Urteil des LAG Niedersachsen vom 04.06.2014

LArbG Niedersachsen: mindestlohn, sachlicher geltungsbereich, gehalt, verordnung, stadt, tarifvertrag, arbeitsgericht, rehabilitation, niedersachsen, arbeitsausfall

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sachlicher Geltungsbereich TV Mindestlohn für
pädagogisches Personal - Entgeltfortzahlung und
Feiertagslohn
1. Die Ausnahmeregelung in Satz 2 des § 1 Nr. 2 TV Mindestlohn für
pädagogisches Personal greift nur ein, wenn die Einrichtung arbeitszeitlich
überwiegend mit der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen
befasst ist.
2. Nach dem Lohnausfallprinzip bemisst sich der Feiertagslohn und der
Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach der Höhe des Mindestlohns gemäß §
3 Nr. 1 TV Mindestlohn für das pädagogische Personal.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 16. Kammer, Urteil vom 04.06.2014, 16 Sa
1348/13
§ 2 Nr 1 AEG, § 2 Nr 2 AEG, § 3 AEG, § 4 Nr 8 AEG, § 5 AEG, § 6 Abs 9 AEG, § 7
AEG, § 8 Abs 1 AEG, § 2 Abs 1 EntgFG, § 3 Abs 1 EntgFG, § 4 Abs 1 EntgFG, § 35
Abs 1 S 1 SGB 9
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim
vom 04.12.2013 – 2 Ca 193/13 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.545,42 € brutto zu zahlen nebst
Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten seit dem 05.09.2013.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die übrigen
Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 71 % und die Beklagte zu 29
% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtzug noch darüber, ob sich das Entgelt
der Klägerin aufgrund der Verordnung vom 17.07.2012 (Bl. 132 d. A.) nach
dem Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal
vom 15.11.2011 (im folgendem TV Mindestlohn, Bl. 133 d. A.) richtet,
insbesondere auch das Feiertagsentgelt und die Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfalle.
Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb in A-Stadt als pädagogische
Mitarbeiterin auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 29.08.2008 (Bl.
79 ff. d. A.) beschäftigt, der eine wöchentliche Arbeitszeit von 29,25 Stunden
ausweist, wobei die Parteien jedoch durch befristete Zusatzvereinbarungen
verschiedentlich deren Umfang änderten.
Die Beklagten erbringt in ihrem Betrieb in A-Stadt im Auftrag der
Bundesagentur für Arbeit Aus– und Weiterbildungsmaßnahmen nach SGB II
und III und beschäftigt ihre ca. 50 Arbeitnehmer in diesem Bereich, wobei sie
aufgrund des Rahmenvertrags mit der Bundesagentur für Arbeit vom
06.07.2011 (Bl. 134 ff. d. A.) als vergleichbare Einrichtung im Sinne des
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§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX befugt ist, Maßnahmen nach § 102 Abs. 1 Nr. 1a
(jetzt: § 117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III) durchzuführen. Im Auftrag der
Bundesagentur für Arbeit führte sie jedenfalls bis März 2014 eine solche
Maßnahme in ihren rollstuhlgerechten Räumen in der M-Straße durch, wobei
sie dafür zwei bis drei Arbeitnehmer einsetzte. Die übrigen Maßnahmen, in
denen die Klägerin wie die Mehrzahl der Arbeitnehmer eingesetzt sind, führt
sie im 500 m entfernten Hauptgebäude durch.
Nach dem die Beklagten mit Aushang vom 03.09.2012 (Bl. 170 d. A.) über die
verwaltungsgerichtliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der
Verordnung vom 17.07.2012 unterrichtet und mitgeteilt hatte, dass sie, falls
sich Widererwarten die Wirksamkeit des Tarifvertrags herausstellen sollte, die
Gehälter nachberechnen und Nachzahlungen vornehmen werde, berechnete
sie im März 2013 das Gehalt der Klägerin für die Monate August 2012 bis März
2013 auf der Basis des Mindeststundenentgelts von 12,60 € nach, wobei sie
jedoch nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und die Urlaubsstunden
berücksichtigte, nicht jedoch die Feiertagsstunden (10/12: 8 Stunden, 12/12:
28,75 Stunden, 01/13: 4,75 Stunden, 03/13: 7 Stunden) und die
Entgeltfortzahlungsstunden (08/12: 15 Stunden, 10/12: 39 Stunden, 11/12: 7
Stunden, 01/13: 64,5 Stunden, 02/13: 7 Stunden, 03/13: 94,5 Stunden).
