Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26.10.2005

LArbG Mainz: geschäftsführer, fristlose kündigung, arbeitsgericht, dienstverhältnis, anstellungsvertrag, vertragsabschluss, aufhebungsvertrag, satzung, form, gesellschaftsvertrag

LAG
Mainz
26.10.2005
2 Ta 206/05
Rechtsweg für GmbH-Geschäftsführer
Aktenzeichen:
2 Ta 206/05
2 Ca 233/05
ArbG Ludwigshafen
Entscheidung vom 26.10.2005
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts
Ludwigshafen vom 27.04.2005 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen in der vorliegenden
Rechtsstreitigkeit nicht eröffnet ist. Das Verfahren wird an das im Rechtsweg zuständige Landgericht
Frankenthal verwiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdegegner auferlegt bei einem
Beschwerdewert von 6.646,-- Euro.
3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten vorliegend um den Rechtsweg im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens.
Der Kläger ist seit dem 15.07.1998 bei der Beklagten jedenfalls anfangs im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.07.1998 (Bl. 44 - 51 d.A.) als
Verwaltungsleiter für die Fachkliniken zu einem Jahresgehalt von 156.000,-- DM tätig.
Am 08.10.1999 beschloss die Gesellschafterversammlung der damaligen Arbeitgeberin des Klägers u.a.
auch den Kläger zum neuen Geschäftsführer zu bestellen (vgl. Bl. 115, 116 d.A.). Darauf hin wurde der
Kläger als Geschäftsführer der damals noch anders firmierenden Beklagten ins Handelsregister
eingetragen.
Mit Schreiben vom 26.04.2004 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das "bestehende
Dienstverhältnis aus wichtigem Grund". Gleichzeitig informierte sie den Kläger über seine Abberufung als
Geschäftsführer. In einem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen angestrengten
Kündigungsschutzverfahren - 2 Ca 1393/04 - wandte sich der Kläger gegen diese Kündigung. Nachdem
sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hatten, das bestehende Rechtsverhältnis doch fortzusetzen,
nahm der Kläger diese Klage zurück. In der Folgezeit wechselten die damaligen Prozessbevollmächtigten
beider Parteien mehrere Schreiben, in denen es um die schriftliche Fixierung der geltenden
Vertragsbedingungen gegangen ist, ohne dass es insoweit zu einem ausdrücklichen Vertragsabschluss
Vertragsbedingungen gegangen ist, ohne dass es insoweit zu einem ausdrücklichen Vertragsabschluss
gekommen ist. Der Kläger hat danach seine Tätigkeit im bisherigen Rahmen für die Beklagte
weitergeführt.
Am 25.10.2005 kündigte die Beklagte das "bestehende Dienstverhältnis" des Klägers erneut fristlos (vgl.
Bl. 10 d.A.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger die vorliegende Klage vor dem Arbeitsgericht
Ludwigshafen anhängig gemacht. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe in der erneuten Kündigung
das seit dem 15.07.1998 bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt. Zwischen den Parteien habe
ungeachtet seiner Geschäftsführerbestellung ein Arbeitsverhältnis bestanden, das auch entsprechend
"gelebt" worden sei. Dies ergebe sich auch aus einem unter dem 31.12.2003 abgefassten
"Anstellungsvertrag" (vgl. 4 - 9 d.A.), wenngleich dieser schriftliche Vertrag nicht unterzeichnet worden sei.
Die Beklagte hat vorliegend die Rechtswegrüge erhoben und geltend gemacht, zwischen den Parteien
bestehe jedenfalls ein Dienstvertrag auf der Grundlage des bestehenden Geschäftsführerverhältnisses,
das zwischen den Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten anlässlich der Einigung der
Parteien über die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im Anschluss an die fristlose Kündigung vom
26.04.2004 abgeschlossen worden sei. Mit der früheren Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei
auch das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis konkludent aufgelöst worden. Diese Vereinbarung sei auch
nicht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis von § 623 BGB unwirksam, weil diese Bestimmung damals
noch nicht gegolten habe.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 27.04.2005, der Beklagten zugestellt am 01.06.2005, auf
dessen Sachverhaltsdarstellung hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug
genommen wird, festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im vorliegenden
Verfahren eröffnet sei. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, der Kläger wende sich
vorliegend gegen die Beendigung des zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnisses. In
diesem Falle reiche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, weil es sich um einen so
genannten "sic-non-Fall" handele, die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer zur Bejahung
der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Ob zwischen den Parteien tatsächlich ein Arbeitsverhältnis
bestanden hat, müsse dann erst bei der Begründetheit der Klage untersucht werden. Unstreitig hätten die
Parteien zunächst ein Arbeitsverhältnis begründet gehabt, das in der Folgezeit nicht durch eine den
Formerfordernissen des § 623 BGB entsprechende Aufhebungsvereinbarung beendet worden sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte mit einem am 14.06.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz
"Beschwerde"
der Beklagten kraft gesetzlicher Fiktion aus § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer. Der Kläger sei
durch notarielle Urkunde zum Geschäftsführer bestellt worden. Dadurch sei das zuvor bestehende
Arbeitsverhältnis konkludent aufgehoben worden, das Schriftformerfordernis von § 623 BGB stehe diesem
Vertragsinhalt nicht entgegen, weil diese gesetzliche Bestimmung damals noch nicht gegolten habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 20.07.2005, auf dessen Inhalt hiermit
Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und hat es dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur
Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluss und die
Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
II.
