Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 15.01.2008

LArbG Mainz: unwirksamkeit der kündigung, wirtschaftliche einheit, betriebsrat, arbeitsgericht, gesellschafterversammlung, abfindung, geschäftsführer, firma, sozialplan, kündigungsfrist

LAG
Mainz
15.01.2008
3 Sa 634/07
Anzeigengeschäft und Betriebsü
Aktenzeichen:
3 Sa 634/07
1 Ca 1794/06
ArbG Koblenz
Urteil vom 15.01.2008
Tenor:
1. Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.07.2007 - Az: 1 Ca
1794/06 - werden zurückgewiesen.
2. a) Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5 zu tragen.
b) Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.484,46 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beklagte kündigte dem bei ihr - mit einer anrechenbaren Betriebszugehörigkeit seit dem 01.01.1988 -
beschäftigten Kläger
- mit dem Schreiben vom 28.07.2006 (Bl. 4 d.A.) zum 31.01.2007,
- mit dem Schreiben vom 30.10.2006 (Bl. 128 d.A.) zum 30.04.2007 und
- mit dem Schreiben vom 22.12.2006 (Bl. 198 d.A.) zum 30.06.2007
(- weitere Kündigungen erfolgten mit den Schreiben vom 17.08.2007 und vom 27.11.2007).
Die Beklagte beschäftigte regelmäßig (ca.) 24 Arbeitnehmer.
Nach näherer Maßgabe des Vertrages vom 22.12.1986 (Bl. 105 ff. d.A.) hatte die M.-Verl. GmbH der
Beklagten den Vertrieb von Anzeigen im Anzeigenteil der "Rhein-Zeitung" übertragen (- die Beklagte
firmierte damals als I. M.-Verl. & Co. KG). Die M.-Verl. GmbH kündigte den Vertrag vom 22.12.1986 mit
dem Schreiben vom 05.08.2005 (Bl. 20 d.A.) einschließlich der abgeschlossenen
Kommissionsvereinbarung zum 31.12.2006. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten teilte der
Beklagten gemäß Schreiben (Anlage B 2 = Bl. 21 d.A.) mit, dass "die Gesellschafterversammlung der C. …
Beklagten gemäß Schreiben (Anlage B 2 = Bl. 21 d.A.) mit, dass "die Gesellschafterversammlung der C. …
in ihrer Sitzung am 23.06.2006 vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrats die Stilllegung des Betriebs
zum 31.12.2006 beschlossen" habe. Daraufhin wandte sich der Geschäftsführer K. mit dem Schreiben
vom 26.06.2006 ("Hausmitteilung"/"Betreff: Betriebsstilllegung" = Bl. 22 f. d.A.) u.a. wie folgt an den
Betriebsrat:
"… Ich hatte Ihnen bereits die Kündigung des Kommissionsvertrags durch die M.-Verl. GmbH zum Ablauf
des 31.12.2006 mitgeteilt. Trotz meiner Bemühungen einen neuen Vertrag für die Zeit ab dem 01.01.2007
zu erhalten, ist dies nicht gelungen, weshalb auch ich keine andere Möglichkeit als die der
Betriebsschließung sehe. Ab dem 01.01.2007 wird unsere Gesellschaft keine Einnahmen mehr erzielen.
Betroffen sind alle Mitarbeiter der Gesellschaft … .
… Da es sich um eine sozialplanpflichtige Maßnahme handelt, erhalten alle Mitarbeiter/innen, die nicht
leitende Angestellte sind, eine Abfindung, die sich nach dem noch abzuschließenden Sozialplan richten
wird. Ich lade Sie zu folgenden Terminen ein, damit wir alle Möglichkeiten beraten können, um
Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und deren Folgen zu mildern …".
Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 26.06.2006 wird verwiesen. In der Zeit zwischen dem
27.06.2006 und dem 21.07.2006 verhandelte die Beklagte mit dem Betriebsrat. Der anwaltlich vertretene
Betriebsrat nahm dazu mit dem Schreiben vom 23.07.2006 (Bl. 126 f. d.A.) Stellung. In der Folgezeit wurde
eine Einigungsstelle errichtet. Im Rahmen der Einigungsstelle wurde am 17.10.2006 das Scheitern der
Interessenausgleichsverhandlungen festgestellt. Am 25.11.2006 wurde der Sozialplan abgeschlossen.
Im Anschluss an das Schreiben der Beklagten vom 26.06.2006 ("Bevorstehende Massenentlassungen" =
Bl. 153 d.A.) erstattete die Beklagte mit dem Formularschreiben vom 21.07.2006 gegenüber der Agentur
für Arbeit Koblenz (folgend: AfA) die aus Blatt 154 ff. d.A. ersichtliche Massenentlassungsanzeige (nebst
Anlagen). In der Rubrik 4 der Anzeige heißt es u.a. (sinngemäß), dass die Zustimmung zur Abkürzung
nach § 18 Abs. 1 KSchG beantragt werde und in der Rubrik 5 heißt es weiter (sinngemäß), dass der
Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG über die Entlassungen schriftlich unterrichtet wurde.
Mit dem Schreiben vom 21.07.2006 (Bl. 24 f. d.A.) hört die Beklagte den Betriebsrat zu der von ihr (auch)
beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Nach näherer Maßgabe der Ausführungen des Betriebsrates
im Schreiben vom 28.07.2006 (Bl. 5 ff. d.A.) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung. Mit
dem Bescheid vom 10.08.2006 (Bl. 26 f. d.A.) stimmte der Vorsitzende der Geschäftsführung der AfA den
mit dem Schreiben vom 21.07.2006 angezeigten Entlassungen zu. In dem Bescheid heißt es u.a., dass die
Entlassungen wie angezeigt durchgeführt werden können und dass die Regelung zur sogenannten
Freifrist in § 18 Abs. 4 KSchG aufgrund eines Urteils des EuGH vom 27.01.2005 ohne
Anwendungsbereich sei. Mit dem Schreiben vom 11.08.2006 (Bl. 111 d.A.) wandte sich W. T. als Verleger
mit einem Schreiben der r.-M. und M. GmbH & Co. KG an die Anzeigenkunden. In diesem Schreiben heißt
es unter dem Betreff: "Neuer Dienstleister für den Anzeigenservice der Rhein-Zeitung" u.a. wie folgt:
"… Wir möchten Sie heute darüber informieren, dass zukünftige Aufträge, ab sofort, von unserem neuen
Dienstleister
M. M.-Service Rheinland
Z.straße
R. ...
bearbeitet werden. Wenden Sie sich bitte für alle Neuaufträge ausschließlich an den M. in R.. Die
Abwicklung bereits der C. erteilter Aufträge verbleibt bei dieser …".
[- Im Folgenden wird die "M. M.-Service Rheinland " als M. (GmbH) bezeichnet -].
Vor Ausspruch der (zweiten) Kündigung des Klägers vom 30.10.2006 erstattete die Beklagte gegenüber
der AfA die Massenentlassungsanzeige vom 18.10.2006 (Bl. 162 ff. d.A. nebst Anlagen) und hörte den
Betriebsrat zur Kündigungsabsicht mit dem Schreiben vom 18.10.2006 (Bl. 172 f. d.A.) an. Mit dem
Bescheid vom 30.10.2006 (Bl. 168 f. d.A.) stimmte der Vorsitzende der Geschäftsführung der AfA den
angezeigten Entlassungen zu.
Vor der (dritten) Kündigung des Klägers vom 22.12.2006 erstattete die Beklagte gegenüber der AfA die
Massenentlassungsanzeige vom 14.12.2006 (nebst Anlagen Bl. 229 ff. d.A.; vgl. dazu auch das Schreiben
der Beklagten vom 14.12.2006, Bl. 228 d.A.). Den Betriebsrat hörte die Beklagte gemäß Schreiben vom
14.12.2006 (Bl. 225 f. d.A.) zur Kündigungsabsicht an. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der AfA
stimmte mit dem Bescheid vom 09.01.2007 (Bl. 236 f. d.A.) den angezeigten Entlassungen zu (s. dazu
auch das Schreiben der AfA vom 14.12.2006, Bl. 235 d.A.).
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird
gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom
04.07.2007 - 1 Ca 1794/06 - (dort Seite 3 ff. = Bl. 286 ff. d.A.). Nach näherer Maßgabe des Urteilstenors - 1
Ca 1794/06 - (= Bl. 285 d.A.) hat das Arbeitsgericht unter Klageabweisung im übrigen festgestellt, dass
das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31.01.2007 sein Ende gefunden hat, und die Beklagte zur Zahlung
von 19.958,50 EUR Nachteilsausgleich an den Kläger verurteilt.