Auf dieser Basis zahlte sie an die Klägerin nach für:
August 2012 über das arbeitsvertragliche Gehalt von 1.549,00 € hinaus
weitere 341,10 €
September 2012 über das arbeitsvertragliche Gehalt von 1.107,69 € hinaus
weitere 101,91 €
November 2012 über das arbeitsvertragliche Gehalt von 1.650,00 € hinaus
weitere 199,05 €.
Entsprechend verfuhr die Beklagte für die Monate April bis Juni 2013, indem
sie eine Vergleichsberechnung zwischen dem arbeitsvertraglichem Gehalt und
dem Mindestentgelt für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und die
Urlaubsstunden erstellte und die Feiertagstunden (04/13: 8 Stunden, 05/13: 24
Stunden) und die Entgeltfortzahlungsstunden (04/13: 63,5 Stunden, 05/13: 8
Stunden) unberücksichtigt ließ. Auf dieser Basis zahlte sie an die Klägerin
nach für
Mai 2013 über das arbeitsvertragliche Gehalt von 1.650,00 € hinaus weitere
38,40 €
Juni 2013 über das arbeitsvertragliche Gehalt von 1.650,00 € hinaus weitere
151,80 €.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Bl. 142 d. A. verwiesen, aus
der sich weiter ergibt, dass die Beklagte im Dezember 2012 für 26,75
Überstunden im August 2012 52,10 € nachzahlte.
Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2013 die Unvollständigkeit der
Nachzahlung erfolglos moniert hatte, hat sie mit ihrer am 26.06.2013
eingereichten Klage für die Monate August 2012 bis Juni 2013 das
Mindestentgelt auch für die Feiertagsstunden und die
Entgeltfortzahlungsstunden verlangt sowie die Unwirksamkeit der Befristung
der Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf 35,75 Stunden pro Woche geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit einer
Wochenarbeitszeit von 35,75 h unbefristet fortbesteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.813,21 € brutto nebst 5
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2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.813,21 € brutto nebst 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz auf
476,37 € seit dem 01.09.2012
742,39 € seit dem 01.10.2012
391,20 € seit dem 01.11.2012
141,75 € seit dem 01.12.2012
302,00 € seit dem 01.01.2013
413,25 € seit dem 01.02.2013
238,39 € seit dem 01.03.2013
302,00 € seit dem 01.04.2013
333,75 € seit dem 01.05.2013
321,93 € seit dem 01.06.2013
150,19 € seit dem 01.07.2013
jeweils brutto – zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens hat die Beklagte die Auffassung
vertreten, der Tarifvertrag vom 15.11.2011 finde keine Anwendung, weil es
sich bei ihrem Betrieb in A-Stadt um eine Einrichtung im Sinne des § 35 Abs. 1
Satz 1 SGB IX handele. Hilfsweise hat sie sich darauf berufen, dass der
Tarifvertrag nur das Mindestentgelt für die tatsächlich geleisteten
Arbeitsstunden normiere.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes
wird auf den Tatbestand des Urteils vom 04.12.2013 Bezug genommen, mit
dem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Dabei hat das
Arbeitsgericht das Zahlungsbegehren für unbegründet erachtet, weil die
Beklagte aufgrund des Vertrags mit der Bundesagentur für Arbeit vom
06.07.2011 eine Einrichtung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei, die
sowohl nach dem Wortlaut der Verordnung vom 17.07.2012 als auch nach
dem Wortlaut des Tarifvertrags nicht der Mindestlohnregelung unterfalle.
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen, das der Klägerin am
12.12.2013 zugestellt worden ist und gegen das sie am 23.12.2013 Berufung
eingelegt hat, die sie am 10.02.2014 begründet hat.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren in verminderter
Höhe weiter, in- dem sie einschließlich der Feiertags- und
Entgeltfortzahlungsstunden für eine Ist-Zeit in den Monaten August 2012 bis
Juni 2013 von insgesamt 1.670,5 Stunden x 12,60 € ein Mindest-entgelt von
21.048,30 € errechnet, von dem sie die erfolgten Gehaltszahlungen und
Nachzahlungen in Höhe von insgesamt 18.502,08 € absetzt. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Aufstellung Bl. 273 d. A. Bezug genommen.