Bei dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine sofortige Beschwerde im Sinne von
§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG i. V. m. § 78 ArbGG und §§ 567 ff ZPO. Sie wurde insbesondere form- und
fristgerecht beim Arbeitsgericht eingelegt und wurde darüber hinaus auch noch begründet und erweist
sich auch sonst als zulässig.
In der Sache ist das Rechtsmittel auch begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist für den
vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht begründet, mit der
Folge, dass das Verfahren gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das im Rechtsweg zuständige Landgericht
Frankenthal von Amts wegen zu verweisen war.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder
Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist,
bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten nicht als Arbeitnehmer solche Personen, die in
Betrieben einer juristischen Person kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als
Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Daraus leitet das BAG
in ständiger Rechtsprechung ab, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist für Klagen
bezüglich des der Organstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Anders ist die Rechtslage nur
dann, wenn die Rechtsstreitigkeit eine weitere Rechtsbeziehung betrifft, die neben dem bestehenden
Organverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. BAG NZA 1999, 839). Ist zwischen den
Parteien streitig, ob diese "weitere" Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und die
Eröffnung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen somit von Tatsachen abhängt, die
gleichzeitig Voraussetzung für die Beschreitung des Rechtsweges und für die Begründetheit der Klage
sind (sog. doppelt relevante Tatsachen, sic-non-Fall), so ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG
die Behauptung des Klägers, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, ausreichend (BAG NZA 1997, 509
und seitdem ständige Rechtsprechung). Erhebt der Kläger eine Kündigungsschutzklage mit der
Behauptung, es liege zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vor, das etwa zu Unrecht gekündigt
worden sei, dann begehrt er - wie vorliegend - die Feststellung, dass gerade dieses "Arbeitsverhältnis"
durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Erweist sich dieses Rechtsbegehren materiell rechtlich als
unzutreffend, insbesondere weil tatsächlich kein Arbeitsverhältnis besteht, dann ist die Klage allenfalls
unbegründet. Es kann aber nicht bereits bei der Rechtswegprüfung, also wenn es um die Frage des
gesetzlichen Richters geht, dazu führen, dass auch die Gerichte für Arbeitssachen für einen solchen
Rechtsstreit nicht zuständig sind, weil der Kläger ausdrücklich und gerade eine Feststellung begehrt, für
die nach § 2 ArbGG die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründet ist.
Diese allgemeinen Grundsätze gelten jedoch nicht einschränkungslos, wenn - wie vorliegend - ein
Geschäftsführer einer GmbH sich mittels Klage gegen eine des der Geschäftsführerbestellung zugrunde
liegenden Dienstverhältnisses vor den Gerichten für Arbeitssachen mit der Begründung wendet, er sei in
Wirklichkeit kein Geschäftsführer sondern Arbeitnehmer. Beim Organgeschäftsführer einer GmbH gilt kraft
gesetzlicher Fiktion in § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, dass dieser kein Arbeitnehmer ist, so dass in einem
solchen Fall allein die Rechtsbehauptung, er sei trotzdem Arbeitnehmer, nicht ausreichen kann, um
bereits bei der Rechtswegprüfung zum Ergebnis zu gelangen, allein aufgrund dieser Behauptung sei
schon der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen begründet (vgl. BAG NZA 1999, 839;
Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 2 Rz 213). Die gesetzliche Fiktion von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift
unabhängig davon, ob sich das der Geschäftsführerbestellung zugrunde liegende Dienstverhältnis in
seiner Ausgestaltung als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger zunächst im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für
die Beklagte tätig geworden ist, wie dem schriftlichen Anstellungsvertrag der Parteien vom 10.07.1998 (Bl.