Gegen das jeweils am 14.09.2007 zugestellte Urteil vom 04.07.2007 - 1 Ca 1794/06 - hat der Kläger am
03.10.2007 Berufung eingelegt und diese am 07.12.2007 (innerhalb verlängerter
Berufungsbegründungsfrist) mit dem Schriftsatz vom 07.12.2007 (Bl. 388 ff. d.A.) begründet. Die Beklagte
hat ihre am 12.10.2007 eingelegte Berufung am 07.11.2007 mit dem Schriftsatz vom 02.11.2007 (Bl. 337 f.
d.A.) begründet.
Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf den Schriftsatz vom
07.12.2007 (Bl. 388 ff. d.A.) verwiesen.
Der Kläger macht dort u.a. geltend:
1.
die Formulierung "vorbehaltlich der Beteiligung des Beetriebsrats" - der Ansicht, dass vorher mit dem
Betriebsrat der Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt sein müsse. "Beteiligung des
Betriebsrates" sei nicht nur Versuch eines Interessenausgleichs oder Beteiligung des Betriebsrates vor
Ausspruch der Kündigungen (nach § 102 BetrVG). Es sei das Risiko der Beklagten, wenn sie erst nahezu
ein Jahr nach der Kündigung vom 05.08.2005 (zum 31.12.2006) am 23.06.2006 die Stilllegung des
Betriebes beschlossen habe. Die Tatsache, dass § 113 BetrVG eine Sanktionsnorm bei Nichtwahrung der
Interessen des Betriebsrates beinhalte, lasse nicht den Schluss zu, dass der Gesellschafterbeschluss
entgegen dem Wortlaut ausgelegt werden müsse. Der Kläger verweist auf den Wortlaut "vorbehaltlich".
2.
der Beklagten gegen die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG. Der Kläger verweist auf seine Ausführungen auf
den Seiten 7 bis 11 des Schriftsatzes vom 18.11.2006 (Bl. 94 bis 98 d.A.). Das Schreiben der Beklagten
vom 26.06.2006 genüge nicht sämtlichen Anforderungen des § 17 Abs. 2 KSchG. Aus dem Schreiben sei
für den Betriebsrat an keiner Stelle erkennbar gewesen, dass es sich dabei bereits um eine Anhörung zu
einer Massenentlassung handelte. Da grundsätzlich die Beratungspflicht zu § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG eine
andere Beratungspflicht sei als die Beratungspflicht, die sich aus § 111 f. BetrVG ergebe, könne die
mangelhafte Anzeige auch nicht geheilt werden. Weiter verweist der Kläger, soweit es um den Beginn des
Laufs der Kündigungsfrist geht, auf LAG Berlin, 23.02.2007 - 6 Sa 2152/06 -.
3.
die "wirtschaftliche Einheit Anzeigenabteilung" in der zweiten Jahreshälfte 2006 neu geordnet. Diese
wirtschaftliche Einheit sei unstreitig der "eigentliche Kern der Wertschöpfung" einer Tageszeitung.
Insoweit weist der Kläger u.a. daraufhin, dass das Anzeigengeschäft früher beim M.-Verl. gewesen sei und
dass ein Teil der noch bei der "Stilllegung" bei der Beklagten Beschäftigten mit Ausgliederung des
Betriebsteils "Anzeigengeschäft" zu der neu gegründeten Beklagten im Jahr 1987 mit übergegangen sei.
Mit der Kündigung des Kommissionsvertrages habe der M.-Verl. der Beklagten die Geschäftsgrundlage
entzogen und damit faktisch die wirtschaftliche Einheit "Anzeigengeschäft" zurückgenommen. Der Kläger
trägt vor, dass der Mittelrhein-Verlag, um Kosten zu sparen, die Menschen mit der Beklagten "stilllegen"
wollte und die gleichen Aufgaben in unterschiedlicher Form auf neue Mitarbeiter bzw. Firmen durch
Zergliederung in Teilaufgaben verteilen wollte. Dieses Bemühen, den 1987 angewendeten § 613a BGB
im Jahre 2006 zu umgehen, sei rechtsmissbräuchlich. Der Kläger verweist auf die Stellungnahme des
Betriebsrates vom 28.07.2006 sowie auf den - unstreitigen - Umstand, dass W. K. und R. Sch. (nunmehr)
bei der M. GmbH beschäftigt sind.
Der Kläger bezeichnet K. und Sch. als maßgebliche Leistungsträger der Beklagten, die nunmehr in
vermutlich leitender Funktion bei der M. GmbH tätig seien. Der Kläger bezieht sich auf die Entscheidung
des EuGH vom 18.04.1994 - C-392/92 -.
Weiter führt der Kläger aus, dass richtig sei, dass die technische Betreuung der Kollektive und
Sonderbeilagen auf die einzelnen Anzeigendienste verteilt worden sei. Die kaufmännischen
Berechnungen hierzu würden bei der Firma M. liegen. Die Belegstelle werde seit dem 01.03.2007 von der
M. wahrgenommen. Diese sei zuvor seit ca. September 2006 von der Firma C. P. wahrgenommen worden.
Der Reiseverkauf - so stellt der Kläger fest - sei auf die r.-R.-E. übergegangen. Die
Sonderbeilagendisposition machten die Außendienstler in den verschiedenen Verlagen, - dies seit
ungefähr Ende des Jahres 2006. Die Berechnung der Anzeigen werde von der Firma M. wahrgenommen.
Die Beilagenberechnung habe bis Jahresende (2006) die Beklagte wahrgenommen.
Daraus ergebe sich - so argumentiert der Kläger weiter -, dass nicht alle zusätzlichen Aufgaben nach dem
Übergang auf die Firma M. GmbH weggefallen seien, sondern teilweise dort weiterhin wahrgenommen
würden. Entscheidend sei, dass das Kerngeschäft der Beklagten die technische Anzeigen-
Auftragsabwicklung und die kaufmännische Bearbeitung der Anzeigen gewesen sei. Die übrigen
Aufgaben, wie Reiseverkauf, seien demgegenüber von geringerer Bedeutung gewesen. Bei der
Bewertung des Sachverhalts (- dahingehend, inwieweit ein Betriebsübergang vorliege, -) könne es - so
meint der Kläger - nicht darauf ankommen, dass die Beklagte die Anzeigen im eigenen Namen vertrieben
habe, während Vertragspartner der Anzeigenkunden nunmehr die M.-Verl. GmbH und nicht wie zuvor der
Dienstleister selbst sei. Dies ändere an der Art der Bearbeitung der Anzeigen kaum etwas. Jedenfalls, so
macht der Kläger weiter geltend, sei es naheliegend gewesen, sich mit einem Teilbetriebsübergang näher
zu beschäftigen. Der diesbezüglichen Argumentation des Arbeitsgerichts auf Seite 12 f. des Urteils hält
der Kläger entgegen, dass es bei der Betriebsnachfolge durch einen Dienstleister weniger auf die
Übernahme materieller Produktionsmittel ankomme, sondern auf die Arbeit mit den gleichen oder
gleichartigen Kundenbeziehungen, - wobei die rechtliche Bewertung, wer hier im Anzeigengeschäft mit
wem den Vertrag schließe, nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung sei. Entscheidend sei, dass die
Bearbeitung des Anzeigengeschäfts mit dem 01.01.2007 vollständig auf die Firma M. GmbH
übergegangen sei. In Bezug auf W. K. und R. Sch. hält es der Kläger für entscheidend, ob es sich bei
diesen um "Know-how-Träger" gehandelt habe. Der Kläger entnimmt dem "Telefonverzeichnis der M.-S.-
Rheinland" (Bl. 113 d.A.), dass die entscheidenden Leitungspositionen "kaufmännische Leistung" und
"Leitung im Media-Service" mit W. K. und R. Sch. besetzt seien (- W. K. wird in diesem Verzeichnis unter
"kaufmännische Leitung" und R. Sch. unter "Leitung Media-Service" aufgeführt -). Dazu führt der Kläger
aus, dass K. und Sch. bereits in vergleichbar verantwortlicher Position (K. als Prokurist) bei der Beklagten
tätig gewesen seien und von einem Tag auf den anderen im Kalenderjahr 2006 zur M. gewechselt seien,
um dort den neuen "Anzeigen-Service" der Rhein-Zeitung aufzubauen. In der Übergangszeit seien beide
Beschäftigten organisatorisch mit der Beklagten weiter verbunden gewesen, obwohl sie bereits bei der M.
