Urteil des LG Arnsberg vom 13.03.2003

LG Arnsberg: gegen die guten sitten, erfüllungs statt, abtretung, werbung, pauschalierung, vergütung, konkurs, verkehr, versicherung, unternehmen

Landgericht Arnsberg, 8 O 170/02
Datum:
13.03.2003
Gericht:
Landgericht Arnsberg
Spruchkörper:
Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 170/02
Tenor:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung
eines für je-den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Eu-ro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu
6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Mona-ten zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben
und den Mandanten sowie potentiellen Mandanten anzubieten, in Ange-
legenheiten des Forderungseinzugs durch gerichtliches Mahnverfahren
und Voll-streckungsverfahren im Falle der Nicht-Realisierbarkeit
(Eidesstattliche Versiche-rung, Konkurs ) lediglich eine Abtretung des
gegen den Schuldner bestehenden
Rechtsanwaltsgebührenerstattungsanspruches zu verlangen bei
Berechnung ledig-lich einer schon vorher festgelegten, für alle Fälle
unabhängig vom Umfang der er-brachten Leistung einheitliche
Bearbeitungspauschale in Euro.
2. Die Nebenintervention wird nicht zugelassen.
Von den Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten, die durch
die Streithilfe entstanden sind, tragen der Kläger 1/6 und die Beklagten
5/6.
Die durch die Streithilfe entstandenen Kosten trägt der Streithelfer.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckung kann jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht
der Vollstreckende vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
a.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist Rechtsanwalt in B.. Die Beklagten sind Rechtsanwälte in I.. Sie befassen
sich bevorzugt mit Forderungsrealisierungen. Sie haben früher mit dem
Inkassounternehmen D. zusammengearbeitet. Der Kläger war vorher für dieses
Unternehmen tätig. Das Unternehmen hat seine Kunden im Wesentlichen im
Landgerichtsbezirk Arnsberg. Die Beklagten haben nach der Trennung von dem
Inkassobüro an deren Kunden unter dem 00.00.00 ein Rundschreiben gerichtet, in dem
sie ihre Dienste bei dem Forderungseinzug anboten und dem ihre sogenannten
"Bedingungen Forderungseinzug" beilagen. Darin heißt es u.a.:
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" 3. Es besteht auch die Möglichkeit, sofort das gerichtliche Mahnverfahren oder das
gerichtliche Klageverfahren einzuleiten.
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5. Im Erfolgsfalle gehen sämtliche Kosten zu Lasten des Schuldners. Eingehende
Teilzahlungen werden zunächst auf entstandene Kosten verbucht.
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Ist eine Forderung nicht realisierbar ( Konkurs, eidesstattliche Versicherung ), wird
lediglich eine Bearbeitungspauschale von Euro 25,00 zzgl. Mehrwertsteuer erhoben
und von hier verauslagten Kosten weiterberechnet ( Klageverfahren ausgenommen ).
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Der Auftraggeber tritt die entstandenen und nicht zum Ausgleich gebrachten
Gebührenansprüche gegen den Schuldner an die Sozietät M. ab. Die Forderungen
werden - bei natürlichen Personen - bei der Sozietät M. in die Überwachung genommen.
Weitere Kosten entstehen hier nicht. Die Vermögensverhältnisse der Schuldner werden
regelmäßig überprüft. Bei späterer Realisierung der Forderung erhält der Gläubiger die
gesamte Hauptforderung nebst Zinsen."
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Der Kläger hat diese Werbung am 00.00.00 gegenüber den Beklagten als sittenwidrig
beanstandet und sie deswegen vergeblich abgemahnt.
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Der Kläger meint, die von den Beklagten angebotene Gebührenpauschalierung für
Mahnbescheidsverfahren sei eine nach § 1 UWG verbotene sittenwidrige Werbung. Die
Pauschalierung stelle abrechnungsmäßig nicht auf den jeweiligen Einzelfall ab. Sie
verstoße damit gegen §§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO. Danach müsse der nicht
durch Abtretung zu erfüllende Teil der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts von
vornherein bestimmt sein. Das setze eine Einzelfallprüfung und Abwägung voraus, die
bei einer Pauschalierung ausscheide.
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Der Kläger hat zunächst mit seiner Klage neben der Unterlassung der beanstandeten
Werbung auch die Angabe der Werbeadressaten und die Übernahme der Kosten für
deren Information von dem angeblichen Wettbewerbsverstoß verlangt. Wegen dieser
weitergehenden Begehren (Klageanträge 2. und 3.)hat er die Klage zurückgenommen.
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Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten. Der Streithelfer
meint, er habe das für einen Beitritt nach § 66 Abs. 1 ZPO nötige rechtliche Interesse an
einem Sieg des Klägers in dem vorliegenden Rechtsstreit. Er habe satzungsgemäß die
Aufgabe, die beruflichen und die wirtschaftlichen Belange seiner Mitglieder zu fördern.
Darüber hinaus sei er in der vorliegenden Sache selbst klagebefugt. Für ein rechtliches
Interesse reiche aus, dass er durch die anstehende Streitentscheidung gefährdet oder
seine Rechtslage geändert werde. Eine rechtliche Bindungswirkung müsse von der
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Entscheidung nicht ausgehen.
