Urteil des LG Bad Kreuznach vom 30.01.2008

LG Bad Kreuznach: sitz im ausland, gesellschaft, bad, ukraine, fremder, entreicherung, anweisung, russland, mangel, akte

LG
Bad Kreuznach
30.01.2008
2 O 331/07
Ansprüche der überweisenden Bank gegen den die Überweisung entgegennehmenden Finanzagenten
Geschäftsnummer:
2 O 331/07
Verkündet
am 30.01.2008
L., Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Volksbank B. eG. vertreten durch den Vorstand, R. E. und P. Z., H.-str. , B.
- Klägerin –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. und O., D.-str., 33604 B.
gegen
A.-D. W., N. 6, H.
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K., K. und F., M. Str. 173, B. K.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach
hat durch den Richter am Landgericht W. als Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 09. Januar 2008
für R e c h t erkannt:
1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.875,78 EUR (in Worten: fünftausendachthundertfünfundsiebzig 78/100
Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2007 sowie weitere
vorgerichtliche Kosten in Höhe von 31,45 EUR zu zahlen.
2) Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer betrügerischen Online-Banking-Verfügung in Anspruch.
Im Hinblick auf sein auslaufendes Arbeitsverhältnis suchte der Beklagte im Frühjahr 2007 eine neue Arbeitsstelle. In
dieser Zeit erhielt er eine E-Mail einer ihm unbekannten Gesellschaft W. T. LLC mit Sitz in K. in der Ukraine, die ihm eine
geringfügige Beschäftigung als Repräsentant und Manager für Zahlungsbearbeitung anbot. Er zeigte in seiner Antwort
entsprechendes Interesse an und bekam, ebenfalls per E-Mail, einen Arbeitsvertrag übermittelt. Im Einzelnen wird auf
den zur Akte gelangten Vertrag (Bl. 38-40 d. A.) Bezug genommen. Der Beklagte unterzeichnete den Vertrag, scannte ihn
ein und übermittelte ihn per E-Mail zurück. Auf dem gleichen Weg übermittelte er seine Bankverbindung und eine
Fotokopie seines Personalausweises. Seine Aufgabe sollte darin liegen, Zahlungen auf seinem eigenen Girokonto für
die Gesellschaft entgegen-zunehmen und sie nach Abhebung durch die Inanspruchnahme der Dienste der W U an einen
anderen Zahlungsempfänger weiterzuleiten.
Am 25.06.2007 wurde per Online-Banking von einem für einen Kunden der Klägerin eingerichteten Konto ohne dessen
Wissen und Wollen ein Betrag von 5.875,78 EUR auf das Konto des Beklagten bei einer anderen Bank überwiesen. Der
Zahlungseingang wurde dem Beklagten durch einen männlichen Anrufer telefonisch angekündigt. Dabei wurde er
angewiesen, den eingehenden Betrag per WU weiterzuleiten. 2.910,-- EUR sollten an D. I. in St. P., Russische
Förderation, 2.125,-- EUR an M. M., ebenfalls in St. P., übermittelt werden. Dementsprechend hob er am 26.06.2007
einen Betrag von 5.290,-- EUR ab und veranlasste die entsprechenden Zahlungen, wofür Entgelte in Höhe von 145,50
EUR und 106,25 EUR verursacht wurden. Den verbleibenden Betrag hielt der Beklagte ein, da er vereinbarungsgemäß
eine Provision von 10 % des eingegangenen Betrages erhalten sollte.
Nachdem der Kunde der Klägerin nach Rückkehr aus dem Urlaub der Abbuchung widersprochen hatte und eine
organisierte betrügerische Abschöpfung fremder Konten nach Ausspähung der PIN-Nummern offenbar wurde, erstattete
die Klägerin diesem den zuvor belasteten Betrag und ließ sich dessen Ansprüche gegen den Beklagten abtreten.
Die Klägerin trägt vor:
Der Beklagte habe im Rahmen einer offensichtlich organisierten betrügerischen Abschöpfung fremder Konten durch
"Phishing" bewusst und vorsätzlich als sogenannter Finanzagent für eine russische Betrügerorgansisation gehandelt.