GmbH beschäftigt gewesen seien. Aus diesem Ablauf werde deutlich, dass wesentliche Mitarbeiter der
Beklagten in Abstimmung mit der Beklagten und dem M.-Verl. den Anzeigen-Service für die Rhein-Zeitung
(M.-Verl.) und damit die Neuvergabe des Auftrages zur Erbringung unterstützender Dienstleistungen für
die Tageszeitung Rhein-Zeitung bei M. aufgebaut hätten. Der Kläger verweist auf den von BAG,
06.04.2006, NZA 2006, 723 ff. entschiedenen Fall ("Bereitstellen und Zuführen von Zeitungsbeilagen"). Es
komme nicht darauf an, ob die Tätigkeiten von K. und Sch. bei der Beklagten und danach bei der M.
GmbH im Detail identisch seien, sondern darauf, dass sie als Führungspositionen bei der Beklagten über
das entscheidende Know-how verfügt hätten, um den Übergang des Anzeigengeschäfts bei der M. GmbH
aufzubauen und nachfolgend bei der M. GmbH in leitender Position zu begleiten. Nach Ansicht des
aufzubauen und nachfolgend bei der M. GmbH in leitender Position zu begleiten. Nach Ansicht des
Klägers liegt ein Betriebsübergang, mindestens aber ein Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613a BGB
vor mit der Rechtsfolge, dass die Entlassung des Klägers gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4
BGB verstoße. Die Kündigung sei nicht betriebsbedingt erfolgt. Dazu führt der Kläger auf Seite 9 f. der
Berufungsbegründung = Bl. 396 f. d.A. weiter aus. Der Kläger stellt es dort u.a. als unstreitig dar, dass an
der rechtsmissbräuchlichen, den Schutzzweck des § 613a BGB umgehenden Gestaltung der Verleger der
Rhein-Zeitung W. T. federführend beteiligt gewesen sei.
Die Berufung der Beklagten beantwortet der Kläger mit dem Schriftsatz vom 15.12.2007 (Bl. 404 ff. d.A.),
worauf ebenfalls verwiesen wird. Insoweit halte sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts - so führt der
Kläger aus - "im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens".
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.07.2007 - 1 Ca 1794/06 - abzuändern und festzustellen,
1. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit
Schreiben vom 28.07.2006 nicht aufgelöst worden ist.
2. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit
Schreiben vom 30.10.2006 nicht aufgelöst worden ist
3. dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten mit
Schreiben vom 22.12.2006 nicht aufgelöst worden ist.
Weiter beantragt der Kläger,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen und
2. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - 1 Ca 1794/06 - in Ziffer 2 dahingehend abzuändern, dass die
Beklagte zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs von nicht mehr als 14.958,50 EUR verurteilt wird.
Ihre eigene Berufung begründet die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 02.11.2007 (Bl. 337 f. d.A.), worauf
verwiesen wird. Die Beklagte stellt die Höhe des Nachteilsausgleichsanspruches zur Überprüfung, soweit
er den Betrag von 14.958,50 EUR übersteigt. Aufgrund der 18-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers
würde die von der Beklagten erwähnte "Faustformel" einen Ausgangsbetrag von 9 Bruttomonatsgehältern
ergeben. Von diesem Ausgangsbetrag sei der Abschlag wegen der vom Arbeitsgericht zutreffend
aufgeführten Gründe vorzunehmen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis
aufgrund der zweiten Kündigung nach Abschluss des Interessenausgleichs mit einer Verzögerung von
drei Monaten sowieso geendet hätte.
Gegen die Berufung des Klägers verteidigt die Beklagte das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer
Maßgabe ihrer Berufungsbeantwortung vom 10.01.2008 (Bl. 407 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.
Die Beklagte führt dort u.a. aus:
1.
schriftsätzlichen Ausführungen vom 29.11.2006, dort Seite 2 und 3 = Bl. 137 f. d.A.. Zu keiner Zeit sei dem
Geschäftsführer der Beklagten vorgegeben worden, dass die Beteiligung des Betriebsrates bis zu einem
gewissen Stadium vollzogen sein müsse.
2.
Schwellenwerte bezüglich der zweiten und dritten Kündigung gar nicht erreicht worden seien.
Kündigungen, die völlig ins Leere gingen und gar keine Wirkungen erzeugen könnten, könnten nicht eine
Verpflichtung zur Massenentlassungsanzeige begründen bzw. in diesem Fall könnte eine mit formellen
Fehlern behaftete Anzeige nicht zur Unwirksamkeit der unter dem Schwellenwert liegenden Kündigungen
führen. Dazu führt die Beklagte weiter aus. Soweit es um die (erste) Kündigung vom 28.07.2006 geht,
verweist die Beklagte (erneut) darauf, dass das an den Betriebsrat gerichtete Schreiben vom 26.06.2006
den Vorgaben des § 17 Abs. 2 KSchG entspreche und sogar der Wortlaut des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG
wiedergegeben worden sei.
3.
substantiiert. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, wann welche organisatorische Einheit auf
welche Art und Weise von wem übernommen worden sein solle. Der Kläger lege sich nicht fest, auf
welches Unternehmen der Kläger übergegangen sein wolle.
Der Kläger trage nichts dazu vor, woraus sich in Abgrenzung zu einer reinen Funktionsnachfolge ein
Betriebsübergang ergeben solle. Die Beklagte verweist darauf, dass die Firma C. P. GmbH keinerlei
Betriebsmittel der Beklagten übernommen hat. Auch Personal und Räume der Beklagten habe diese
Firma nicht übernommen. Die Behauptung des Klägers, dass die Aufgaben der Belegstelle seit dem
01.03.2007 von der M. GmbH wahrgenommen würden, bezeichnet die Beklagte als unzutreffend. (Auch)
stellten die Aufgaben der Belegstelle keinen eigenständigen Betriebsteil der Beklagten dar. Die Beklagte
sei keine Tochtergesellschaft der M.-Verl. GmbH. Unter Bezugnahme auf BAG "Urteil" vom 14.02.2007 - 7
ABN 84/06 - verweist die Beklagte darauf, dass rechtskräftig festgestellt ist, dass zwischen ihr und der
Beklagten kein gemeinsamer Betrieb bestand. Die M. GmbH - so behauptet die Beklagte - habe nicht die
"beiden Leistungs- bzw. Know-how-Träger" von der Beklagten übernommen. Die beiden Leistungs- und
Know-how-Träger der Beklagten seien ihr Geschäftsführer und der Prokurist S. gewesen. Der Prokurist K.
sei bei der Beklagten zuständig für Statistik und Rechnungswesen gewesen. Hierzu habe die
Kontenabstimmung, die Abstimmung mit der Anzeigenbuchhaltung, die Erstellung der Statistiken und die
Ermittlung und Abrechnung der Vertreterprovisionen einschließlich der Servicebüros gehört. Zum
Dienstleistungsauftrag habe also auch die Erstellung der Statistik und das Rechnungswesen gehört.
Diese bei der Beklagten bis zum 31.12.2006 verbliebenen Aufgaben seien von der M.-Verl. GmbH nach
dem 31.12.2006 nicht mehr fremd vergeben worden. Entsprechende Aufgaben gebe es bei der M. GmbH
nicht. K. erfülle daher nicht die gleiche oder vergleichbare Funktion bei der M. GmbH, wie er sie zuvor bei
der Beklagten erfüllt habe. Er habe daher auch nicht sein diesbezügliches Know-how bei der M. GmbH
eingebracht. Die Beklagte verweist auf die Zeugenaussage des Geschäftsführers der M. GmbH, L., in
einem anderen Kündigungsschutzverfahren (Zeugenaussage vom 14.03.2007).
R. Sch. sei bei der Beklagten als Leiter Innendienst für die Aufgaben: Belegstelle,
Sonderthemendisposition, technische Betreuung der Kollektive und Sonderbeilagen, Reiseverkauf,
Auftragsabwicklung und Beilagenberechnung zuständig gewesen. Sch. selbst habe nicht in der
Anzeigenabwicklung unmittelbar gearbeitet, sondern sei Vorgesetzter der dort tätigen Personen gewesen.
