Urteil des LAG Niedersachsen vom 20.12.2013

LArbG Niedersachsen: übung, verlegung des wohnsitzes, allgemeine geschäftsbedingungen, treu und glauben, fahrtkosten, anschlussberufung, arbeitsgericht, ezb, vergütung, wohnung

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Abbedingung des grundsätzlichen Anspruchs eines
Leiharbeitnehmers auf Erstattung der Kosten für die
Fahrt vom Verleiher zum Entleiherbetrieb gemäß §
670 BGB durch betriebliche Übung
1. Der grundsätzliche Anspruch eines Leiharbeitnehmers auf Erstattung der
Fahrkosten für die Strecke vom Verleiherbetrieb zur konkreten Einsatzstelle
folgt aus § 670 BGB.
2. Der Anspruch nach § 670 BGB kann durch eine im Betrieb des Verleihers
bestehende betriebliche Übung abbedungen werden.
3. Eine betriebliche Übung zur Fahrtkostenerstattung, die eine Erstattung in
Höhe von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer ab dem 21.
Entfernungskilometer bezogen auf die Strecke zwischen dem Wohnort des
Arbeitnehmers und dem Entleiherbetrieb beinhaltet, hält der AGB-Kontrolle
gemäß §§ 305 ff. BGB stand.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 6. Kammer, Urteil vom 20.12.2013, 6 Sa 392/13
§ 305 BGB, § 670 BGB
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück
vom 27.02.2013 - 2 Ca 320/12 - teilweise abgeändert und die Klage wird
insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Osnabrück vom 27.02.2013 - 2 Ca 320/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers als Leiharbeitnehmer auf
Erstattung von Fahrtkosten für Fahrten zwischen dem Betriebssitz der
Beklagten als Verleiherin und dem Einsatzbetrieb.
Der Kläger war vom 29.11.2010 bis 30.04.2012 bei der Beklagten, die
gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Schweißer tätig. Grundlage
des Arbeitsverhältnisses bildete der schriftliche Arbeitsvertrag vom 25.11.2010.
In dessen Ziffer 2 haben die Parteien u.a. den Manteltarifvertrag Zeitarbeit
BZA-DGB-Tarifgemeinschaft vom 22.07.2003 in das Arbeitsverhältnis
einbezogen. Unter Ziffern 22 und 24 ist wörtlich nachstehendes vereinbart
worden:
„…
22. Ausschlussfrist
Der Mitarbeiter ist zur unverzüglichen Nachprüfung der Lohnabrechnung
verpflichtet. Beanstandungen sind unverzüglich vorzubringen. Im
Übrigen gilt die tarifvertragliche Ausschlussfrist.
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24. Nebenabreden
Nebenabreden zu diesem Vertrag bedürfen zur Wirksamkeit der
Schriftform.
…“
Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf
Blatt 5 bis 9 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger wurde während des streitgegenständlichen Zeitraumes von Mai bis
Oktober 2012 und von Dezember 2012 bis Januar 2013 durchgängig in einem
Betrieb in D. eingesetzt. Die Entfernung zwischen seinem Wohnort zu diesem
Einsatzbetrieb beträgt 21,7 km (einfache Strecke). Die Entfernung von seinem
Wohnort zur Betriebsstätte der Beklagten beläuft sich auf 11,4 km (einfache
Strecke).
Im Betrieb der Beklagten besteht eine Fahrtkostenregelung in Form einer
betrieblichen Übung. Danach wird von Seiten der Beklagten
Fahrtkostenerstattung gewährt, soweit die einfache Entfernung vom Wohnort
des Arbeitnehmers zum Einsatzort mehr als 20 km beträgt. In diesem Fall
erhält der Arbeitnehmer für die Strecke zum Einsatzort ab dem 21. km pro
Entfernungskilometer 0,30 €. In Umsetzung dieser Regelung hat der Kläger für
den streitgegenständlichen Zeitraum pro Arbeitstag zumindest 0,60 € erhalten.
Mit Schreiben vom 13.08.2012 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass
er arbeitstäglich einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung von 10,3 km x 2 x
0,30 € pro Kilometer und mithin in Höhe von 6,18 € habe. Wegen der weiteren
Einzelheiten dieses Schreiben wird auf Blatt 39 und 30 d.A. Bezug genommen.
Zuvor hatte der Kläger seinen Anspruch für November 2010 bis April 2012 mit
Schreiben vom 07.06.2012 erfolglos gegenüber der Beklagten geltend
gemacht.
Mit der am 28.09.2012 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingegangenen Klage
hat der Kläger die Beklagte zuletzt auf Fahrtkostenerstattung für die Monate
Mai bis Oktober 2012 und Dezember 2012 sowie Januar 2013 in einer
Gesamthöhe von 721,26 € brutto nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Mehrkosten für die Fahrten zum Entleiher
abzüglich der Fahrten von seinem Wohnort zum Verleiher erbringe er
Interesse der Beklagten. Deshalb habe er nach § 670 BGB einen
entsprechenden Aufwendungserstattungsanspruch. Der Kläger fahre einen
VW Passat, der auf einer Strecke von 100 km etwa 9 bis 10 Liter verbrauche,
woraufhin pro gefahrenen Kilometer 0,30 € als Aufwendungsersatz zugrunde
zu legen seien. Auf den sich hieraus errechnenden Anspruch lasse sich der
Kläger die von der Beklagten bereits erstatteten Fahrtkosten anrechnen. Die
betriebliche Fahrtkostenregelung der Beklagten genüge zunächst dem
Schriftformerfordernis für Nebenabreden nach Ziffer 24 des Arbeitsvertrages
nicht. Zudem stelle sie eine unangemessene Benachteiligung dar, weil so nur
ein Bruchteil des Hinweges und der Rückweg überhaupt nicht vergütet
würden.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 356,76 € (für die Monate
Mai bis August 2012) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 111,60 € netto (für
September 2012) nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der
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EZB seit dem 01.10.2012 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 22,92 € netto (für
Oktober 2012) nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB
seit dem 10.11.2012 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 101,64 € netto (für
Dezember 2012) nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der
EZB seit dem 11.01.2013 zu zahlen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 128,34 € netto (für
Januar 2013) nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB
seit dem 12.02.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich keinen
Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten zwischen Wohnort und Einsatzort
nach § 670 BGB hätten. Zudem sei § 670 BGB abdingbar. Das sei im
vorliegenden Fall durch die betriebsinterne Fahrtkostenreglung geschehen.
Mit Urteil vom 27.02.2013 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Beklagte
verurteilt, an den Kläger für die Monate August, September, Oktober und
Dezember 2012 sowie Januar 2013 Fahrtkostenerstattung in einer
Gesamthöhe von 487,26 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage
abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die
Ansprüche des Klägers für die Monate Mai, Juni und Juli 2012 seien über die
einzelvertraglichen Bezugnahme des Manteltarifvertrages Zeitarbeit BZA-DGB
und die darin unter § 10 vereinbarte einmonatige Ausschlussfrist verfallen. Das
Schreiben des Klägers vom 13.08.2012 stelle keine ausreichende
Geltendmachung seiner Ansprüche für die Monate Mai bis Juli 2012 dar. Ab
August 2012 sei das Begehren des Klägers jedoch nach § 670 BGB
begründet und nicht verfallen. Diese Vorschrift sei im Rahmen von
Leiharbeitsverhältnissen anzuwenden. Zwar sei die gesetzliche Regelung in §
670 BGB dispositiv. Die im Betrieb der Beklagten herrschende betriebliche
Übung sei jedoch wegen einer unangemessenen Benachteiligung der
Arbeitnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam,
woraufhin wiederum auf den gesetzlichen Aufwendungsanspruch nach § 670
BGB zurückzugreifen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Bewertung wird auf die
Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 6 - 11 desselben, Bl. 44 - 47 der
Gerichtsakte) Bezug genommen.
Das Urteil ist der Beklagten am 18.03.2013 zugestellt worden. Ihre hiergegen
gerichtete Berufung ist am 16.04.2013 beim Landesarbeitsgericht
Niedersachsen eingegangen. Die Begründung erfolgte nach entsprechender
Fristverlängerung unter dem 28.05.2013.
Mit am 15.05.2013 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen
Schriftsatz hat der Kläger Anschlussberufung gegen das ihm am 18.03.2013
zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.02.2013 eingelegte
und diese sogleich begründet.
Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, über die bereits erfolgten Zahlungen
hinaus nicht zur weiteren Fahrtkostenerstattung verpflichtet zu sein. Zunächst
folge aus § 670 BGB kein genereller Anspruch von Zeitarbeitnehmern auf
Fahrtkostenerstattung. Abgesehen davon seien evtl. bestehende gesetzliche
Ansprüche des Klägers auf Fahrtkostenerstattung durch die im Betrieb der
Beklagten existierende betriebliche Übung abbedungen worden. Die
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betriebliche Übung beinhalte keine unangemessene Benachteiligung im Sinne
des § 307 BGB. Die Beklagte habe über diese betriebliche Übung nicht etwa
einen Ausschluss von Fahrtkostenerstattung vorgenommen, sondern lediglich
die Berechnung der jeweiligen Höhe pauschaliert. Das sei in der
vorgenommenen Art und Weise nicht zu beanstanden. Zum einen lege die
Fahrtkostenregelung fiktiv eine Entfernung zwischen der Wohnung der
Mitarbeiter zum Betrieb der Beklagten von 20 Kilometern zugrunde. Soweit die
Mitarbeiter der Beklagten zu ihrem Einsatzort eine Entfernung von mehr als 20
km zurückzulegen hätten, erhielten sie für den darüber hinausgehenden Teil
ohne weitere Nachweise eine entsprechende Fahrtkostenerstattung. So werde
sichergestellt, dass kein Mitarbeiter aufgrund seiner Beschäftigung eine
unzumutbar große Entfernung zu seinem Einsatzort zurückzulegen habe,
ohne hierfür eine Entschädigung zu erhalten. Soweit die Entfernung zwischen
Wohnort und Einsatzort mehr als 20 km betrage, gewähre die Beklagte dem
jeweiligen Mitarbeiter nicht lediglich für die Hinfahrt Aufwendungsersatz.
Tatsächlich werde für die Berechnung deshalb auf die einfache Entfernung
abgestellt, weil die notwendige Verdoppelung bei der Höhe des
Verrechnungssatzes pro Kilometer erfolge. Bei überwiegend privat genutzten
Pkw beschränke sich die Fahrtkostenerstattung in der Regel auf die
verbrauchten Kraftstoffe. Setze man hierbei einen durchschnittlichen
Kraftstoffpreis von 1,75 € und einen Durchschnittsverbrauch von 7 l pro 100
km an, ergebe sich eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 0,12 € pro km.
Bereits 2006 habe der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch von Pkw bei
lediglich 6,69 l pro 100 km gelegen. Da der von der Beklagten zugrunde
gelegten Kraftstoffpreis eher hoch sei, würden die von der Beklagten
angesetzten 0,30 € pro Entfernungskilometer problemlos den jeweiligen Hin-
und Rückweg abdecken. Die Regelung der Beklagten über die Erstattung von
Fahrtkosten stelle auch nicht aus sonstigen Gründen eine unangemessene
Benachteiligung des Klägers bzw. der anderen Mitarbeiter dar. Das werde bei
der maßgeblichen generell abstrakten Betrachtungsweise deutlich. Ein
Vergleich der von der Beklagten gezahlten Aufwandsentschädigung mit der
sich rechnerisch aus § 670 BGB ergebene Aufwandsentschädigung ergebe,
dass von den derzeitig 69 Mitarbeitern, die von der Beklagten
Fahrtkostenerstattung erhielten, für 47 Mitarbeiter die aktuelle Regelung
finanziell vorteilhafter sei. Die Behauptung des Klägers, dass es sich bei
seinem Fahrzeug um einen VW Passat handele, sei nicht ausreichend, um die
Plausibilität seiner Angaben überprüfen zu können. So liege ausweislich der
Volkswagen- Homepage der Verbrauch aktueller Passat-Modelle zwischen 4,3
und 6,1 l pro Kraftstoff pro 100 km. Deshalb werde bestritten, dass das
Fahrzeug des Klägers 9 bis 10 l Kraftstoff pro 100 km verbrauche. Das
Arbeitsgericht Osnabrück habe dem Kläger deshalb mangels Schlüssigkeit zu
Unrecht pauschal 0,30 € pro gefahrene km zugesprochen.
Die vom Kläger eingelegte Anschlussberufung sei bereits unzulässig, weil
darin keine sinnvollen oder auslegbaren Anträge gestellt worden seien.
Abgesehen davon sei sie in jedem Fall unbegründet, weil der Kläger mit
seinem Schreiben vom 13.08.2012 seine Ansprüche für die Vormonate nicht in
Sinne der tarifvertraglichen Ausschlussfrist fristwahrend geltend gemacht
habe.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 27.02.2013 - 2 Ca
320/12 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
2. die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
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2. das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 27.02.2013 - 2 Ca
320/12 - teilweise abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 234,00 € brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 04.10.2012 zu zahlen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass ihm als Leiharbeitnehmer gegen die
Beklagte ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auf Grundlage von § 670
BGB zustehe. Die gesetzliche Regelung sei durch die betrieblich Übung im
Hause der Beklagten nicht wirksam abbedungen worden. Zunächst mangelt
es der betrieblich Übung an der arbeitsvertraglich vereinbarten Schriftform.