Sie beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.875,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 31.08.2007 sowie weitere vorgerichtliche Kosten in
Höhe von 31,45 EUR zu zahlen.
Der Beklagte erkennt die Klage in Höhe von 587,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 31.08.2007 sowie weitere vorgericht-liche Kosten in Höhe von 31,45 EUR an.
Im Übrigen beantragt er,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Aufgrund der Zahlungen und der mit diesen verbundenen Gebühren sei er entreichert. Er sei geschäftlich unerfahren und
habe weder gewusst noch angenommen noch annehmen müssen, etwas Unrechtmäßiges zum Schaden Dritter zu tun.
Auch habe er die im Arbeits-vertrag enthaltene Bestätigung, dass alle getätigten Geldtransfers von der B.L. geprüft und
genehmigt würden, telefonisch überprüft. Dabei sei ihm seitens der B Sparkasse/Landesbank mitgeteilt worden, dass
eine solche Weiterleitung des Geldes unbedenklich sei.
Im Übrigen wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze der Parteien nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin hat ihre Ansprüche ursprünglich mit einem Mahnbescheid verfolgt, der dem Beklagten am 29.08.2007
zugestellt wurde.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I)
Der Kläger hat die klägerischen Ansprüche in Höhe von 587,50 EUR nebst Zinsen sowie außergerichtliche Kosten in
Höhe von 31,45 EUR anerkannt, so dass er diesbezüglich gemäß § 307 ZPO durch ein Teilanerkenntnisurteil zu
verurteilen war.
II)
Aber auch im Übrigen ist die Klage begründet.
1) Allerdings ergibt sich der klägerische Anspruch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 a StGB. Die Klägerin konnte
den Nachweis für ihre Behauptung, der Beklagte habe in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit anderen
Mittätern zu Lasten der Klägerin oder ihres Kunden betrügerisch gehandelt, nicht führen. Beweisangebote hat sie hierfür
nicht unterbreitet.
2) Allerdings steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB zu. Sie
selbst erbrachte mit der Veranlassung der Gutschrift auf dem Konto des Beklagten eine eigene Leistung an diesen, für
die kein Rechts-grund bestand. Die von ihr ursprünglich irrtümlich angenommene Anweisung ihres Kunden bestand
tatsächlich nicht, so dass es sich bei der Gutschrift auf dem Konto des Beklagten nicht um dessen Leistung handelte,
sondern ausschließlich um eine solche der Klägerin selbst.
Ein rechtlicher Grund für die Leistung der Klägerin an den Beklagten besteht nicht. Selbst der Beklagte konnte einen
derartigen Grund nicht aufzeigen. Zwar war er nach seinem eigenen Vortrag davon ausgegangen, dass es sich um die
von dem Kunden der Klägerin geschuldete Gegenleistung für eine Leistung seines eigenen Vertragspartners handelte,
doch konnte er Näheres hierzu nicht vortragen, womit er seiner sekundären Darlegungslast nicht gerecht wurde und, im
Hinblick auf die Verhältnisse, wohl auch nicht gerecht werden konnte. Damit ist er zur Herausgabe des Erlangten, hier
des Betrages von 5.875,78 EUR, verpflichtet.
Hiervon wurde er nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB deshalb befreit, weil er in Höhe des nicht anerkannten Betrages
nicht mehr bereichert sei. Zwar ist unstreitig, dass er die entsprechenden Zahlungen an die Empfänger in Russland durch
eigene Einzahlungen in entsprechender Höhe veranlasste. Gemäß § 819 BGB kann er sich jedoch auf die Entreicherung
nicht berufen. Gemäß den §§ 819, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB haftet der Bereicherungsschuldner verschärft, ohne die
Möglichkeit der Berufung auf die eingetretene Entreicherung, wenn ihm der Mangel des rechtlichen Grundes bei dem
Empfang bekannt war.
