Urteil des LG Arnsberg vom 14.03.2017

LG Arnsberg (gütliche einigung, gutachten, termin, schaden, kläger, vorverfahren, grund, wiese, umfang, aufgabe)

Landgericht Arnsberg, 3 S 35/74
Datum:
27.05.1974
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 S 35/74
Vorinstanz:
Amtsgericht Warstein, C 24/73
Tenor:
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1974
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 1973
verkündete Urteil des Amtsgerichts Warstein wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer einer Wiese. Diese Wiese gehört zum Bezirk der Rüthener
Waldjagd. Der Beklagte ist Pächter dieser Jagd. Laut Pachtvertrag ist er verpflichtet,
Wildschäden zu ersetzten. Im Herbst und Winter 1971 sowie im Frühjahr 1972 richtete
Schwarzwild auf der Wiese des Klägers Schaden an. Aus diesem Grunde fanden am
19.4. und 15.6.1972 Wildschadenstermine statt. In der Niederschrift über den Termin am
Schadensort vom 19.4.1972 wird zum Schadensumfang festgestellt:
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"Starke Wildschäden durch Schwarzwild. 2 Morgen Totalschaden. 5000 qm á 0,20 DM,
5000 qm á 0,15 DM = 1.750,—DM".
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In dem Protokoll über den Termin vom 15.6.1972 ist zum Unfang des Schadens
vermerkt:
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"Die Besichtigung ergab, dass der Schaden wie beim ersten Termin in voller Höhe
besteht. Eine gütliche Einigung (war) nicht zu erzielen."
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Der Beklagte hat an den Kläger 950,-- DM gezahlt. Der Kläger hat mit der am 29.1.1973
bei Gericht eingegangenen Klage den Ersatz des Schadens in dem Unfang verlangt,
wie er in der Niederschrift im Termin vom 19.4.1972 genannt worden ist.
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Der Kläger hat behauptet, die Niederschriften über die Wildschadenstermine vom
19.4.1972 und 15.6.1972 seien ihm von der Amtsverwaltung erst am 12.2.1973
zugestellt worden.
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Zur Stützung seiner Klageforderung hat er sich auf die Feststellungen zur Schadenhöhe
der Niederschrift vom 19.4.1972 berufen. Er hat die Ansicht vertreten, dass diese
Niederschrift ein den Vorschriften des Landesjagdgesetzes von Nordrhein-Westfalen
(KJG NW) entsprechendes schriftliches Gutachten sei, und dass er das zur
Klageerhebung notwendige Verfahren des LJG NW damit ordnungsgemäß abgewickelt
habe.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 800,-- DM nebst 4 & Zinsen seit dem
5.2.1973 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat behauptet, der Bescheid über das Scheitern des 2. Wildschadenstermin vom
15.6.1972 sei dem Kläger durch die Amtsverwaltung bereits am 26.7.1972 zugestellt
worden.
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Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Vorverfahren leide deswegen an einem
erheblichen Mangel, weil nach dem Fehlschlagen des Einigungsversuchs am 19.4.1972
in § 36 LJG NW vorgeschriebene schriftliche Gutachten eines Schadensschätzers nicht
vorgelegen habe. Die Niederschrift vom 19.4.1972 erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Es fehle daher an einer Prozessvoraussetzung.
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Im Übrigen hat er die Feststellungen in der Niederschrift vom 19.4.1972 zu
Schadenshöhe bestritten. Der Schätzer habe die Qualität der Wiese falsch beurteilt.
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Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, das Vorverfahren zu Feststellung des Umfangs des
Wildschadens nach dem LJG NW leide an einem wesentlichen Mangel. Ein schriftliches
Gutachten des Schätzers fehle bzw. die vorhandene Niederschrift vom 19.4.1972
reichen nicht aus.
