Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.02.2010

LArbG Mainz: fristlose kündigung, gegen die guten sitten, freie mitarbeit, kaufmännische ausbildung, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, freier mitarbeiter, fahrtkosten, vergütung, arbeitsgericht

LAG
Mainz
11.02.2010
10 Sa 556/09
Anforderungen an eine Berufungsbegründung
Aktenzeichen:
10 Sa 556/09
7 Ca 856/07
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Urteil vom 11.02.2010
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 23. April 2009, Az.: 7 Ca 856/07, wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 07.05.2007,
Nachzahlung weiterer Vergütung wegen Lohnwuchers und Fahrtkostenersatz.
Die Klägerin (geb. 06.07.1957) schloss mit der Beklagten einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab
01.02.2007. Die Parteien verwendeten einen Vertragsvordruck: „Arbeitsvertrag für kaufmännische
Arbeitnehmer“ und füllten die leeren Felder handschriftlich aus. Der Vertrag (Bl. 8/9 d. A.) hat
auszugsweise folgenden Wortlaut:
„§ 2 - Tätigkeit/Probezeit/Kündigung
Der Arbeitnehmer wird als
Immobilienmaklerin
zum Dienstantritt am
01.02.2007
Die Probezeit beginnt am
01.02.2007
Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. ...
Besondere Obliegenheiten des Arbeitnehmers sind:
Erstellung von Exposes, Annahme von Telefonaten, Auswertung der Presse, Aufnahme und
Besichtigung von Immobilien.
...
Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit gilt die gesetzliche Kündigungsfrist.
...
§ 3 - Gehalt/Arbeitszeit
Der Arbeitnehmer erhält monatlich nachträglich ein Gehalt von brutto EUR
600,00.
Die Arbeitszeit beträgt
44
§ 9 - Verschiedenes
...
Frau C. erhält ein „Fixum“ von 600,- € brutto von Frau A., Firma A., sofern in dem jeweiligen Monat
kein Abschluss erzielt werden konnte. Andernfalls wird das Fixum mit dem Provisionsanspruch
gegen gerechnet
Eine Provisionsvereinbarung wurde nicht getroffen. Die Beklagte zahlte der Klägerin in den Monaten
Februar bis April 2007 auf der Basis des vereinbarten Bruttogehaltes von € 600,00 ein Nettogehalt von
jeweils € 494,04; Provisionen zahlte sie nicht. Sie erstattete der Klägerin, die ihren privaten Pkw für
Fahrten zu den Objekten benutze, keine Fahrtkosten.
Mit Schreiben vom 02.05.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2007 ordentlich. Mit
Schreiben vom 07.05.2007 kündigte sie fristlos.
Mit ihrer am 13.05.2007 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die fristlose Kündigung.
Außerdem verlangt sie für die Monate von Februar bis Mai 2007 eine monatliche Vergütung von
€ 1.600,00 brutto, abzüglich gezahlter € 1.482,00 netto (3 x € 494,04) sowie Erstattung ihrer Fahrtkosten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen
Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Sachanträge gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG
abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 23.04.2009 (dort Seite 3-12= Bl. 234-243 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.04.2009 der Klage - bis auf einen geringfügigen Teil der
Fahrtkosten - ganz überwiegend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des
Arbeitsgerichts wird auf Seite 13 bis 32 des Urteils (= Bl. 244-263 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 22.09.2009 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 10.09.2009
Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 23.11.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 301-303 d.
A.), macht die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:
Sie halte daran fest, dass sie mit der Klägerin von Anfang an eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin
vereinbart habe. Sie habe „ganz grundsätzlich“ kein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin begründen wollen.
