Urteil des LAG Saarland vom 28.04.2010

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LArbG Saarbrücken Urteil vom 28.4.2010, 1(2) Sa 70/09
Einmalzahlung nach dem Tarifvertrag Anpassungsfonds der Metall- und Elektroindustrie
Saarland - arbeitsvertragliche Bezugnahme
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber zur Einführung
des Entgeltrahmenabkommens der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes im Betrieb
verpflichtet sein kann.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juni 2009 verkündete Urteil des
Arbeitsgerichts Neunkirchen (3 Ca 1238/08) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit mehr als 24 Jahren bei der Beklagten als Maschinenschlosser
beschäftigt. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Der
Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus § 4 c des "Tarifvertrages ERA-
Anpassungsfonds“ geltend. Geschlossen wurde dieser Tarifvertrag zwischen dem Verband
der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes und der Industriegewerkschaft Metall,
Bezirksleitung Frankfurt am Main. Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt tarifgebunden.
In dem "Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds“ vom 17. Februar 2004 heißt es auszugsweise:
§ 2
Präambel
Der ERA-Anpassungsfonds dient der Sicherstellung eines gleitenden
Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem für
alle Beteiligten. Insbesondere sollen durch die vorübergehende
Einbehaltung nicht ausgezahlter ERA-Strukturkomponenten und
deren spätere Verwendung entweder
- zum Ausgleich von betrieblichen Kosten, die eine
bestimmte Schwelle überschreiten,
oder
- zur unmittelbaren Auszahlung an die Beschäftigten nach
der betrieblichen ERA-Einführung
spätere Verwerfungen bei der Umstellung vermieden werden.
§ 3
Aufbau und Verwendung des
ERA-Anpassungsfonds
In den Tarifverträgen über Löhne, Gehälter und
Ausbildungsvergütungen für die Metall- und Elektroindustrie des
Saarlandes vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar 2004 wurden
die Erhöhungen des Tarifvolumens auf zwei Komponenten verteilt.
Eine Komponente dient der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte
der jeweiligen Entgelte (Löhne und Gehälter „lineares Volumen“). Die
andere Komponente („restliches Erhöhungsvolumen“) fließt in ERA-
Strukturkomponenten, die in der ersten Tarifperiode ausgezahlt, in
den folgenden Tarifperioden jedoch noch nicht fällig werden.
In diesen Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar
2004 wurde eine Erhöhung des Tarifvolumens um zunächst
insgesamt 4 % ab 1. Juni 2002, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um
weitere 3,1 %, ab 1. März 2004 um 2,2 % und ab 1. März 2005 um
weitere 2,7 % vereinbart. Diese Erhöhungen wurden jeweils wie folgt
auf die zwei Komponenten verteilt:
Mit Wirkung ab 1. Juni 2002 wurden die Entgelte (Löhne und
Gehälter) um weitere 3,1 % erhöht, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um
weitere 2,6 %. Sodann wurden mit Wirkung ab 1. März 2004 die
Entgelte (Löhne und Gehälter) um weitere 1,5 % erhöht, mit Wirkung
ab 1. März 2005 um weitere 2,0 %.
Das jeweilige restliche Erhöhungsvolumen von 0,9 %, 0,5 %, 0,7 %
und weiteren 0,7 % fließt in ERA-Strukturkomponenten und wird in
der Tarifperiode, in der sie erstmals entstanden sind, zunächst
ebenfalls ausgezahlt (s. § 4 Abs. 1 lit. a); für die Verwendung der
Folgebeträge gelten die in § 4 Abs. 1 lit.b getroffenen
Vereinbarungen.
§ 4
ERA-Strukturkomponente und
ERA-Anpassungsfonds
Die in § 6 der o. g. Tarifverträge vereinbarten ERA-
Strukturkomponenten werden wie folgt ermittelt und verwendet:
a) Erstmalige Auszahlung von ERA-Strukturkomponenten
In der Tarifperiode, in der sie erstmals entstehen, werden die
jeweiligen ERA-Strukturkomponenten individuell nach den
Grundsätzen der Tarifverträge vom 28. Mai 2002 bzw. 17. Februar
2004 als Teil der Vergütung ermittelt und zu den dort genannten
Stichtagen zur Auszahlung an die Beschäftigten fällig.
Die Berechnung der zur Auszahlung kommenden ERA-
Strukturkomponente erfolgt individuell entsprechend der Me-thode
aus den Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar
2004.
b) In den jeweils folgenden Tarifperioden nach ihrer erstmaligen
Begründung / Entstehung werden die jeweiligen ERA-
Strukturkomponenten aus den vorhergehenden Tarifperioden zwar
ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt, aber nicht ausgezahlt,
sondern zunächst einbehalten und für die Monate bis einschließlich
Februar 2006 dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt. Die bei der
betrieblichen ERA-Einführung in dem ERA-Anpassungsfonds
befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher
Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die
Beschäftigten verwendet werden.
Solche Mehrkosten können nach Maßgabe des Tarifvertrages zur
Einführung des Entgeltrahmenabkommens insbesondere dadurch
entstehen, dass den sog. Überschreitern zeitlich befristete
Ausgleichsbeträge zugesagt werden. Anspruchsberechtigt für die
Auszahlung nicht zur Kostendeckung benötigter Beträge sind dabei
nur solche Beschäftigte, die sowohl zum Aufbau des ERA-
Anpassungsfonds beigetragen haben als auch bei der späteren,
betrieblich zu vereinbarenden Auszahlung im Betrieb in einem
Arbeitsverhältnis stehen (siehe § 4 e).
Der ERA-Anpassungsfonds wird mit den nicht ausgezahlten Anteilen
der ERA-Strukturkomponenten gemäß der Berechnungsmethode
unter d) fortgeschrieben.
c) Wird das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb nach Ablauf der
Tarifperiode, in der die letzte ERA-Strukturkomponente wirksam
wurde (zur Auszahlung kam), noch nicht eingeführt, wird in den
folgenden Tarifperioden eine Einmalzahlung von 2,79 % bis zur
betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens ausgezahlt.
