Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 13.03.2009

LArbG Mainz: arbeitsgericht, vergütung, mutwilligkeit, verfügung, unentgeltlich, praktikum, arbeitsentgelt, mietzins, klageerweiterung, quelle

LAG
Mainz
13.03.2009
8 Ta 45/09
Zurückverweisung an das Arbeitsgericht nach § 572 Abs. 3 ZPO.
Aktenzeichen:
8 Ta 45/09
3 Ca 2061/08
ArbG Ludwigshafen
Beschluss vom 13.03.2009
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom
17.12.2008 - 3 Ca 2061/08 - aufgehoben, soweit der Antrag des Klägers auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde.
2. Insoweit wird die Sache an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Gründe:
Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und vorwiegend insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist
begründet. Sie führt nach § 572 Abs. 3 ZPO zur Zurückweisung an das Arbeitsgericht.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann die beantragte PKH-Bewilligung nicht zum Teil mit der
Begründung verweigert werden, der Kläger sei gehalten, vorerst nur einen Teil der streitbefangenen
Vergütungsansprüche gerichtlich geltend zu machen, um die Kostenbelastung der Staatskasse zu
begrenzen. Die diesbezügliche Argumentation des Arbeitsgerichts bezieht sich offenbar auf den in § 114
ZPO enthaltenen Begriff der Mutwilligkeit. Eine solche liegt jedoch im Streitfall nicht vor.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in
gleicher Weise verfolgen würde, insbesondere von einer Prozessführung absehen oder nur einen Teil des
Anspruchs geltend machen würde (Zöller, ZPO 27. Aufl., § 114 Rz. 30 m. w. N. a. d. Rspr.). Stehen dem
Hilfsbedürftigen mehrere prozessuale Wege zur Verfügung, so ist ihm u. U. zuzumuten, den
kostengünstigsten Weg zu bestreiten, um vermeidbare Kosten zu sparen. Es darf ihm indessen nicht
verwehrt werden, den sichersten Weg oder weitestgehensten Rechtschutz zu wählen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Klage nicht zum Teil als mutwillig. Eine Teilklage spart
nämlich nur dann Kosten, wenn zu erwarten ist, dass das Urteil den Beklagten veranlassen wird, seine
gesamte Schuld zu tilgen (Zöller, a. a. O., § 114 Rz. 34). Hiervon kann im vorliegenden Fall in Ansehung
des Streitstoffes keinesfalls ausgegangen werden. Dem Kläger ist auch nicht zuzumuten, zunächst
lediglich sein Feststellungsbegehren und nur einen Teil seiner Entgeltforderung u. U. über mehrere
Instanzen zu verfolgen und erst nach rechtskräftigem Obsiegen den restlichen und zugleich größeren Teil
seiner Forderung einzuklagen. Abgesehen davon, dass durch eine solche Vorgehensweise wohl keinerlei
Kosten eingespart werden könnten, würde dadurch - worauf der Kläger in seiner Beschwerdeschrift
zutreffend hinweist - das Risiko einer Insolvenz des Prozessgegners auf die hilfsbedürftige Partei
verlagert. Insoweit steht auch das Titulierungsinteresse der Annahme einer Mutwilligkeit der Klage
entgegen.
Der PKH-Antrag des Klägers kann auch nicht mit der weiteren, im Nichtabhilfebeschluss enthaltenen
Begründung teilweise zurückgewiesen werden, die vom Kläger nach § 612 Abs. 2 BGB geltend gemachte
übliche Vergütung sei überhöht. Zwar bestehen auch seitens der Beschwerdekammer Zweifel, ob der vom
Kläger diesbezüglich zugrunde gelegte Bruttomonatsverdienst von 2.584,64 € vorliegend als übliche
Vergütung i . S. v. § 612 Abs. 2 BGB in Ansatz gebracht werden kann. Dies führt indessen nicht dazu, dass
die Erfolgsaussicht der Klage insoweit in Gänze verneint werden könnte. Vielmehr fehlt der Klage unter
diesem Gesichtspunkt die gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nur bezüglich
desjenigen Teils der Klageforderung, der die übliche Vergütung i. S. v. § 612 Abs. 2 BGB übersteigt.
