klägerin den Kaufgegenstand des Wiederkaufsvertrages zu übereignen,
früher eingetragen im Grundbuch von R. Blatt ... unter BV 541, Flurstück ...,
Berliner Ring, Gebäude- und Freifläche mit einer Größe von 37,72 ar, danach
eingetragen im Grundbuch von R. Blatt ..., BV lfd. Nummer 5 mit einer Größe von
3772 qm (im Folgenden „Wiederkaufsgrundstück“), und zwar in den Abteilungen II
und III des Grundbuchs lastenfrei, wobei die Klägerin die Löschungsbewilligung für
die zu ihren Gunsten in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen Belastungen
in der Erklärung der Annahme der Auflassung abgeben wird,
19 b) zum Zweck gemäß a) jeweils auf eigene Kosten
20 aa) die Auflassung des Wiederkaufgrundstücks an die Klägerin zu erklären;
21 bb) den öffentlich bestellten und vereidigten Vermessungsingenieur Dipl.-Ing. K.
F., M. Str. 6, … R. zu beauftragen,
(1)
22 (a) aus dem Grundstück Gemarkung R., Flurstück Nr. ..., eingetragen im
Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., BV lfd. Nr. 7, eine Teilfläche herauszuvermessen,
die soweit wie möglich vollständig übereinstimmt mit dem Wiederkaufsgrundstück,
23 (b) und diese Übereinstimmung sowie die weitere Übereinstimmung, dass die
verbleibende Teilfläche soweit wie möglich mit dem früheren Flurstück ..., früher
eingetragen im Grundbuch von R., Blatt ..., BV lfd. Nr. 6 mit einer Größe von
13.074 m² übereinstimmt, zu bestätigen,
24 (2) die das Ergebnis der Vermessung wiedergebenden Teilungspläne und
Erläuterungen an die Klägerin und beide Beklagte jeweils per Einschreiben mit
Rückschein zur Genehmigung zu versenden,
25 (3) nach Genehmigung die Unterlagen beim Landratsamt R., Amt für Vermessung
und Flurneuordnung, einzureichen mit dem Antrag, entsprechend der
Herausvermessung zwei neue Flurstücke im Kataster einzutragen und dem
Grundbuchamt mit Kopie an den Vermessungsingenieur, die Klägerin und die
Beklagte Ziffer 1, eine Fortführungsmitteilung zuzusenden,
26 c) die Übergabe des Wiederkaufsgrundstücks an die Klägerin mit Wirkung auf den
Tag ihrer Eintragung als Eigentümerin unverzüglich danach zu bewirken.
27 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziffer 1 verpflichtet ist,
28 a) die Teilung des Grundstücks Gemarkung R., Flurstück Nr. ..., eingetragen im
Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., BV lfd. Nr. 7, mit dem Inhalt zu bewilligen, dass das
Grundstück geteilt wird in zwei selbständige Grundstücke, nämlich das
Wiederkaufsgrundstück (früher eingetragen im Grundbuch von R., Blatt ..., BV lfd.
Nr. 5), sowie ein mit dem früheren Flurstück ... mit einer Größe von 13.074 m²,
früher eingetragen im Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., BV lfd. Nr. 6, soweit wie
möglich übereinstimmendes Grundstück,
29 b) die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks im
Grundbuch zu bewilligen,
30 c) eine Identitätserklärung abzugeben, die inhaltlich bestätigt, dass das vom
Vermessungsbüro Dipl.-Ing. K. F., herausvermessene Flurstück identisch ist mit
dem Wiederkaufgrundstück und in dieser Identitätserklärung vorsorglich die
Auflassung für das herausvermessene Flurstück zu erklären,
31 d) neben den vorstehende genannten Erklärungen alle Erklärungen abzugeben,
die zur Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks
erforderlich sind oder vom Grundbuchamt gefordert werden.