Die Berechnung erfolgt entsprechend der Methode für die Auszahlung
der ERA-Strukturkomponente aus dem Tarifvertrag vom 17. Februar
2004.
Die Betriebsparteien können statt dessen durch freiwillige
Betriebsvereinbarung vereinbaren, dass auch diese weiteren ERA-
Strukturkomponenten vorläufig nicht ausgezahlt, sondern dem ERA-
Anpassungsfonds zugeführt werden, um sie ebenso wie die auf jeden
Fall zuvor anfallenden, jedoch nicht ausgezahlten ERA-
Strukturkomponenten zu verwenden."
In dem "Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und
Elektroindustrie (ERA-ETV)", der ebenfalls zwischen dem Verband der Metall- und
Elektroindustrie des Saarlandes sowie der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung
Frankfurt, abgeschlossen wurde, heißt es unter anderem:
§ 2
Allgemeine Bestimmungen
(1) Das Entgeltrahmenabkommen wird in den Betrieben der Metall-
und Elektroindustrie nach gründlicher Vorbereitung frühestens ab 1.
Januar 2006 und spätestens bis zum 31. Dezember 2008 eingeführt.
Der Einführungstermin kann mit Zustimmung der
Tarifvertragsparteien bis zum 31. Dezember 2009 verschoben
werden. Eine Einführung des Entgeltrahmenabkommens vor dem 1.
Januar 2006 kann mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien
erfolgen.
(2) Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist der Zeitpunkt der
beabsichtigen Einführung des Entgeltrahmenabkommens zu beraten.
Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat den Zeitpunkt der
beabsichtigten Einführung des Entgeltrahmenabkommens im Betrieb
mit. Die Mitteilung muss spätestens sechs Monate vor dem
beabsichtigten Einführungstermin erfolgen, im beiderseitigen
Einvernehmen kann diese Frist verkürzt werden.
(3) Nach Mitteilung des beabsichtigten Einführungstermins beraten
Arbeitgeber und Betriebsrat über Ablauf und notwendige
Voraussetzungen für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens
im Betrieb.
(4) Die Eingruppierung der Beschäftigten, die zum beabsichtigten
Einführungstermin in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen,
erfolgt nach den Regelungen dieses Tarifvertrages.
(5) Verrichten in einem Betrieb mindestens 15 % der tariflich
geführten Beschäftigten Tätigkeiten, die den Anforderungen der
Entgeltgruppe E 1 entsprechen, beträgt der Geldwert bei allen in der
Entgeltgruppe E 1 Beschäftigten 97 % des sich aus der jeweils
aktuellen Tariftabelle ergebenden Geldwertes der Entgeltgruppe E 1.
Diese Regelung gilt für die Dauer von 5 Jahren seit der Einführung des
Entgeltrahmenabkommens im Betrieb.
§ 3
Ersteingruppierung
(1) Grundlage für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens ist
die Bewertung der betrieblichen Arbeitsaufgaben. Die danach
vorzunehmende Eingruppierung der Beschäftigten erfolgt nach den
Merkmalen der Entgeltgruppen und nach den
Eingruppierungsgrundsätzen der §§ 3 und 5 des
Entgeltrahmenabkommens.
(2) Zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens ist dem
Betriebsrat die beabsichtigte Eingruppierung aller Beschäftigten so
früh wie möglich, spätestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt der
Einführung des Entgeltrahmenabkommens im Betrieb, schriftlich
mitzuteilen. In gleicher Weise und zum gleichen Zeitpunkt ist jedem
Beschäftigten die beabsichtigte Eingruppierung mitzuteilen.
(3) Der Betriebsrat kann der Eingruppierung innerhalb von drei
Wochen nach der Unterrichtung durch schriftlich begründeten
Widerspruch gem. § 99 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BetrVG widersprechen.
Für die unstreitigen Fälle gilt die Zustimmung des Betriebsrats nach §
99 BetrVG als erteilt.
Der Beschäftigte kann beim Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen
schriftlich Widerspruch einlegen.
(4) Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur Eingruppierung,
sind diese Fälle ebenso wie die Widerspruchsfälle der Arbeitnehmer
nach Ziff. (3) unverzüglich einer betrieblichen
Eingruppierungskommission vorzulegen.
(5) Die betriebliche Eingruppierungskommission ist nur aus Anlass der
Einführung des Entgeltrahmenabkommens im Betrieb zuständig. Sie
setzt sich aus vier betriebsangehörigen Mitgliedern zusammen, von
denen die eine Hälfte vom Arbeitgeber, die andere Hälfte vom
Betriebsrat benannt wird.
(6) Nach Vorlage der streitigen Fälle vor der betrieblichen
Eingruppierungskommission hat diese den Streitfall unverzüglich zu
überprüfen und spätestens innerhalb von drei Wochen verbindlich zu
entscheiden.
(7) Über jeden Eingruppierungsvorgang, der der betrieblichen
Eingruppierungskommission vorgelegt wird, ist ein geeigneter
Nachweis zu führen, der die Ergebnisse und Unterlagen der tariflichen
Eingruppierungssystematik nachvollziehbar beinhaltet.
(8) In den Fällen, bei denen die betriebliche
Eingruppierungskommission zu keiner Einigung kommt, können die
Tarifvertragsparteien hinzugezogen werden.
(9) Kommt es in den Fällen der Ziff. (6), ggf. Ziff. (8), zu keiner
Einigung, gilt § 99 Abs. 4 BetrVG, soweit es sich um Widersprüche
des Betriebsrats handelt.
Der Arbeitgeber kann den Beschäftigten vorläufig, für die Dauer des
Verfahrens, in die vorgesehene Entgeltgruppe eingruppieren. Der
Betriebsrat und der Beschäftigte sind darüber zu informieren.