Zudem sei die darin vorgenommene Pauschalierung der Reisekosten
zumindest zweifelhaft. Die Beklagte zahle bei ihren über 200
Leiharbeitnehmern erst ab dem 21. km eine Erstattung von 0,30 € für den
einfachen Weg. Das Arbeitsgericht sei nachvollziehbar davon ausgegangen,
dass die von der Beklagten gezahlten Pauschale von 0,30 € bereits ab dem
ersten km in Ansatz zu bringen gewesen wäre. Eine besondere
Schlüssigkeitsprüfung für das Fahrzeug des Klägers sei nicht vorzunehmen.
Nach einer Recherchen im Internet (ADAC-Autokosten 2013) werde für das
kleinste Modell des Passat pro km ein Kostenwert von 0,55 € in Ansatz
gebracht, berechnet auf der Basis von Fixkosten, Werkstattkosten,
Betriebskosten und Wertverlust. Es sei nicht erkennbar, warum im
vorliegenden Fall bei der großen Kilometerleistung des Klägers der Wertverlust
nicht zu berücksichtigen sein solle.
Die Anschlussberufung des Klägers sei zulässig. Bei sinnvoller Auslegung des
Antrages der Anschlussberufung vom 14.05.2013 sei ohne weiteres
erkennbar, dass der Kläger zusätzlich zu dem erstinstanzlich ausgeurteilten
Betrag einen weiteren in Höhe von 234,00 brutto begehre. Entgegen der
erstinstanzlichen Einschätzung habe der Kläger seine Ansprüche für die
Monate Mai, Juni und Juli 2012 mit dem Schreiben vom 13.12.2012 im Sinne
der Rechtsprechung zwecks Einhaltung der Ausschlussfrist ordnungsgemäß
geltend gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird
auf ihre Schriftsätze vom 14.05.2013, 28.05.2013 und 05.08.2013 sowie auf
die in der mündlichen Verhandlung am 19.12.2013 wechselseitigen
Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Während die Berufung der Beklagten Erfolg hat, blieb die Anschlussberufung
des Klägers erfolglos.
A.
Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung sind zulässig.
1. Die Berufung ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1 ArbGG, infolge der Zulassung
der Berufung durch das Arbeitsgericht ungeachtet des Wertes des
Beschwerdegegenstandes auch zulässig, § 64 Abs. 2 ArbGG, sowie in
gesetzlicher Form- und Frist eingelegt, § 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Sie wurde innerhalb der - verlängerten - Frist,
§ 66 Abs. 1 S. 1, 5 ArbGG ordnungsgemäß begründet, § 520 Abs. 3 ZPO
i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.
2. Auch die Anschlussberufung ist an sich statthaft, unabhängig vom Wert des
Beschwerdegegenstandes infolge der beiden Parteien erstinstanzlich
eingeräumten Berufungsmöglichkeit zulässig sowie in der gesetzlichen Form
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und Frist eingelegt, § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 4 ArbGG und
ebenfalls ordnungsgemäß begründet worden. Entgegen der Auffassung der
Beklagten ergibt sich bei der gebotenen Auslegung des
Anschlussberufungsantrages unter Einbeziehung der Begründung ohne jeden
Zweifel, dass der Kläger damit unter teilweiser Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils begehrt, die Beklagte dazu zu verurteilen an den
Kläger über die erstinstanzliche bereits ausgeurteilten 487,26 € weitere 234,00
€ nebst Zinsen zu zahlen.
B.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte
keinen Anspruch auf Zahlung von weiterer Kostenerstattung für die vom ihn
vorgenommenen Fahrten zum Entleiherbetrieb. Zwar findet § 670 BGB auch
im Rahmen des vorliegenden Leiharbeitsverhältnisses Anwendung. Die darin
enthaltene Regelung ist jedoch in wirksamer Art und Weise durch die in dem
Betrieb der Beklagten existierende betriebliche Übung zur
Fahrtkostenerstattung abbedungen worden. Die aus dieser betrieblichen
Übung resultierenden Ansprüche des Klägers hat die Beklagte unstreitig
vollständig erfüllt. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Aus
diesem Grunde war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des
Arbeitsgerichtes Osnabrück vom 27.02.2013 - 2 Ca 320/12 - teilweise
abzuändern und die Klage war insgesamt abzuweisen. Darüber hinaus war die
Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
I.
Dabei ist zunächst zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass auch ihm
als Leiharbeitnehmer grundsätzlich der gesetzliche
Aufwendungsersatzanspruch für geleistete Fahrtkosten in entsprechender
Anwendung des § 670 BGB zusteht.
1. Gemäß § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der
Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen hat, die
er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB kann auf
Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden. Macht der
Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch
die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser
Aufwendungen verpflichtet (vgl. nur BAG, 12.03.2013 - 9 AZR 455/11 - NJW
2013, 2923 - 2924).