32 e) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass sie die
Genehmigung gemäß Antrag I. 1. b. bb. (2) nicht unverzüglich, spätestens binnen
einer Frist von zwei Wochen nach Zugang, erteilt,
33 f) alle Kosten, Abgaben und Steuern zu tragen:
34 aa. aus der Übereignung des Wiederkaufsgrundstücks an die Klägerin gemäß
Antrag I. 1., insbesondere
35 (1) alle Grundbuchkosten für die Umschreibung, Anlage neuer Grundbuchblätter,
36 (2) alle Kosten der Löschung der Belastungen in den Abteilungen II und III des
Grundbuchs,
37 (3) alle Kosten der für die Umschreibung benötigten Erklärungen der Klägerin,
insbesondere für die Protokollierung der Entgegennahme der Auflassung und die
Protokollierung der Identitätserklärung,
38 (4) die Grunderwerbssteuer,
39 (5) alle Kosten für öffentlich-rechtliche Genehmigungen aller Art,
40 bb. aus Besitz, Nutzen und Lasten des Grundstücks bis zum Zeitpunkt der
Übergabe, wobei die Verteilung der Kosten aus Gründen der Vereinfachung bei
einer Übergabe inmitten eines Jahres pro rata temporis zwischen Klägerin und
der Beklagten Ziffer 2 stattfindet, das Jahr zu 360 Tagen und den Monat zu 30
Tagen gerechnet.
II.
41 1. Die Beklagte Ziffer 2 wird verurteilt,
42 a) jeweils auf eigene Kosten der Erklärung der Auflassung der Beklagten Ziffer 1
zuzustimmen,
43 b) der Klägerin das Wiederkaufsgrundstück mit Wirkung auf den Tag ihrer
Eintragung als Eigentümerin unverzüglich danach zu übergeben.
44 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziffer 2 verpflichtet ist,
45 a) dem Ergebnis der Vermessung gemäß Antrag I. 1. b. bb. (2) sowie den
Erklärungen der Beklagten Ziffer 1 hinsichtlich der Teilung und der
Eintragungsbewilligung gemäß Anträge I. 2. a. und I. 2. b. zuzustimmen,
46 b) neben den vorstehend genannten Erklärungen alle Erklärungen abzugeben,
die zur Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks
erforderlich sind oder vom Grundbuchamt gefordert werden.
47 Die Beklagte beantragt,
48 die Klage abzuweisen.
49 Sie behauptet, die Parteien hätten vereinbart, dass das Rückkaufsrecht nur
innerhalb der Frist, die für das vereinbarte Rückkaufsrecht gilt, ausgeübt werden
könne. Die Beklagte Ziffer 1 habe ihre Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag aus
dem Jahre 1991 im Jahr 2009 wirksam auf die Beklagte Ziffer 2 übertragen.
Zugunsten der Klägerin bestehe keine wirksame Vormerkung. Der Anspruch aus
dem Wiederkaufsrecht sei zum einen verjährt, jedenfalls aber verwirkt und könne
auch gemäß § 218 BGB analog nicht mehr geltend gemacht werden. Die
Ausübung des Wiederkaufsrechts sei treuwidrig, da die Klägerin kein
Bürogebäude errichten wolle.
50 Die Beklagte Ziffer 2 beantragt zuletzt widerklagend, die Klägerin zu verurteilen,
51 der Löschung der im Grundbuch von R. Blatt ..., Abteilung II, lfd. Nr. 1,
eingetragenen Rückauflassungsvormerkung zuzustimmen.
52 Sie behauptet, da die Klägerin ihr Rückkaufsrecht nicht mehr ausüben könne, sei
sie zur Löschung der dieses sichernden Vormerkung verpflichtet.
53 Die Klägerin beantragt,
54 die Widerklage abzuweisen.
55 Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen zur Klage.
56 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
57 Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet (I.). Die Widerklage ist
zulässig, jedoch vollumfänglich unbegründet (II).
I.
58 Die Klägerin kann gemäß § 457 Abs. 1 BGB die Herausgabe, d.h. die
Verschaffung des Eigentums und des unmittelbaren Besitzes, des früheren
Flurstücks Nr. ..., früher eingetragen im Grundbuch von R. Blatt ..., BV lfd. Nr. 5,
von der Beklagten Ziffer 1 verlangen.
59 1. Unstreitig wurde zwischen den Parteien im notariellen Kaufvertrag vom
14.11.1991 (Anlage K 1) ein Wiederkaufsrecht gemäß § 456 Abs. 1 Satz 1 BGB
vereinbart. In § 5 A. wurde bestimmt, dass sich die Beklagte Ziffer 1, damals noch
anders firmierend, verpflichtet, auf dem früheren Grundstück Flurstück Nr. ... bis
spätestens 31.12.1995 ein Bürogebäude bezugsfertig zu erstellen. Für den Fall,
dass die Beklagte Ziffer 1 diese Verpflichtung, die sie neben der weiteren
Verpflichtung, das Grundstück Flurstück Nr. ... ebenfalls bis 31.12.1993 zu
bebauen, übernommen hat, ohne Rücksicht auf ein Verschulden verletzt, kann
die Klägerin jederzeit nach ihrer Wahl vom Kaufvertrag zurücktreten oder ihr
Wiederkaufsrecht ausüben und die Rückübereignung verlangen. Die Klägerin hat
sich somit das Recht des Wiederkaufs vorbehalten (§ 456 Abs. 1 S. 1 BGB).