Dabei wendet sich die Klägerin aus den in ihrer Berufungsbegründungsschrift
wiedergegebenen Gründen gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, es
handele sich bei dem Betrieb der Beklagten in A-Stadt um eine Einrichtung im
Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, obwohl dort nur eine einzige
Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werde, die nur von zwei bis drei der
ca. 50 Arbeitnehmern der Beklagten betreut werde. Wegen der Einzelheiten
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ca. 50 Arbeitnehmern der Beklagten betreut werde. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 10.02.2014 und den
ergänzenden Schriftsatz vom 05.05.2014 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin 2.545,42 € brutto nebst Zinsen seit dem 05.09.2013 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer
Berufungserwiderung vom 21.03.2014, auf die gleichfalls Bezug genommen
wird.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) ist form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2
ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Zahlung weiterer 2.545,42 € brutto für
die Zeit von August 2012 bis Juni 2013.
Für die Arbeitszeit die infolge eines Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall
erhalten hätte. Gleiches gilt für die ersten 6 Wochen, in denen die Arbeit infolge
einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausfällt. Die
Klägerin hätte in den streitbefangenen Zeiträumen ohne den
feiertagsbedingten und den krankheitsbedingten Arbeitsausfall gemäß § 3 Nr.
1 TV Mindestlohn einen Anspruch auf 12,60 € pro Stunde gehabt. Dieses
Entgelt ist ihr fortzuzahlen (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 und 1a
EFZG).
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt den Bestimmungen des TV
Mindestlohn. Dabei ergibt sich die Tarifbindung mangels beiderseitiger
Organisationszugehörigkeit nicht schon aus § 3 TVG sondern aus § 7 AEntG i.
V. m. der Verordnung vom 20.07.2012.
a) Bei dem TV Mindestlohn handelt es sich um einen solchen gemäß den §§ 4
Nr. 8, 5, 6 Abs. 9 AEntG, der nach seinem sachlichen Geltungsbereich (§ 1 Nr.
2 TV Mindestlohn) und nach § 1 Satz 1 der Verordnung für Betriebe und
selbständige Betriebsabteilungen gilt, in denen überwiegend Aus- und
Weiterbildungsmaßnahmen nach SGB II und III durchgeführt werden, wobei
jedoch Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des
§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ausgenommen sind.
aa) Das entspricht dem in § 6 Abs. 2 bis 9 AEntG normierten
Überwiegensprinzip, das von dem Bundesarbeitsgericht für Mischbetriebe in
ständiger Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 26.09.2001 – 10 AZR 669/00, AP
Nr. 244 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) entwickelt worden ist, nach dem ein
Betrieb oder selbständiger Betriebsteil einem Tarifvertrag dann unterfällt, wenn
arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter seinen
sachlichen Geltungsbereich fallen.
Die Beklagte befasst sich in ihrem Betrieb in A-Stadt mit Aus- und
Weiterbildungsmaßnahmen für die Bundesagentur für Arbeit, also mit Aus- und
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Weiterbildungsmaßnahmen nach SGB II und III, in denen sie ihre
Arbeitnehmer einsetzt, ist also überwiegend mit solchen Maßnahmen befasst,
sodass der Betrieb grundsätzlich unter den sachlichen Geltungsbereich des §
1 Nr. 2 TV Mindestlohn fällt.
bb) Bei Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Auftrag der Bundesagentur für
Arbeit nach SGB II und III kann es sich um allgemeine Aus- und
Weiterbildungsmaßnahmen, z. B. nach § 115 SGB III, aber auch um
besondere Leistungen im Sinne der beruflichen Rehabilitation behinderter
Menschen handeln, z. B. gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III, die in sonstigen
Einrichtungen im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erbracht werden. Nach
dem mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossenen Vertrag vom 06.07.2011
ist die Beklagte in der Lage, solche besonderen Maßnahmen in ihrem Betrieb
als sonstige Einrichtung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu erbringen und hat
in der streitbefangenen Zeit eine solche Maßnahme durchgeführt.