Sie habe deren Befähigung und Geschick für eine Tätigkeit als Immobilienmaklerin nicht beurteilen
können. Deshalb habe sie in der Risikosphäre der Klägerin belassen wollen, ob sie die behaupteten
Fähigkeiten und Qualifikationen besitze. Nur aufgrund der von der Klägerin geschilderten Umstände -
Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung - habe sie ihr behilflich sein wollen. Sie
habe sich für eine Übergangszeit - nämlich bis zum Vorliegen der Voraussetzungen für den Verbleib in
der gesetzlichen Krankenversicherung auch für Nichtarbeitnehmer im Rahmen einer freiwilligen
Mitgliedschaft - auf Bitten der Klägerin ausnahmsweise bereit erklärt, ein Arbeitsverhältnis für den
unbedingt erforderlichen Zeitraum zu begründen. Es sei fest vereinbart worden, dass die Klägerin ab dem
01.05.2007 nur als freie Mitarbeiterin weiter arbeiten könne. Für die Zeit davor sei fest vereinbart worden,
dass das für die freie Mitarbeit vereinbarte Fixum der Bruttomonatslohn sein sollte.
Das Verhalten der Klägerin rechtfertige die fristlose Kündigung, weil sie sich „auf diese Weise“ das
Fortbestehen eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses „rechtswidrig gesichert“ habe. Der
Klägerin sei bereits bei den Vertragsverhandlungen unmissverständlich erklärt worden, dass sie
grundsätzlich keine Arbeitnehmer beschäftige. Die Klägerin habe sich „mutwillig“ der Unterzeichnung des
freien Mitarbeitervertrages entzogen. Dies sei in hohem Maße treuwidrig und stelle in diesem besonderen
Einzelfall einen fristlosen Kündigungsgrund dar.
Die Klägerin könne keinen Monatslohn von € 1.600,00 brutto fordern. Sie bestreite weiterhin, dass der
ortsübliche Arbeitslohn für Immobilienmakler € 1.600,00 betrage. Sie mache die erstinstanzlichen
Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten vollinhaltlich zum Gegenstand des
Berufungsverfahrens. Das als Minimum vereinbarte Arbeitsentgelt sei nicht unangemessen niedrig
gewesen. Der Vergleich einer branchenfremden Person - wie der Klägerin - mit einem Auszubildenden
sei passend. Bei entsprechenden Erfolgen wäre es der Klägerin möglich gewesen, deutlich mehr zu
verdienen.
Der geltend gemachte Fahrtaufwand stünde der Klägerin bereits dem Grunde nach nicht zu. Es fehle an
einer Vereinbarung zwischen den Parteien. Sie bestreite die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe
nach mit Nichtwissen. Sie habe die Klägerin als freie Mitarbeitern gesehen und deswegen weder
angewiesen noch kontrolliert.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung im Schriftsatz vom
15.12.2009 (Bl. 339-343 d.A.), auf den Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
I.
Berufungsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Sie greift das erstinstanzliche Urteil nur im Ergebnis an, lässt aber die gesetzlich
gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils vermissen.
II.
Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für
die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die
Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des
Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit
welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften
Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im
Berufungsverfahren erreicht werden. Demnach muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall
zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher
Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Eine
schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die
Berufungsbegründung sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils
befassen, wenn es diese bekämpfen will (vgl. BAG Urteil vom 08.10.2008 - 5 AZR 526/07 - NZA 2008,
1429, BAG Urteil vom 17.01.2007 - 7 AZR 20/06 - NZA 2007, 566, jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten eingereichte Berufungsbegründung nicht gerecht. Im
Einzelnen:
1.
zwischen den Parteien habe ein
Arbeitsverhältnis
schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Dem pauschalen Vortrag der Beklagten lasse sich nicht
ansatzweise entnehmen, dass - entgegen der Vertragsurkunde - ein freies Mitarbeiterverhältnis begründet
worden sei. Der Arbeitsvertrag sei nicht nach § 117 Abs. 1 BGB wegen des Vorliegens eines
Scheingeschäfts nichtig. Es sei unstreitig, dass die Beklagte der Klägerin im Vorstellungsgespräch den
Abschluss eines freien Mitarbeitervertrags angeboten habe. Dieses Angebot habe die Klägerin unstreitig
abgelehnt und auf dem Abschluss eines Arbeitsvertrags bestanden, um gesetzlich krankenversichert zu
sein. Die Beklagte habe selbst vorgetragen, dass sie - nach Einholung von Erkundigungen - mit der
Klägerin den Arbeitsvertrag vom 01.02.2007 abgeschlossen habe, damit diese in einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Somit hätten beide Parteien nach ihrem
übereinstimmenden Willen einen Arbeitsvertrag abschließen wollen. Hinzu komme, dass der erstrebte
Rechtserfolg (gesetzliche Krankenversicherung) gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts
(Arbeitsvertrag) voraussetze.
b.) Hierzu führt die Beklagte zweitinstanzlich aus, sie halte daran fest, dass sie mit der Klägerin von
Anfang an eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin vereinbart habe. Sie habe „ganz grundsätzlich“ kein
Arbeitsverhältnis mit der Klägerin begründen wollen. Sie habe deren Befähigung und Geschick für eine
Tätigkeit als Immobilienmaklerin nicht beurteilen können. Deshalb habe sie in der Risikosphäre der
Klägerin belassen wollen, ob sie die behaupteten Fähigkeiten und Qualifikationen besitze. Nur aufgrund
der von der Klägerin geschilderten Umstände - Wechsel von der privaten in die gesetzliche
Krankenversicherung - habe sie ihr behilflich sein wollen. Sie habe sich für eine Übergangszeit - nämlich
bis zum Vorliegen der Voraussetzungen für den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung auch
für Nichtarbeitnehmer im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft - auf Bitten der Klägerin
ausnahmsweise bereit erklärt, ein Arbeitsverhältnis für den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu
begründen. Es sei fest vereinbart worden, dass die Klägerin ab dem 01.05.2007 nur als freie Mitarbeiterin
weiter arbeiten könne. Für die Zeit davor sei fest vereinbart worden, dass das für die freie Mitarbeit
vereinbarte Fixum der Bruttomonatslohn sein sollte.
c.) Mit ihrem Berufungsvortrag wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie setzt sich
mit der ausführlichen Begründung der angegriffenen Entscheidung überhaupt nicht auseinander. Ihre
Ausführungen erschöpfen sich in der Behauptung, sie habe mit der Klägerin eine Tätigkeit als freie
Mitarbeiterin vereinbart. Den vom Arbeitsgericht als entscheidend herausgestellten Punkt - Abschluss
eines schriftlichen Arbeitsvertrages, der nicht als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB nichtig ist -
übergeht die Beklagte völlig.
2.
außerordentliche Kündigung
der Klägerin ein vertragswidriges provozierendes Verhalten vorwerfe, weil diese im Hinblick auf die von
ihr geforderte Aufhebung des Arbeitsvertrags und des Neuabschlusses eines freien Mitarbeitervertrags
taktiert und die Bezahlung einer von ihr nicht ins Verdienen gebrachten Provisionszahlung als
Gegenleistung verlangt habe, liege kein fristloser Kündigungsgrund vor. Der Ausspruch der fristlosen
Kündigung stelle eine unzulässige Maßregelung des Verhaltens der Klägerin im Sinne des § 612 a BGB
dar. Die Klägerin habe im Rahmen der Privatautonomie ihre berechtigten Interessen im Hinblick auf die
von der Beklagten angestrebte Vertragsänderung wahrgenommen.
b.) In der Berufungsbegründung wird dazu ausgeführt, das Verhalten der Klägerin rechtfertige die
fristlose Kündigung, weil sie sich „auf diese Weise“ das Fortbestehen eines sozialversicherungspflichtigen
Arbeitsverhältnisses „rechtswidrig gesichert“ habe. Der Klägerin sei bereits bei den
Vertragsverhandlungen unmissverständlich erklärt worden, dass sie grundsätzlich keine Arbeitnehmer
beschäftige. Die Klägerin habe sich „mutwillig“ der Unterzeichnung des freien Mitarbeitervertrages
entzogen. Dies sei in hohem Maße treuwidrig und stelle in diesem besonderen Einzelfall einen fristlosen
Kündigungsgrund dar.
c.) Es ist auch anhand dieser Berufungsbegründung nicht erkennbar, dass die Beklagte die
Argumentation des Arbeitsgerichts überhaupt zur Kenntnis genommen hätte, geschweige denn, in
welchen Punkten und mit welchen Argumenten sie sie angreifen will. Auf die tragende Erwägung des
Arbeitsgerichts, die fristlose Kündigung vom 07.05.2007 verstoße gegen das Maßregelungsverbot des
§ 612 a BGB, geht die Berufungsbegründung mit keinem Wort ein. Auch nach dem zweitinstanzlichen
Vorbringen der Beklagten war wesentliches Motiv für den Ausspruch der fristlosen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses, die Weigerung der Klägerin, einen freien Mitarbeitervertrag abzuschließen. Die
Klägerin war jedoch berechtigt, den Abschluss eines freien Mitarbeitervertrages zu verweigern. Damit liegt
eine dem Maßregelungsverbot des § 612 a BGB widersprechende Kündigung klar auf der Hand. Die
Berufung legt nicht ansatzweise dar, weshalb in den Ausführungen des Arbeitsgerichts zum
Maßregelungsverbot des § 612 a BGB ein Fehler liegen soll.
3.
könne von der Beklagten ein monatliches Bruttogehalt von € 1.600,00, statt der vereinbarten € 600,00
verlangen. Die
Vergütungsvereinbarung
nichtig. Es liege ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, weil die
vereinbarte Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel des in der betreffenden Branche und
Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche.
Für den Wirtschaftsbereich der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, dem der Betrieb der Beklagten
zuzuordnen sei, bestehe ein Vergütungstarifvertrag (VTV) vom 04.10.2005, der am 01.01.2006 in Kraft
getreten sei. Die tarifliche monatliche Bruttovergütung betrage nach § 4 VTV in der niedrigsten
Gehaltsgruppe I (einfache Tätigkeiten, die einer Einweisung bedürfen) ab dem 24. Lebensjahr € 1.900,00.
Die Klägerin sei mindestens in Gehaltsgruppe I VTV einzugruppieren. Der tarifliche Stundenlohn betrage
bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (monatlich 173,2 Stunden) € 10,96 brutto. Bei der
arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung von € 600,00 brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von
44 Stunden (monatlich 190,5 Stunden) errechne sich ein Stundenlohn von € 3,15. Das zwischen den
Parteien vereinbarte Gehalt liege damit 71,26 % unter dem Tariflohn der niedrigsten Gehaltsgruppe I VTV.
Die tarifvertragliche Vergütung werde daher ganz offenkundig um weit mehr als 1/3 unterschritten und sei
somit sittenwidrig (vgl. BAG Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837, m.w.N).
Das allgemeine Lohnniveau für die in einem Arbeitsverhältnis beschäftigten Immobilienmakler liege in der
Region B-Stadt/ Landkreis X-Stadt nicht unterhalb der tariflichen Vergütung. Dies stehe nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens
fest. Der Sachverständigen habe in seinem Gutachten vom 07.01.2009 ausgeführt, dass die übliche
Einstiegsvergütung für einen Immobilienmakler im Anstellungsverhältnis im Maklergewerbe in jedem Fall
über € 1.600,00 brutto im Monat betrage. Das durchschnittliche Jahresgehalt liege bei einem
Berufsanfänger bei € 28.500,00 (mtl. € 2.375,00). Selbst angestellte Bürokräfte im Bereich des
Immobiliengewerbes verdienten bei kaufmännischer Ausbildung € 2.351,00 bis € 2.520,00 brutto
monatlich. In der Region B-Stadt/ Landkreis X-Stadt bestünden keine relevanten Preis- und
Einkommensunterschiede in Bezug auf die Preise beim Verkauf von Immobilien und den
Kaufinteressenten als im Bundesdurchschnitt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Sachverständigengutachten nicht unbrauchbar. Tatsächliche
Einwendungen gegen die Richtigkeit der vom Sachverständigen festgestellten üblichen Gehälter habe die
Beklagte nicht erhoben. Außerdem habe sie das Nichtvorliegen regionaler Besonderheiten nicht in
Zweifel gezogen. Soweit sie in Bezug auf das Einstiegsgehalt der Klägerin die Ansicht vertrete, die
Klägerin sei wegen ihres Alters, ihrer mangelnden Ausbildung im Bereich der Immobilien- und
Wohnungswirtschaft, ihrer mangelnden beruflichen Erfahrung und ihrer mangelnden Eignung einer
Auszubildenden gleichzusetzen, sei dies unerheblich. Die Klägerin sei nicht in einem
Ausbildungsverhältnis beschäftigt worden.
Das von der Klägerin beanspruchte Monatsgehalt von € 1.600,00 berücksichtige bereits, dass sie über
keine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung und über keine Berufserfahrung verfüge. Die
monatliche tarifliche Vergütung für eine Hilfskraft in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft betrage
€ 1.900,00. Das von der Klägerin begehrte Gehalt liege noch darunter. Von einer unangemessenen
Forderung könne daher keine Rede sein.
Besondere Gründe, zugunsten der Beklagten von der Zwei-Drittel-Grenze abzuweichen, bestünden nicht.
Die geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs, auf die die Beklagte wiederholt hingewiesen
hat, sei hierfür unerheblich. Die Gesamtschau der Arbeitsbedingungen der Klägerin spreche eher gegen
die Beklagte.
Darüber hinaus lägen auch die subjektiven Voraussetzungen des Lohnwuchers im Sinne des § 138 BGB
vor. Das besonders auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche bereits für die
verwerfliche Gesinnung der Beklagten. Darüber hinaus sei der Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen
bekannt gewesen, dass die Klägerin so schnell wie möglich ihren früheren Job in einem Call-Center
aufgeben wollte, um gesetzlich krankenversichert zu sein. Diese Zwangssituation der Klägerin habe sie
schlicht ausgenutzt, indem sie - wie sie selbst vortrage - mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag zu den
Konditionen eines freien Mitarbeiterverhältnisses abgeschlossen habe. Ihr sei bewusst gewesen, dass die
Klägerin - anders als ein freier Mitarbeiter - ihre Arbeitsleistung für 190,5 Monatsstunden zur Verfügung
habe stellen müssen, und zeitlich keine Möglichkeit gehabt habe, - insbesondere auch wegen der
Ableistung von Abend- und Wochenenddiensten -, anderweitige Einkünfte zu erzielen, um ihren
Lebensunterhalt zu sichern. Hinzu komme, dass nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen
Provisionsansprüche zu Gunsten der Klägerin nur bei Überschreiten des Bruttogehaltes von € 600,00 zur
Auszahlung gelangen sollten, so dass gerade zu Beginn des Arbeitsverhältnisses
Provisionsauszahlungen an die Klägerin nicht zu erwarten gewesen seien. Dies sei der Beklagten auch
bewusst gewesen, trage sie doch selbst vor, dass nach ihrer Erfahrung eine „unerfahrene
Quereinsteigerin“ in der Immobilienbranche nicht in der Lage sei, Abschlüsse für qualifizierte und somit
provisionsträchtige Geschäfte, wie den Verkauf einer Immobilie, selbstständig zu tätigen. Auch im
Vorstellungsgespräch sei offen darüber gesprochen worden, dass die Klägerin (wie jeder andere freie
Mitarbeiter) nichts Nennenswertes verdienen werde. Die weitere Behauptung der Beklagten, die Klägerin
habe versichert, dies sei nicht so schlimm, ihr Lebensunterhalt sei durch ihre Lebenspartnerin gesichert,
sei als reine Schutzbehauptung zu werten. Die Zwangssituation der Klägerin habe offen zu Tage gelegen.
Jedenfalls habe sich die Beklagte leichtfertig der Einsicht verschlossen, dass sich die Klägerin nur unter
dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag eingelassen habe.
b.) Hierzu führt die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung aus, die Klägerin könne keinen Monatslohn
von € 1.600,00 brutto fordern. Sie bestreite weiterhin, dass der ortsübliche Arbeitslohn für
Immobilienmakler € 1.600,00 betrage. Sie mache die erstinstanzlichen Einwendungen gegen das
Sachverständigengutachten vollinhaltlich zum Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das als Minimum
vereinbarte Arbeitsentgelt sei nicht unangemessen niedrig gewesen. Der Vergleich einer
branchenfremden Person, wie der Klägerin, mit einem Auszubildenden sei passend. Bei entsprechenden
Erfolgen wäre es der Klägerin möglich gewesen, deutlich mehr zu verdienen.
c.) Dieses Vorbringen stellt keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den sorgfältigen und
wohlbegründeten Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils dar. Die Berufungsbegründung wiederholt
lediglich die Rechtsauffassung der Beklagten, die Klägerin könne keine Bruttovergütung von € 1.600,00
monatlich fordern. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit
den Gründen des angefochtenen Urteils genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße
Berufungsbegründung. Auf die Argumentation des Arbeitsgerichts, der einschlägige
Vergütungstarifvertrag für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sehe für einfache Hilfstätigkeiten in der
niedrigsten Gehaltsgruppe eine Vergütung von € 1.900,00 brutto vor, wird mit keinem Wort eingegangen.
Soweit die Beklagte auf den erstinstanzlichen Sachvortrag, insbesondere die erstinstanzlich erhobenen
Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten verweist, reicht die bloße Bezugnahme auf das
erstinstanzliche Vorbringen nach gefestigter Rechtsprechung zur Berufungsbegründung nicht aus. Die
Erklärung, das Vorbringen aus dem ersten Rechtszug werde wiederholt, genügt den gesetzlichen
Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe nicht (vgl. BAG Urteil vom 15.02.2002 - 2 AZR
473/01 - AP Nr. 55 zu § 519 ZPO, m.w.N.).
4.
ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Erstattung
Höhe von € 575,88 (1.919,6 Kilometer x € 0,30). Die Klägerin habe im Einzelnen dargelegt, dass sie
insgesamt 1.919,6 Kilometer mit ihrem eigenen Pkw zurückgelegt habe, um die Aufnahme von Objekten,
Eigenbesichtigungen, Besichtigungen mit Kunden, das Anbringen von Schildern, Abholen von Plänen
und Unterlagen sowie Besprechungen mit Kunden oder Ämtern im Interesse der Beklagten
durchzuführen.
Die Beklagte habe den substantiierten Vortrag der Klägerin lediglich mit Nichtwissen bestritten. Das
Bestreiten mit Nichtwissen sei vorliegend unzulässig, so dass der Vortrag der Klägerin als zugestanden
gelte. Da die Klägerin ohne Ausnahme Geschäftstermine für die Beklagte aufgeführt habe und
diesbezüglich Arbeitsunterlagen im Betrieb der Beklagten vorhanden sein müssten (z. B. Terminkalender,
Besuchsberichte etc.), wäre es Sache der Beklagten gewesen, im Einzelnen die von der Klägerin
angegebenen Fahrten zu überprüfen und im Einzelnen zu den Fahrten, der Länge der Strecken etc.
substantiiert vorzutragen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die entstandenen Fahrtkosten nicht durch die Zahlung des
sittenwidrig niedrigen Arbeitsentgelts von monatlich € 600,00 brutto (= € 494,07 netto) abgegolten.
b.) In der Berufungsbegründung wird dazu ausgeführt, der geltend gemachte Fahrtaufwand stünde der
Klägerin bereits dem Grunde nach nicht zu. Es fehle an einer Vereinbarung zwischen den Parteien. Sie
bestreite die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach mit Nichtwissen. Sie habe die Klägerin als
freie Mitarbeitern gesehen und deswegen weder angewiesen noch kontrolliert.
c.) Auch zu diesem Einzelanspruch legt die Berufung nicht ansatzweise dar, was an den Erwägungen
des Arbeitsgerichts konkret zu beanstanden ist. Es ist unerheblich, dass die Parteien keine vertragliche
Vereinbarung über die Erstattung von Fahrtkosten getroffen haben. Entsprechend § 670 BGB kann der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Ersatz der Aufwendung verlangen, die er in dessen Interesse hatte und die
er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Die Klägerin hat ein Vermögensopfer im Interesse
der Beklagten erbracht, indem sie ihren Privat-Pkw für dienstliche Fahrten benutze. Die Fahrtkosten sind
mit einer Vergütungszahlung von € 494,07 netto monatlich nicht abgegolten. Die im Einzelnen von der
Klägerin angegebenen Fahrten durfte die Beklagte nicht mit Nichtwissen bestreiten, so dass der
Sachvortrag der Klägerin gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Aus welchen Gründen diese
Argumentation des Arbeitsgerichts fehlerhaft sein soll, zeigt die Berufung mit keiner Silbe auf.
III.
angegriffenen Entscheidung inhaltlich auseinander und lässt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der
Beklagten nicht einmal im Ansatz erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die
Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.