2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 670 BGB liegen
im Leiharbeitsverhältnis vor. § 670 BGB will den Beauftragten davor schützen,
dass er durch die Geschäftsbesorgung im Interesse des Arbeitgebers einen
Nachteil erleidet. Dieser Rechtsgedanke ist verallgemeinerungsfähig.
Unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis kann derjenige,
der im Interesse eines Anderen Aufwendungen macht, von diesem die
getätigten Aufwendungen Ersatz verlangen. Dabei ist jedoch zu
berücksichtigen, dass Aufwendungen, die der Arbeitnehmer zwecks
Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung tätigt, im Interesse
beider Vertragsparteien liegen können. Dem Arbeitgeber kann deshalb bei
entsprechender Anwendung des § 670 BGB nur dann das alleinige Tragen der
Aufwendungen auferlegt werden, wenn sein Interesse soweit überwiegt, dass
das Interesse des Arbeitnehmers vernachlässigt werden kann (vgl. BAG,
12.04.2011 - 9 AZR 14/10 - AP Nr. 35 zu § 670 BGB).
3. Die Kosten, die dem Kläger für die Fahrt von der Betriebsstätte der
Beklagten zum Entleiherbetrieb entstanden sind, hat er allein im Interesse der
Beklagten aufgewandt. Soweit es die Fahrtkosten vom Wohnort des Klägers
zur Betriebsstätte der Beklagten betrifft, liegen dagegen keine Aufwendungen
zugunsten des Arbeitgebers vor, zumal der Kläger bzw. der Arbeitnehmer es in
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der Hand hat, seinen Wohnsitz in die Nähe des Betriebssitzes zu verlegen und
so Fahrtkosten einzusparen. Wird der Arbeitnehmer demgegenüber, wie
vorliegend der Kläger auf Grundlage von § 3 des Arbeitsvertrages zwischen
den Parteien vom 25.11.2010 in weiter entfernten Entleihbetrieben tätig,
wendet er die hiermit verbundenen Mehrkosten im fremden, nämlich im
Interesse seines Arbeitgebers auf (vgl. LAG Hamm, 30.06.2011 - 8 Sa 387/11 -
LAGE § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 58; LAG Köln, 24.10.2006 - 13 Sa 881/06 -
NZA-RR 2007, 354 - 357; LAG B-Stadt, 30.07.2009 - 15 Sa 268/09 - LAGE §
670 BGB 2002 Nr. 3). Zwar sieht der von den Parteien einzelvertraglich in
Bezug genommene Manteltarifvertrag Zeitarbeit BZA-DGB unter § 8 unter
bestimmten Voraussetzungen die Bezahlung von Vergütung für Wegezeiten
vor. Hiermit sind die Aufwendungen, die mit der An- und Abreise zum Entleiher
verbunden sind, jedoch nicht abgegolten (Ulber, AÜG, 4. Aufl., § 1 AÜG Rnr.
73 n.w.N.). Die Anreise des Leiharbeitnehmers zum Entleiher stellt einen Teil
seiner eingegangenen Arbeitspflicht dar, die hiermit verbundenen
Aufwendungen sind durch den normalen oder den vorliegend tarifvertraglichen
Vergütungsanspruch für die Wegezeiten aber keineswegs abgegolten. Diese
Fahrtkosten entstehen ausschließlich auf Veranlassung und im Interesse des
Verleihers und können vom Leiharbeitnehmer, z. B. durch Verlegung des
Wohnsitzes in die Nähe der Arbeitsstelle nicht beeinflusst werden. Deshalb
steht dem Kläger als Leiharbeiter gemäß § 670 BGB Aufwendungsersatz
grundsätzlich für die Fahrtkosten von der Betriebsstelle zum Einsatzort zu,
während die Ausgaben zwischen der Wohnung und Arbeitsstätte zum
persönlichen Lebensbedarf gehören, der von der Vergütung zu bestreiten ist
(vgl. LAG Köln, 24.10.2006 - 13 Sa 881/06 - a.a.O.).
II.
Die gesetzliche Regelung zum Aufwendungsersatz haben die Parteien jedoch
in wirksamer Art und Weise durch die im Betrieb der Beklagten existierende
betriebliche Übung abbedungen.
1. § 670 BGB beinhaltet keine zwingende, sondern vielmehr eine dispositive
Aufwendungsersatzregelung, die durch individuelle Vereinbarung zwischen
den Parteien ersetzt werden kann. Dementsprechend bestimmt auch § 8.7
MTV Zeitarbeit BZA-DGB, dass „sonstigen“ Aufwendungsersatz gemäß § 670
BGB einzelvertraglich zu regeln ist.