60 Unstreitig wurde auf dem früheren Grundstück Flurstück Nr. ... kein Bürogebäude
errichtet, so dass die Voraussetzung des Wiederkaufsrechtes erfüllt ist. Auf ein
etwaiges Verschulden der Beklagten Ziffer 1 kommt es nach der vertraglichen
Vereinbarung nicht an.
61 Die Klägerin kann das Wiederkaufsrecht auch ausüben, wenn, was unstreitig ist,
die Beklagte Ziffer 1 nur eines der beiden gekauften Grundstücke nicht bebaut.
62 Die zwischen den Parteien im Kaufvertrag getroffene Vereinbarung über den
Rückerwerb der Grundstücke ist rechtlich als aufschiebend bedingter Kaufvertrag
zu qualifizieren, dessen Bedingung durch die Ausübung des Wiederkaufsrechts
eintritt (s. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.09.1993, Az. 4 U 17/93 = juris, Tz. 19).
63 2. Der Wiederkauf ist durch die Erklärung der Klägerin vom 20.12.2011 (Anlage
12), vertreten durch den Oberbürgermeister, ihr Wiederkaufsrecht auszuüben,
zustande gekommen (§ 456 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Erklärung ist formfrei
möglich (§ 456 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Schriftform des § 54 Abs. 1
Gemeindeordnung ist eingehalten und die Erklärung wurde vom
Oberbürgermeister, der hierzu aufgrund des unstreitig erfolgten
Gemeinderatsbeschlusses berechtigt ist, abgegeben.
64 3. Die Beklagte Ziffer 1 hat ihre sich aus dem aufschiebend bedingten
Kaufvertrag aus dem Jahr 1991 ergebende Verpflichtung zur Rückübertragung
des Eigentums nicht mit Vertrag vom 22.12.2009 auf die Beklagte Ziffer 2
übertragen (§ 415 Abs. 1 BGB analog). Eine wirksame Vertragsübernahme wurde
nicht vereinbart.
65 a) Aus Ziffer 2.4 des Vertrages vom 22.12.2009 (Anlage B 1) ergibt sich, dass die
mit dem übertragenen Grundstück Flurstück Nr. ..., dessen Teil das
Wiederkaufsgrundstück gegenwärtig ist, im Zusammenhang stehenden
schuldrechtlichen Verbindlichkeiten, worunter auch der aufschiebend bedingte
Kaufvertrag aus dem Jahr 1991 fällt, von der Beklagten Ziffer 2 nicht
übernommen werden, sondern bei der Beklagten Ziffer 1 zurückbleiben und von
ihr weiter bedient werden. Dem steht die Formulierung in Ziffer 2.1.2, dass die in
Abteilung II eingetragenen Lasten und Beschränkungen, somit auch die
zugunsten der Klägerin eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs
auf Rückübertragung des Eigentums im Grundbuch Blatt ..., Abteilung II, lfd. Nr. 1,
mit den inhaltlich bekannten, der jeweiligen Belastung zugrunde liegenden
Verpflichtung von der Beklagten Ziffer 1 zur dinglichen Haftung übernommen
werden, nicht entgegen. Dies entspricht der für den Fall von im Grundbuch
eingetragenen Belastungen üblichen Formulierung und besagt lediglich, dass
diese vom Übertragenden nicht zur Löschung zu bringen sind, sondern weiterhin
bestehen bleiben und das Grundstück belasten. Der Erwerber haftet dann mit
dem übernommenen Grundstück, mehr jedoch nicht. Die zugunsten der Klägerin
eingetragene Vormerkung ist ohne die Forderung, die sie sichert, auch nicht
isoliert übertragbar (s. Palandt, BGB, 72. Aufl., § 885 Rn. 12, 19).
66 b) Ferner könnte - was nicht zutrifft - in der Vereinbarung in Ziffer 2.1.2 des
Vertrages allenfalls eine Schuldübernahme, nicht jedoch eine
Vertragsübernahme, wie gemäß § 7 des Kaufvertrages vom 14.11.1991 (Anlage
1) erforderlich, gesehen werden. In § 7 ist geregelt, dass bei einer Veräußerung
der Grundstücke, ganz oder in Teilen, den Sonderrechtsnachfolgern, hier der
Beklagten Ziffer 2, alle aus dem Vertrag andauernden Verpflichtungen weiter zu
geben sind und die Sonderrechtsnachfolger wiederum zu verpflichten sind, bei
künftigen Veräußerungen entsprechende Weitergabeklauseln zu vereinbaren.
Der Eintritt der Sonderrechtsnachfolger soll dann mit Rechten und Pflichten
erfolgen. Aus letzterem ergibt sich, dass eine Vertragsübernahme und nicht
lediglich eine Schuldübernahme erforderlich ist. Eine solche wurde mit der
Beklagten Ziffer 2 jedoch nicht vereinbart. Ebenso wenig wurde im Vertrag aus
dem Jahr 2009 die Beklagte Ziffer 2 verpflichtet, einen etwaigen
Sonderrechtsnachfolger ebenfalls entsprechend zu verpflichten. Allenfalls einer
solchen Vertragsübernahme hätte die Klägerin antizipiert im Kaufvertrag aus dem
Jahr 1991 zugestimmt (§ 415 Abs. 1 S. 1 BGB analog).
67 4. Der Beklagten Ziffer 1 ist die Übertragung des Eigentums auf die Klägerin nicht
dadurch unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), dass sie das frühere
Grundstück Flurstück Nr. ... unstreitig im Jahr 2009 an die Beklagte Ziffer 2
übereignet hat. Die Beklagte Ziffer 1 kann trotz Übertragung des Eigentums an
dem früheren Grundstück auf die Beklagte Ziffer 2 der Klägerin das Eigentum
noch verschaffen, da die Eigentumsübertragung der Klägerin gegenüber gemäß
§§ 883 Abs. 2, 888 Abs. 1 BGB relativ unwirksam ist aufgrund der im Grundbuch
zu ihren Gunsten eingetragenen Vormerkung.
68 a) Die im Grundbuch von R., Blatt Nr. ..., Abteilung II, lfd. Nr. 1, eingetragene
Vormerkung zugunsten der Klägerin ist wirksam entstanden.
69 aa) Der aufschiebend bedingte Anspruch (§ 883 Abs. 1 S. 2 BGB) auf
Verschaffung des Eigentums aus dem Kaufvertrag aus dem Jahr 1991 kann
durch Vormerkung gesichert werden (s. BGH NJW 1994, 3299 = juris, Tz. 14).
70 bb) Aus dem Vertrag vom 14.11.1991 ist klar ersichtlich, hinsichtlich welcher
Grundstücke ein Anspruch auf Rückübereignung besteht.
71 Auch die Entstehungsvoraussetzungen für den bedingten Anspruch sind
bestimmbar (s. Palandt, BGB, 72. Aufl., § 883 Rn. 14; BGH, NJW 2002, 2461 =
juris, Tz. 14). Hierfür ist ausreichend, dass das Ereignis, mit dessen Eintritt der
bedingte Rückübereignungsanspruch wirksam werden soll, aufgrund objektiver
Umstände bestimmbar ist, die auch außerhalb des Grundbuchs liegen können,
sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet
sind. Die Bestimmbarkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Eintritt der
Bedingung möglicherweise erst durch eine richterliche Entscheidung festgestellt
werden kann (s. BGH, NJW 2002, 2461 = juris, Tz. 13). In § 5 A des Vertrages
vom 14.11.1991 ist hinsichtlich des früheren Flurstücks Nr. ... vereinbart, dass ein
Bürogebäude in anspruchsvoller Bauweise erstellt werden muss und die
städtebaulichen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind. Der Begriff der
städtebaulichen Belange ist ein Begriff aus der Bauleitplanung und daher der
Auslegung zugänglich. Ob ein errichtetes Gebäude einer anspruchsvollen
Bauweise entspricht, kann ebenfalls ausgelegt und notfalls gerichtlich geklärt
werden. Die Bewilligung hinsichtlich der Rückauflassungsvormerkung nimmt auf
die getroffene Regelung Bezug.
72 cc) Unstreitig wurde die Vormerkung auch im Grundbuch eingetragen, so dass
sie wirksam entstanden ist (§ 885 Abs. 1 BGB).
73 c) Die Vormerkung ist nicht dadurch erloschen, dass das frühere Grundstück
Flurstück Nr. ... unstreitig mit dem früheren Grundstück Flurstück Nr. ... vereinigt
wurde und nunmehr ein einziges Grundstück, nämlich Flurstück Nr. ... (neu)
existiert. Die im Grundbuch eingetragene Vormerkung besteht an dem neuen
Grundstück fort (s. Palandt, BGB, 72. Aufl., § 890 Rn. 4; BGH, NJW 2006, 1000 =
juris, Tz. 14).
74 d) Die Übertragung des Eigentums auf die Beklagte Ziffer 2 stellt eine
vormerkungswidrige Verfügung gemäß § 883 Abs. 2 BGB dar, da sie der
weiterhin bestehenden Verpflichtung der Beklagten Ziffer 1, der Klägerin
lastenfreies Eigentum aufgrund des erklärten Wiederkaufs zu übertragen,
entgegen steht.
75 Da die Klägerin jedoch gemäß § 888 Abs. 1 die Zustimmung zur Auflassung an
sie von der Beklagten Ziffer 2 verlangen kann, ist der Beklagten Ziffer 1 die
Übertragung des Eigentums nicht unmöglich.
76 e) Es ist auch möglich, aus dem vereinigten Grundstück Flurstück Nr. ... (neu)
eine Teilfläche, die dem früheren Grundstück Flurstück Nr. ... entspricht, heraus
zu vermessen. Bezüglich dieses Grundstücks existieren auch alte Lagepläne,
aus denen der frühere Zustand ersichtlich ist und nachvollzogen werden kann.
Insofern liegt ebenfalls keine Unmöglichkeit vor.
77 5. Die Ausübung des Wiederkaufs ist nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
78 a) Die Ausübung ist nicht deswegen treuwidrig, weil seit Ende des Jahres 1995,
dem Zeitpunkt bis zu dem bebaut werden sollte, und der Geltendmachung des
Wiederkaufs im Dezember 2011 knapp 16 Jahre verstrichen sind, in denen die
Klägerin das Grundstück nicht zurückverlangt hat. § 462 BGB Satz 1 sieht gerade
vor, dass das Wiederkaufsrecht bei Grundstücken bis zum Ablauf von 30 Jahren
geltend gemacht werden kann. Im vorliegenden Fall ist gerade etwas mehr als die
Hälfte dieses Zeitraumes verstrichen.
79 b) Die Klägerin hat aufgrund ihres Verhaltens auch nicht Anlass dazu gegeben,
dass die Beklagte Ziffer 1 sich berechtigterweise darauf verlassen hat, dass die
Klägerin ihr Wiederkaufsrecht nicht mehr ausüben wird.
80 aa) Ein derartiges Vertrauen wurde seitens der Klägerin nicht dadurch
geschaffen, dass unstreitig im Jahr 2010 der Fachbereich Finanzwirtschaft der
Klägerin ein Negativzeugnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB dem
beurkundenden Notar T. übersandt hatte (Anlage B 3). Die Erteilung eines
Negativattestes ist ein Verwaltungsakt, wobei die Gemeinde gemäß § 28 Abs. 1
Satz 3 verpflichtet ist, auf Antrag eines Beteiligten, hier der Beklagten Ziffer 1,
über das Bestehen eines Vorkaufsrechtes oder die Nichtausübung ein Zeugnis
auszustellen. Das Vorkaufsrecht ergibt sich aus den §§ 24, 25 BauGB und ist
nicht zwischen den Parteien vertraglich vereinbart. Hinzu kommt, dass die
Klägerin auch bei einem späteren, weiteren Verkaufsfall hinsichtlich des
Grundstücks erneut ein mögliches Vorkaufsrecht hätte ausüben können. Insofern
ergibt sich aus der einmaligen Nichtausübung eines Vorkaufsrechtes kein
Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Stadt dies in anderen
Vorkaufsfällen ebenfalls nicht tut oder aber nicht von einem vereinbarten
Wiederkaufsrecht Gebrauch macht.
81 bb) Hinzu kommt ferner, dass das Negativattest vom Fachbereich
Finanzwirtschaft ausgestellt wurde, nicht jedoch vom Oberbürgermeister der
Klägerin, der diese im Fall des Wiederkaufes vertritt. Es ist weder dargelegt noch
ersichtlich, dass der Fachbereich Finanzwirtschaft nach der Anfrage des Notars
mit dem Oberbürgermeister der Klägerin Kontakt aufgenommen hat hinsichtlich
der Ausübung des Wiederkaufsrechtes und dass der Gemeinderat der Klägerin
hinsichtlich der Rückforderung des Grundstückes beraten und entschieden hätte.
Dem war gerade nicht so, da der Gemeinderat der Klägerin unstreitig erst Ende
Juli 2011 hinsichtlich der Ausübung des Wiederkaufsrechtes entschieden hat.