Im vorliegenden Fall kann zwar nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den ganzen Sachverhalt vollinhaltlich
überblickt und durchschaut hatte und deshalb wusste, dass die auf seinem Konto eingegangene Zahlung ohne
rechtlichen Grund erfolgt ist. Indes muss er sich die Kenntnis desjenigen, der die Zahlung auf seinem Konto veranlasst
hat, zurechnen lassen. Die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB, der Kenntnisse des Vertreters dem Vertretenen zurechnet, ist
im Rahmen des § 819 Abs. 1 BGB zumindest entsprechend anwendbar. Die Regelung des § 166 Abs. 1 BGB findet ihre
Rechtfertigung in dem Gedanken der Zurechenbarkeit. Sie enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach
derjenige, der sich, unabhängig von einem Vertretungsverhältnis, eines anderen mit der Erledigung bestimmter
Angelegenheiten bedient, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (vgl. nur BGH,
Urteil vom 25.03.1982 - VII ZR 60/81 - NJW 1982, 1585, 1586 m.w.N.; BGH, NJW-RR 2001, 127; Schramm in Münchener
Kommentar, BGB, § 166 Rdnr. 41; Lieb in Münchener Kommentar BGB, § 819 Rdnr. 6). Im Streitfall räumte der Beklagte
seinem Auftraggeber die tatsächliche Möglichkeit ein, Zahlungen auf sein Konto zu veranlassen. Er betraute damit
diesen in eigener Verantwortung, gegenüber Dritten dergestalt in Erscheinung zu treten, dass diese Zahlungen auf das
im Namen des Beklagten geführte Konto erbrachten. Demzufolge muss er sich das Wissen seines Auftraggebers, das
sich auf die entsprechenden Zahlungen bezog, wie eigenes zurechnen lassen. Diesem war die Rechtsgrundlosigkeit der
Zahlungen unstreitig bekannt.
Darüber hinaus liegt eine Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes bereits dann vor, wenn dem Empfänger die
maßgebenden Tatsachen bekannt sind und er sich der daraus ergebenden Einsicht bewusst verschließt (vgl. BGH, Urteil
vom 12.07.1996 – V ZR 117/95 - Textziffer 12 ff, 15 m.w.N. - zitiert nach Juris).
Im Streitfall hatte der Beklagte von einer unbekannten Firma in K in der Ukraine das von ihm angenommene Angebot
erhalten, für diese Zahlungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Derartige Zahlungswege sind zumindest
ungewöhnlich; auch der Beklagte hatte, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst einräumte, hiervon noch nie gehört.
Dabei war schon ungewöhnlich, dass eine unbekannte Gesellschaft mit Sitz im Ausland ihm Geld anvertrauen wollte,
ohne ihn näher zu kennen. Allein die Übermittlung einiger persönlicher Daten war bezüglich seiner Bonität wenig
aussagekräftig. Der Kontakt der Vertragsparteien erfolgte bis einschließlich des Vertragsschlusses unpersönlich über das
Internet, was ebenfalls im Hinblick auf das besondere Vertrauen, das dem Beklagten angeblich entgegengebracht
werden sollte, Anlass zu Mißtrauen gab. Jedenfalls aber die telefonische Ankündigung der Zahlung und die Anweisung,
den eingehenden Betrag nicht etwa an die in der Ukraine sitzende Gesellschaft, sondern an zwei in Russland
residierende natürliche Personen zu überweisen, machte den ganzen Vorgang so suspekt, dass ein redlich Denkender
sich der Überzeugung der Rechtsgrundlosigkeit eingehender Zahlungen nicht verschlossen hätte. Der
Bereicherungsschuldner, der sich bewusst der Einsicht verschließt, dass die eingehende Zahlung rechtsgrundlos sein
muss, verdient ebensowenig Schutz wie derjenige, der sich dieser Einsicht öffnet (BGH, Urteil vom 12.07.1996, a.a.O.,
Rdnr. 15). Deshalb ist das bewusste Sichverschließen dem bedingten Vorsatz gleich-zusetzen.
Seine Behauptung, er habe sich vor Veranlassung der Zahlungen bei der B Landesbank von der
Ordnungsgemäßigkeit des Vorgangs telefonisch überzeugt, hat der Beklagte weder im Einzelnen näher dargelegt noch
unter Beweis gestellt, so dass die Frage, inwieweit dies, wäre dies tatsächlich geschehen, ein anderes Ergebnis
rechtfertigen könnte, nicht zu beantworten ist.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Entscheidung auf § 709 ZPO.
gez: W.