2. Hiervon haben die Parteien Gebrauch gemacht. Im Betrieb der Beklagten
wurde unstreitig an alle Arbeitnehmer während der gesamten Zeit der
Beschäftigung des Klägers eine Fahrtkostenerstattung dergestalt gewährt,
dass die Beklagte an ihre Arbeitnehmer dann, wenn die Entfernung zwischen
Wohnort und Einsatzbetrieb mehr als 20 km beträgt, unabhängig von weiteren
Voraussetzungen für jeden darüber hinausgehenden Entfernungskilometer
0,30 € zahlte. Dabei handelt es sich um eine betriebliche Übung.
a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung
bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die
Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine
Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Durch die betriebliche Übung
erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung. Sie ist
für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen
Form geregelt werden kann (vgl. BAG, 20.05.2009 - 9 AZR 382/07 - AP Nr. 35
zu § 307 BGB).
b) Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass die Beklagte in diesem Sinne
in der Vergangenheit regelmäßig nicht nur dem Kläger gegenüber, sondern
allen Arbeitnehmern gegenüber die Leistung von Fahrtkostenerstattung in der
oben dargestellten Art und Weise vorgenommen hat.
3. Der Wirksamkeit dieser betrieblichen Übung steht zunächst die
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Schriftformklausel gemäß Ziffer 24 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom
25.11.2010 nicht entgegen, wonach Nebenabreden zu ihrer Wirksamkeit der
Schriftform bedürfen. Dabei handelt es sich um eine sog. einfache
Schriftformklausel, weil lediglich Änderungen und Ergänzungen des Vertrages
der Schriftform bedürfen, und nicht wie bei sog. doppelten Schriftformklauseln
vereinbart worden ist, dass die Schriftform ihrerseits nicht durch eine die
Schriftform nicht wahrende Vereinbarung nicht abbedungen werden kann. Für
die vorliegende einfache Schriftformklausel entspricht es der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, dass diese das Entstehen einer
betrieblichen Übung nicht verhindert. Vielmehr wird zutreffend davon
ausgegangen, dass die Vertragsparteien das für eine Vertragsänderung
vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben
könne, und zwar selbst dann, wenn beide dabei an die Schriftform überhaupt
nicht gedacht haben. Dass von den Parteien in Ziffer 24 des schriftlichen
Arbeitsvertrages vom 25.11.2010 vereinbarte einfache Schriftformerfordernis
konnte deshalb durch die betriebliche Übung im Betrieb der Beklagten
abbedungen werden (vgl. nur BAG, 20.05.2008 - 9 AZR 382/07 - a.a.O., BAG,
28.10.1987 - 5 AZR 518/85 - AP Nr. 1 zu § 7 Caritasverband AVR).
4. Die Regelungen der betrieblichen Übung sind als Allgemeine
Geschäftsbedingungen zu qualifizieren. Sie sind wirksamer Bestandteil des
Arbeitsverhältnisses geworden. Weder sind die darin enthaltenen Regelungen
überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB oder intransparent nach § 307
Abs. 1 S. 2 BGB noch sind sie unangemessen benachteiligend gemäß § 307
Abs. 1 S. 1 BGB.
a) Dass die betriebliche Übung nicht schriftlich fixiert worden ist, schließt deren
Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingung nicht aus, § 305 Abs. 1 S. 2
BGB. Auch durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingungen, die
der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, sind
allgemeine Geschäftsbedingungen (BAG, 16.05.2012 - 5 AZR 331/11 - AP Nr.
62 zu § 307 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen der
betrieblichen Übung „ausgehandelt“ im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB sein
könnten, liegen nicht vor. Die Beklagte selbst trägt nicht vor, dem Kläger oder
anderen Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die betriebliche
Übung eingeräumt zu haben.
b) Die Regelungen der betrieblichen Übungen sind nicht überraschend im
Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden.
aa) Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass
der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht rechnen braucht, nicht
Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus,
mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte (BAG,
16.05.2012 - 5 AZR 331/11 - a.a.O.).
bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist die Regelung,
Fahrtkostenerstattung werde erst ab dem 20 Entfernungskilometer zwischen
Wohnort und Einsatzstelle im Umfang von 0,30 € pro Entfernungskilometer
gezahlt, nicht überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Die darin zu
sehende Pauschalierungsvereinbarung von Fahrtkostenerstattung ist im
Arbeitsleben keineswegs als ungewöhnlich zu bezeichnen. Dass
Fahrtkostenerstattung nach § 670 BGB einzelvertraglich geregelt werden
könne, ergibt sich schon aus § 8 des einschlägigen Tarifvertrages Zeitarbeit
BZA-DGB. Der Kläger hat keine Umstände vorgebracht, aus denen sich
ergeben könnte, dass er mit einer solchen Regelung nach den Umständen
vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Seit Beginn des
Arbeitsverhältnisses ist von Seiten der Beklagten in dieser Art und Weise -
zunächst sogar noch zugunsten des Klägers mit höheren Beträgen -
abgerechnet worden.
