Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 23.12.2008

LArbG Mainz: wartung, abmahnung, arbeitsgericht, betriebsrat, dokumentation, datum, zugang, unzumutbarkeit, form, interessenabwägung

LAG
Mainz
23.12.2008
3 Sa 464/07
Kündigung eines "Unkündbaren"
Aktenzeichen:
3 Sa 464/07
1 Ca 2113/06
ArbG Ludwigshafen
Urteil vom 23.12.2008
Tenor:
1. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im übrigen wird auf deren Berufung das Urteil des
Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.05.2007 - 1 Ca 2113/06 - teilweise, nämlich in Ziffer 4.
des Tenors sowie im Kostenpunkt (= Ziffer 5. des Tenors), abgeändert:
Die Klage wird mit dem Antrag auf Weiterbeschäftigung abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾ zu tragen.
3. Der Streitwert wird (auch) für das Berufungsverfahren auf EUR 18.000,00 festgesetzt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen dem am 16.03.1961 geborenen Kläger und der Beklagten bestand seit dem 08.10.1979 ein
Arbeitsverhältnis. Im Anschluss an die (erste) Kündigung vom 19.09.2006, die dem Kläger am 21.09.2006
zugegangen war, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit dem Schreiben vom 24.11.2006 zu ihrer Absicht
an, dem Kläger (erneut) zu kündigen. Wegen des Inhalts dieses Anhörungsschreibens vom 24.11.2006 im
einzelnen wird auf Bl. 192 ff. d. A. (= Anlage B 28) verwiesen. Im Rahmen der Angaben zu den
Kündigungsgründen heißt es dort u.a.:
"…
- Gasstation "L.":
Die Begehung am 21.11.2006 ergab, dass laut Stationsbuch am 23.02.2006 Wartungsarbeiten
(Filterwartung und Inspektion) durch die Herren H. und B. durchgeführt wurden. Der Filter weist -
dokumentiert durch entsprechende Fotos - zwar Kratzspuren verschiedenster Form auf, allerdings lässt
sich an den Verschraubungen erkennen, dass diese nicht gelöst wurden. Die Muttern weisen nach wie vor
eine unbeschädigte Lackverbindung zum Deckel auf. Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass die
Muttern nicht über die nach wie vor lackierten Gewinde der Schrauben bewegt wurden. ...
- Gasstation "T. Str.":
Gemäß Stationsbuch wurde durch die Herren H. und B. am 10.03.2005 eine Filterwartung dokumentiert.
Aufgrund der vorliegenden Fotos lässt sich erkennen, dass eine solche Wartung nicht durchgeführt wurde,
da das Gerät keine typischen Öffnungsspuren aufweist. …
- Gasstation "M.-N.":
Auf der Seite 2 des Protokolls zur Wartung wurden durch Herrn H. am 13.07.2004 die durchzuführenden
Arbeiten dokumentiert. Aufgrund der Fotos lässt sich feststellen, dass das Gasdruckregelgerät im unteren
Bereich geöffnet wurde; im unteren Bereich jedoch nicht. Ebenso lässt sich aufgrund der Fotos feststellen,
dass der Feinfilter nicht geöffnet wurde. …
…".
Das Anhörungsschreiben enthält bezüglich der Gasstationen "L." und "T. Str." Angaben über am
25.11.2006 erfolgte Ortstermine. Am Ende des Anhörungsschreibens vom 24.11.2006 heißt es u.a.:
"Das Vertrauensverhältnis ist aufgrund der geschilderten Umstände nachhaltig gestört, zumal Herr H. in
einem sensiblen Bereich (Gasstationen) eingesetzt wird …".
Mit dem Schreiben vom 29.11.2006 (Bl. 21 f. d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich unter
Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.06.2007.
Mit dem Schreiben vom 11.12.2006 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie beabsichtigte, dem
Kläger außerordentlich mit Ablauf des 31.12.2006 zu kündigen. Wegen des Inhalts dieses
Anhörungsschreibens im einzelnen wird auf die Anlage B 38 (= Bl. 244 ff. d.A.) verwiesen. Die Beklagte
führt dort u.a. aus, dass "im Rahmen einer Besichtigung einiger Gasstationen - ausgelöst durch die bereits
bekannten Vorfälle - … Herr D. (N.) am 02.12.2006 weitere Unregelmäßigkeiten entdeckt habe, "welche
durch Dokumentationen von Wartungsarbeiten ausgelöst wurden". Bei der Darstellung der
Kündigungsgründe heißt es in diesem Anhörungsschreiben u.a. weiter:
"…
- Gasstation "W.":
Es handelt sich hierbei um eine zwei-schienige Gasdruckregel- und Messanlage. Die Begehung am
02.12.2006 ergab, dass laut Stationsbuch (und Prüfungsprotokoll) am 16.04.2004 Wartungsarbeiten
(Filterwartung und Funktionsprüfung) durch Herrn H. durchgeführt wurden. Der Filter weist - dokumentiert
durch entsprechende Fotos - zwar Kratzspuren und Farbabplatzungen oberhalb der Schraubenköpfe auf,
allerdings lassen sich an den Schraubenrändern ununterbrochene Farbanhäufungen erkennen. Dies
lässt darauf schließen, dass die Schrauben nicht gelöst und somit der Filter auch nicht geöffnet wurde.
Darüber hinaus wurde die Farbe zwischen Filterunterteil und Filterhaube teilweise abgekratzt. Dies lässt
die Vermutung zu, dass man hierbei eine durchgeführte Wartung vortäuschen wollte. Unterhalb der Filter
befindet sich eine Reinigungsöffnung. Aufgrund der vorliegenden Bilder lässt sich erkennen, dass diese
Schraube nicht geöffnet wurde, da auch hier keine typischen Lackunterbrechungen festgestellt werden
konnten.
