Urteil des LG Aachen vom 28.10.2009

LG Aachen (gewinn, kläger, urkunde, mitteilung, höhe, empfänger, los, allgemeine geschäftsbedingungen, gestaltung, bargeld)

Landgericht Aachen, 11 O 417/08
Datum:
28.10.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 417/08
Schlagworte:
Gewinnzusage
Normen:
BGB § 661 a
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.340,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
09.06.2009 zu zahlen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe von 13.340,00 €.
2
Im Dezember 2007 erhielt der Kläger eine von der Beklagten versandte postalische
Zusendung, welche aus einem Anschreiben, einer Auszahlungs-Urkunde und einer
Offiziellen Gewinn-Mitteilung bestand.
3
In dem Anschreiben, welches durch die Kundenbetreuung der Beklagten, Frau B M,
verfasst wurde, wurde dem Kläger mitgeteilt, die Beklagte habe für ihre guten Kunden
als kleines Weihnachtsgeschenk Lose der O O1 H-Agentur gekauft. Auf den Namen des
Klägers sei ein Los geordert worden, welches aufgrund einer fehlerhaften
Adressangabe seitens der Beklagten nicht habe zugestellt werden können, weshalb die
Kundenbetreuerin Ärger mit ihrem Vorgesetzten bekommen habe. In dem Anschreiben
hieß es u.a.
4
"Aber nun halten Sie sich fest, Herr X
5
Das Unglaubliche ist wahr geworden!
6
Die O, O1 H-Agentur, hat uns informiert, dass auf Ihre persönliche Los-Nr. 3.779.423 ein
Gewinn in Höhe von 13.340,00 Euro entfallen ist.
7
Zum Gewinnabruf persönliche Los-Marke abziehen und auf die ausgefüllte
Auszahlungs-Urkunde (siehe Bestell-/Gewinnschein) aufkleben!".
8
Die Beklagte übersandte zusätzlich zu dem Anschreiben eine Auszahlungs-Urkunde,
auf welcher dem Kläger folgende anzukreuzende Möglichkeiten zur Wahl gestellt
wurden:
9
"Ja, ich möchte den Gewinn in Höhe von 13.340,00 Euro abrufen.
10
Bitte schicken Sie mir meinen Gewinn als Scheck per Post zu.
11
Bitte über weisen Sie mir meinen Gewinn auf nachfolgend angegebenes Konto (…)".
12
Der Kläger erhielt ebenfalls eine Offizielle Gewinn-Mitteilung der O von der Beklagten
übersandt, in welcher es u.a. heißt:
13
"Bei der großen Weihnachtsauslosung am 21.12.2007 entfiel ein Bargeld-Gewinn in
Höhe von
13.340,00
14
Ein angegebener Gewinnkandidat ist
15
I-M X
16
Straße Nr, PLZ O2.
17
Leider konnte Herr X unter dieser Adresse nicht erreicht werden. Bitte informieren Sie
Herrn X über diesen Bargeldgewinn. Den Geldbetrag haben wir auf Ihr Konto
überwiesen, damit Sie es weiterleiten können."
18
Auf der Rückseite der Gewinn-Mitteilung waren die Bargeldvergabe-
/Teilnahmebedingungen der Beklagten abgedruckt, in welchen es u.a. heißt:
19
"Unabhängig von allen im werblichen Umfeld des Katalogs gemachten Aussagen und
dem durch die Gestaltung eventuell erweckten Eindruck ist erst durch eine Einladung
zur Gewinnübergabe die Sicherheit gewährleistet, einen größeren Preis zu erhalten."
20
Der Kläger kreuzte sowohl die erste als auch die zweite Wahlmöglichkeit der
Auszahlungs-Urkunde an, klebte seine persönliche Los-Marke auf die ausgefüllte
Auszahlungs-Urkunde und unterzeichnete die Urkunde unterhalb des Satzes "Ich
anerkenne die von mir gelesenen Bargeldvergabe-/Teilnahmebedingungen (siehe
Rückseite Gewinn-Miteilung).". Zudem bestellte der Kläger einige Artikel aus der
Kataloglinie T der Beklagten mittels der unterhalb der Auszahlungs-Urkunde
befindlichen Bestellzeilen und sandte den Bestell-/Gewinnschein an die Beklagte
zurück.
21
Unter dem 04.02.2008 beglich der Kläger die am 30.01.2008 übersandte Rechnung der
22
Unter dem 04.02.2008 beglich der Kläger die am 30.01.2008 übersandte Rechnung der
Beklagten für die bestellten Artikel und mahnte mit Schreiben an die Beklagte vom
04.02.2008 erstmalig und sodann am 28.02.2008 die Übersendung des Gewinnschecks
gegenüber der Beklagten an.
22
Der Kläger ist der Ansicht, die Zusendung der Beklagten stelle eine Gewinnzusage
i.S.d. § 661a BGB dar. Ein durchschnittlicher Verbraucher habe bei der gesamten
Aufmachung der Gewinnzusage von einem ihm bereits zugelosten Gewinn ausgehen
müssen. Die Beklagte könne sich nicht auf ihre Bargeld-/Teilnahmebedingungen
berufen, da der Kläger im Zeitpunkt der Gewinnbenachrichtigung und Übermittlung der
Bedingungen bereits als Gewinner ermittelt gewesen sei.
23
Der Kläger beantragt,
24
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von
13.340,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
25
Die Beklagte beantragt,
26
die Klage abzuweisen
27
Sie ist der Ansicht, ein durchschnittlicher Empfänger der Zusendung habe beim Lesen
des Original-Mailings nicht davon ausgehen können, bereits einen Gewinn erzielt zu
haben. Ein Gewinnkandidat sei immer nur eine Art Anwärter, welcher allenfalls die
Möglichkeit bzw. Chance auf einen Gewinn habe. Zudem sei der Kläger auf die
Bargeld-/Teilnahmebedingungen der Beklagten hingewiesen worden. Durch seine
Unterschrift habe der Kläger bestätigt, die Bedingungen gelesen und akzeptiert zu
haben.
28
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29
Entscheidungsgründe
30
Die Klage ist zulässig und begründet.
31
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 13.340,00 € aus §
661a BGB. Die dem Kläger im Dezember 2007 durch die Beklagte zugesandten
Mitteilungen stellen eine Gewinnzusage i.S.d. § 661a BGB dar.
32
Die Zusendung ist eine Gewinnzusage oder eine vergleichbare Mitteilung i.S.d. § 661a
BGB, wenn sie nach ihrem Inhalt und ihrer Gestaltung abstrakt geeignet ist, bei einem
durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken,
er werde einen bereits gewonnen Preis erhalten. Auf das subjektive Verständnis der
Zusendung durch den Empfänger kommt es hingegen nicht an (BGH, Urteil vom
19.02.2004 - III ZR 226/03). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
33
Die Zusendung der Beklagten an den Kläger, bestehend aus einem Anschreiben, einer
Auszahlungs-Urkunde sowie einer offiziellen Gewinn-Mitteilung der O, war geeignet, bei
dem Empfänger den Eindruck zu erwecken, er habe einen Preis in Höhe von 13.340,00
€ gewonnen. Das Anschreiben ist konkret an die Person des Klägers gerichtet. Der
34
Kläger wird darüber informiert, dass die große Weihnachtsziehung schon vollzogen und
auf seine persönliche Los-Nummer 3.779.423 ein Gewinn in Höhe von 13.340,00 €
entfallen sei. Dem Eindruck steht nicht entgegen, dass der Kläger im Anschreiben
aufgefordert wurde, seine persönliche Los-Marke auf die ausgefüllte Auszahlungs-
Urkunde aufzukleben. Dass der Empfänger noch naheliegende Tätigkeiten ausführen
muss, schadet nicht (OLG Köln, MDR 2004, 499). Der Eindruck wird vielmehr dadurch
verstärkt, dass es lediglich eines Gewinnabrufs bedurfte und zum Abruf die persönliche
Los-Marke auf die bereits durch die Beklagte mit der Anschrift des Klägers versehenen
Auszahlungs-Urkunde aufzukleben war. Gerade die Verwendung des Begriffs
"Gewinnabruf" ist abstrakt geeignet, bei einem durchschnittlichen Verbraucher, den
Eindruck zu erwecken, dass der Preis bereits gewonnen sei und lediglich abgerufen
werden müsse. Ebenfalls in diesem Sinne mussten Inhalt und Gestaltung der dem
Anschreiben beigefügten Auszahlungs-Urkunde verstanden werden. Auf dieser wird an
den Begriff des Gewinnabrufs angeknüpft und dem Empfänger der Zusendung zur Wahl
gestellt, ob er seinen Gewinn als Scheck per Post oder mittels Überweisung auf ein
anzugebendes Konto erhalten möchte.
Dem Eindruck, es handele sich um eine Gewinnmitteilung steht nicht entgegen, dass
sich unterhalb der Auszahlungs-Urkunde Bestellzeilen für Bestellungen aus dem
beigefügten Katalog "T" befanden. Es fanden sich weder auf dem Anschreiben noch auf
der Auszahlungs-Urkunde selbst Hinweise, dass der Gewinn von einer Gegenleistung,
namentlich einer Bestellung, abhängen und es sich deshalb um die Ankündigung einer
entgeltlichen Leistung eines Gewinnes handeln würde.
35
Der bereits durch das Anschreiben, verbunden mit der Auszahlungs-Urkunde, erweckte
Eindruck wird zusätzlich durch die Offizielle Gewinn-Mitteilung verstärkt. Deren äußere
Gestaltung lehnt sich an eine Urkunde an und weist mittig Namen und Anschrift des
Klägers auf, stellt mithin erneut den konkreten Bezug zu ihm als Empfänger des
Gewinns her.
36
Die unbestimmt gehaltenen Formulierungen im Rahmen der Offiziellen Gewinn-
Mitteilung durch Verwendung unbestimmter Artikel vermögen den Eindruck des bereits
gewonnenen Preises nicht zu beseitigen. Den Begriffen "ein Gewinn-Los" und "ein
angegebener Gewinnkandidat" steht entgegen, dass der Kläger durch die Gewinn-
Mitteilung darüber informiert wird, der Gewinnbetrag sei bereits durch die O auf das
Konto der Beklagten überwiesen, damit diese es an den Kläger weiterleiten könne.
37
Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf ihre Bargeld- und
Teilnahmebedingungen berufen, in welchen der Empfänger darauf hingewiesen werde,
dass unabhängig von dem durch die Gestaltung eventuell erweckten Eindruck erst
durch die Einladung zur Gewinnübergabe die Sicherheit gewährleistet sei, einen
größeren Preis zu erhalten. Versteckte, dem flüchtigen Leser nicht auffallende
Einschränkungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Ähnlichem stehen auch
bei Bestätigung der Kenntnisnahme dem Zahlungsanspruch nicht entgegen. Die
Bedingungen der Beklagten sind zwar keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, da
die Gewinnzusage eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 661a,
Rn. 2) darstellt; die in den §§ 305 ff. BGB enthaltenen Rechtsgedanken müssen jedoch
Berücksichtigung finden, um den durch den Gesetzgeber intendierten
Verbraucherschutz nicht zu unterlaufen (vgl. OLG München, Urteil vom 05.02.2004 - 19
U 4690/03). Mithin konnte vorliegend dahinstehen, ob die auf der Rückseite der
Offiziellen Gewinn-Mitteilung abgedruckten Bargeld-/Teilnahmebedingungen durch den
38
Kläger zur Kenntnis genommen und wirksam einbezogen wurden, da der Inhalt der
Bedingungen im Hinblick auf den Inhalt und die äußere Gestaltung des Anschreibens,
der Auszahlungs-Urkunde und der Offiziellen Gewinn-Mitteilung jedenfalls
überraschend war. Die plakativen Überschriften der Offiziellen Gewinn-Mitteilung und
der Auszahlungs-Urkunde sowie die in Fettdruck gestalteten Hervorhebungen im
Anschreiben der Beklagten zielten gerade darauf ab, dass der Empfänger der
Zusendung der Fehlvorstellung unterliegt, er habe den Gewinn bereits sicher und
brauche diesen nur noch abzurufen. Die Einschränkungen, die die Gewinnzusage
relativierten, befanden sich kleingedruckt, ohne wesentliche Absätze und
Hervorhebungen in Mitten eines zusammenhängenden Textes ohne Groß- und
Kleinschreibung auf der Rückseite der Gewinn-Mitteilung und mussten sich dem
objektiven Empfängerhorizont nicht aufdrängen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom
23.06.2004 – 1 U 578/03).
Die Beklagte vermag sich auch nicht mit dem Hinweis auf den klein gedruckten und
kaum leserlichen Zusatz auf der von dem Kläger unterzeichneten Auszahlungs-Urkunde
"Ich anerkenne die von mir gelesenen Bargeldvergabe-/Teilnahmebedingungen (siehe
Rückseite Gewinn-Mitteilung)" zu verteidigen. § 309 Nr. 12 lit. b) BGB, der nicht nur auf
Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern auf alle zur wiederholten Verwendung
vorformulierten Erklärungen aller Art an zuwenden ist, verbietet eine formularmäßige
Tatsachenbestätigung. Dazu gehört auch die vorformulierte Erklärung, der Empfänger
habe die Bedingungen gelesen und verstanden bzw. anerkannt (Palandt/Heinrichs,
BGB, § 309 Rn. 101 m.w.N.).
39
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
42
Streitwert: 13.340,00 EUR.
43
H
44