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c) Die über die betriebliche Übung Vertragsbestandteil gewordene Regelung
ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 S. 2
i.V.m. Abs. 1 S. 2 BGB.
aa) Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu der
pauschalen Vergütung von Überstunden ist auch eine pauschale Abgeltung
von Aufwendungsersatzansprüchen nur dann klar und verständlich, wenn sich
aus der Regelung selbst ergibt, für welche Entfernungen und in welcher Höhe
dem Arbeitnehmer Fahrtkostenerstattung gewährt wird. Der Arbeitnehmer
muss von Anfang an erkennen können, was ggfs. „auf ihn zukommt“, welche
Leistung er beanspruchen kann und auf welche Leistungen er unter
Umständen verzichtet (vgl. BAG, 16.05.2012 - 5 AZR 331/11 - a.a.O.; BAG,
22.02.2012 - 5 AZR 765/10 - NZA 2012, 861 - 863).
bb) Dem wird die betriebliche Übung gerecht. Einerseits ist eindeutig, dass
Fahrtkostenerstattung erst ab dem 21 Entfernungskilometer gezahlt wird.
Andererseits ist die Höhe der Fahrtkostenerstattung konkret auf 0,30 € pro
Entfernungskilometer festgelegt. Jeder Arbeitnehmer weiß, was er aufgrund
dieser Regelung an Fahrtkostenerstattung von der Beklagten verlangen kann.
d) Die im Betrieb der Beklagten praktizierte betriebliche Übung enthält keine
unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
und Nr. 2 BGB.
aa) Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen Allgemeiner
Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige
Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige
Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines
Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend
zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die
Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine
wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender
Interessen der Vertragspartner voraus. Zur Beurteilung der Unangemessenheit
ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen.
Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und
besondere Eigenart des jeweiligen Geschäftes zu berücksichtigen. Zu prüfen
ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäftes
generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten
Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners
ergibt. Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 S. 2
BGB angemessen zu berücksichtigen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine
unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine
Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung,
von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (vgl. nur BAG, 15.05.2013 -
10 AZR 679/13 - NJW-Spezial 2013, 563 - 564, siehe auch Juris).
bb) Die betriebliche Übung weicht von der gesetzlichen Regelung in § 670
BGB insoweit ab, als sie den Aufwendungsersatzanspruch nicht
einzelfallbezogen nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten bemisst,
sondern Pauschalierungen vornimmt und zwar einerseits im Hinblick auf die
Höhe der zu erstattenden Kosten pro Entfernungskilometer sowie andererseits
im Hinblick darauf, dass sie als Maßstab für die Fahrtkostenerstattung auf die
Entfernung zwischen Wohnort und Einsatzstelle abzüglich 20 km abstellt.
Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass Pauschalierungsvereinbarungen
gerade bei einer so häufig vorkommenden Auslage wie Fahrtkosten generell
nicht zu beanstanden sind. Vielmehr ermöglichen sie eine einfach
handhabbare und wenig arbeitsaufwändige Regelung und zwar sowohl für den
Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber. Prüfungsmaßstab für die
Angemessenheit der vereinbarten Pauschalen ist, was die Beklagte ohne die
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betriebliche Übung nach dem Gesetz und mithin nach § 670 BGB
typischerweise geschuldet hätte. Bei der Entscheidung, ob sich die
Pauschalierungsabsprache im Rahmen des nach dem Gesetz Geschuldeten
hält, kommt es nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an,
sondern auf die typische Sachlage (vgl. nur BHG, 05.05.2011 - VII ZR 161/10 -
NJW 2011, 3030 - 3031). Aus diesem Grunde ist vorliegend nicht darauf
abzustellen, ob speziell der Kläger nach § 670 BGB einen höheren Anspruch
als auf Grundlage der betrieblichen Übung gehabt hätte, sondern wie sich die
betriebliche Übung bei generell abstrakter Betrachtungsweise im Betrieb der
Beklagten auswirkt.