- Gasstation "M. S. (P.)":
Es handelt sich hierbei um eine zwei-schienige Gasdruckregel- und Meßanlage. Im Wartungsprotokoll
vom 22.02.2002 wurde durch die Mitarbeiter H. und B. eine Filterwartung dokumentiert. Auf den
entsprechenden Bildern lässt sich jedoch erkennen, dass die Muttern - aufgrund des Lackzustandes -
nicht bewegt wurden und somit keine Filterwartung stattfand. …
- Gasstation "R.":
Aufgrund der vorliegenden Bilder lässt sich vermuten, dass das Sicherheitsabsperrventil nicht geöffnet
wurde. Im Wartungsprotokoll für den Zeitraum vom 9. bis 11. November 2004 wurde diese Wartung jedoch
durch die Herren H. und B. entsprechend dokumentiert. …".
Am Ende dieses Anhörungsschreibens heißt es u.a.:
"… Das Verhalten von Herrn H. können wir in keiner Weise akzeptieren, da dieser wiederholt nicht
durchgeführte Wartungen als erfolgt dokumentierte. Dies bedeutet unter anderem, dass einige der
betroffenen Anlagen in einen falschen Wartungsturnus gelangten. Darüber hinaus finden, seit
Bekanntwerden der Missstände, erforderliche Nachkontrollen an allen Gasstationen statt, was wiederum
mit einem ernormen - finanziellen - Aufwand verbunden ist. In Folge führt das bisherige Ergebnis zum
Verdacht, dass noch weitere Gasanlagen in ähnlicher Form mängelbehaftet sind. Potentiell besteht für
unser Unternehmen die Gefahr, dass Gasstationen ausfallen und somit wirtschaftlicher Schaden und
Imageverlust gegenüber unseren Kunden entstehen könnte. …".
Mit dem Schreiben vom 12.12.2006 (Bl. 32 f. d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich mit
Ablauf des 31.12.2006.
Eine vierte - vorliegend nicht streitgegenständliche - Kündigung erklärte die Beklagte dem Kläger mit dem
Schreiben vom 19.06.2007 zum 30.06.2007. Wegen jener vierten Kündigung ist erstinstanzlich der
Kündigungsschutzprozess - 3 Ca 1258/07 - anhängig.
Hinsichtlich der in den Anhörungsschreiben vom 24.11.2006 und vom 11.12.2006 genannten
Gasstationen hat die Beklagte u.a. folgende Unterlagen zur Gerichtsakte gereicht:
Fotos
Prüfberichte
Wartungs-
protokolle
Stationsbuch
L.
B 12
B 20, 21-24
B 13
---
B 50
T. Str.
B 15
B 25-27
B 48
---
B 14
M.-N.
B 17
---
B 16
W.
B 33
B 51
---
B 32
M.-S.
B 35
B 52
B 34
R.
B 37
B 53
B 54
B 36
Im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Rechtsverteidigung hat sich die Beklagte auf die in den
Anhörungsschreiben vom 06.09.2006 (Anlage B 9 = Bl. 103 ff. d.A.), vom 24.11.2006 und vom 11.12.2006
genannten Kündigungsgründe gestützt. Soweit im Anhörungsschreiben vom 24.11.2006 (dort auf S. 2) bei
den Angaben zur Gasstation "M.-N." zweimal vom "unteren Bereich" die Rede ist, geht der Vorwurf der
Beklagten gegen den Kläger dahin, dass der Kläger das Gasdruckregelgerät (zwar im unteren Bereich,
jedoch) nicht im oberen Bereich geöffnet habe. Auch habe der Kläger dort den Feinfilter nicht geöffnet.
Der Kläger hat sich zu den Arbeiten im Rahmen der Gasstationen, die in den Anhörungsschreiben vom
24.11.2006 und vom 11.12.2006 genannt werden, u.a. wie folgt geäußert:
- Gasstation "L.":
Er und B. hätten am 23.02.2006 lediglich eine äußere Prüfung durchgeführt. Dem sei eine ausdrückliche
Anordnung des Vorgesetzten, des Zeugen A., vorausgegangen. Der Kläger weist darauf hin, dass der
Prüfbericht von B. ausgefüllt worden sei. Die Fehlerhaftigkeit der Eintragung lasse sich nur durch ein
Versehen von B. erklären.
- Gasstation "T. Str.":
Auf Anordnung des Zeugen A. sei am 10.03.2005 lediglich eine äußere Prüfung durchgeführt worden. Bei
der schriftlichen Dokumentation habe sich der Kläger in der Terminologie vergriffen. Es handelte sich um
eine "Schlampigkeit", - die allerdings aufgrund des richtig ausgefüllten Prüfberichts nicht geeignet
gewesen sei, bei der Beklagten irgendeinen Schaden zu verursachen. Die Spuren an den
Inbusschrauben seien im Rahmen der Prüfung durch das Nachziehen der Inbusschrauben mit einem
Drehmomentschlüssel entstanden.
- Gasstation "M.-N.":
Eine Öffnung des Gasdruckregelgerätes im oberen Bereich sei von dem Kläger am 13.07.2004 nicht für
erforderlich erachtet worden. Vor dem Hintergrund der geringeren Störanfälligkeit des oberen Bereichs
habe der Kläger - als Fach- bzw. Sachkundiger - eine Öffnung nicht für erforderlich gehalten. Der Feinfilter
sei geöffnet worden. Er, der Kläger, habe selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt zur Vortäuschung einer
durchgeführten Wartung Farbe an dieser Station abgekratzt.