82 cc) Ein schutzwürdiges Vertrauen wurde auch nicht dadurch geschaffen, dass die
Klägerin unstreitig nach Ablauf des 31.12.1995, bis zu dem Zeitpunkt die
Bebauung des Flurstücks Nr. ... erfolgen sollte, weder die Bebauung verlangt hat,
noch das Grundstück selbst bis Dezember 2011 jemals von der Beklagten Ziffer
1 zurückgefordert hat.
83 Die Klägerin konnte die Beklagte Ziffer 1 rechtlich nicht zwingen, das Grundstück
zu bebauen, da es sich um eine unvollkommene Verbindlichkeit handelt (s. OLG
Karlsruhe, Urteil vom 16.09.1993, Az. 4 U 17/93 = juris, Tz. 23; OLG Köln, Urteil
vom 04.10.2011, Az. 16 W 29/11 = juris, Tz. 9).
84 Der zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziffer 1 geschlossene Vertrag vom
14.11.1991 ist dahingehend auszulegen, dass der Klägerin kein klagbarer
Anspruch gegen die Beklagte Ziffer 1 zustehen sollte. Dies ergibt sich zum einen
daraus, dass mit der Errichtung des Gebäudes erhebliche finanzielle
Aufwendungen für die Beklagte Ziffer 1 verbunden sind und diese dazu
möglicherweise gar nicht mehr in der Lage war bzw. sie ihre betrieblichen Pläne
selbst bestimmt und möglicherweise auch geändert hat. Es ist nicht anzunehmen,
dass die Parteien tatsächlich wollten, dass die Beklagte Ziffer 1 gezwungen
werden konnte, derartige Aufwendungen in jedem Fall zu tätigen. Umgekehrt
bestand kein Interesse der Klägerin daran, die Beklagte Ziffer 1 mit der
Durchsetzung ihres Anspruchs auf Errichtung des Gebäudes möglicherweise in
wirtschaftliche Schwierigkeiten zu treiben und damit tatsächlich keine
Arbeitsplätze zu sichern.
85 Hinzu kommt, dass sich die Klägerin möglicherweise dem Vorwurf des
Formenmissbrauchs ausgesetzt hätte, wenn sie mit der Beklagten Ziffer 1
tatsächlich klagbar vereinbart hätte, dass bebaut werden muss. Dies kommt
einem Baugebot im Sinne der §§ 175, 176 BauGB gleich, was an bestimmte
rechtliche Voraussetzungen geknüpft ist und im Verwaltungsrechtswege
überprüfbar ist. Dies würde mit der privatrechtlichen Vereinbarung umgangen.
86 Es verbleibt daher kein Umstand über das bloße Untätigsein der Klägerin hinaus,
der die Beklagte Ziffer 1 berechtigterweise zu der Annahme hätte verleiten
können, die Klägerin werde ihr Wiederkaufsrecht nicht mehr ausüben. Durch das
Untätigsein selbst wurde kein schutzwürdiges Vertrauen begründet.
87 6. Der aufschiebend bedingte Anspruch der Klägerin aus dem 1991
geschlossenen Kaufvertrag ist nicht verjährt, so dass die Beklagte Ziffer 1 die
Leistung nicht verweigern kann (§ 214 Abs. 1 BGB).
88 Das Ausübungsrecht des Wiederkaufs unterliegt anders als die aus seiner
Ausübung entstehenden Ansprüche keiner Verjährung (s. BGH, NJW 2012, 2504
= juris, Tz. 25).
89 Die Verjährung des Herausgabeanspruchs gemäß § 457 Abs. 1 BGB beginnt erst
mit Ausübung des Wiederkaufsrechts, die im Dezember 2011 erfolgt ist.
Verjährung ist daher gemäß § 196 BGB nicht eingetreten.
90 7. Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 218 BGB analog an der Ausübung des
Wiederkaufsrechtes gehindert, weil sie die Bebauung des Grundstücks im
Dezember 2011 nicht mehr von der Beklagten Ziffer 1 verlangen konnte.
91 Eine analoge Anwendung von § 218 BGB scheidet bereits deswegen aus, weil,
wie bereits ausgeführt, es sich bei der Vereinbarung, das Grundstück bis Ende
1995 zu bebauen, nicht um einen der Verjährung unterliegenden Anspruch,
sondern um eine unvollkommene Verbindlichkeit handelt (s. OLG Köln, Urteil vom
04.10.2011, Az. 16 W 29/11 = juris, Tz. 9).
92 Bei einer analogen Anwendung von § 218 BGB würde zu dem die Regelung des
§ 462 Satz 1 BGB unterlaufen, weil dann innerhalb wesentlich kürzerer Zeit das
Wiederkaufsrecht ausgeübt werden müsste.
93 Ferner besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziffer 1 bereits seit
14.11.1991 ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag, wobei durch die Ausübung
des Wiederkaufsrechts lediglich die Bedingung des Kaufvertrages eintritt. Anders
als in § 218, der den Fall betrifft, dass ein Anspruch auf Leistung verjährt ist und
ein sekundäres Gestaltungsrecht, nämlich der Rücktritt, ausgeübt wird, tritt hier
lediglich noch eine Bedingung ein.
94 8. Die 30jährige Ausschlussfrist des § 462 S. 1 BGB war im Dezember 2011 noch
nicht abgelaufen. Eine Frist zur Ausübung wurde zwischen den Parteien nicht
bestimmt (§ 462 S. 2 BGB).
95 Nach dem Wortlaut der Vereinbarung aus dem Jahr 1991 wurde für die
Ausübung des Wiederkaufsrechtes keine Frist bestimmt. Eine solche
Bestimmung ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB)
aus dem Umstand, dass die Parteien sowohl ein Rücktrittsrecht als auch - nach
Wahl der Klägerin - ein Wiederkaufsrecht vereinbart haben. Daraus folgt nicht, wie
die Beklagten meinen, dass die Frist, während der ein Rücktritt möglich sein
sollte, auch die Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht bestimmt. Nach dem
Wortlaut sollte die Klägerin die Wahl haben, ob sie den Rücktritt erklärt oder aber
von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch macht. Beides steht unabhängig
nebeneinander. Die Klägerin und die Beklagte Ziffer 1 haben durch die
Vereinbarung von Fristen, bis zu deren Ablauf bebaut werden muss, zum
Ausdruck gebracht, dass eine Bebauung nach diesem Zeitpunkt gerade nicht
mehr sanktionslos möglich sein soll. Dass die Beklagte Ziffer 1 sich dann
möglicherweise von einer späteren Bebauung abhalten lässt und ein erst nach
dem 31.12.1995 bebautes Grundstück herausgeben muss, ist die Konsequenz
der getroffenen Regelung. Dem kann die Beklagte Ziffer 1 durch rechtzeitige
Bebauung entgehen, so dass sie nur das einhalten muss, was sie versprochen
hat, nämlich eine fristgerechte Bebauung.
96 9. Die Klägerin kann daher von der Beklagten Ziffer 1 verlangen, dass diese ihr
ein Grundstück, welches dem früheren Grundstück Flurstück Nr. ... entspricht,
rückübereignet (§ 925 Abs. 1 BGB) und ihr unmittelbaren Besitz (§ 854 BGB)
hieran verschafft (Ziffer 1. a), b) aa) und c) des Tenors). Gemäß § 5 A. hat die
Rückübereignung lastenfrei zu erfolgen und die Beklagte Ziffer 1 hat alle Kosten,
Abgaben und Steuern, die mit der Ausübung des Wiederkaufsrechts verbunden
sind, zu tragen (Ziffer 2 f) des Tenors).
97 Da dieses Grundstück aufgrund der Vereinigung mit dem Flurstück Nr. ... derzeit
nicht mehr existiert, muss zunächst durch einen öffentlich bestellten
Vermessungsingenieur aus dem bestehenden Grundstück ein dem
Wiederkaufsgrundstück entsprechendes Flurstück heraus vermessen werden
(Ziffer 1. b) bb) des Tenors), wobei der frühere Zustand anhand von Flurkarten,
Lageplänen und sonstigen Unterlagen des Vermessungsamtes nachvollzogen
werden kann. Das Ergebnis der Vermessung ist von der Beklagten Ziffer 1
gemäß § 241 Abs. 2 BGB zu genehmigen (Ziffer 1. b) bb) (2) des Tenors) und ein
Antrag beim Vermessungsamt einzureichen, zwei neue Flurstücke im Kataster
einzutragen. Im Anschluss daran ist dann dem Grundbuchamt eine
Fortführungsmitteilung bzw. ein Veränderungsnachweis hinsichtlich der neuen
Flurstücke zuzusenden (Ziffer 1. b) bb) (3) des Tenors), damit ein neues
Grundstück im Grundbuch eingetragen werden kann. Die hierfür erforderlichen
Erklärungen hat die Beklagte Ziffer 1 abzugeben.