Sch. habe kein Know-how der Anzeigenabwicklung bei der M. GmbH eingebracht. Da die M. GmbH
lediglich die Auftragsabwicklung für die M.-Verl. GmbH ausführe, könne Sch. bei der M. GmbH nicht in
gleicher Funktion mit dem bei der Beklagten in seinem Arbeitsbereich erworbenen Know-how tätig sein
wie früher für die Beklagte. Betriebsmittel der Beklagten habe die M. GmbH ebenso wenig übernommen
wie Organisationsstrukturen der Beklagten. Nicht einmal die Bürozeiten würden übereinstimmen. Zu
keiner Zeit habe die Beklagte freien Zugriff auf das EDV-System der M. erhalten, - ebenso wenig wie die
M. GmbH auf das EDV-System der Beklagten. (Auch) insoweit verweist die Beklagte auf die Aussage des
F. L. vom 14.03.2007.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen. Soweit sich die Beklagte auf die BAG-Entscheidung vom 14.02.2007 - 7 ABN 84/06 - bezieht,
handelt es sich dabei um den Beschluss, der im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren - 7 ABN 84/06 -
zu LAG Rheinland-Pfalz vom 12.09.2006 - 2 TaBV 16/06 - ergangen ist (vgl. in diesem Zusammenhang
weiter auch den Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz vom 27.06.2007 - 8 TaBV 24/06 -).
Entscheidungsgründe:
A.
worden. Die erstinstanzliche Bestandsstreitigkeit mit den drei Kündigungsschutzanträgen des Klägers ist
(freilich ohne den Weiterbeschäftigungsantrag) insgesamt in das Berufungsverfahren gelangt. Das
Arbeitsgericht hat in der Sache alle drei Kündigungsschutzanträge abgewiesen. Soweit das Arbeitsgericht
in der Ziffer 1 des Urteilstenors eine positive Feststellung getroffen hat, handelt es sich dabei inhaltlich um
die Abweisung des Kündigungsschutzantrages, der sich gegen die (erste) Kündigung vom 28.07.2006
richtet.
Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens (Nachteilsausgleich) ist der Rechtsstreit insoweit in das
Berufungsverfahrens gelangt als es um die Frage geht, ob dem Kläger insoweit eine Abfindung in Höhe
von 19.958,50 EUR zusteht oder nur eine solche in Höhe von 14.958,50 EUR.
B.
I.
1.
richtet, unterliegt der Klageabweisung. Diese nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates
erklärte Kündigung ist rechtswirksam.
a)
Kündigung ist jedoch nicht rechtsunwirksam im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG. Es ist vielmehr ein
Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gegeben. Es liegen dringende betriebliche
Erfordernisse im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im
Betrieb entgegenstehen. Die Kündigung vom 28.07.2006 ist durch derartige Erfordernisse im Sinne des §
1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt. Da der Kündigung der Kündigungsgrund der Betriebsstilllegung zugrunde
liegt, steht die seinerzeitige Mitgliedschaft des Klägers im Betriebsrat der Wirksamkeit der Kündigung
gleichfalls nicht entgegen (§ 15 Abs. 4 KSchG).
aa)
unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes durch den Arbeitgeber bzw. durch ein
Organ der Gesellschaft grundsätzlich dann ein dringendes betriebliches Erfordernis für Kündigungen
gegenüber den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, wenn im
Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass die Betriebsstilllegung planmäßig erfolgen wird. Diese
Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Bei der Auflösung der Betriebsorganisation im Falle der
Betriebsstilllegung ist der Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach deren Durchführung
auszusprechen. Vielmehr kann er die Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung (bereits) dann
erklären, wenn die betrieblichen Umstände einer Betriebsstilllegung schon greifbare Formen
angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt,
dass bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stilllegung durchgeführt sein wird. Diese
Prognose war hier am 28.07.2006 ebenso gerechtfertigt wie die damit verbundene Erwartung, dass der
Kläger bis zum Kündigungs-Termin (= 31.01.2007) entbehrt werden konnte. Auch hatten die Umstände
der Betriebsstilllegung bereits die notwendigen Formen angenommen.
Zwar stünde eine zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches bzw. des Zugangs der Kündigung vom
28.07.2006 geplante Betriebsveräußerung einer (beabsichtigten) Betriebsstilllegung entgegen.
Betriebsveräußerung im Sinne des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB und Betriebsstilllegung schließen sich
gegenseitig aus, da eine Stilllegung den ernstlichen und endgültigen Entschluss des
Unternehmers/Arbeitgebers voraussetzt, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmern aufzuheben und die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd
(oder doch zumindest für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche
Zeitspanne) nicht weiter zu verfolgen. Bei der Absicht einer Veräußerung des Betriebes oder einer
Veräußerung eines Betriebsteils liegt ein solcher Stilllegungsentschluss nicht vor, weil die Identität des
Betriebes bzw. des Betriebsteils gewahrt bleiben und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfinden soll.
bb) Hier lag rechtzeitig vor der Kündigung ein ernstlicher und endgültiger Entschluss, den Betrieb der
Beklagten insgesamt stillzulegen, vor. Der Kläger bestreitet die entsprechende Beschlussfassung der
Gesellschafterversammlung, wie sie im Schreiben gemäß Anlage B 2 (= Bl. 21 d.A.) dem Geschäftsführer
K. mitgeteilt wird, als solche - also in tatsächlicher Hinsicht - nicht. Der Kläger legt diesen
Gesellschafterbeschluss im Hinblick auf die darin enthaltene Formulierung "vorbehaltlich der Beteiligung
des Betriebsrates" allerdings anders aus als die Beklagte und das Arbeitsgericht. Die Berufungskammer
folgt der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des Gesellschafterbeschlusses. Es ist
anerkanntes Recht, dass (auch) Beschlüsse von Gesellschafterversammlungen der Auslegung
zugänglich sind. Dabei ist die Auslegung entsprechend den §§ 133 und 157 BGB bzw. nach den zu
diesen beiden Vorschriften entwickelten Auslegungsgrundsätzen vorzunehmen (vgl. BFH, 06.03.2007 - I B
37/06 -). Folglich ist hier nicht an dem buchstäblichen Sinne der Formulierung "vorbehaltlich der
Beteiligung des Betriebsrates" zu haften. Vielmehr ist bei der Ermittlung des wirklichen Willens der
Gesellschafterversammlung auch die Interessenlage, der Sinn und Zweck des Beschlusses sowie das
weitere Verhalten der Beteiligten bedeutsam.
Der Sinn und Zweck des Gesellschafterbeschlusses besteht darin, dem Geschäftsführer K. die Grundlage
für die von diesem herbeizuführende Betriebsstilllegung zum 31.12.2006 zu vermitteln. Im Sinne der
Gesellschafterversammlung ist es interessengerecht, den Beschluss dahingehend auszulegen, dass der
darin genannte Stilllegungstermin ("31.12.2006") nicht gefährdet wird. Die vom Arbeitsgericht
vorgenommene Auslegung trägt dieser Interessenlage der Gesellschafterversammlung Rechnung. Das
Ergebnis der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung wird durch das Verhalten, das der Vertreter
der Gesellschafterversammlung, W. T., unstreitig am 21.07.2006 gezeigt hat, bestätigt. Es kann nicht
angenommen werden, dass sich der Verleger T., - so wie unstreitig geschehen (s. dazu die vom Kläger
unwidersprochen gebliebene Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 29.11.2006 dort Seite 2
unten/S. 3 oben = Bl. 137 f. d.A.) -, verhalten hätte, wenn die Gesellschafterversammlung beschlossen
hätte, die Betriebsstilllegung erst nach einem Scheitern der Verhandlungen in der Einigungsstelle zu
betreiben.