cc) Danach ist die betriebliche Übung nicht unangemessen. Zunächst ist nicht
zu beanstanden, dass die Beklagte die ersten 20 km bei der Erstattung von
Fahrtkosten unberücksichtigt lässt. Dadurch werden die Arbeitnehmer schon
deshalb nicht unangemessen benachteiligt, weil die Beklagte diese ersten 20
km nicht etwa ausgehend von ihrem Betriebssitz, sondern vom Wohnort der
jeweiligen Arbeitnehmer aus bestimmt. Grundsätzlich eröffnet § 670 BGB keine
Fahrtkostenerstattungsansprüche für Fahrten zwischen Wohnort des
Arbeitnehmers und Betriebsstätte. Anhaltspunkte dafür, dass die von der
Beklagten gezogenen 20 Kilometergrenze bei generell abstrakter
Betrachtungsweise unangemessen ist, bestehen nicht. Diese pauschale
Begrenzung dient der Vereinfachung und der leichteren Handhabung der
Fahrtkostenerstattungsregelung sowohl für den Arbeitgeber als auch für den
Arbeitnehmer. Zudem kann dieser Faktor der Fahrtkostenerstattung allein vom
Arbeitnehmer, z. B. durch die Verlegung des Wohnsitzes, und nicht von der
Beklagten beeinflusst werden. Soweit die Beklagte dann ab dem 21. km nicht
für Hin- und Rückfahrt, sondern pauschal pro Entfernungskilometer einen
Ausgleich in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer gewährt, hat sie sich
damit erkennbar an der Regelung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Einkommenssteuergesetz orientiert. Danach kann zur Abgeltung der
Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte als Werbungskosten eine Entfernungspauschale für jeden vollen
Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 €
angesetzt werden. Die entsprechende Pauschalierung nimmt den
Arbeitnehmern die Pflicht, dem Arbeitgeber ihre im Rahmen von § 670 BGB
erstattungsfähigen konkret entstandenen Aufwendungen, also die tatsächlich
angefallenen Kosten, nachzuweisen. Wenn es diese
Pauschalierungsregelung nicht gegeben hätte, könnte der Kläger nicht ohne
weiteres einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe der steuerlich
anerkannten Kilometerpauschale geltend machen. Diese schließt sämtliche
Kosten der Kfz-Nutzung ein. Im Zweifel kann aber nicht unterstellt werden, der
Arbeitgeber wolle die gesamten Pkw-Kosten vollständig übernehmen (vgl. nur
Küttner, Personalbuch 2013, Aufwendungsersatz, Rdn. 3). Im Interesse einer
gerade auch für den Arbeitnehmer weniger arbeitsaufwändigen Regelung ist
deshalb die von der Beklagten gewählte Pauschalierung von 0,30 € pro
Entfernungskilometer unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit nicht zu
beanstanden. Auch soweit man die vom Kläger vorgetragenen Zahlen
zugrunde legt, ändert sich hieran nichts. Nach seinen Angaben verbraucht
sein Passat 9 bis 10 l auf 100 km. Daraus ergibt sich bei einen laut ADAC
durchschnittlichen Benzinpreises sowohl im Jahre 2012 als auch im Jahre
2013 von 1,59 € eine Kostenbelastung zwischen 0,14 € (bei einem Verbrauch
von 9 l pro 100 km) und 0,16 € pro Kilometer (bei einem Verbrauch von 10 l pro
100 km). Die sich hieraus ergebenden konkreten
Aufwendungsersatzansprüche des Klägers sind durch die von der Beklagten
gezahlten 0,30 € für den Entfernungskilometer auch bei Zugrundelegung der
Hin- und Rückfahrt entweder überabgedeckt, vollständig abgedeckt oder nur
zu einem geringen Teil nicht abgedeckt. Das ist weder im Verhältnis zum
Kläger noch bei der gebotenen generell abstrakten Betrachtungsweise zu
beanstanden.
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III.
Da die Beklagte unstreitig ihren Verpflichtungen aus der betrieblichen Übung
für den vorliegend streitigen Zeitraum in vollem Umfang entsprochen hat,
stehen dem Kläger keine weitergehenden Ansprüche auf
Fahrtkostenerstattung zu. Seine Klage ist insgesamt unbegründet, ohne dass
es auf die Frage ankäme, ob etwaige Ansprüche zudem auch noch verfallen
sind.
C.
Der Kläger hat als vollständig unterliegende Parteien gemäß § 91 Abs. 1 ZPO
sowohl die erstinstanzlichen als auch die Kosten des Berufungsverfahrens
insgesamt zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Insbesondere hat die vorliegend entscheidungsrelevante Rechtsfrage, ob §
670 BGB wirksam durch eine im Betrieb der Beklagten existierende
betriebliche Übung abbedungen ist, keine allgemeine Bedeutung für die
Rechtsordnung. Dass diese Problematik über den Einzelfall des Klägers
hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl bereits
anhängiger oder konkret zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ist, ist von
keiner Parteien vorgetragen worden, dafür bestehen auch ansonsten keinerlei
konkrete Anhaltspunkte (vgl. hierzu BAG, 25.09.2012 - 1 AZN 1622/12 - AE
2012, 244).