- Gasstation "W.":
Der Zeuge A. habe lediglich die Durchführung einer Funktionsprüfung angeordnet. Deswegen sei am
16.04.2004 tatsächlich lediglich eine Funktionsprüfung durchgeführt worden. Die Eintragung im
Stationsbuch ("Filterwartung") sei tatsächlich fehlerhaft, was jedoch nicht auf einer irgendwie gearteten
Manipulationsabsicht beruhe, sondern lediglich auf einer Leichtfertigkeit des Klägers im Umfang mit der
zu benutzenden Terminologie. Für eine vorsätzliche Manipulation habe für ihn keinerlei vollziehbares
Motiv bestanden.
- Gasstation "M. S. (P.)":
Die Station sei am 22.02.2002 von ihm und B. ordnungsgemäß gewartet worden. Dass
Lackabsplitterungen nicht mehr zu sehen seien, beruhe darauf, dass in den Jahren 2004 oder 2005 diese
Anlage umfassend erneuert worden sei. Der Filter sei neu gestrichen worden. Lediglich aus diesem Grund
seien Spuren der erfolgten Öffnung aus dem Jahre 2002 mittlerweile nicht mehr vorhanden.
- Gasstation "R.":
Der Kläger verweist darauf, dass er im Zeitraum vom 09.11. bis 11.11.2004 lediglich an der Wartung
einzelner Schienen beteiligt gewesen sei. An der Wartung sämtlicher Schienen sei er nicht beteiligt
gewesen. Die Wartungsarbeiten an den Schienen, die von ihm, dem Kläger, selbst gewartet worden
seien, seien einwandfrei ausgeführt und entsprechend dokumentiert worden. Der vorgelegte Auszug aus
dem Wartungsbuch dokumentiere keine Wartung durch den Kläger, vielmehr gehe daraus hervor, dass
diese durch G. und B. durchgeführt worden sei.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird
gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom
10.05.2007 - 1 Ca 2113/06 - (dort S. 2 ff. = Bl. 337 ff. d.A.). Nach näherer Maßgabe von Urteilstenor und
Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt
sowie die Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigungen vom 19.09.2006, vom
29.11.2006 und vom 12.12.2006 festgestellt. Gegen das am 12.06.2007 zugestellte Urteil vom 10.05.2007
- 1 Ca 2113/06 - hat die Beklagte am 12.07.2007 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 12.07.2007
(Bl. 357 ff. d.A.) Bezug genommen.
Ergänzend äußert sich die Beklagte in folgenden Schriftsätzen, worauf ebenfalls Bezug genommen wird:
- vom 14.12.2007 (Bl. 415 ff. d.A.)
- vom 14.02.2008 (Bl. 489 ff. d.A.)
- vom 09.04.2008 (Bl. 532 ff. d.A.)
- vom 01.07.2008 (Bl. 628 f. d.A.)
- vom 15.08.2008 (Bl. 665 ff. d.A.)
- vom 19.08.2008 (Bl. 675 f. d.A.) und
- vom 01.12.2008 (Bl. 717 ff. d.A.).
Soweit das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der ersten Kündigung (vom 19.09.2006) an der
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB hat scheitern lassen, beanstandet die Beklagte in der
Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht die Tatsache nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass
die Beklagte vor dem Hintergrund der Sozialdaten des Klägers alle mögliche Sorgfalt haben walten
lassen, den Sachverstand zunächst gründlich zu recherchieren. Die Beklagte verweist auf das am
08.09.2006 mit dem Vorgesetzten des Klägers, dem Zeugen A., geführten Gespräch. Die Beklagte führt
weiter dazu aus, dass auch bezüglich der zweiten Kündigung (vom 29.11.2006) die Vorfälle der
fehlerhaften Wartung keineswegs im Rahmen einer Zwei-Wochen-Frist vor Ausspruch der Kündigung
oder vor Einleitung der Betriebsratsanhörung anzusiedeln seien. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben,
dass der technische Mitarbeiter D. die Mangelhaftigkeit der Stationen erst am 21.11.2006 im Rahmen
einer weiteren Besichtigung festgestellt habe. Die drei fehlerhaften Gasstationen, um die es bei der dritten
Kündigung (vom 12.12.2006) gehe, seien dem Mitarbeiter D. - so führt die Beklagte weiter aus - im
Rahmen einer weiteren Besichtigung am 02.12.2006 mit Unregelmäßigkeiten durch Dokumentationen
von Wartungsarbeiten aufgefallen.
Die Beklagte macht geltend,
dass sich aus den erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, dass die
kündigungsberechtigten Personen erst im Rahmen der Anhörungen des Klägers (am 06.09.2006,
24.11.2006 und 11.12.2006) von den Kündigungssachverhalten in einer Art und Weise Kenntnis hätten
nehmen können, die erstmals die Entscheidung darüber, ob eine Kündigung ausgesprochen werde oder
nicht, ermöglicht habe. Die Beklagte bringt vor, dass das Anlagenkonvolut B 46 (= Bl. 304 ff. d.A.) deutlich
die kalendarische Auflistung der Überprüfung der einzelnen Stationen (nach Ausspruch der ersten
Kündigung vom 19.09.2006) zeige. Soweit das Arbeitsgericht meine, es lasse sich daraus nicht
nachvollziehbar entnehmen, nach welcher Vorgehensweise die Beklagte welche weiteren Ermittlungen
mit der notwendigen Eile vorangetragen haben wolle, sei dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte
verweist auf die Anlage B 33a (Bl. 210 f. d.A.: Wartungsbericht der R. Regel + Messtechnik GmbH vom
28.03.2007) und führt dazu weiter aus. Der Bericht vom 28.03.2007 bezieht sich u.a. auf die Stationen
"M./N." und "W.".