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Gegen dieses am 16.1.1974 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom
14.2.1974, die er am 6.3.1974 begründet hat. Der Kläger wiederholt sein bisheriges
Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, das schriftliche Gutachten, das das LJG NW (§ 36)
fordere, sei nur eine Weisung an den Schätzer und keine Voraussetzung für die
Klagebefugnis des Geschädigten. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts brauche
ein schriftliches Gutachten im 2. Termin zur Schadensfeststellung noch nicht
vorzuliegen. Die vorhandenen Niederschriften vom 19.4.1972 und vom 15.6.1972
genügten den Anforderungen des gesetzlich vorgeschriebenen schriftlichen Gutachtens.
Der 2. Termin vom 15.6.1972 wäre auch bei Vorhandensein eines schriftlichen
Gutachtens gescheitert.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen
Schlussanträgen in I. Instanz zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen.
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Entscheidungsgründe
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht
gerechtfertigt. Das Amtsgericht hat zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.
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Gemäß § 35 Bundesjagdgesetz kann in Wild- und Jagdschadenssachen der ordentliche
Rechtsweg erst bestritten werden, wenn ein Feststellungsverfahren gemäß § 33 – 35
des LJG NW vom 26.5.1964 durchgeführt ist. Dazu gehört die förmlich Feststellung des
Schadens des Vorverfahrens gemäß § 36 LJG NW, was einem Vorbescheid entspricht,
wie ihn die Bestimmungen anderer Länder vorsehen. Fehlt es an dieser förmlichen
Feststellung, so ist eine unmittelbar erhobenen Klage ohne weitere Sachprüfung als
unzulässig abzuweisen (Mitzchke, Schäfer, Kommentar zum BJG, 3. Aufl. 1971, Anm. 3
c aa zu § 35); Ferndau, das Jagdrecht NRW 1967, Erläuterungen zu § 33 LJG NW).
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Die Kammer hat bereits in dem am 3.9.1973 verkündeten Urteil – 3 S 124/73 LG
Arnsberg – festgestellt, daß die auch in diesem Verfahren vertretene Ansicht des
Klägers, Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage vor dem ordentliche Gericht sei, daß
das Vorverfahren überhaupt, nicht aber, daß es fehlerfrei durchgeführt worden sie, so
allgemein nicht gefolgt werden kann. Diese Rechtsauffassung sein nur insofern richtig,
als nicht jeder Fehler des Vorverfahrens zur Unzulässigkeit eine Klage im ordentlichen
Rechtsweg führt. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ist, daß das Vorverfahren
jedenfalls in seinen wesentlichen Bestandteilen durchgeführt sein muß. In dem
genannten Urteil hat die Kammer bereits ausgeführt, das ein wesentliches Erfordernis
des Vorverfahrens ist, daß eine gütliche Einigung erfolglos versucht und das Scheitern
des Einigung förmlich festgestellt sein muß. Diese Feststellung ist im vorliegenden Fall
durch die Nachricht über den Termin am 15.6.1972 getroffen worden. Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß entsprechende beglaubigte Ablichtungen
der Niederschriften dem Klägererst am 15.2.1973 zugestellt worden sind. Das ergibt
sich aus der Auskunft der Amtsverwaltung Rüthen vom 5.4.1973. Die am 26.1.1973
erhobene Klage auf Ersatz des Wildschadens ist demnach nicht verspätet.
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Die Klage ist dennoch unzulässig, weil das Vorverfahren am einem wesentlichen
Mangel leidet.
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Da in dem Gemäß § 34 LJG NW vorgesehenen Termin am Schadensort eine gütliche
Einigung nicht herbeigeführt werden konnte, war der Schaden gemäß § 36 LJG NW zu
schätzen. In die Schadenfeststellung ist ein Schätzer einzubeziehen, der den Schaden
auf Grund der Verhandlungen über den Schaden festzustellen hat. Er hat ein
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schriftliches Gutachten abzugeben. Auf Grund dieses Gutachtens muß die Gemeinde
einen neuen Einigungsversuch zwischen den Parteien unternehmen. Erst nach dem
Scheitern dieses Einigungsversuchs kann das Scheitern der Verhandlungen zum
Abschluß des Vorverfahrens in der in § 36 LJG NW vorgeschriebenen Form wirksam
festgestellt werden. An einem derartigen schriftlichen Gutachten fehlt es hier. § 36 LJG
stellt an das Gutachten ganz bestimmte Anforderungen. Es muß
1. die Bezeichnung und Kulturart des beschädigten Grundstücks,
2. die Wildart, die den Schaden verursacht hat,
3. den Umfang des Schadens nach Flächengröße und Anteil der beschädigten
Fläche und
4. den Schadensbetrag enthalten.