98 Die Beklagte Ziffer 1 kann bereits vor Vorliegen einer Fortführungsmitteilung bzw.
eines Veränderungsnachweises zur Auflassung verurteilt werden, auch wenn die
erst noch zu vermessende Teilfläche vor ihrer grundbuchlichen Abschreibung
noch kein Grundstück im Rechtssinne ist (s. BGH, NJW 1984, 1959 = juris, Tz.
23). Der Anspruch auf Auflassung ist auch fällig (s. BGH NJW 1984, 1959 = juris,
Tz. 24).
99 Da es vor der Vereinigung zum heutigen Grundstück bereits ein selbständiges
Grundstück gab, welches unter der lfd. Nummer 5 des Bestandsverzeichnisses
im Grundbuch Blatt ... eingetragen war, nämlich Flurstück Nr. ..., wird mit der
Grundbuchbezeichnung im Tenor auf die katastermäßige Vermessung
desselben Bezug genommen (s. BGH, NJW 1988, 415 (416).
100 Eine Bewilligung (§ 29 GBO) der Teilung des Grundstücks sowie der Übertragung
des Eigentums des neu zu bildenden Wiederkaufsgrundstücks ist mangels
möglicher Bezeichnung des Grundstücks (§ 28 GBO) vor dem Vorliegen einer
Fortführungsmitteilung bzw. eines Veränderungsnachweises nicht möglich,
sodass die Beklagte Ziffer 1 dazu auch nicht verurteilt werden kann. Die Klägerin
hat lediglich Anspruch darauf, dass festgestellt wird, dass die Beklagte Ziffer 1
hierzu verpflichtet ist (Ziffer 2 a) und b) des Tenors).
101 Die Klägerin kann gemäß § 241 Abs. 2 BGB ferner verlangen, dass die Beklagte
Ziffer 1, falls vom Grundbuchamt verlangt, eine sog. Identitätserklärung abgibt,
dass das neu vermessene Grundstück mit dem Grundstück, dessen Auflassung
erklärt wurde, übereinstimmt (Ziffer 2 c) des Tenors), sowie sämtliche
Erklärungen, die zur Eintragung der Klägerin als Eigentümerin erforderlich sind
oder vom Grundbuchamt zum Vollzug der Übertragung des Eigentums gefordert
werden, abgibt (Ziffer 2 d) des Tenors).
102 Die Beklagte Ziffer 1 ist der Klägerin auch zur Erstattung desjenigen Schadens,
der durch dadurch entsteht, dass die Beklagte Ziffer 1 nicht die Genehmigung der
Vermessung spätestens binnen einer Frist von zwei Wochen erteilt, verpflichtet,
was im Wege der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geltend gemacht werden kann
(Ziffer 2 e) des Tenors).
103 10. Die Klägerin kann von der Beklagten Ziffer 2 gemäß § 888 Abs. 1 BGB die
Zustimmung zur Auflassung (Ziffer 3 a) des Tenors) sowie die Herausgabe des
Grundstücks verlangen (Ziffer 3 b) des Tenors).
104 Ferner ist die Beklagte Ziffer 2 als eingetragene Eigentümerin verpflichtet, dem
Ergebnis der Vermessung sowie der Teilung des Grundstücks und der
Eintragungsbewilligung zu zustimmen (Ziffer 4 a) des Tenors). Außerdem ist sie
dazu verpflichtet, alle Erklärungen abzugeben, die zur Eintragung der Klägerin als
Eigentümerin des Wiederkaufsgrundstücks erforderlich sind oder vom
Grundbuchamt gefordert werden (Ziffer 4 b) des Tenors). Dies kann im Wege der
Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geltend gemacht werden.
II.
105 Die Widerklage der Beklagten Ziffer 2 ist abzuweisen.
106 Der Beklagten Ziffer 2 steht kein Anspruch gemäß § 886 auf Beseitigung, d.h.
Löschung der im Grundbuch eingetragenen Vormerkung zu. Wie bereits
ausgeführt, hat die Klägerin von ihrem Wiederkaufsrecht wirksam Gebrauch
gemacht, so dass der Beklagten Ziffer 2 keine Einrede, die die Geltendmachung
des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs dauernd ausschließt, zusteht.
III.
107 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Diejenige
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO. Die Sicherheitsleistung ist
in Höhe des Wertes des Grundstücks sowie eines Zuschlags von pauschal 10%
für die Neu-vermessung, Notarkosten, Grundbuchkosten etc. auf gerundet
415.000 EUR festzusetzen.