Die Beklagte habe keinen Anlass gehabt, die Stationen einer vorzeitigeren Überprüfung zu unterziehen.
Zur erstinstanzlichen Einlassung des Klägers zu den Gasstationen
- "L."
- "T. Str."
- "M./N."
- "W."
- "M. S. (P.)" und
- "R."
äußert sich die Beklagte so, wie dies aus den Seiten 2 ff. des Schriftsatzes vom 14.12.2007 ersichtlich ist.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.05.2007 - 1 Ca 2113/06
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.05.2007 - 1 Ca 2113/06
- die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer
Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 24.09.2007 (Bl. 394 ff. d.A.), worauf
zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird.
Ergänzend äußert sich der Kläger in folgenden Schriftsätzen, auf die ebenfalls Bezug genommen wird:
- vom 13.02.2008 (Bl. 494 ff. d.A.)
- vom 07.04.2008 (Bl. 530 f. d.A.)
- vom 10.07.2008 (Bl. 636 ff. d.A.)
- vom 12.08.2008 (Bl. 659 ff. d.A.) und
- vom 28.11.2008 (Bl. 715 ff. d.A.).
Der Kläger führt u.a. aus,
dass er zu Beginn eines Jahres von dem Zeugen A. eine Liste über die in dem jeweiligen Jahr
vorzunehmenden Wartungen/Prüfungen erhalten habe (s. dazu die Anlage K 6 = Bl. 497 ff. d.A.). Der
Kläger verweist auf den in der Liste K 6 wiederholt vorkommenden Begriff der "äußeren Prüfung" und führt
dazu weiter aus.
Im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten auf Seite 15 des Schriftsatzes vom 14.12.2007 bringt der Kläger
vor, dass die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen nicht zu Verdachtskündigungen,
sondern ausschließlich zu Tatkündigungen angehört habe.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt,
insbesondere auch auf die Sitzungsniederschriften vom 06.11.2007 (Bl. 398 ff. d.A.), vom 15.01.2008 (Bl.
450 ff. d.A.) und vom 23.12.2008 (Bl. 738 ff. d.A.) sowie auf den Inhalt der Beiakte (Anlagen-Ordner zu - 3
Sa 464/07 -) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren wurde Beweis erhoben
- gemäß Beschluss vom 15.01.2008 (Sitzungsniederschrift = Bl. 451 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen
Sch. und
- gemäß Beschluss vom 15.01./22.01.2008 (Bl. 464 ff. d.A.) in der Sitzung vom 04.03.2008 durch
Vernehmung der Zeugen
- A. (Bl. 510 ff. d.A.) und
- B. (Bl. 516 ff. d.A.).
Weiter wurde gemäß Beschluss vom 04.03./18.03.2008 (Bl. 522 ff. d.A.) Beweis erhoben durch Einholung
eines schriftlichen Sachverständigen-Gutachtens des E..
Zwecks Darstellung des Inhalts der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf die jeweiligen
Sitzungsniederschriften verwiesen, in denen die Zeugenaussagen festgehalten sind. Das Gutachten des
Sachverständigen E. befindet sich in Bl. 682 ff. d.A., worauf ebenso verwiesen wird wie auf die mündlichen
Erläuterungen des Sachverständigen (zum vorgenannten Gutachten) gemäß Sitzungsniederschrift vom
23.12.2008 (Bl. 738 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe:
I.
hiernach zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg. Hinsichtlich der drei Kündigungsschutzanträge des
Klägers ist die Berufung der Beklagten unbegründet.
II.
verurteilt hat. Mit dem Weiterbeschäftigungsantrag erweist sich die Klage als unbegründet. Die Beklagte
hat dem Kläger im Anschluss an die drei streitgegenständlichen Kündigungen unstreitig erneut gekündigt,
- nämlich mit der Kündigung vom 19.06.2007 zum 30.06.2007. Hinsichtlich dieser vierten Kündigung (vom
19.06.2007) fehlt es an einer dem Kündigungsschutzantrag stattgebenden arbeitsgerichtlichen
Entscheidung. Der Zugang der vierten Kündigung hat hier zu einer Ungewissheit über den Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses (über den 30.06.2007 hinaus) geführt, die derjenigen Ungewissheit entspricht,
die vor der Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts vom 10.05.2007
- 1 Ca 2113/06 - bestanden hat. Unter den gegebenen Umständen ist anzunehmen, dass die Beklagte die
vierte Kündigung auf einen neuen Lebenssachverhalt stützt, der es möglich erscheinen lässt, dass die
erneute Kündigung (vom 19.06.2007) eine andere rechtliche Beurteilung (als die vorliegend
streitgegenständlichen Kündigungen) erfahren könnte. Jedenfalls ist nicht ersichtlich - solches hat (auch)
der Kläger selbst nicht geltend gemacht -, dass die zum 30.06.2007 mit dem Schreiben vom 19.06.2007
erklärte Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Davon ausgehend ist hier durch die unstreitige
Kündigung vom 19.06.2007 eine (zusätzliche) Ungewissheit über den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses begründet worden, die das schutzwürdige Interesse der Beklagten an der
Nichtbeschäftigung des Klägers (wieder) überwiegen lässt.
III.
bezüglich der ersten drei Kündigungen begründet ist. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich
der von ihm getroffenen Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die
Kündigungen vom 19.09.2006, vom 29.11.2006 und vom 12.12.2006 ist im Ergebnis zutreffend.
1.
zutreffend begründet. Insoweit folgt die Berufungskammer den diesbezüglichen Entscheidungsgründen
des Arbeitsgerichts (S. 9 bis 11 des Urteils vom 10.05.2007, dort unter Ziffer I. 1., 2. bis einschließlich a))
und stellt dies insoweit ausdrücklich bezugnehmend gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das
Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt es nicht, die Frage der Nichtwahrung der zweiwöchigen
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB anders zu beantworten, als dies hinsichtlich der
Kündigung vom 19.09.2006 im Urteil vom 10.05.2007 - 1 Ca 2113/06 - geschehen ist. Dies stellt die
Berufungskammer aufgrund eigener rechtlicher Überprüfung fest. Die unstreitig am 06.09.2006 - mit dem
Schreiben von diesem Tag - eingeleitete Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG belegt, dass die
kündigungsberechtigten Personen der Beklagten damals (d.h. am 06.09.2006) die für die (spätere)
Kündigung (vom 19.09.2006) maßgebenden Tatsachen kannten. Der für die Kündigung maßgebende
Kündigungssachverhalt stand damals fest und war der Beklagten bekannt. Die Kündigung vom
19.09.2006 wäre deswegen nur dann rechtzeitig erfolgt, wenn sie dem Kläger noch am Mittwoch, dem
20.09.2006, zugegangen wäre. Unstreitig ist der Zugang jedoch erst am 21.09.2006 und damit verspätet
bewirkt worden.
b)
Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB auch in Bezug auf die zweite Kündigung vom
29.11.2006 und die dritte Kündigung vom 12.12.2006 versäumt, kann dahingestellt bleiben. Der
diesbezüglich vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung begegnen - insbesondere nach der (auch)
insoweit im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen Sch.;
Sitzungsniederschrift vom 15.01.2008, dort S. 3 ff. = Bl. 452 ff. d.A.) - gewisse Bedenken. Diesen
Bedenken muss nicht weiter nachgegangen werden, weil sich die Kündigungsschutzanträge des Klägers
hinsichtlich der Kündigungen vom 29.11.2006 und vom 12.12.2006 jedenfalls gemäß § 626 Abs. 1 BGB
als begründet erweisen.
2.
die an sich geeignet sein können, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu
rechtfertigen, ergibt jedenfalls die durchzuführende Interessenabwägung, dass vorliegend eine
Unzumutbarkeit im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu verneinen ist. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung ist
vorliegend - der Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit beruht hier nicht auf einer gesetzlichen
Regelung - auf die weitere absehbare Vertragsdauer (- notfalls bis zur Verrentung ["Pensionierung"] des
Klägers -) abzustellen und nicht lediglich auf die fiktive (bei ordentlicher Kündbarkeit einzuhaltende)
längstmögliche Kündigungsfrist.
In einem Fall der vorliegenden Art kann bei der rechtlichen Überprüfung der Kündigungsgründe (weiter)
zu beachten sein, dass das entsprechende Vorbringen des Arbeitgebers im Prozess unter Umständen
einer betriebsverfassungsrechtlichen - aus § 102 BetrVG ableitbaren - Schranke unterliegt. Insoweit kann
sich § 102 BetrVG für den Arbeitgeber dann mittelbar nachteilig auswirken, wenn er es unterlassen hat,
Umstände, die er im Kündigungsschutzprozess zur Kündigungsbegründung ergänzend vortragen bzw.
nachschieben will, dem Betriebsrat rechtzeitig mitzuteilen.
3.
verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung (s. dazu die Nachweise auf die Rspr. bei ErfK/Müller-
Glöge 9. Aufl. BGB § 626 Rz. 40 ff., 60 ff.) ergibt sich im einzelnen folgendes:
a) Kündigung vom 29.11.2006:
(1.) Gasstation "L."; Arbeiten vom 23.02.2006:
Zwar befindet sich für diesen Tag im Buch "Inspektion-Reglerstation" (B 50 = Bl. 32 f. des Anlagenordners)
die Eintragung "Filterwartung + Inspektion". Auch heißt es in der Anlage B 13 (= Bl. 155 f. d.A.) bei
"Sonstige Wartungsarbeiten": "Filterelemente gereinigt" … "ja". Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben,
dass bei dieser Anlage im Rahmen der fraglichen Arbeiten eine Reinigung der Filterelemente nicht
erfolgen sollte. Bei "L." ist damals vom Kläger (und von dem Zeugen B.) nur eine äußere Prüfung
vorzunehmen gewesen. Dies ergibt sich aus den glaubhaften und widerspruchsfreien Bekundungen des
Zeugen A.. Als seinerzeitiger Vorgesetzter des Klägers ist der Zeuge A. in der Lage gewesen,
sachdienliche Angaben zum Beweisthema zu machen. Der Zeuge A. hat weiter bekundet, dass, soweit bei
der Frage "Filterelemente gereinigt" auf Seite 1 der Anlage B 13 das "ja" eingekreist ist, er dies dem B.
zuordnet. Eine entsprechende Zuordnung hat der Zeuge A. bezüglich der Eintragungen in den Rubriken
"Bemerkungen" und "Namen" der Anlage B 50 vorgenommen.
(Auch) nach der Erinnerung des Zeugen B. war für den 23.02.2006 eine Reinigung der Filterelemente
nicht angeordnet gewesen. Die entsprechende Eintragung im (Stations-)Buch gemäß Anlage B 50 sei von
ihm.
Die Berufungskammer ist von der Richtigkeit der Aussagen der Zeugen A. und B. überzeugt. Unter
Berücksichtigung des Beweisergebnisses ist ein schuldhaft-pflichtwidriges Verhalten des Klägers, das
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, nicht bewiesen. Soweit den Kläger eine
Mitverantwortlichkeit für eine fehlerhafte Dokumentation trifft, wäre unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abmahnung die angemessene arbeitsrechtliche Reaktion
(gewesen).
(2.) Gasstation "T. Str."; Arbeiten vom 10.03.2005:
Der Zeuge A. hat glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet, dass dort jeweils eine äußere Prüfung
vorzunehmen gewesen sei. Das sei so angeordnet gewesen. Der Zeuge A. hat weiter die Auffassung
vertreten, dass die Eintragung "Filterwartung" im Stationsbuch (Anlage B 14 = Bl. 157 f. d.A.) der
Feststellung, dass dort damals lediglich eine äußere Prüfung angeordnet gewesen sei, nicht
entgegenstehe. Dies ergibt sich nach Ansicht des Zeugen A. aus den Begrifflichkeiten des Regelwerkes
(s. Bl. 512 d.A.).
(Auch) der Zeuge B. hat ausgesagt (Bl. 517 d.A.), dass eine äußere Prüfung angeordnet war. Allerdings
sei die Eintragung "Filterwartung" so nicht richtig, - man hätte es anders schreiben sollen, - "äußere
Prüfung" hätte man eintragen sollen.
Die Berufungskammer ist von der Richtigkeit der Zeugenaussagen A. und B. überzeugt. Unter
Berücksichtigung des Beweisergebnisses ist ein schuldhaft-pflichtwidriges Verhalten des Klägers, das
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, nicht bewiesen. Auch insoweit ist die Beklagte
darauf zu verweisen, ihr Gläubigerrecht "Abmahnung" auszuüben.
(3.) Gasstation "M.-N."; Arbeiten vom 13.07.2004:
Die Beklagte hat insoweit keine Pflichtverletzung des Klägers bewiesen, die es rechtfertigen könnte, das
langjährige Arbeitsverhältnis der Parteien durch außerordentliche Kündigung zu beenden.
Soweit es um den fraglichen "Feinfilter" geht, ergibt sich aus der Anlage B 16 = Bl. 162 ff. d.A. keine
Dokumentation des Klägers, die die Angabe enthielte, den Feinfilter doch geöffnet zu haben. Davon geht
auch die Beklagte aus, was sich aus ihren Ausführungen zu Beginn des letzten Absatzes auf Seite 5 des
Schriftsatzes vom 09.04.2008 (Bl. 536 d.A.) ergibt. Dass der Kläger außerhalb der Anlage B 16 in anderen
Unterlagen angegeben haben könnte, den Feinfilter geöffnet zu haben, ist nicht ersichtlich. Soweit es um
die Frage der Öffnung oder Nichtöffnung dieses Feinfilters und um die Öffnung des Gasdruckregelgerätes
im oberen Bereich geht, konnte der Sachverständige E. dazu keine unmittelbaren Feststellungen vor Ort
mehr treffen. Dies ergibt sich daraus, dass zwischen dem Zugang der Kündigung vom 29.11.2006 und
den Ortsbesichtigungen des Sachverständigen, die am 11.06.2008 und am 12.08.2008 von diesem
durchgeführt wurden, Wartungsarbeiten am 05.03. und am 06.03.2007 durch die Firma R., K.,
durchgeführt worden sind. Dem Sachverständigen ist es im Nachhinein unmöglich festzustellen, ob
sowohl die Regelgeräte als auch die in Rede stehenden Feinfilter vor der Wartung durch R. geöffnet
worden sind oder nicht. Im übrigen ergibt sich aus den entsprechenden OK-Vermerken, die der Kläger
durch entsprechendes Ankreuzen auf Seite 2 des Protokolls zur Wartung vom 13.07.2004 angebracht hat
(Anlage B 16 = Bl. 163 d.A.) lediglich mittelbar bei Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten, dass
der Kläger die Öffnung des Gasdruckregelgerätes R. 402 dokumentiert haben könnte. Allerdings hat der
Sachverständige E. im Termin vom 23.12.2008 weiter bekundet, dass man auch aufgrund einer bloßen
Funktionsprüfung Feststellungen zur Membrane, hinsichtlich der Sitze, der Arbeitsweise, des
Nullabschlusses und der Einstellungen bzw. Einstellwerte treffen bzw. eine entsprechende Prüfung
vornehmen könne (S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 23.12.2008 - 3 Sa 464/07 -). Sollte zu den
Verschleißteilen im Sinne des Formulars (Bl. 163 d.A.) auch die Ventilstange gehören, so würde dies
allerdings die vorherige Öffnung des Gerätes - so hat der Sachverständige weiter bekundet -
voraussetzen.
Im Verlauf seiner weiteren Erläuterungen hat der Sachverständige - insoweit teilweise im Sinne der
Einlassung des Klägers - ausgeführt, dass das fragliche Gasdruckregelgerät im ganz oberen Bereich eine
geringere Störanfälligkeit hat als darunter.
Hinsichtlich der Arbeiten an dieser Station ist entlastend zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass
der Zeuge A. den Kläger vor den fraglichen Arbeiten angewiesen hat, in dem Bereich, für den Ersatzteile
nicht vorhanden waren (oberer Bereich) eine Öffnung nicht vorzunehmen. Das diesbezügliche Vorbringen
des Klägers im Schriftsatz vom 12.08.2008 (dort S. 2 unter Ziffer 2. = Bl. 660 d.A.) ist von der Beklagten mit
der sich aus § 138 Abs. 3 ZPO ergebenden prozessualen Folge nicht bestritten worden. Jedenfalls hat die
Beklagte die Unrichtigkeit dieser vom Kläger hinreichend konkret vorgebrachten, ihn entlastenden
Einlassung nicht bewiesen.
Damit fehlt es auch bezüglich der Arbeiten des Klägers an dieser Station an einer Pflichtverletzung, die
geeignet wäre, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Auch wenn man das Gesamtverhalten des Klägers im Rahmen der Arbeiten in den drei genannten
Gasstationen in die rechtliche Würdigung einbezieht, ergibt sich nicht, dass die deswegen erklärte
außerordentliche Kündigung rechtlichen Bestand haben könnte.
b)
Kündigung vom 12.12.2006
(1.) Gasstation "W."; Arbeiten vom 16.04.2004:
Zwar liegt hier eine fehlerhafte Eintragung vor, - unstreitig konnte die Anlage überhaupt nicht so gewartet
werden, wie sich dies aus der Eintragung "Filterwartung, Funktionsprüfung" in der Anlage B 32
(Stationsbuch = Bl. 201 f. d.A.) ergibt. Der Zeuge A. hat zu diesen Arbeiten festgehalten, dass dort lediglich
eine äußere Prüfung angeordnet gewesen ist. Zur Stützung seiner Aussage hat der Zeuge auf ein
Schriftstück "Stücklisteneigenschaften W." aus dem Programm K 3 V verwiesen (Zeugenaussage A., - s. Bl.
512 f. d.A.). Eine Pflichtwidrigkeit des Klägers, die die außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte,
lässt sich nicht feststellen. Gerade dem Kläger zuzurechnende Täuschungshandlungen hat die Beklagte
weder hinreichend konkret dargelegt, noch bewiesen.
(2.) Gasstation "M. S. (P. )"; Arbeiten vom 22.02.2002:
Der Zeuge A. konnte keine Angaben dazu machen, ob die Arbeiten im Jahr 2002 ordnungsgemäß erledigt
worden sind. Er hat bei Einsicht in die Anlage B 34 (Protokoll zur Wartung vom 22.02.2002 = Bl. 212 ff.
d.A.) angenommen (s. Bl. 513 d.A.), dass die Arbeiten ordnungsgemäß erledigt worden seien. Allerdings
hat er nach Einsicht in die Anlage B 35 a (= Bl. 109 ff. des Anlagenordners) weiter erklärt, dass er am
05.12.2006 bei bestimmten Schrauben gesagt habe, das die nicht geöffnet worden seien. Der Zeuge hat
weiter bekundet, dass die Anlagen immer mal wieder gestrichen worden seien. Wann "diese Anlage
gepinselt worden" sei und wann nicht, vermöge er nicht zu sagen. Er könne es weder verneinen noch
bestätigen, dass die Anlage im Jahr 2004 oder 2005 erneuert worden sei und dass dabei der oder die
Filter neu gestrichen worden seien.
Der Zeuge B. hat im Rahmen seiner Vernehmung (Bl. 517 ff. d.A.) gemeint, dass der Kläger und er den
Filter damals geöffnet habe. Der Zeuge konnte sich noch an die Arbeiten erinnern. In der Anlage selbst
habe man nichts abstellen können und die Abstellung sei auf der Straße mittels Schieber erfolgt. Soweit
er, der Zeuge, das in Erinnerung habe, hätten der Kläger und er die Arbeiten dann auch ordentlich
gemacht. Der Zeuge hat weiter gemeint, dass man auch in der Zeit zwischen 2002 und 2006 noch ‘mal in
der Anlage gewesen sei, - da sei noch irgendwas umgebaut worden.
Der Sachverständige E. ist nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen auf den Seiten 5 ff. des
Gutachtens (= Bl. 686 ff. d.A.) davon ausgegangen, dass der gelbe Anstrich frühestens 1997 aufgebracht
worden ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei die Anlage erst nach dem Wartungstermin mit Einbau des
Reglers an einem unbekannten Datum mit einem neuen Anstrich versehen worden. Mit "diesem
Wartungstermin" meint der Sachverständige erkennbar das Datum "22.02.2002". Im Rahmen der
mündlichen Erläuterung des Gutachtens ist der Sachverständige bei den im Gutachten getroffenen
Feststellungen geblieben. Aufgrund der schriftlichen Feststellungen des Sachverständigen und die
ergänzend dazu von ihm im Termin vom 23.12.2008 gegebenen Erläuterungen ist nicht davon
auszugehen, dass der fragliche Filter - wie freilich von der Beklagten im Schriftsatz vom 01.12.2008
behauptet - nur einmal nach der Inbetriebnahme im Jahre 1976 gestrichen worden ist.
Die Berufungskammer folgt insoweit den widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen E.. Mit
Rücksicht darauf ist die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens nicht geboten.
Unabhängig davon ist dem Kläger auch bezüglich dieser Arbeiten kein derart erhebliches Fehlverhalten
vorzuwerfen, das alleine oder in Verbindung mit den übrigen Vorwürfen der Beklagten die
außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte, so dass auch aus diesem
Grunde das von der Beklagten angeregte bzw. beantragte weitere Gutachten nicht einzuholen ist.
(3.) Gasstation "R."; Arbeiten vom 09.11. bis 11.11.2004:
Auch in diesem Zusammenhang ist keine Pflichtverletzung des Klägers bewiesen, die die
außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Zwar tragen die jeweiligen Prüfchecklisten und das
Protokoll zur Wartung jeweils die Unterschrift des Klägers. Die Eintragung in der Anlage B 36 (= Bl. 226
d.A.) ist allerdings von F.. Dies ergibt sich aus den glaubhaften und widerspruchsfreien Bekundungen des
Zeugen A. (s. Bl. 514 d.A.). Nach der Aussage des Zeugen A. kann man nicht ohne weiteres davon
ausgehen, dass der Kläger an den fraglichen drei Tagen vom 09.11. bis zum 11.11.2004 permanent
durchgängig in dieser Anlage/Gasstation anwesend war. Der Zeuge hat plausibel Situationen genannt,
bei deren Eintritt es dazu kommen konnte, dass der Kläger vorübergehend aus dieser Station abgezogen
wurde, um andere Arbeiten zu erledigen. Zwar konnte es der Zeuge nicht ausschließen, dass der Kläger
doch bei den Arbeiten an dieser Station durchgehend anwesend war. Sollte er, der Zeuge A., (allerdings)
den Monat November 2004 durchgängig krank gewesen sein, wäre er dann vom Kläger vertreten worden,
- der damals also einen Teil der Arbeiten des Zeugen A. zu erledigen gehabt hätte. Der Zeuge A. hatte
damals als Meister ein Büro gehabt, - war - nach seiner Aussage - aber viel unterwegs auf den einzelnen
Stationen.
Der Zeuge B. hat glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet (s. Bl. 518 d.A.), dass die Eintragung in der
Anlage B 36 = Bl. 226 d.A. von seinem (früheren) Kollegen G. ist. Der Zeuge hat bekundet, dass er und G.
größtenteils ohne den Kläger dort damals gearbeitet hätten. Es sei richtig, dass der Kläger damals
lediglich an der Wartung einzelner Schienen beteiligt gewesen sei. Nach diesem Beweisergebnis muss
entlastend zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass eine durchgehende Anwesenheit des
Klägers während der gesamten Arbeiten vom 09.11. bis zum 11.11.2004 nicht feststellbar ist. Ein
Verhalten, das die außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, ist nicht bewiesen.
c)
der Beklagten aus, dass es an einer vorherigen erfolglosen Abmahnung fehlt. Zwar hat die Beklagte ein
berechtigtes Interesse daran, dass der Kläger die ihm obliegenden Arbeiten ordnungsgemäß erledigt und
dokumentiert. Insbesondere dürfen die Anlagen nicht in einen falschen Wartungs-Turnus gelangen. Mit
zusätzlichem finanziellen Aufwand verbundene Nachkontrollen sind ebenso tunlichst zu vermeiden wie
die Gefahr, dass Gas-Stationen oder -Anlagen ausfallen. Diesen berechtigten Anliegen der Beklagten
kann jedoch, - ohne dem Kläger kündigen zu müssen -, dadurch Rechnung getragen werden, dass die
Beklagte den Kläger abmahnt. Dies gilt auch dann, wenn man alle Vorwürfe, die die Beklagte gegenüber
dem Kläger erhebt, einer gesamteinheitlichen Betrachtung unterzieht. Für eine außerordentliche
Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, gilt das sogenannte Prognoseprinzip.
Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der
Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Absolute Kündigungsgründe, die unabhängig von
den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Kündigung unbedingt rechtfertigen könnten, sind im
Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.
Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist
nicht gerechtfertigt und eine Unzumutbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu verneinen,
wenn es zumutbare geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer
der Gründe, die nach Gesetz (§ 314 Abs. 2 S. 2 und § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB) und Rechtsprechung
eine Abmahnung entbehrlich machen können, ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann eine vorherige
Abmahnung ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz
Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt,
deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens
durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Ein derartiger oder ein damit vergleichbarer
Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Der Kläger hat jahrelang, in den letzten Jahren sogar
in der Funktion eines Vorhandwerkers, für die Beklagte gearbeitet. Beanstandungen durch seine
Vorgesetzten, insbesondere durch den Zeugen A., war der Kläger offensichtlich nicht ausgesetzt.
Feststellungen im Hinblick auf etwaige Ermahnungen, Verwarnungen oder dergleichen, lassen sich
ausgehend vom Vorbringen der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht treffen. Der Kläger
durfte deswegen annehmen, dass die Beklagte mit seinem Verhalten einverstanden war. Unabhängig
davon war hier, abgestellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs, zu erwarten, dass
(bereits) eine Abmahnung beim Kläger den gewünschten Erfolg haben würde, - nämlich sowohl eine
Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung des beiderseitigen Vertrauens herbeizuführen.
Bei dem hier in Rede stehenden Verhalten des Klägers, das die Beklagte im Prozess beanstandet hat,
handelt es sich unstreitig um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Soweit die Beklagte ihr Vertrauen
zum Kläger als beeinträchtigt ansieht, übersieht sie, dass auch gestörtes Vertrauen wieder gewonnen
werden kann. Dies ist gerade durch den Ausspruch einer Abmahnung möglich. Unter Berücksichtigung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätte es die Beklagte demgemäß bei einer Abmahnung bewenden
lassen müssen, so dass der Kläger seine Eignung und Zuverlässigkeit für die ihm obliegenden Arbeiten
dauerhaft hätte unter Beweis stellen können. Mit Rücksicht auf die seit dem 08.10.1979, also langjährig,
bestehende Betriebszugehörigkeit und die schweren (finanziellen) Folgen des Verlustes des
Arbeitsplatzes, nämlich Wegfall der für den eigenen Unterhalt und den Unterhalt für seine Ehefrau und
seine Tochter notwendigen Einkünfte, die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle im
Zusammenhang mit dem Alter des am 16.03.1961 geborenen Klägers und dem (bei einer
außerordentlichen Kündigung drohenden) Ansehensverlust des Klägers, lässt sich hier eine
Unzumutbarkeit für die Beklagte im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht feststellen. Dies gilt selbst dann,
wenn man die Kündigungen - trotz der oben bei Ziffer III. 2. (a.E.) erwähnten
betriebsverfassungsrechtlichen Schranke - auch unter dem Gesichtspunkt der sog. "Verdachtskündigung"
zu überprüfen hätte.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 und 63 Abs. 2 GKG.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Nichtzulassung der Revision durch das
Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und
unter den dort genannten Voraussetzungen angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem
Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113
Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einzulegen.
Darauf werden die Parteien hingewiesen.