In diesem Sinne haben seinerzeit weder der Verleger T., noch der Geschäftsführer K. den Beschluss der
Gesellschafterversammlung aufgefasst. (Auch) vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet, konnte
der Beschluss so nicht verstanden werden.
cc)
waren zur Zeit des Kündigungsausspruches weitere Umstände gegeben, die die Prognose rechtfertigten,
der Kläger könne bei Ablauf der Kündigungsfrist mangels Beschäftigungsbedarf nicht weiterbeschäftigt
werden. Zu diesen Umständen gehört zunächst die unstreitige Kündigung vom 05.08.2005. Diese zum
31.12.2006 erfolgte Kündigung der M.-Verl. GmbH bezog sich auf den mit der Beklagten bestehenden
Vertrag vom 22.12.1986 (zum Vertrieb von Anzeigen) einschließlich der abgeschlossenen
Kommissionsvereinbarung. Zu diesen Umständen gehören weiter die von Seiten der Beklagten erfolgten
Kündigungen, die auf Seite 1 des Anhörungsschreiben vom 21.07.2006 (= Bl. 24 d.A.) erwähnt werden
und die sich auf die zwischen der Beklagten und den r.-Regionalverlagen bestehenden Dienstleistungs-
und Werkverträge bezüglich des Anzeigenaußendienstes sowie auf den mit der M.-Verl. GmbH
bestehenden Vertrag über die technische Betreuung der Kollektive und der EDV-Programme red.w./v.
beziehen. Die Beklagte hat den Inhalt dieses Anhörungsschreibens zumindest konkludent zum
Gegenstand ihres Sachvortrages gemacht. (Auch) hat die Beklagte unstreitig Ende Juli 2006 allen ihren
Arbeitnehmern gekündigt. Zwar belegt dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt für sich alleine noch keine
Betriebsstilllegung, - weil es gerade darauf ankommt, ob die Kündigungen/Entlassungen sozial
gerechtfertigt sind. Wie zuvor festgestellt, hat die Beklagte durch die erwähnten Kündigungen von
Geschäftsbeziehungen jedoch weitere organisatorische Vorkehrungen zur Umsetzung der
Betriebsstilllegungsentscheidung getroffen. Schließlich hat die Beklagte - ebenso unstreitig - dem
Betriebsrat mit Schreiben vom 26.06.2006 den Beschluss der Gesellschafterversammlung mitgeteilt und
im Sinne des § 111 Abs. 1 S. 1 BetrVG unterrichtet. Weiter wurde der Betriebsrat dort zu Beratungen
eingeladen. Entsprechende Beratungen bzw. Verhandlungen haben dann in der Folgezeit unstreitig am
27.06.2006, 11.07.2006, 13.07.2006 und 21.07.2006 - auch mit dem Ziel einen Sozialplan zu vereinbaren
- stattgefunden. Diese Verhandlungen belegen ebenso wie die dem Betriebsrat im Schreiben vom
26.06.2006 gegebenen Informationen weiter die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht der
Beklagten dahingehend, den Betriebs zum 31.12.2006 zu schließen. Damit ergibt die Prognose im
Kündigungszeitpunkt, dass die Entscheidung zur Betriebsstilllegung tatsächlich durchgeführt wird und
deshalb für den Kläger mit Ablauf der Kündigungsfrist keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen
wird. Ergänzend ist insoweit darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst im Schriftsatz vom 18.11.2006
(dort S. 3 = Bl. 90 d.A.) - also während der laufenden Kündigungsfrist - die Beschäftigungssituation im
Betrieb der Beklagten wie folgt dargestellt hat:
"Die Beklagte wickelt demnach zur Zeit nur noch Altaufträge ab. Aus diesem Grund sitzt auch der
überwiegende Teil der Beschäftigten der Beklagten tagsüber ohne Arbeit an dem Arbeitsplatz, nimmt
Urlaub oder macht eine Fortbildung".
Dies spricht dafür, dass die Beklagte rechtzeitig (auch) entschieden hatte, keine neuen Aufträge mehr
anzunehmen, sondern nur noch bestehende Aufträge ("Altaufträge") abzuwickeln.
dd)
28.07.2006) einen rechtsgeschäftlichen Übergang des Betriebes oder eines Betriebsteiles plante, sind
dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen.
Im Kündigungszeitpunkt stand nicht zu erwarten, dass die oder eine wirtschaftliche Einheit der Beklagten -
sei es der Betrieb, sei es ein Betriebsteil - auf ein anderes Unternehmen - sei es die M.-Verl. GmbH, sei es
die M. GmbH oder ein sonstiges Unternehmen - , übergehen würde. Ein Teilbetriebsübergang scheidet
hier schon deswegen aus, weil nicht ersichtlich ist, dass sich der (relativ kleine) Betrieb der Beklagten
überhaupt aus mehreren organisatorisch selbständigen Betriebsteilen zusammen gesetzt hat.
Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass z.B. die Belegstelle und/oder die (technische)
Anzeigenauftragsabwicklung bei der Beklagten als organisatorisch selbständige Betriebsteile bestanden
haben. Für den Teilbetriebsübergang setzt § 613a BGB aber anerkanntermaßen voraus, dass bei dem
früheren Betriebsinhaber ein organisatorisch selbständiger Betriebsteil bestand und bei dem
(potenziellen) Betriebserwerber bzw. Betriebsteilerwerber erhalten geblieben ist. Im übrigen - und
unabhängig davon - ist relevant im Sinne des § 613a Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 S. 1 BGB nur ein solcher
Übergang, bei dem die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Bei der Prüfung, ob eine
wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebes oder eines Betriebsteils übergeht, müssen sämtliche den
betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Welche Teilaspekte im
Rahmen der diesbezüglichen Gesamtwürdigung zu beachten sind, kann der einschlägigen
Rechtsprechung von EuGH und BAG, der die Berufungskammer jeweils folgt, entnommen werden (vgl.
insoweit bspw. BAG v. 16.02.2006 - 8 AZR 211/05 - dort Rz 24 m.w.N. sowie die Nachweise auf die Rspr.
bei MüKo/Müller-Glöge 4. Aufl. BGB § 613a Rz 27 und bei ErfK/Preis 8. Aufl. BGB § 613a Rz 13 und 23).
Das Vorbringen des Klägers lässt bei Berücksichtigung der hiernach zu beachtenden Aspekte der
Gesamtwürdigung nicht erkennen, dass im Kündigungszeitpunkt geplant gewesen sei, dass der Betrieb
oder ein Betriebsteil der Beklagten unter Identitätswahrung auf ein anderes Unternehmen übergehen
sollte.
Fasst man insoweit zunächst die M.-Verl. GmbH als in Betracht kommenden "Betriebserwerber" in´s Auge,
ist nicht ersichtlich, welche materiellen und/oder immateriellen Betriebsmittel von der Beklagten auf die M.-
Verl. GmbH übergehen sollten oder übergegangen sind. Ebenso verhält es sich, soweit man den Blick auf
die C. P. richtet.
Entsprechend verhält es sich schließlich im Ergebnis auch, soweit der Kläger die M. GmbH als
Betriebsübernehmer oder als Übernehmer eines Betriebsteils darzustellen versucht. Unter den
gegebenen Umständen käme insoweit allenfalls der Übergang eines Betriebsteils in Betracht. Dies, d.h.
die Beschränkung auf einen Betriebsteil, ergibt sich daraus, dass die M. GmbH jedenfalls den Betrieb der
Beklagten als solchen in keinem Fall übernommen hat. Es ist (auch) im Berufungsverfahren unstreitig
geblieben, dass die Anzeigenauftragsabwicklung, die nunmehr unstreitig dem Dienstleister M. GmbH
übertragen ist, nur einen Teil der Aufgaben der Beklagten betroffen hat. Es ist im Anschluss an den
Schriftsatz der Beklagten vom 29.11.2006 unstreitig (dort S. 10 = Bl. 145 d.A.), dass die M. GmbH keine
Anzeigen vertreibt. Über eine Vertriebsorganisation verfügt die M. GmbH nicht. Die Akquisition von
Anzeigenaufträgen führt die M. GmbH nicht durch. Auch ist unstreitig der Reiseverkauf nicht auf die M.
GmbH übergegangen. Die technische Betreuung der Kollektive und Sonderbeilagen obliegt nach näherer
Maßgabe der Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 07.12.2007 (dort S. 7 - oben -) nicht der M.
GmbH (- vgl. dazu auch die Feststellungen auf S. 3 - oben - der Sitzungsniederschrift vom 04.07.2007 - 1
Ca 1794/06 - = Bl. 280 d.A.). Berücksichtigt man weiter, dass keine materiellen bzw. sächlichen
Betriebsmittel von der Beklagten auf die M. übergehen sollten und auch nicht übergegangen sind, so lässt
sich unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte ihre Betriebsräume in Koblenz
hatte, - während sich die Betriebsräume der M. GmbH in R. befinden, nicht feststellen, dass der Betrieb der
Beklagten (als solcher) unter Wahrung seiner Identität auf die M. GmbH übergehen sollte oder
übergegangen ist.
Aber auch ein Teilbetriebsübergang scheidet aus, weil ein solcher Betriebsteil nicht organisatorisch
selbständig (bereits) bei der Beklagten bestanden hat. Weder die technische
Anzeigenauftragsabwicklung, noch die Belegstelle haben als organisatorisch selbständige Betriebsteile
oder als organisatorisch selbständiger Betriebsteil bereits bei der Beklagten bestanden. Es lässt sich
deswegen auch nicht die Feststellung treffen, dass sie als solche unverändert bei der M. GmbH fortgeführt
werden. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt es nicht, den Sachverhalt rechtlich abweichend von dem
Urteil des Arbeitsgerichts zu würdigen. Auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird deswegen
im übrigen ergänzend Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Der Hinweis des Klägers auf das von ihm auf Seite 5 - unten - des Schriftsatzes vom 07.12.2007 erwähnte
Geschehen des Jahres 1987 führt nicht zum Erfolg der Berufung. Es kann eben nicht davon ausgegangen
werden, dass der Vorgang aus dem Jahre 1987 in tatsächlicher Hinsicht (quasi) spiegelbildlich derselbe
oder der gleiche Vorgang gewesen ist, der nunmehr rechtlich zu bewerten ist. Abgesehen davon hat sich
im Vergleich zum Jahre 1987 auch die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 613a BGB
und § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG in nicht unerheblicher Weise verändert. Der vom Kläger angenommene "Rück-
Betriebsübergang" liegt nicht vor. Entsprechende Feststellungen lassen sich nicht treffen.
Erfolglos bleiben die Hinweise des Klägers auf das Schreiben des Verlegers T. vom 11.08.2006 (Bl. 111
d.A.) sowie darauf, dass die beiden (früheren) Arbeitnehmer der Beklagten - K. und Sch. - nunmehr
Arbeitnehmer der M. GmbH sind. Zwar ist in dem Schreiben vom 11.08.2006 von dem neuen Dienstleister
(für den Anzeigenservice der Rhein-Zeitung) die Rede. Dass die M. den Betrieb oder einen Teilbetrieb der
Beklagten übernommen hat oder übernehmen wird, ergibt sich aus diesem Schreiben jedoch nicht. Aus
dem Schreiben ergibt sich, dass bereits erteilte Aufträge bei der Beklagten verbleiben, - Neuaufträge bzw.
zukünftige Aufträge dagegen nicht. Neuaufträge sollte die M. bearbeiten (und entgegennehmen), -
dagegen sollten Altaufträge von der Beklagten abgearbeitet werden, - nicht aber von der M. (s. dazu
bereits oben bei B. I. 1. a) cc) a.E.). Jedenfalls folgt aus dem Schreiben vom 11.08.2006 gerade nicht, dass
die M. in bestehende Kundenaufträge eingetreten wäre. Schließlich belegt der Teilaspekt, dass Sch. und
K., die zuvor Arbeitnehmer der Beklagten waren, nunmehr bei der M. GmbH beschäftigt sind, noch nicht
die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. Dieser Teilaspekt muss im Rahmen der gebotenen
Gesamtwürdigung gegenüber den anderen Gesichtspunkten, die gegen die Identitätswahrung sprechen,
zurücktreten.
In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine
Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine
wirtschaftliche Einheit darstellen. In diesem Fall ist die Wahrung ihrer Identität anzunehmen, wenn der
neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und
Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit
eingesetzt hatte. Dies ist anerkanntes Recht.
Zwar kam es im Betrieb der Beklagten - wie eigentlich in jedem Betrieb - (auch) auf die menschliche
Arbeitskraft an. Dies gilt auch für den Betrieb der M.. Dass es aber gerade sowohl im Betrieb der
Beklagten als auch im Betrieb der M. im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft angekommen ist
bzw. ankommt, lässt sich bei den hier in Rede stehenden Tätigkeiten nicht annehmen. Aus diesem
Grunde wirkt sich der Teilaspekt "Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des
Personals" nicht dahingehend aus, dass wegen der Übernahme von K. und Sch. die notwendige Identität
der wirtschaftlichen Einheit gewahrt geblieben sei. Das tatsächliche Parteivorbringen reicht nicht aus, um
unter dem (Teil-)Aspekt "Know-how-Träger" die notwendige Identitätswahrung feststellen zu können. Auch
unter diesem Aspekt ist die Identität als nicht gewahrt anzusehen. Die Beklagte hat auf Seite 3 des
Schriftsatzes vom 27.03.2007 dargelegt, dass das Know-how in der Anzeigenabwicklung die
entsprechenden Sachbearbeiter (der Beklagten) gehabt hätten (-, die gerade nicht übernommen worden
sind). Sch. selbst hat danach nicht in der Anzeigenabwicklung unmittelbar gearbeitet. Den dortigen
Darlegungen ist der Kläger nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Ähnlich verhält es sich
soweit es um den Prokuristen K. geht. K. ist nur einer von zwei Prokuristen gewesen. Den (weiteren)
Prokuristen S. hat die M. GmbH jedenfalls unstreitig nicht übernommen. Von einer Identität der
Führungskräfte kann keine Rede sein. Zu den Führungskräften der Beklagten gehörten jedenfalls auch
der Geschäftsführer K. und der Prokurist S. Die MR GmbH hat ihren eigenen Geschäftsführer (L.). Die
Beklagte hat - vom Kläger nicht substantiiert bestritten - dargelegt, dass zu ihrem Dienstleistungsauftrag
(auch) die Erstellung der Statistik und das Rechnungswesen gehört haben und dass diese Aufgaben von
der M.-Verl. GmbH nach dem 31.12.2006 nicht mehr fremd vergeben worden sind. Seine zuvor bei der
Beklagten ausgeübte Funktion im Rahmen von Statistik und Rechnungswesen erfüllt K. bei der M. GmbH
demgemäß nicht.
Soweit es um den Aspekt "eigentlicher Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen
Funktionszusammenhangs" geht, lässt sich auch unter diesem Gesichtspunkt die notwendige
Identitätswahrung nicht feststellen. Die für eine derartige Feststellung notwendigen Tatsachen lassen sich
dem tatsächlichen Parteivorbringen nicht entnehmen. Der entsprechende Funktionszusammenhang
wurde bei der Beklagten - dem Vertrag vom 22.12.1986 entsprechend - durch den Vertrieb, d.h. durch den
Verkauf von Anzeigen für den Anzeigenteil der "Rhein-Zeitung" geprägt. Dies ist bei dem Betrieb der M.
GmbH aber nicht der Fall. Soweit die M. GmbH nunmehr die Anzeigenauftragsabwicklung (mit weiterer
kaufmännischer Bearbeitung) erledigt (und möglicherweise auch die Belegstelle führt), liegt darin eine
teilweise Auftrags- bzw. Funktionsnachfolge, aber kein identitätswahrender Übergang einer
wirtschaftlichen Einheit. Entsprechendes gilt soweit bei der M.-Verl. GmbH und der C. P. - teilweise - der
Tatbestand einer gewissen "Funktionsnachfolge" in Betracht kommt.
b)
Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils" i.S.d. § 613a Abs. 4 BGB gekündigt hat. § 613a Abs. 4 S. 2
BGB besagt, dass das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen unberührt bleibt. Ein anderer
Kündigungsgrund, nämlich der des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG, ist vorliegend gegeben. An § 1 Abs. 3 S. 1
KSchG scheitert die Kündigung nicht. Die Beklagte hat unstreitig allen ihren Arbeitnehmern gekündigt, so
dass sich die Frage einer sozialen Auswahl nicht stellte. Die Notwendigkeit einer sozialen Auswahl ergab
sich auch nicht etwa deswegen, weil die Beklagte mit anderen Unternehmen einen sogenannten
gemeinsamen Betrieb oder Gemeinschaftsbetrieb geführt hätte. Ein derartiger gemeinsamer Betrieb hat
im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht bestanden (vgl. LAG Rheinland-
Pfalz v. 12.09.2006 - 2 TaBV 16/06 - und BAG v. 14.02.2007 - 7 ABN 84/06 -). Auf eine (angeblich)
fehlerhafte Sozialauswahl hat sich der Kläger (demgemäß) zuletzt auch nicht mehr berufen.
c)
gleichfalls nicht herleiten.
aa)
Kündigung in der Regel dazu, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflösen kann und deshalb
der Kündigungsschutzklage stattzugeben ist. Vorliegend bestand im Juli 2006 eine Verpflichtung der
Beklagten zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSchG). Diese
Verpflichtung hat die Beklagte erfüllt. Es ist unstreitig, dass die Beklagte vor Kündigungsausspruch
gegenüber der AfA die Anzeige vom 21.07.2006 (Bl. 154 ff. d.A.) erstattet hat. Allerdings war dieser
Massenentlassungsanzeige die in § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG verlangte Stellungnahme des Betriebsrates zu
den Entlassungen nicht beigefügt. Die Beklagte hat auf Seite 2, dort in der Rubrik 5, jedoch (sinngemäß)
angegeben, dass sie den Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG über die Entlassungen schriftlich
unterrichtet habe und dass der AfA eine Abschrift dieser Unterrichtung/Mitteilung der AfA zugeleitet
worden sei. Dies trifft zu. Bereits vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige hatte die Beklagte die AfA
mit dem Schreiben vom 26.06.2006 über die bevorstehende Massenentlassung unterrichtet und dem
Schreiben vom 26.06.2006 (Bl. 153 d.A.) ihr weiteres - an den Betriebsrat gerichtetes - Schreiben vom
26.06.2006 (Bl. 22 f. d.A.; mit der dort auf S. 2 befindlichen Empfangsbestätigung des
Betriebsratsvorsitzenden) beigefügt. Dies ist unstreitig. Zwar könnte man eventuell noch bemängeln, dass
die Beklagte in der Massenentlassungsanzeige nicht den "Stand der Beratungen" (mit dem Betriebsrat)
dargelegt hat. Diese fehlende Darlegung wirkt sich jedoch nicht auf die Wirksamkeit der
Massenentlassungsanzeige, - zumindest aber nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung aus. Gemäß § 20
Abs. 3 S. 1 KSchG hat die AfA vor ihrer Entscheidung u.a. den Betriebsrat anzuhören. Im Rahmen dieser
Anhörung ist der Betriebsrat verpflichtet, der AfA die von dieser für die Beurteilung des Falles für
erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen. Kommt es der AfA für ihre Entscheidung nach § 18 Abs. 1
KSchG auf den "Stand der Beratungen" an, ist sie durch nichts gehindert, diesen Stand der Beratungen
gesondert bei Arbeitgeber und/oder Betriebsrat abzufragen. Angesichts der modernen
Kommunikationsmittel der heutigen Zeit lässt sich der "Stand der Beratungen" von der AfA jederzeit
unschwer und schnell ermitteln. Im Hinblick darauf kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Gesetzgeber an die fehlende Darlegung des "Standes der Beratungen" die einschneidende Rechtsfolge
"Unwirksamkeit der Kündigung" knüpfen wollte. Will der Gesetzgeber, dass diese Rechtsfolge (=
Unwirksamkeit der Kündigung) eintritt, dann ist er aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 3 GG)
verpflichtet, dies auf der Rechtsfolgenseite der jeweiligen Norm mit der gebotenen Eindeutigkeit
anzuordnen und die entsprechenden tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unmissverständlich
festzulegen, - so wie er dies z.B. in § 1 Abs. 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ("… ist
rechtsunwirksam, wenn …"; ähnlich § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG: "… sozial ungerechtfertigt, wenn …") auch
getan hat (- ähnlich eindeutig sind auch die Rechtsfolgenanordnungen in § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG und §
79 Abs. 4 BPersVG). Ein derartiger Normsetzungswille (mit der Rechtsfolge "Unwirksamkeit der
Kündigung" wegen unterlassener Darlegung des "Standes der Beratungen") hat in den §§ 17 ff. KSchG
keinen Niederschlag gefunden, - er klingt dort auch nicht genügend an. Dafür, dass auch die
Bundesagentur für Arbeit die Darlegung zum "Stand der Beratungen" (jedenfalls) nicht als zwingende
Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anzeige ansieht, spricht die Gestaltung des Formulars "Anzeige
von Entlassungen gemäß § 17 KSchG". In den Ausfüllhinweisen zur Rubrik 5 - sonstige Angaben - des
Formulars (S. 2 = hier Bl. 155 d.A.; rechte Spalte) heißt es - worauf zutreffend bereits das Arbeitsgericht
hingewiesen hat -:
"Fehlt die Stellungnahme des Betriebsrates, sollten Sie mit der Anzeige auch den Stand der Beratungen
darlegen".
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bundesagentur für Arbeit, die das Formular den
Arbeitgebern vorgegeben hat, der Unterschied zwischen "sollen" und "müssen" geläufig ist.
bb)
BGB nichtig. Das für die Anwendung der zuletzt genannten Vorschrift notwendige "gesetzliche Verbot"
vermag die Berufungskammer den Normen der §§ 17 und 18 KSchG so ohne weiteres nicht zu
entnehmen, - und zwar auch dann nicht, wenn man diese Vorschrift unter Berücksichtigung der
Europäischen Massenentlassungsrichtlinie auslegt. Unabhängig davon liegt hier in tatsächlicher Hinsicht
ein Schreiben der Beklagten vor, mit dem diese den Betriebsrat über die am 23.06.2006 beschlossene
Betriebsstilllegung zum 31.12.2006 - also über den Grund der geplanten Massenentlassung - unterrichtet
sowie darüber, dass alle Arbeitsplätze von der Betriebsschließung betroffen sind, dass alle Kündigungen
zeitnah noch möglichst im Juli (2006) ausgesprochen werden und dass alle Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen Abfindungen nach dem noch abzuschließenden Sozialplan erhalten werden.
Unstreitig war dem Schreiben vom 26.06.2006 die dort erwähnte Anlage 1 beigefügt. Dieser Anlage
konnte der Betriebsrat die Zahl und Berufsgruppen, die Sozialdaten und die Kündigungsfristen der
einzelnen Arbeitnehmer entnehmen. (Weitere) Kriterien für die Sozialauswahl mussten nicht angegeben
werden, da ja die gesamte Belegschaft entlassen werden sollte. Berechnungskriterien für etwaige
Abfindungen konnten noch nicht angegeben werden, weil - worauf im Schreiben hingewiesen wird (und
was dem Betriebsrat auch bekannt war) - ein Sozialplan erst noch abgeschlossen werden musste. Damit
genügt das Schreiben vom 26.06.2006 (Bl. 22 f. d.A.), das der Betriebsrat unstreitig erhalten hat, den
wesentlichen Anforderungen des § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG. Der Umstand, dass das Schreiben die Vorschrift
des § 17 KSchG unerwähnt lässt bzw. diese Vorschrift nicht ausdrücklich zitiert, ist unerheblich. Ein
Zitiergebot ist dem § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht zu entnehmen. Mangels ausreichender Anhaltspunkte für
das Gegenteil ist das Schreiben vom objektiven Erklärungsempfängerhorizont dahingehend auszulegen,
dass die Beklagte damit alle ihr gesetzlich obliegenden Unterrichtungspflichten gegenüber dem
Betriebsrat erfüllen wollte, - insbesondere die nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG und die nach § 111 Abs. 1 S. 1
BetrVG. Die Beklagte lädt den Betriebsrat dort ausdrücklich dazu ein, mit ihr alle Möglichkeiten zu beraten,
um "Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken" und deren "Folgen zu mildern" (- dies entspricht
fast exakt dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG). Deswegen ist festzustellen, dass die Beklagte mit
dem Schreiben vom 26.06.2006 jedenfalls auch ihrer kündigungsschutzrechtlichen Verpflichtung gemäß §
17 Abs. 2 S. 1 KSchG nachkommen wollte und nachgekommen ist. Der davon abweichenden Auslegung
des Klägers vermag die Berufungskammer mit Rücksicht auf § 133 BGB nicht zu folgen.
cc)
einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren auszugehen, weil der zuständige Entscheidungsträger,
die AfA, die Massenentlassungsanzeige der Beklagten nicht beanstandet hat. Die AfA hat unstreitig der
Massenentlassung mit dem Bescheid vom 10.08.2006 (Bl. 26 f. d.A.) zugestimmt. An diese
Verwaltungsentscheidung der AfA sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden (BAG, 11.03.1998 - 2
AZR 414/97 - und BAG, 24.10.1996 - 2 AZR 895/95 -). An dieser Rechtsprechung ist jedenfalls für den Fall
festzuhalten, dass der Arbeitgeber - wie vorliegend die Beklagte - die Massenentlassungsanzeige erst
zwei Wochen nach ordnungsgemäßer Information des Betriebsrates erstattet (vgl. zur Zweiwochenfrist §
17 Abs. 3 S. 3 KSchG). Hat der Arbeitgeber - wie die Beklagte - den Betriebsrat ordnungsgemäß informiert,
muss er ihm innerhalb der nächsten zwei Wochen Gelegenheit geben, eine Beratung durchzuführen.