44 - 51 d.A.) eindeutig zu entnehmen ist. Darin ist durchgehend davon die Rede, dass der Kläger als
"Arbeitnehmer" zum Verwaltungsleiter für die Fachkliniken eingestellt wurde und zudem dem
Weisungsrecht seines Vorgesetzten unterliegt.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sich jedoch herausgestellt, dass der Kläger bereits im Oktober
1999 zum Geschäftsführer der Beklagten, die damals noch als "R. Fachkliniken GmbH" firmiert hat,
aufgestiegen ist. Diese Geschäftsführerbestellung hat der Kläger in der Folgezeit nicht verloren. Zwar hat
die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis bereits mit Schreiben vom
26.04.2004 außerordentlich gekündigt gehabt und der Kläger hat schon damals gegen diese Kündigung
Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben gehabt. In der Folgezeit haben sich die Parteien
jedoch außergerichtlich darauf verständigt, dass diese Kündigung gegenstandslos ist und das
Rechtsverhältnis der Parteien fortgeführt wird. Wenngleich es in der Folgezeit zu keinem weiteren
Vertragsabschluss gekommen ist, bestehen jedoch keine ernsthaften Anhaltspunkte, dass die Parteien
anlässlich dieser Kündigung und ihrer einvernehmlichen Aufhebung das bestehende Rechtsverhältnis
wieder in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt haben. Dazu hätte es einer klaren eindeutigen Regelung
bedurft.
Das BAG hat seine frühere Rechtsprechung (vgl. dazu Schwab, NZA 1987, 839) geändert. Nach der jetzt
gültigen Rechtsprechung, die das erkennende Gericht für uneingeschränkt zutreffend hält, ist im Falle der
Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer bei nicht klaren und eindeutigen vertraglichen
Vereinbarungen jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 623 BGB von der Vermutung auszugehen, dass mit
Abschluss eines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer das ursprüngliche Arbeitsverhältnis konkludent
aufgehoben wird und grundsätzlich sein Ende findet. Die vertraglichen Beziehungen der Parteien werden
mit der Geschäftsführerbestellung auf eine andere Ebene gehoben, so dass grundsätzlich davon
auszugehen ist, dass die Parteien am zuvor bestehenden Arbeitsverhältnis gerade nicht mehr festhalten
wollen (vgl. BAG v. 08.06.2000 - 2 AZR 297/99; BAG NZA 203, 272). Ob an dieser Rechtsprechung durch
die Einführung des Schriftformerfordernisses für eine Kündigung und für einen Aufhebungsvertrag in §
623 BGB festzuhalten ist, bzw. welche Grundsätze beim Eingreifen von § 623 BGB gelten, kann
vorliegend dahingestellt bleiben. Diese Bestimmung ist erst zum 1. Mai 2000 in Kraft getreten. Zu diesem
Zeitpunkt hat aber zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, weil der Kläger bereits
im Oktober 1999 zum Geschäftsführer der damals als "REFUGIUM Fachkliniken GmbH" firmierenden
Beklagten aufgestiegen ist. Mit dieser Bestellung wurde auch konkludent das zuvor durch Arbeitsvertrag
vom 10.07.1998 begründete Arbeitsverhältnis aufgehoben. Dass die Parteien in der Folgezeit erneut ein
Arbeitsverhältnis begründet haben, ist ihrem Sachvortrag nicht zu entnehmen. Zwar hat der Kläger in der
Klageschrift behauptet, die Parteien hätten erneut ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen und in der
Folgezeit auch "danach gelebt". Ein vom Kläger vorgelegter - von wem auch immer konzipierter -
Vertragsentwurf (Bl. 4 - 9 d.A.) wurde jedoch von beiden Parteien gerade nicht unterzeichnet, auch wurde
der Kläger nicht etwa Ende des Jahres 2003 als Geschäftsführer der Beklagten abberufen. Auch bestehen
keine Anhaltspunkte, dass die Parteien neben dem der Organstellung zugrunde liegenden
Dienstverhältnis noch ein zusätzliches Arbeitsverhältnis abgeschlossen haben, das Gegenstand der
vorliegenden Kündigungsschutzklage des Klägers sein könnte. Ist der Kläger aber Organ der beklagten
GmbH, dann gilt er kraft gesetzlicher Fiktion nicht als Arbeitnehmer mit der Folge, dass seine bloß
unsubstantiierte Rechtsbehauptung, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis, in dieser
Fallvariante nicht ausreicht, um mit Erfolg überhaupt den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen
zu beschreiten.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72
Abs. 2 i. V. m. § 78 ArbGG nicht zugelassen werden.
Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben