Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 02.06.2009

LArbG Mainz: zwangsvollstreckungsverfahren, herausgabe, arbeitsgericht, avg, abrechnung, form, hauptsache, erstellung, aushändigung, duldung

LAG
Mainz
02.06.2009
1 Ta 98/09
Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren
Aktenzeichen:
1 Ta 98/09
2 Ca 454/08
ArbG Trier
Beschluss vom 02.06.2009
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 06.04.2009 wird der
Gegenstandswertsfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 31.03.2009 - 2 Ca 454/08 - wie
folgt abgeändert:
"Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin im
Zwangsvollstreckungsverfahren wird auf 4.600,00 € festgesetzt".
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer zu 30 %.
3. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
Gründe:
I.
Zwangsvollstreckungsverfahren.
Das Arbeitsgericht Trier hat mit Versäumnisurteil vom 24. April 2008 die Beklagte verurteilt,
1. der Klägerin Vergütungsabrechnungen für die Monate September 2007 bis März 2008 auf der
Grundlage der vereinbarten tariflichen Ausbildungsvergütung in Höhe von brutto 560,00 € monatlich zu
erteilen;
2. an die Klägerin den sich aus den Abrechnungen für den Zeitraum 01.09.2007 bis 31.03.2008
ergebenden Betrag zu zahlen;
3. an die Klägerin folgende Arbeitspapiere herauszugeben:
a) Anmeldung zur Sozialversicherung zum 01.09.2007
b) Jahresentgeltbescheinigung 2007
b) Jahresentgeltbescheinigung 2007
c) Lohnsteuerbescheinigung 2007
d) Entgeltbescheinigung zur Sozialversicherung für den
Zeitraum 01.01.2008 bis 31.03.2008
e) Lohnsteuerbescheinigung für den Zeitraum
01.01.2008 bis 31.03.2008:
4. an die Klägerin das ausgefüllte und unterzeichnete Formular "Bescheinigung zur Vorlage bei der
Kindergeldkasse" herauszugeben, sowie
5. an die Klägerin das ausgefüllte und unterzeichnete Formular "Arbeitsbescheinigung" der
Bundesagentur für Arbeit herauszugeben.
Mit Schriftsatz vom 03.06.2008 (Bl. 32 d. A.) beantragte die Gläubigerin, zur Erzwingung der im
rechtskräftigen vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts erfolgten Verpflichtung zu 1), 3) und 4) ein
Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann Zwangshaft festzusetzen.
Auf Hinweis des Gerichts begehrt die Gläubigerin, dass die Vergütungsabrechnung auf Kosten des
Schuldners durch einen Dritten vorgenommen werden könne.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom
31.03.2009 den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit für das Zwangsvollstreckungsverfahren
auf 1.300,00 € festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, Gegenstand der
Zwangsvollstreckung seien keine Zahlungen gewesen, sondern lediglich Abrechnung und Herausgabe
diverser Arbeitspapiere, die mit jeweils 100,00 € zu bewerten seien.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin am 2. April 2009 zugestellten Beschluss, hat
dieser mit einem am 06.04.2009 eingegangenen Schriftsatz
B E S C H W E R D E
Zur Begründung führt er aus, hinsichtlich des Antrages zu 1. (Erteilung von Vergütungsabrechnungen) sei
auf die Höhe der monatlichen Ausbildungsvergütung von 560,00 € abzustellen. Diese mit der Anzahl der
Vergütungsabrechnungen multipliziert, ergebe einen Betrag von 3.920,00 €. Ferner sei für das Ausfüllen
und die Herausgabe der Arbeitspapiere jedenfalls ein Betrag von 250,00 € pro Papier anzusetzen, mithin
mindestens 1.250,00 €. Ferner seien für die vom Arbeitgeber auszufüllenden Arbeitsbescheinigungen im
Mittelwert jeweils 200,00 € festzusetzen, vorliegend somit 400,00 €. Hieraus ergebe sich ein
Gesamtgegenstandswert von 5.570,00 €.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.04.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und hat diese
dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass der Gegenstandswert in
Zwangsvollstreckungssachen bei Ansprüchen auf Vornahme, Duldung und Unterlassung von
Handlungen dem Hauptsachestreitwert entspreche. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass sich
aus den Abrechnungen der Betrag ergebe, den die Gläubigerin vollstrecken könne und die
verschiedenen Unterlagen Bedeutung hätten u. a. für das Kinder- und Arbeitslosengeld.
II.
eingelegt und übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 200,00 € und ist auch sonst
zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg. Bei der Wertfestsetzung für den Antrag zu 1. war
aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles pro Abrechnung ein Gegenstandswert von 300,00 €
festzusetzen. Ferner war für die Anträge zu 2. und 3. pro Arbeitspapier ebenfalls ein Gegenstandswert von
300,00 € anzunehmen. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet.
1. Für den Antrag auf Vornahme der Vergütungsberechnung auf Kosten des Schuldners durch einen
Dritten hat das Arbeitsgericht pro Lohnabrechnung einen Streitwert von 100,00 € angesetzt.
Diese Bewertung trägt den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht ausreichend Rechnung und war
daher abzuändern.
Die Bestimmung des Gegenstandswertes für den Antrag zu 1) richtet sich nach
§ 25 Abs. 1, 3 RVG. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Berechnung der Anwaltsgebühr nach dem Wert, den
die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Das Interesse des
Gläubigers ist hierbei zu schätzen, dürfte in der Regel aber nicht geringer sein, als der Wert der
Hauptsache (Gierl in Meyer/Kroiß, RVG, § 25 Rn. 19, Bräuer in Bischoff-Jungbauer u. a., RVG, § 25 Rn.
23).
Das Interesse an der Erstellung und Herausgabe einer Gehaltsabrechnung hat die erkennende Kammer
in der Vergangenheit unter typisierender Betrachtungsweise im Regelfall auf Werte zwischen 50,00 € und
100,00 € festgelegt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12.06.2007 - 1 Ta 125/07: 50,00 €,
Beschluss vom 27.06.2007 - 1 Ta 154/07: 100,00 €). Selbst bei Zugrundelegung einer solchen
typisierenden und schematischen Betrachtungsweise bleiben letztendlich jedoch die Umstände im
Einzelfall entscheidend für die Bemessung des Gegenstandswertes. Aufgrund des Umstandes, dass im
vorliegenden Fall kein Ausbildungsvertrag vorlag, Vergütungsabrechnungen seit Beginn des
Ausbildungsverhältnisses nicht erstellt wurden und auch sonst keine schriftlichen Unterlagen über das
Ausbildungsverhältnis vorlagen, erscheint vorliegend eine höhere Wertfestsetzung angemessen.
Vor dem Hintergrund eines unstreitig derart ungeordneten Arbeitsverhältnisses kommt dem Interesse der
Klägerin an der Erstellung und Aushändigung ihrer Lohnabrechnung eine besondere Bedeutung und
damit auch ein besonderer Wert zu. Es handelt sich hier gerade nicht um den Fall, dass eine
Gehaltsabrechnung lediglich der Form halber oder zu Klärungszwecken gegenüber der Finanzverwaltung
oder den Sozialversicherungsträgern benötigt wurde, sondern darum, die Höhe des zustehenden Gehalts
überhaupt erst einmal bescheinigt zu bekommen (LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 18.10.2007 - 1 Ta
205/07).
Diese besonderen Umstände des Falles rechtfertigen eine gegenüber dem Normalfall höhere
Festsetzung des Gegenstandswertes. Die Kammer erachtet hierbei einen Gegenstandswert von 300,00 €
pro Lohnabrechnung für angemessen.
Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine weitere Heraufsetzung des Gegenstandswertes
entsprechend der durch die Lohnabrechnung bescheinigten Gehaltszahlungen begehrt, war die
Beschwerde indes zurückzuweisen. Der von der Gläubigerin gestellte Antrag richtete sich sowohl in der
Hauptsache als auch im hier entscheidenden Zwangsvollstreckungsverfahren nicht auf Zahlung der durch
die Lohnabrechnung ausgewiesenen Beträge, sondern letztlich nur auf ordnungsgemäße Abrechnung
des Arbeitsverhältnisses (vgl. hierzu LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 29.01.2007 - 1 Ta 11/07).
2. Für die Anträge zu 2. und 3. war entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts pro Arbeitspapier auch ein
Gegenstandswert von 300,00 € festzusetzen.
Da die Anträge auf Herausgabe einer zu leistenden Sache gerichtet sind, richtet sich der Wert der
anwaltlichen Tätigkeit nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG. Maßgeblich ist damit grundsätzlich der objektive
Verkehrswert des Gegenstands. Hat der Gegenstand wie vorliegend kaum einen objektiven Wert, so ist
für die Wertfestsetzung auch auf das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung des Anspruchs zu
berücksichtigen.
In der Vergangenheit hat die Rechtssprechung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. LAG
Rheinland-Pfalz Beschluss vom 05.05.2006 - 8 Ta 94/06) Anträge auf Erteilung und Herausgabe von
Arbeitspapieren teils mit 10% des Bruttomonatsgehaltes in Ansatz gebracht, teils solche Anträge pauschal
bewertet
(vgl. LAG Rheinland-Pfalz - 10 Ta 239/06). Mit Beschluss vom 29.01.2007 - 1 Ta 11/07 hat sich die für
Wertfestsetzungsbeschwerden nunmehr allein zuständige
1. Kammer des Landesarbeitsgerichts der letztgenannten Ansicht angeschlossen und für die Erteilung
und Aushändigung von Arbeitspapieren pro Arbeitspapier einen Wert von 300,00 € für angemessen
erachtet. Besondere Umstände des Einzelfalles, die eine andere Bewertung rechtfertigen würden, liegen
im Streitfall nicht vor. Da mit dem Antrag zu 2. die Zwangsvollstreckung hinsichtlich fünf Arbeitspapieren
geltend gemacht wurde, war somit der Gegenstandswert für den Antrag zu 2. auf insgesamt 1.500,00 €
festzusetzen.
3. Ebenso wie mit dem Antrag zu 2. wurde auch mit dem Antrag zu 3. die Zwangsvollstreckung in Bezug
auf ein Arbeitspapier verfolgt, sodass auch hier ein Wert von 300,00 € als maßgeblicher Gegenstandswert
anzusetzen war. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers hat die Gläubigerin mit dem Antrag zu
3. jedoch lediglich die Vollstreckung einer Herausgabeverpflichtung für ein Arbeitspapier und nicht für
zwei Arbeitspapiere geltend gemacht, sodass der Gegen-standswert für den Antrag zu 3. insgesamt auf
300,00 € festzusetzen war.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Gegenstandswertbestimmung ergibt sich damit ein
Gesamtgegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Zwangsvollstreckungsverfahren von 4.600,00
€. Dementsprechend war der Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern.
Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 AVG wird anders als das Verfahren über den Antrag nach §
33 Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 AVG nicht gebührenfrei gestellt (LAG Hamburg Beschluss vom 30.06.2005 - 8
Ta 5/05). Es fallen somit Gerichtsgebühren an (vgl. Arbeitsrechtslexikon/Schwab:
Streitwert/Gegenstandswert III.). Diese hat der Beschwerdeführer gemäß §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO im
Umfang seines Unterliegens zu tragen.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG nicht gegeben.