Diese Gelegenheit bestand hier. Im Anschluss an das Unterrichtungsschreiben vom 26.06.2006 haben
Beratungen bzw. Verhandlungen bis zum 21.07.2006 stattgefunden, - also über einen Zeitraum von
länger als zwei Wochen. Nach Ablauf der Zweiwochenfrist durfte und musste die Beklagte rechtzeitig vor
den anstehenden Kündigungen die Massenentlassungsanzeige erstatten. Soweit es um den Zeitpunkt der
Erstattung der Massenentlassungsanzeige geht, trägt dieser den beiden Zwecken, die die §§ 17 ff. KSchG
verfolgen (Individualschutz der einzelnen Arbeitnehmer; arbeitsmarktpolitische Ziele), Rechnung. Es
besteht deswegen keine Veranlassung, die Massenentlassungsanzeige der Beklagten neben der
Kontrolle durch den zuständigen Entscheidungsträger gemäß den §§ 18 und 20 KSchG einer zusätzlichen
Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen zu unterziehen.
dd)
dieser Vorschrift hat der Entscheidungsträger vor seiner Entscheidung u.a. den Betriebsrat anzuhören.
Wollte der Gesetzgeber an die Verletzung dieser Anhörungspflicht eine individualrechtliche Folge
("Unwirksamkeit der Kündigung") knüpfen, so bedarf es aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 3 GG)
einer ausdrücklichen Rechtsfolgenanordnung. Eine derartige Rechtsfolgenanordnung fehlt jedoch in § 20
KSchG.
d)
622 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BGB). Für die Berechnung der Kündigungsfristen gelten die §§ 186 ff. BGB, wobei
das für den Beginn der Kündigungsfrist maßgebende Ereignis im Sinne von § 187 BGB der Zugang der
Kündigung ist. Dass demgegenüber der Zustimmungsbescheid einer Agentur für Arbeit das maßgebende
Ereignis im Sinne des § 187 BGB sein soll, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. (Auch) ordnet § 18 Abs. 1
KSchG keine aufschiebend bedingte Kündigung an (a.A. möglicherweise BAG; vgl. Urt. v. 13.07.2006 - 6
AZR 198/06 -; dort Rz 20 bei II. 1. d) bb) a.E.; wie hier Dornbusch/Wolff BB 2007, 2298).
2.
22.12.2006 richten, erweist sich die Klage deswegen als unbegründet, weil bereits die Kündigung vom
28.07.2006 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.01.2007 geführt hat.
II.
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger als Nachteilsausgleich eine Abfindung in der vom Arbeitsgericht
ausgeurteilten Höhe zu zahlen.
1.
Abs. 2 ArbGG auf den diesbezüglichen Teil der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts unter Ziffer III.
des Urteils vom 04.07.2007 (dort S. 21 = Bl. 304 d.A.). Diese Entscheidungsgründe macht sich die
Berufungskammer zu eigen. Die Beklagte hat das für den Versuch einer Einigung über einen
Interessenausgleich vorgesehene Verfahren nicht voll ausgeschöpft. Die Beklagte hat - unstreitig - vor der
Kündigung vom 28.07.2006 die Einigungsstelle nicht im Sinne von BAG vom 18.12.1984 - 1 AZR 176/82 -
angerufen.
(Weiter) ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte vor Kündigungsausspruch bereits
rechtsgeschäftliche Handlungen vorgenommen hat, die darauf hinausliefen, das "ob" und das "wie" der
Betriebsänderung vorweg zu nehmen. Die Beklagte hat - wie bereits oben erwähnt - nach dem
23.06.2006 und vor dem 21.07.2006 die zwischen ihr und den r.-Regionalverlagen bestehenden
Dienstleistungs- und Werkverträge bezüglich des Anzeigenaußendienstes sowie den mit der M.-Verl.
GmbH bestehenden Vertrag über die technische Betreuung der Kollektive und der EDV-Programme
GmbH bestehenden Vertrag über die technische Betreuung der Kollektive und der EDV-Programme
red.w./v. zum 31.12.2006 gekündigt. Damit sind bereits vor Kündigungsausspruch Maßnahmen zur
Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses erfolgt.
2.
Ergebnis darin, dass der Berechnung der Abfindung die Zahl von acht Monatsgehältern zugrunde zu
legen ist. Die Festsetzung der konkreten Höhe des Nachteilsausgleichs liegt anerkanntermaßen im
Ermessen des Gerichts. Das Gericht ist dabei an die durch den Verweis auf § 10 KSchG in § 113 Abs. 3
und Abs. 1 BetrVG vorgegebenen Höchstgrenzen gebunden. In diesem Rahmen ist u.a. auf die
Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers, die tatsächlich durch die
Betriebsänderung erlittenen Nachteile, die Arbeitsmarktlage und das Ausmaß des
betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers abzustellen. Die genannten Umstände konnten
vorliegend von der Berufungskammer (nur) insoweit berücksichtigt werden, wie dazu konkreter
Sachvortrag erfolgte.
Bei der Ermittlung der Anzahl der Monatsgehälter, die der Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt
werden konnte, hat sich die Berufungskammer zunächst an der "Faustformel" orientiert, die die Beklagte
auf der Seite 2 des Schriftsatzes vom 02.11.2007 (Bl. 338 d.A.) nennt. Diese Faustregel besagt, dass je
Beschäftigungsjahr ein halbes Monatseinkommen als Abfindung festgesetzt werden kann (Schaub 12.
Aufl. Arbeitsrechtshandbuch S. 1507 Rz 47 bei § 141). Zwar ist diese Faustregel - wie Schaub a.a.O.
selbst bemerkt - "nicht allseitig anerkannt", - sie eignet sich jedoch als Orientierungshilfe, wenn es darum
geht, die Höhe einer Abfindung zu bestimmen. Drückt man die Faustregel anders aus, dann kann für
jeweils zwei Beschäftigungsjahre ein Monatseinkommen als Abfindung festgesetzt werden. Aufgrund
unstreitig anzurechnender Betriebszugehörigkeitszeiten ist von einer Betriebszugehörigkeit des Klägers
vom 01.01.1988 bis zum 31.01.2007,
- also von etwas mehr als 19 Jahren auszugehen. Damit ist zunächst - bei einer gewissen Anlehnung an
die zitierte Faustregel - von einem Faktor von ca. 9,5 (Monatsverdiensten) auszugehen. Unter den hier
gegebenen Umständen ist es angemessen, den Berechnungsfaktor von 9,5 (Monatsverdiensten) um 1,5
auf insgesamt 8 Monatsverdienste zu ermäßigen. Mitbestimmend ist insoweit insbesondere, dass der am
29.04.1966 geborene Kläger noch keiner Arbeitnehmergruppe angehört, für die nach näherer Maßgabe
des § 10 Abs. 2 KSchG eine erhöhte (Abfindungs-)Höchstgrenze gilt. Im übrigen liegt die Ausschöpfung
oder Nichtausschöpfung der Höchstgrenze des § 10 Abs. 1 KSchG im pflichtgemäßen Ermessen des
Gerichts. Wenn es - wie hier - anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles angemessen ist, kann
das Gericht deshalb in einem Fall der vorliegenden Art auch weniger als 12 Monatsverdienste festsetzen
(vgl. dazu APS/Biebl 1. Aufl. KSchG § 10 Rz 12). Angemessen ist hiernach - auch wenn man das Alter des
Klägers unberücksichtigt lässt - eine Abfindung in Höhe von 8 Monatsgehältern. Soweit das Arbeitsgericht
und die Beklagte abfindungsmindernde Gesichtspunkte anführen, rechtfertigen diese es unter den
gegebenen Umständen letztlich nicht, die Zahl von 8 Monatsverdiensten zu unterschreiten.
III.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Die für die jeweiligen Berufungen entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben grundsätzliche
Bedeutung. Darauf beruht die Zulassung der Revision.