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Die Feststellungen im Gutachten sind mit besonderer Sorgfalt zu treffen und von der
Schadenfeststellung im Termin zu trennen. Die Vorschrift des § 36 LJG NW ist ein
Schwerpunkt des Vorverfahrens und keine Sollvorschrift oder gar nur eine Weisung an
den Sachverständigen, wie der Kläger meint. Ohne ein Gutachten, das den
Anforderungen des § 36 LJG NW entspricht, ist das Vorverfahren seines wesentliches
Zweckes beraubt. Erstes Ziel des Vorverfahrens ist, eine Einigung der Parteien ohne
Einschaltung der Gerichte herbeizuführen. Die Aussichten, eine derartige Einigung zu
erzielen, werden aber, worauf das Amtsgericht zutreffen hinweist, im Vorverfahren
wesentlich dadurch erhöht, daß sorgfältige und umfassende Feststellungen zu
Schadenshöhe den Parteien vorgelegt werden können. Die Parteien könnten durch
Kenntnis der Einzelheiten über Art, Umfang und Höhe der Schäden zu der Einsicht
gelangen, daß ein im nachfolgenden streitigen Verfahren bestellter Sachverständiger zu
selben Ergebnis kommen müßte.
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Eine weitere wesentliche Aufgabe des Vorverfahrens ist es, die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, im anschließenden Prozeß ohne große Verzögerungen darüber
entscheiden zu können, welche Ansprüche entstanden sind, wenn eine gütliche
Einigung unter den Parteien nicht möglich ist. Eine solche Entscheidung würde
wesentlich erschwert, oder gar unmöglich gemacht, wenn nicht alsbald nach Auftreten
des Schadens sein Umfang festgestellt würde. Es liegt in der Natur der hier zu
regulierenden Schäden, daß sie schon nach relativ kurzer Zeit nicht mehr exakt
festgestellt werden können. Das Vorverfahren hat deshalb, worauf ebenfalls schon das
angefochtene Urteil hinweist, als wesentliche Aufgabe eine Beweissicherungsfunktion.
Auch diese Aufgabe könnte das Gutachten ohne die in § 36 LJG NW geforderten
Angaben zum Schaden nicht erfüllen.
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Den Anforderungen, die an das Gutachten zu stellen sind, genügt die Niederschrift vom
19.4.1972 nicht. In der Niederschrift wird nur pauschal festgestellt, daß 2 Morgen
Totalschaden entstanden sind. Es fehlt die Bezeichnung und die Kulturart des
beschädigten Grundstücks. Ferner heißt es lediglich, einmal seien für 5000 qm 0,20 DM
und einmal für 5000 qm 0,15 DM als Schaden einzusetzen. Das sind keine
nachprüfbaren und ausreichenden Feststelllungen zum Schadensbetrag. Es ist nicht
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ersichtlich, warum der Schaden einmal 0,20 DM und einmal 0,15 DM pro qm betragen
soll.
Das Amtsgericht hat im Gegensatz zur Ansicht des Klägers nicht darauf abgestellt, daß
das Gutachten im 2. Termin zur Schadensfeststellung bereits vorliegen müsse. Es hat
lediglich aufgeführt, daß auf Grund des Gutachtens die Gemeinde einen neuen Versuch
zur gütlichen Einigung unternehmen müsse, ehe sie das endgültige Scheitern der
Verhandlungen feststellen könnte. Da das Gutachten nach dem Wortlaut des § 36 LJG
NW den entstandenen Schaden auf Grund der Verhandlungen festzustellen hat, wird es
die Regel sein, daß das schriftliche Gutachten im 2. Termin nicht vorliegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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