Daraus folgt aber entgegen dem Arbeitsgericht und entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht, dass ihr Betrieb in A-Stadt unter die Ausnahmeregelung in
§ 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn bzw. § 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verordnung
fällt. Eine solche allein am Wortlaut ausgerichtete Auslegung berücksichtigt
nicht das für Mischbetriebe entwickelte Überwiegensprinzip, das § 6 Abs. 2 bis
9 AEntG zugrunde liegt und deshalb auch bei § 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn
bzw. § 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Verordnung Anwendung zu finden hat. Da
jedoch arbeitszeitlich die Maßnahme nach § 117 Abs. 1 Nr. 1a SBG III von
untergeordneter Bedeutung gewesen ist, unterfällt der Betrieb der Beklagten
insgesamt den Normen des TV Mindestlohn.
b) Die Klägerin ist als pädagogische Mitarbeiterin in den von der Beklagten
durchgeführten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen tätig und unterfällt damit
dem persönlichen Geltungsbereich des § 1 Nr. 3 TV Mindestlohn.
2. Die Beklagte kann der Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche auf
der Basis des Mindestlohnes nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn nicht
entgegenhalten, dass gemäß § 2 TV Mindestlohn lediglich der Mindestlohn für
die tatsächlich geleistete Arbeit und der Urlaub geregelt ist (wie hier: LAG
Niedersachsen, Urteil vom 20.11.2013 – 2 Sa 667/13, Revision eingelegt zum
Aktenzeichen 10 AZR 191/14).
Richtig ist, dass gemäß den §§ 2 Nr. 1 und 2, 3, 5, 8 Abs. 1 AEntG zum
Zwecke der Erstreckung auf aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer in § 2
TV Mindestlohn nur das Entgelt für geleistete Arbeit und der Urlaub geregelt ist,
worauf sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom
12.01.2005 – 5 AZR 617/01, AP Nr. 2 zu § 1 a AEntG) auch nur die
Bürgenhaftung des § 14 AEntG bezieht. Daraus kann jedoch entgegen
Koberski/Asshoff/Eustrup/Winkler, AEntG, 3. Auflage, § 5, Rdnr. 18 (kritisch
dazu: Thüsing/Bayreuther, AEntG, § 8, Rdnr. 6) nicht geschlossen werden,
dass der Mindestlohn nicht Basis der Berechnung der
Entgeltfortzahlungsansprüche nach den §§ 2, 3, 4 EFZG sein kann.
Dass die Entgeltfortzahlungsansprüche nach den §§ 2, 3, 4 EFZG nicht
gemäß § 3 AEntG international zwingend sind, führt für inländische
Arbeitnehmer nicht zu deren Unanwendbarkeit. Rechtsgrundlage für die
Entgeltfortzahlungsansprüche sind gerade nicht die §§ 2, 3 Nr. 1 TV
Mindestlohn. Rechtsgrundlage sind vielmehr die
Entgeltfortzahlungsregelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.
3. Für den streitbefangenen Zeitraum bestimmt sich deshalb der noch offene
Entgeltsanspruch der Klägerin aus der Summe der tatsächlichen
Arbeitsstunden/Urlaubsstunden zuzüglich der Entgeltfortzahlungsstunden
wegen Feiertags und wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit multipliziert
mit 12,60 € abzüglich des für diesen Zeitraum bereits gezahlten Entgelts.
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Unstreitig sind in den Monaten folgende Stunden angefallen:
September 2012: 96 Stunden
Oktober 2012: 162 Stunden
November 2012: 153,75 Stunden
Dezember 2012: 152 Stunden
Januar 2013: 163,75 Stunden
Februar 2013: 143 Stunden
März 2013: 148 Stunden
April 2013: 155,75 Stunden
Mai 2013: 166 Stunden
Juni 2013: 143 Stunden.
Streitig sind nur die Stunden für August 2012. Hier macht die Klägerin 187,75
Stunden geltend, während die Beklagten nur 165 Ist-Stunden=Soll-Stunden
angibt. Dabei übersieht die Beklagte aber, dass sie im Dezember 2012 für
26,75 Überstunden im August eine Nachzahlung geleistet hat, sodass ihr
Vortrag widersprüchlich und damit unbeachtlich ist.
Damit ergibt sich eine Gesamtstundenzahl von 1.670,5 Stunden. Diese mit
12,60 € multipliziert ergibt einen Betrag von 21.048,30 €. Die Differenz zu den
geleisteten Entgeltzahlungen in Höhe von insgesamt 18.502,80 € beträgt
folglich 2.545,42 €.
4. Die Zinsentscheidung beruht auf den § 288 Abs. 1, 291 BGB.
5. Da der Berufung insgesamt Erfolg beschieden ist, hat die Beklagte gemäß §
91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die übrigen
Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 92 Abs. 1 ZPO gequotelt.
6. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.