Der Kläger und der Streithelfer beantragen:
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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00
Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6
Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
damit zu werben und den Mandanten sowie potentiellen Mandanten anzubieten, in
Angelegenheiten des Forderungseinzugs durch gerichtliches Mahnverfahren und
Vollstreckungsverfahren im Falle der Nicht-Realisierbarkeit (Eidesstattliche
Versicherung, Konkurs ) lediglich eine Abtretung des gegen den Schuldner
bestehenden Rechtsanwaltsgebührenerstattungsanspruches zu verlangen bei
Berechnung lediglich einer schon vorher festgelegten, für alle Fälle unabhängig
vom Umfang der erbrachten Leistung einheitliche Bearbeitungspauschale in Euro.
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Die Beklagten beantragen,
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1. die Klage abzuweisen,
2. den Beitritt des Streithelfers zurückzuweisen.
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Die Beklagten meinen, ihr Pauschalierungsangebot verstoße nicht gegen §§ 3 Abs. 5
BRAGO, weil die Pauschalierung bei der massenhaften mahnbescheidsmäßigen
Geltendmachung von Forderungen praktikabeler sei und im Ergebnis honorarmäßig
weitgehend zu keinen erheblichen Abweichungen gegenüber der in § 3 Abs. 5 BRAGO
vorgesehenen Einzelbewertung komme. Die Beklagten meinen weiter, nur der Verstoß
gegen die §§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO ergäben noch keine Sittenwidrigkeit
im Sinne des § 1 UWG.
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Die Beklagten machen gegen die Streithilfe geltend, dass ihr das nach § 66 Abs. 1 ZPO
erforderliche rechtliche Interesse fehle.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst überreichten Anlagen verwiesen.
17
a.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger kann von dem Beklagten die Unterlassung der beanstandeten Werbung
gemäß §§ 1 UWG, 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO, verlangen. Seine Forderung
nach Androhung von Zwangsmitteln für den Fall der Mißachtung des
Unterlassungsgebotes ist ebenfalls berechtigt, § 888 ZPO.
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Das Angebot der Beklagten, Mahnbescheidsverfahren bei nicht realisierbaren
Forderungen gegen Zahlung einer Bearbeitungspauschale von 25,00 Euro und
Abtretung der Ansprüche gegen den Schuldner zu bearbeiten, verstößt gegen §§ 49 b
Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO. Nach § 49 b Abs. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt,
soweit nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt ist, keine Gebühren und
Auslagen verlangen, die die BRAGO unterschreiten. Ein Ausnahmefall liegt hier nicht
vor. Nach § 3 Abs. 5 BRAGO darf der Rechtsanwalt beim Mahnbescheidsverfahren bei
Nichtbeitreibbarkeit der Forderung nur einen Teil des Erstattungsanspruchs gegen den
Schuldner an Erfüllungs statt zum Ausgleich für seine Gebührenforderung gegen den
Auftraggeber annehmen. Dabei muss der neben der Abtretung des
Kostenerstattungsanspruchs verbleibende Teil der gesetzlichen Vergütung des
Rechtsanwalts in angemessenem Verhältnis zu dessen Leistung, Verantwortung und
Haftung stehen. Diese Art der Abrechnung, d.h. der Ermittlung des durch Abtretung und
des sonst auszugleichenden Teiles des Rechtsanwaltshonorares, erfordert ein
fallbezogenes Vorgehen und ist deshalb grundsätzlich einer Pauschalierung, auch nur
einer teilweisen nicht zugänglich. Bei einer Pauschalierung, z.B. auch der hier konkret
beanstandeten, kann es je nach Fallzuschnitt dazu kommen, dass die nach den
gesetzlichen Bestimmungen an den Rechtsanwalt zu zahlende Vergütung unterschritten
wird. Das wird auch von den Beklagten nicht bestritten.
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Die Nichtbeachtung der §§ 49 b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5 BRAGO durch einen
Rechtsanwalt verstößt gegen die guten Sitten. Die von dem Kläger veranstaltete
Werbung dient auch Wettbewerbszwecken. Der Kläger ist ein Mitbewerber der
Beklagten.
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Der Streithelfer hat kein Recht zum Beitritt. Es fehlt dafür an dem nach § 66 Abs. 1 ZPO
erforderlichen rechtlichen Interesse. Ein solches besteht nur, wenn die Entscheidung
des Rechtsstreits mittelbar oder unmittelbar auf die rechtlichen Verhältnisse des
Streithelfers einwirkt. Dass sie ein ideales, rein wirtschaftliches oder nur tatsächliches
Interesse betrifft, reicht nicht aus. Dabei ist weiter zu sehen, dass es nach § 68 ZPO auf
die Wirkungen im Verhältnis zwischen dem Streithelfer und der Partei, die er unterstützt,
hier den Kläger, ankommt. In ihrem Verhältnis ist ein Sieg des Klägers gegenüber den
Beklagten ohne Bedeutung. Danach ist auch unerheblich, dass der Streithelfer
möglicherweise einen eigenen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten hat (OLG
München GRUR - RR 2001, S. 92 ff. ).
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die
durch die Streithilfe verursachten Kosten hat der Streithelfer zu tragen ( Zöller, ZPO,
23.Aufl., § 71 Rn. 7). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
den §§ 708 ff. ZPO.
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