Das Beschwerdegericht macht (ausnahmsweise) von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache nach § 572
Abs. 3 ZPO an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dies insbesondere im
Hinblick darauf, dass hinsichtlich der Höhe der dem Kläger u. U. nach § 612 Abs. 2 BGB zustehenden
üblichen Vergütung keinerlei konkrete Feststellungen getroffen wurden. Insoweit können allerdings im
PKH-Verfahren keine allzu hohen Anforderungen an die Darlegungen des Klägers gestellt werden. Dieser
hat immerhin für die von ihm behauptete Entgelthöhe Beweis angeboten. Wenn über eine Behauptung
der Partei Beweis zu erheben ist, so besteht in der Regel hinreichende Erfolgsaussicht. Allerdings ist im
PKH-Prüfungsverfahren in Ausnahmefällen auch eine Beweisantizipation möglich. Dies gilt dann, wenn
die Gesamtwürdigung aller feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung
zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (vgl. Zöller, a. a. O., § 114 Rz. 26 m.
w. N. a. d. Rspr.). Im Übrigen sind vorliegend die in Rechtsprechung und Literatur bezüglich der
Bemessung der üblichen Vergütung i. S. v. § 612 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen
(vgl. hierzu Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl., § 612 BGB Rz. 35 ff).
Das Arbeitsgericht ist bei seiner erneuten Entscheidung an die oben dargestellte rechtliche Beurteilung
des Beschwerdegerichts in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO gebunden (vgl.
Schwab/Weth, ArbGG, 2. Aufl., § 78 Rz. 55).
Darüber hinaus sieht sich das Beschwerdegericht veranlasst, darauf hinzuweisen, dass sich aus dem
PKH-Bewilligungsbeschluss nicht eindeutig ergibt, auf welchen konkreten Monat bzw. Zeitraum sich der
vom Arbeitsgericht angenommenen Betrag von 2.000,-- € brutto bezieht. Im Hinblick auf die vom
Arbeitsgericht gewählte Formulierung ("bezogen auf den ersten Arbeitsmonat") könnte der Beschluss u. U.
dahingehend ausgelegt werden, dass dem Kläger gerade für die Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt für
den Monat Juli 2008 Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Diesbezüglich hat der Kläger jedoch selbst in
seiner Klageschrift vorgetragen, dass er in diesem Monat beim Beklagten ein Praktikum absolviert hat,
keine Vergütung vereinbart war und ihm für diesen Zeitraum unentgeltlich ein Zimmer vom Beklagten zur
Verfügung gestellt wurde. Darüber hinaus hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.11.2008 (Bl. 28 f d. A.)
selbst vorgetragen, dass der vereinbarte Mietzins für die Zeit ab August 2008 von seiner Forderung in
Abzug zu bringen ist. Eine entsprechende Anpassung des Klageantrages ist jedoch - soweit ersichtlich -
bislang nicht erfolgt. Der Klageantrag vom 14.11.2008 (Bl. 28 d. A.) enthält vielmehr eine bloße
Klageerweiterung. Bezüglich der eingeklagten Arbeitsvergütung für den Monat Oktober 2008 kann
erwogen werden, ob der aus dem Inhalt der vom Kläger vorgelegten PKH-Unterlagen ersichtliche und
daher gerichtsbekannte, nach § 115 SGB X eingetretene Anspruchsübergang bei der Prüfung der
Erfolgsaussicht der Klage Berücksichtigung finden muss. Letztlich erscheint nicht gänzlich unzweifelhaft,
ob der Kläger eine ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat. Das eingereichte Formular enthält außer in den Rubriken A
und B keinerlei Angaben bzw. Eintragungen. Ob diese in Ansehung des vorgelegten Bescheides vom
13.10.2009 insgesamt obsolet sind, erscheint fraglich.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher
unanfechtbar.