(10) Nach erfolgter Eingruppierung, spätestens drei Wochen vor der
Einführung des Entgeltrahmenabkommens im Betrieb, teilt der
Arbeitgeber dem Beschäftigten schriftlich die verbindliche, jedoch
zumindest eine vorläufige Eingruppierung und die Zusammensetzung
seines Entgelts mit.
(11) In Betrieben mit nicht mehr als 150 Beschäftigten kann die
betriebliche Eingruppierungskommission nicht gegen den Willen des
Arbeitgebers eingesetzt werden. In den Fällen, in denen die
betriebliche Eingruppierungskommission nicht eingesetzt wird,
verläuft das Ersteingruppierungsverfahren im Übrigen entsprechend
den Vorschriften des § 3.
(12) Im Zusammenhang mit der Ersteingruppierung zur Einführung
des Entgeltrahmenabkommens finden die derzeitigen und etwaigen
zukünftigen manteltarifvertraglichen Vorschriften über die
Verdienstsicherung bei Abgruppierungen keine Anwendung.“
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Auszahlung der in § 4 c des
Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds geregelten Einmalzahlung zu. Diese Einmalzahlung
beansprucht der Kläger für das Jahr 2007. Der Kläger verweist darauf, dass ab dem 1.
März 2006 für die Betriebe die Möglichkeit bestanden habe, das Entgeltrahmenabkommen
einzuführen. Die Beklagte habe das Entgeltrahmenabkommen bisher nicht eingeführt. Für
diesen Fall sehe § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds die Leistung einer
Einmalzahlung in Höhe der ERA-Strukturkomponente vor. Ergänzend zu § 4 c des
Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds hätten die Tarifvertragsparteien am 5. Dezember
2006 auch eine Vereinbarung getroffen, aus der sich die Berechnung der Einmalzahlung
ergebe. Diese vom 5. Dezember 2006 datierende "Vereinbarung zum Umgang mit den
ERA-Strukturkomponenten ab Januar 2007" hat folgenden Wortlaut:
„1. Für diese Vereinbarung gilt der Geltungsbereich des
Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für
die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes.
2. Zu § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds vom 22.
Dezember 2003 / 17. Februar 2004 in der Fassung vom 20. Juli
2005 wird folgendes vereinbart:
a) Die Betriebsparteien können durch freiwillige Betriebsvereinbarung
bis zu zwei Auszahlungszeitpunkte für die Auszahlung der
Einmalzahlungen aus den ERA- Strukturkomponenten betreffend den
Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2007 festlegen.
Erfolgt keine einvernehmliche Festlegung, werden die ERA-
Strukturkomponenten zum Auszahlungszeitpunkt der betrieblichen
Sonderzahlung für Arbeitnehmer und Auszubildende ausgezahlt.
b) Die Betriebsparteien können stattdessen auch vereinbaren, die
ERA-Strukturkomponenten vorläufig ganz oder teilweise nicht
auszuzahlen, sondern sie dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführen.
Das Vorliegen einer Kostenprognose bezüglich der Einführung von
ERA ist hierfür nicht notwendige Voraussetzung.
c) Die Berechnung der auszuzahlenden Einmalzahlung bzw. der dem
ERA-Anpassungsfonds zuzuführenden Beträge erfolgt auf Basis
folgender Formel:
2,79 % x von der Einmalzahlung / Zuführung erfasste
Monate des Jahres 2007 x Tarifeinkommen des
Auszahlungsmonats.
Für die Monate Januar bis Juni 2007 ist der Monatsfaktor jeweils um
0,115 %-Punkte (zur Einbeziehung der Zusätzlichen
Urlaubsvergütung) und für die Monate Juli bis Dezember 2007 jeweils
um 0,09 %-Punkte (zur Einbeziehung der betrieblichen
Sonderzahlung) anzuheben.
d) Die vorstehende Berechnung kommt entsprechend zur
Anwendung bei individuellen Kürzungstatbeständen (z. B. Eintritt oder
Austritt des Beschäftigten im Bezugszeitraum) sowie im Fall der
betrieblichen ERA-Einführung.
e) Die Pflicht zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponenten (bzw.
der Zuführung zum ERA-Anpassungsfonds) gilt nur hinsichtlich der
Monate ab Januar 2007, in denen das Entgeltrahmenabkommen
betrieblich noch nicht eingeführt ist.
3. Diese Vereinbarung tritt am Tage der Unterzeichnung in Kraft. Sie
endet mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Für die Zeit ab dem Jahr
2008 werden entsprechende Regelungen noch getroffen.“
Daraus ergebe sich, so führt der Kläger weiter aus, der von ihm für das Jahr 2007 geltend
gemachte Anspruch in Höhe von insgesamt 1.330,10 EUR. Dem Anspruch stehe nicht
entgegen, dass die Beklagte nicht tarifgebunden sei. Der Anspruch ergebe sich aus
betrieblicher Übung. Denn die Beklagte habe sich in der Vergangenheit hinsichtlich aller
Leistungen an den geltenden Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie des
Saarlandes orientiert. Das lasse sich anhand einer Reihe von Unterlagen belegen, zum
Beispiel anhand einer vom 6. Oktober 1975 datierenden Mitteilung über die Verbindlichkeit
von Tarifverträgen, anhand einer Aktennotiz vom 9. Juli 1984, einer Betriebsvereinbarung
vom 14. April 1999, anhand von Stellenausschreibungen der Beklagten sowie anhand einer
Mitteilung der Beklagten über eine Tariferhöhung vom 17. Juni 2002. Demgemäß seien die
Löhne und Gehälter der Mitarbeiter der Beklagten auch stets entsprechend der tariflichen
Entwicklung angehoben worden. Auch dieERA-Strukturkomponenten habe die Beklagte in
der Zeit von Juli 2002 bis Februar 2006 als Sondervergütung beziehungsweise als
Einmalzahlung geleistet. Die Beklagte sei auch, so hat der Kläger in erster Instanz
schließlich noch argumentiert, verpflichtet gewesen, das Entgeltrahmenabkommen
einzuführen, und zwar ebenfalls aufgrund der in dem Betrieb geübten Praxis.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt ,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.330,10 EUR zuzüglich Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.
Dezember 2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt ,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der von ihm geltend
gemachte Anspruch nicht zu. Sie, die Beklagte, sei nicht tarifgebunden, sie gehöre dem
Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes nicht an und habe diesem Verband
auch zu keinem Zeitpunkt angehört. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch
ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne, wenn es um eine Erhöhung von
Tariflöhnen gehe, eine betriebliche Übung nur dann angenommen werden, wenn es im
Verhalten des Arbeitgebers deutliche Anhaltspunkte dafür gebe, dass er die von den
Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen wolle, denn ein
nicht tarifgebundener Arbeitgeber wolle sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der
Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien unterwerfen. Solche Anhaltspunkte lägen hier
aber nicht vor. Hinzu komme, dass eine Einmalzahlung nach § 4 c des Tarifvertrages ERA-
Anpassungsfonds erstmals im Jahr 2007 habe erfolgen sollen. Es fehle daher auch bereits
an dem weiteren Erfordernis für eine betriebliche Übung, dass der Arbeitgeber eine
bestimmte Leistung in der Vergangenheit mehrmals erbracht habe. Zu berücksichtigen sei
schließlich weiter, dass sie, die Beklagte, mangels Tarifbindung auch überhaupt nicht
verpflichtet gewesen sei, das Entgeltrahmenabkommen einzuführen. Sie habe gegenüber
ihren Arbeitnehmern auch zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, dass sie das
Entgeltrahmenabkommen einführen werde. Mit dem Entgeltrahmenabkommen sei ein
neues Tarifsystem eingeführt worden, mit dem unter anderem eine neue
Vergütungsstruktur verbunden sei. Da dieses Tarifsystem für sie nicht maßgebend sei,
gelte dies auch für die ERA-Strukturkomponente, die Bestandteil dieses neuen Tarifsystems
sei. In der Zeit bis einschließlich Februar 2006 seien an die Beschäftigten auch gerade
keine als "ERA-Strukturkomponenten" bezeichnete Zahlungen geleistet worden, sondern
lediglich "Sonderzahlungen", was in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen der Beschäftigten
auch entsprechend ausgewiesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat, kurz
zusammengefasst, ausgeführt, der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch sei trotz
der fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn § 4 c
des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds begründe ab Januar 2007 in Betrieben, in denen
das Entgeltrahmenabkommen bis dahin noch nicht eingeführt worden sei, einen
individuellen Anspruch der Arbeitnehmer auf Zahlung von ERA-Strukturkomponenten. Die in
der Zeit bis einschließlich Februar 2006 gezahlten ERA-Strukturkomponenten bildeten die
nicht tabellenwirksam gewordenen Tariflohnerhöhungen ab, die die Arbeitnehmer im ERA-
Anpassungsfonds zur Finanzierung von Mehrkosten durch das Entgeltrahmenabkommen
bereitgestellt hätten. § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds trage dem Umstand
Rechnung, dass der Arbeitgeber nach der Füllung des Fonds im Februar 2006 die
Kompensation für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens erhalten habe. Nach Sinn
und Zweck der Regelung habe der Arbeitgeber entweder die Mehrkosten durch das
Entgeltrahmenabkommen nunmehr realisieren oder bei weiterem Zuwarten einen
Ausgleich leisten sollen. Nicht hingegen habe er ab Januar 2007 Vorteile durch die spätere
Einführung des Entgeltrahmenabkommens erzielen sollen. Andernfalls würden die
Arbeitnehmer, so führt das Arbeitsgericht weiter aus, zeitlich fortlaufend Gehaltsnachteile
erleiden und für den Arbeitgeber würde ein möglicher Anreiz geschaffen, die Einführung des
Entgeltrahmenabkommens hinauszuzögern. Die Ansparleistung der Arbeitnehmer laufe ins
Leere, wenn der Arbeitgeber zunächst die Lohnerhöhungen sparen dürfte und sich sodann
gegen die Einführung des Entgeltrahmenabkommens entscheiden könnte, ohne hierfür
einen Ausgleich zu zahlen. Die einbehaltenen Tariflohnerhöhungen müssten in Form von
Einmalzahlungen an die Arbeitgeber ausgekehrt werden, weil diese mit dem ihnen
abverlangten Tariflohnerhöhungsverzicht zu den Kosten der Einführung der neuen
Entgeltstruktur beigetragen hätten. Der Anspruch des Klägers scheitere jedoch in dem
vorliegenden Fall an einer fehlenden Verpflichtung der Beklagten zur Einführung des
Entgeltrahmenabkommens beziehungsweise zur Leistung der Einmalzahlungen der
Strukturkomponente. § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds gelte nicht kraft
Tarifbindung, denn die Beklagte gehöre dem Arbeitgeberverband, der den Tarifvertrag
geschlossen habe, nicht an. Da die Parteien keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen
hätten, fehle es in dem vorliegenden Fall auch an einer Bezugnahme auf Tarifrecht. Und
der Anspruch lasse sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen
Übung begründen. Die Beklagte habe sich in der Vergangenheit nämlich nur
einzelfallbezogen für eine Übernahme der tariflich vereinbarten Lohnerhöhungen
entschieden. Dafür, dass sich die Beklagte insoweit auch für die Zukunft habe binden
wollen, fehlten hinreichend deutliche Anhaltspunkte. Das gelte umso mehr, als es sich bei
der Zahlung von ERA-Strukturkomponenten um noch weitergehende Ansprüche handele
als dies bei der bloßen Übernahme von Tariflohnerhöhungen der Fall sei. Anhaltspunkte
dafür, dass sich die Beklagte an die Regelungen des Entgeltrahmenabkommens habe
binden wollen, seien nicht ersichtlich. Dieser Einschätzung stehe auch nicht entgegen, dass
die Beklagte in der Zeit bis einschließlich Februar 2006 Einmalzahlungen in Höhe der ERA-
Strukturkomponente erbracht habe. Dass sich die Beklagte auch insoweit einzelfallbezogen
zur Zahlung entschieden habe, heiße nicht, dass sie sich trotz fehlender Tarifbindung auf
Dauer zur Zahlung der ERA-Strukturkomponenten oder gar zur Einführung der Regelungen
des neuen Tarifsystems nach dem Entgeltrahmenabkommen habe verpflichten wollen.
Auch wenn es aus Sicht des Arbeitnehmers dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufe,
dass andere Arbeitnehmer der Beklagten, deren Arbeitsvertrag eine ausdrückliche
Bezugnahme auf die jeweils geltenden Tarifverträge enthalte, einen Anspruch auf die
Einmalzahlung der ERA-Strukturkomponente hätten, könne dies nicht über die Figur der
betrieblichen Übung korrigiert werden. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der ERA-
Strukturkomponente ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz, denn die Beklagte habe an keinen ihrer Arbeitnehmer für das
Jahr 2007 eine Einmalzahlung geleistet. Auch wenn die Beklagte verpflichtet wäre, eine
solche Zahlung gegenüber bestimmten Arbeitnehmern aufgrund einer einzelvertraglichen
Vereinbarung vorzunehmen, so wäre diese einzelvertragliche Vereinbarung als sachlicher
Grund für die Ungleichbehandlung anzusehen.
Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergebe sich sein Anspruch aus dem
Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Dabei sei auch der Umgang der Beklagten mit der
Lohnentwicklung ab dem Zeitpunkt der Einführung des Entgeltrahmenabkommens in den
tarifgebundenen Unternehmen zu berücksichtigen. Die Beklagte habe in der Zeit bis
Februar 2006 die Zahlbeträge, die der Höhe nach den ERA-Strukturkomponenten
entsprächen, uneingeschränkt übernommen und in regelmäßige Lohnerhöhungen
umgesetzt. Der Auffassung der Beklagten, dass sich aus § 4 c des Tarifvertrages ERA-
Anpassungs-fonds kein individueller Anspruch der Arbeitnehmer ergebe, könne nicht gefolgt
werden. § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds setze lediglich voraus, dass das
Entgeltrahmenabkommen bis zum 28. Februar 2006 nicht in dem Betrieb eingeführt
worden sei. Aus welchen Gründen eine solche Einführung unterblieben sei, sei nach der
tariflichen Regelung unerheblich. § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungs-fonds verlange
nicht, dass am 1. März 2006 eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einführung des
Entgeltrahmenabkommens bestanden habe. Das folge schon daraus, dass das
Entgeltrahmenabkommen auch später habe eingeführt werden können. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus der von der Beklagten angeführten Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 2009. Diese Entscheidung werde von der Beklagten
unzutreffend interpretiert. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liege ein anderer
Sachverhalt zugrunde, denn es sei um einen Fall gegangen, in dem der ursprüngliche
Arbeitgeber tarifgebunden gewesen sei, der Übernehmer des Betriebes hingegen nicht.
Und schließlich habe die Beklagte inzwischen mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2009 das
Entgeltrahmenabkommen auch eingeführt, nämlich aufgrund einer vom 16. Dezember
2009 datierenden Betriebsvereinbarung (Blatt 147 bis 149 der Akten). Einige Tage vorher,
nämlich am 11. Dezember 2009, sei zwischen der Beklagten und der
Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Frankfurt, ein Anerkennungs-Tarifvertrag (Blatt
150 bis 156 der Akten) geschlossen worden, aus dem sich ergebe, dass die Tarifverträge
der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes in vollem Umfang auf die
Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Beklagten anwendbar sein sollten. Am selben
Tag, also am 11. Dezember 2009, sei zudem für die Unternehmen der O.-G. ein
Firmentarifvertrag geschlossen worden, in dem unter anderem vereinbart worden sei, dass
die Entgelte entsprechend der tarifvertraglichen Regelung im Bereich der Metall- und
Elektroindustrie spätestens zum 1. Dezember 2009 erhöht werden. Mit einer weiteren
Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 2009 (Blatt 157 und 158 der Akten) sei geregelt
worden, dass die von den Tarifvertragsparteien für die Zeit ab Mai 2009 vereinbarte
Tariflohnerhöhung in dem Betrieb der Beklagten zwar auf den 1. Dezember 2009
verschoben werde, allerdings ansonsten inhaltlich in vollem Umfang zur Anwendung
komme.
beantragt
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Beklagte zu
verurteilen, an ihn 1.330,10 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007
zu zahlen.
beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Klage mit zutreffender
Begründung abgewiesen. Der Kläger könne sich nicht auf eine einschlägige
Anspruchsgrundlage berufen. Da sie, die Beklagte, nicht tarifgebunden sei, komme eine
unmittelbare Geltung des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds nicht in Betracht. Da der
Kläger nicht über einen schriftlichen Arbeitsvertrag verfügte, gebe es auch keine
Bezugnahmeklausel hinsichtlich der einschlägigen Tarifverträge. Einen Anspruch unter dem
Gesichtspunkt der betrieblichen Übung habe das Arbeitsgericht zu Recht verneint. Nicht
gefolgt werden könne dem Arbeitsgericht allerdings, soweit das Arbeitsgericht die
Auffassung vertreten habe, aus § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds könne sich
ein individueller Anspruch der Arbeitnehmer auf Auszahlung der ERA-Strukturkomponente
ergeben. Diese auch von dem Kläger vertretene Auffassung stehe im Widerspruch zu der
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 2009 in dem Verfahren 5 AZR
175/08. Da sie, die Beklagte, zu keinem Zeitpunkt tarifgebunden gewesen sei, habe für sie
auch keine Verpflichtung bestanden, das Vergütungssystem des
Entgeltrahmenabkommens einzuführen. Mangels einer solchen Verpflichtung komme ein
Anspruch nach § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds nicht in Betracht, denn bei
dieser Norm handele sich lediglich um eine Überbrückungsregelung, mit der die Einführung
des Entgeltrahmenabkommens habe beschleunigt werden sollen. Zu bedenken sei weiter,
dass der tarifgebundene Arbeitgeber, der zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens
verpflichtet sei, die Möglichkeit habe, die ERA-Strukturkomponenten für einen
Kostenausgleich zu verwenden. Diese Möglichkeit bestehe für den nicht tarifgebundenen
Arbeitgeber, der das Entgeltrahmenabkommen nicht einführe, aber nicht. Letzterer würde
daher schlechter gestellt als der tarifgebundene Arbeitgeber. Von Bedeutung sei schließlich
neben weiteren Gesichtspunkten auch noch, dass für eine betriebseinheitliche Einführung
des Entgeltrahmenabkommens stets weitere Mitwirkungsakte des Betriebsrates
beziehungsweise der Gewerkschaft erforderlich wären. Die ERA-Strukturkomponente sei
integraler Bestandteil des gesamten Systems des Entgeltrahmenabkommens, zu dessen
Einführung sie, die Beklagte, aber nicht verpflichtet gewesen sei. Mit dem
Entgeltrahmenabkommen sei eine grundlegende strukturelle Änderung des Tarifwerks
vorgenommen worden. Es widerspräche zudem auch der Systematik der Tarifverträge,
wenn die ERA-Strukturkomponente in der Zeit nach Februar 2006 in eine regelmäßige
Entgelterhöhung zu überführen wäre. Eine Regelung über eine dauerhafte
tabellenwirksame Entgelterhöhung hätten die Tarifvertragsparteien nicht getroffen. Der
Kläger genieße insoweit auch kein schutzwürdiges Vertrauen. Er und die übrigen
Arbeitnehmer hätten gewusst, dass sie, die Beklagte, nicht tarifgebunden sei und
deswegen das Entgeltrahmenabkommen nicht einführen werde. In der Zeit bis
einschließlich Februar 2006 sei die ERA-Strukturkomponente auch nicht etwa einbehalten
worden, sondern es sei lediglich ein der Höhe nach der ERA-Strukturkomponente
entsprechender Betrag als Sonderzahlung geleistet und auf der Gehaltsabrechnung auch
so ausgewiesen worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der von dem Kläger
angeführten Ergänzungsvereinbarung vom 5. Dezember 2006. Auch deren
Regelungszweck sei die Überbrückung der Zeit bis zur Einführung des
Entgeltrahmenabkommens. Auch in dieser Ergänzungsvereinbarung sei daher
vorausgesetzt, dass eine Pflicht zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens bestehe.
Das ergebe sich bereits daraus, dass der Arbeitgeber nach der Ergänzungsvereinbarung
auch die Möglichkeit habe, die ERA-Strukturkomponente in den ERA-Anpassungsfonds zu
überführen. Wenn eine Pflicht zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens bestehe, so
habe demgemäß der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, die Strukturkomponenten für einen
Kostenausgleich zu verwenden. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber, der das
Entgeltrahmenabkommen nicht einführe, würde dagegen schlechter gestellt, wenn er die
ERA-Strukturkomponente auszahlen müsste. Schließlich sei erneut zu betonen, dass nach
dem Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds ebenso wie nach der Ergänzungsvereinbarung vom
5. Dezember 2006 zur betriebseinheitlichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens im
Betrieb stets weitere Umsetzungsakte unter Mitwirkung der Gewerkschaft
beziehungsweise des Betriebsrates erforderlich gewesen wären. Daraus, dass in ihrem
Betrieb im Laufe des Berufungsverfahrens eine Betriebsvereinbarung über die Einführung
des Entgeltrahmenabkommens zum 1. Dezember 2009 getroffen worden sei, könne der
Kläger schon deshalb nichts herleiten, weil sich der Kläger, um Ansprüche für das Jahr
2007 zu begründen, nicht auf eine Entwicklung Ende des Jahres 2009 stützen könne. Zu
berücksichtigen sei zudem, dass der Abschluss dieser Betriebsvereinbarung mit der
jüngsten Entwicklung im Konzern zusammenhänge. Sie, die Beklagte, gehöre zur O.-G., die
sich seit geraumer Zeit in gravierenden und bedrohlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
befinde. Um diese wirtschaftliche Krise zu überwinden, sei am 11. Dezember 2009 ein
Sanierungstarifvertrag geschlossen worden. Dieser sehe insbesondere vor, dass einerseits
konzerneinheitlich zum 1. Dezember 2009 eine Lohnerhöhung erfolge und die
Arbeitnehmer darüber hinaus eine Beschäftigungssicherung erhielten. Im Gegenzug dazu
leisteten die Arbeitnehmer einen Beitrag zur Sanierung des Konzerns, indem sie auf Teile
ihres Urlaubsgeldes und ihres Weihnachtsgeldes für die nächsten Jahre verzichteten. Zu
dem Konzern gehörten sowohl tarifgebundene als auch nicht tarifgebundene
Unternehmen. Allein schon wegen der notwendigen Einbindung der Gewerkschaften habe
jedoch nur eine einheitliche Vorgehensweise im Konzern und eine an den tariflichen
Regelungen orientierte Gesamtlösung zu dem Ziel einer nachhaltigen Sanierung führen
können.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die
Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Blatt 65 bis 83 der Akten) und auf
die Schriftsätze der Parteien in erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Die Parteien führen das vorliegende Verfahren und zwei weitere ähnlich gelagerte
Verfahren, in denen am selben Tag wie in dem vorliegenden Rechtsstreit eine Entscheidung
der Kammer ergangen ist, als Musterverfahren für eine Reihe weiterer Verfahren, die noch
bei dem Arbeitsgericht anhängig sind und die dort zum Ruhen gebracht wurden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte
Anspruch nicht zu.
I.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch kann sich nicht aus § 4 c des
Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds ergeben. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen
des § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds hier nicht vor.
1.
Entgeltrahmenabkommen im Betrieb nach Ablauf der Tarifperiode, in der die letzte ERA-
Strukturkomponente wirksam wurde beziehungsweise zur Auszahlung kam, noch nicht
eingeführt wird - in den folgenden Tarifperioden bis zur betrieblichen Einführung des
Entgeltrahmenabkommens eine Einmalzahlung von 2,79 % geleistet. Die letzte ERA-
Strukturkomponente hatten die Industriegewerkschaft Metall und der Verband der Metall-
und Elektroindustrie des Saarlandes für die Zeit bis Ende Februar 2006 vereinbart. Die
Leistung der Einmalzahlung nach § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds kam daher
für die Zeit ab März 2006 in Betracht. Die Verpflichtung zur Leistung einer solchen
Einmalzahlung setzt jedoch nach § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds voraus,
dass das Entgeltrahmenabkommen des Arbeitgebers zur Einführung
dieses Abkommens im März 2006 noch nicht in dem Betrieb eingeführt ist. Das ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut der Tarifnorm, in der es heißt, dass die Einmalzahlung "bis zur
betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens" zu leisten sei. Besteht keine
Verpflichtung zur betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens, so fehlt es an
der Grundlage für einen Zahlungsanspruch. Nach § 2 des Tarifvertrages zur Einführung des
Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie (ERA-MTV) des Saarlandes
sollte das Entgeltrahmenabkommen in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie des
Saarlandes frühestens ab dem 1. Januar 2006 und spätestens bis zum 31. Dezember
2008 eingeführt werden, wobei eine Einführung des Entgeltrahmenabkommens mit
Zustimmung der Tarifvertragsparteien auch bereits vor dem 1. Januar 2006 erfolgen und
der Einführungstermin mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien bis zum 31. Dezember
2009 verschoben werden konnte. Mit § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds sollte
die Zeit bis zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens überbrückt werden, die
Tarifnorm hatte den Zweck, die Einführung des Entgeltrahmenabkommens zu
beschleunigen. Ohne eine Verpflichtung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens
kommt danach eine Zahlung bis zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens nicht in
Betracht (BAG, Urteil vom 14. Januar 2009, 5 AZR 175/08, abrufbar bei juris, für eine im
wesentlichen gleiche tarifliche Regelung in Berlin und Brandenburg).
2.
verpflichtet.
a.
bereits erwähnt, aus § 2 des Tarifvertrages zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens
für die Metall- und Elektroindustrie (ERA-MTV) des Saarlandes. Da die Beklagte zu keinem
Zeitpunkt tarifgebunden gewesen ist, gilt diese Tarifnorm für das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien nicht nach § 4 Absatz 1 TVG.
b.
Verpflichtung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb der Beklagten
nicht aus einer in einem solchen Arbeitsvertrag enthaltenen einzelvertraglichen Verweisung
auf Tarifrecht ergeben. Deshalb stellt sich in dem hier zu entscheidenden Fall auch nicht die
Frage, ob die Beklagte durch eine einzelvertragliche Bezugnahme überhaupt hätte dazu
verpflichtet werden können, das Entgeltrahmenabkommen einzuführen.
Auch diese Frage wäre allerdings nach Auffassung der Kammer zu verneinen. Das
Entgeltrahmenabkommen ist auf eine Einführung durch
Arbeitgeber hin konzipiert. Nach § 2 Absatz 2 Satz 2 des Einführungstarifvertrages zu dem
Entgeltrahmenabkommen (ERA-ETV) teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Zeitpunkt
der beabsichtigten Einführung des Entgeltrahmenabkommens "im Betrieb" mit. Im
Anschluss daran beraten der Arbeitgeber und der Betriebsrat über den Ablauf und die
notwendigen Voraussetzungen für die Einführung des Entgeltrahmenabkommens "im
Betrieb" (§ 2 Absatz 3 ERA-ETV). In § 3 ERA-ETV, der sich mit der Ersteingruppierung der
Arbeitnehmer befasst, heißt es unter anderem, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur
Einführung des Entgeltrahmenabkommens die beabsichtigte Eingruppierung "aller
Beschäftigten" so früh wie möglich mitzuteilen habe (§ 3 Absatz 2 ERA-ETV). Aus Anlass
der Einführung des Entgeltrahmenabkommens in dem Betrieb wird eine "betriebliche
Eingruppierungskommission" gebildet (§ 3 Absatz 5 ERA-ETV), die sich mit der zutreffenden
Eingruppierung der Arbeitnehmer zu befassen hat. In den Fällen, in denen die betriebliche
Eingruppierungskommission zu keiner Einigung gelangt, können die
hinzugezogen werden (§ 3 Absatz 8 ERA-ETV). In einer weiteren Tarifnorm, nämlich in § 7
ERA-ETV, werden außerdem Regelungen zu der "betrieblichen Kostenneutralität" der
Einführung des Entgeltrahmenabkommens getroffen. Mit dieser Konzeption wäre eine sich
aus einem Arbeitsvertrag ergebende Verpflichtung, das
Entgeltrahmenabkommen "im Betrieb" einzuführen, nach Auffassung der Kammer nicht
vereinbar (dazu auch Wisskirchen/Jordan/Bissels, ERA ohne Tarifbindung?, BB 2007, 2289,
2291; anderer Ansicht wohl LAG Köln, Urteil vom 17. Juli 2008, 10 Sa 1234/07, abrufbar
bei juris).
c.
auch nicht unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Die Beklagte hatte in der Zeit
vor März 2006 gegenüber ihren Beschäftigten keinen Anlass zu der Annahme gegeben,
dass sie das Entgeltrahmenabkommen tatsächlich in dem Betrieb einführen werde. Dafür
reicht es nicht aus, dass die Beklagte in der Vergangenheit regelmäßig Tariflohnerhöhungen
an ihre Beschäftigten weitergegeben haben mag. Daraus konnten die Arbeitnehmer der
Beklagten noch nicht schließen, dass sich die nicht tarifgebundene Beklagte damit auch
hinsichtlich der erst künftigen Einführung eines völlig neuen Vergütungssystems durch die
Tarifvertragsparteien binden wollte. Dass die Beklagte das Entgeltrahmensabkommen zu
einem sehr viel späteren Zeitpunkt, nämlich mit Wirkung ab Dezember 2009, freiwillig in
dem Betrieb eingeführt hat, ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht von
Bedeutung. Diese sehr viel spätere Einführung des Entgeltrahmenabkommens konnte
einen Anspruch des Klägers nicht nachträglich begründen. Denn während des hier
maßgeblichen Zeitraums, als im Verlauf des Jahres 2007, bestand eine Verpflichtung zur
Einführung des Entgeltrahmenabkommens, worauf es im Rahmen von § 4 c des
Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds allein ankommt, nicht.
II.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf die von ihm für die Zeit ab Januar
2007 beanspruchten Einmalzahlungen lässt sich auch nicht auf eine analoge Anwendung
von § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds stützen. Diese Tarifnorm enthält keine
Regelungslücke. Aus dieser Tarifnorm ergibt sich ausschließlich, dass „Wartezahlungen“ zu
leisten sind, wenn das Entgeltrahmenabkommen erst später eingeführt wird. Diese
Regelung knüpft an die Tarifbindung eines Arbeitgebers und eine daraus resultierende
Verpflichtung zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens an. Eine solche Verpflichtung
bestand für die Beklagte aus den bereits dargelegten Gründen aber nicht. Einen
weitergehenden Regelungsgehalt hat die Tarifnorm nicht. Ob die Beklagte dadurch „besser
gestellt“ ist als tarifgebundene Arbeitgeber, kann dahinstehen. Denn eine solche
Besserstellung hätte ihren Grund gerade in der fehlenden Tarifbindung der Beklagten. Und
eine Einigung der Tarifvertragspartner über eine dauerhafte tabellenwirksame Erhöhung der
tariflichen Vergütung in Höhe der früheren Strukturkomponenten ist für die Zeit ab März
2006 gerade nicht zustande gekommen (auch dazu BAG, Urteil vom 14. Januar 2009, 5
AZR 175/08, abrufbar bei juris; anderer Ansicht wohl noch LAG München, Urteil vom 29.
Januar 2009, 3 Sa 868/08, abrufbar bei juris; dazu auch Wisskirchen/Jordan/Bissels, ERA
ohne Tarifbindung?, BB 2007, 2289, 2291).
III.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf die von ihm für die Zeit ab Januar
2007 beanspruchten Einmalzahlungen lässt sich auch nicht deshalb nach den Grundsätzen
der betrieblichen Übung rechtfertigen, weil die Beklagte in der Zeit davor mehrmals
Zahlungen in Höhe der ERA-Strukturkomponenten geleistet hat.
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter
Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen
können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.
Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den
Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen
vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die
Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der
Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen
musste und durfte (dazu beispielsweise BAG, Urteil vom 26. August 2009, 5 AZR 969/08,
NZA 2010,173, mit weiteren Nachweisen).
Die Zahlungen, die die Beklagte in der Zeit vor März 2006 geleistet hat, hatten einen
anderen Zweck als die Zahlungen, die in § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds
geregelt sind. Bei den bis einschließlich Februar 2006 nach den tariflichen Regelungen zu
leistenden ERA-Strukturkomponenten handelte es sich um eine besondere Form der
Entgelterhöhung (auch dazu BAG, Urteil vom 26. August 2009, 5 AZR 969/08, NZA
2010,173; dazu auch bereits BAG, Urteil vom 15. März 2005, 9 AZR 97/04, AP Nummer
33 zu § 157 BGB, und BAG, Urteil vom 9. November 2005, 5 AZR 105/05, AP Nummer
196 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Für die Zahlung
Strukturkomponenten, die in § 4 a und b des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds geregelt
waren, gab es jedoch nach Februar 2006 keine tarifliche Grundlage mehr (BAG, Urteil vom
26. August 2009, 5 AZR 969/08, NZA 2010,173). Ab diesem Zeitpunkt gab es nur noch
die Zahlungen, die in § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds normiert sind. Bei den
zuletzt genannten Zahlungen handelt es sich aber um sogenannte "Wartezahlungen".
Diese "Wartezahlungen" sollten die Zeit bis zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens
überbrücken, die Regelung sollte die Einführung des Entgeltrahmenabkommens
beschleunigen. Die eigenständige Bedeutung und der besondere Zweck dieser
Einmalzahlungen werden auch in der von dem Kläger vorgelegten "Vereinbarung zum
Umgang mit den ERA-Strukturkomponenten ab Januar 2007" deutlich. Darin haben die
Tarifvertragsparteien besondere Regelungen zur Verwendung und zur Ausgestaltung dieser
Leistungen vereinbart. Ohne eine Verpflichtung zur Einführung des
Entgeltrahmenabkommens kam die Leistung von "Wartezahlungen" nicht in Betracht (auch
dazu BAG, Urteil vom 26. August 2009, 5 AZR 969/08, NZA 2010,173). Solche
hat die Beklagte aber zu keinem Zeitpunkt geleistet. Ein Anspruch auf
solche Zahlungen kann sich daher aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung nicht
ergeben.
IV.
Die Berufung des Klägers konnte danach keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung
ergibt sich aus § 97 Absatz 1 ZPO. Die Revision war nach § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG
zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Diskussion über die Anwendung
des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds, wenn der Arbeitgeber nicht (mehr)
tarifgebunden ist, ist weiterhin im Gange, wie insbesondere die weiter oben angeführten
Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts München und des Landesarbeitsgerichts Köln
zeigen.