Urteil des LAG Niedersachsen vom 18.06.2014

LArbG Niedersachsen: befristung, arbeitsmarkt, projekt, arbeitsvermittlung, coaching, sicherheit, eingliederung, mitarbeit, niedersachsen, abgrenzung

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Befristetes Arbeitsverhältnis mit einer
Optionskommune - Projekt Bürgerarbeit -
vorübergehender betrieblicher Bedarf - Prognose
1. Die Berufung auf den Sachgrund eines vorübergehenden Bedarfs im
Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG kommt nicht in Betracht, wenn die
befristete Beschäftigung der Wahrnehmung von Daueraufgaben dient.
2. Die im Rahmen des Projekts Bürgerarbeit erfolgende intensivierte
Betreuung von arbeitslosen Hilfebedürftigen durch einen
beschäftigungsbegleitenden Coach mit dem Ziel, diese in den ersten
Arbeitsmarkt zu vermitteln, ist von einer Optionskommune obliegenden
Daueraufgaben nicht hinreichend abgrenzbar. Die Daueraufgabe der
Arbeitsvermittlung wird dadurch nicht zu einer abgrenzbaren
Zusatzaufgabe, dass sich die Methodik und die Herangehensweise an die
Erledigung der Aufgabe verändert.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 2. Kammer, Urteil vom 18.06.2014, 2 Sa
1242/13
§ 6a SGB 2, § 14 Abs 1 S 2 Nr 1 TzBfG
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Göttingen
vom 15. Oktober 2013 – 2 Ca 238/13 Ö – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag
vom 20. Dezember 2012 mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beendet worden
ist.
Der beklagte Landkreis trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer
Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2013 sein Ende gefunden hat.
Der beklagte Landkreis ist als sog. Optionskommune nach § 6 a SGB II
anstelle der Agentur für Arbeit als Träger bestimmter Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitssuchende zugelassen.
Die am 00.00.1978 geborene Klägerin war seit dem 14. September 2009 bei
dem beklagten Landkreis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
von 25 Stunden beschäftigt. Sie erzielte zuletzt eine durchschnittliche
Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.794,00 €. Zunächst lag dem
Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag vom 10. September 2009 zugrunde, der
eine sachgrundlose Befristung bis zum 30. September 2010 vorsah. Mit
Vertrag vom 30. September 2010 vereinbarten die Parteien eine bis zum 31.
Dezember 2012 befristete Beschäftigung der Klägerin. In dem Arbeitsvertrag
ist als Befristungsgrund angegeben: „Mitarbeit im Projekt JobAssist -
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Bürgerarbeit auf der Grundlage des SGB II“ (Bl. 9 ff. d.A.).
Bei diesem Projekt handelte es sich um ein durch das zuständige
Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Mitteln des europäischen
Sozialfonds (im Folgenden: ESF) gefördertes Programm. Das Modellprojekt,
für welches sich der beklagte Landkreis auf ein
Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums erfolgreich
beworben hatte, setzte sich aus zwei Phasen, der Aktivierungs- und
Beschäftigungsphase zusammen. Der beklagte Landkreis beauftragte die
Kreisvolkshochschule, eines seiner Ämter, mit der Durchführung des
Modellprojekts. Ziel der mindestens sechsmonatigen Aktivierungsphase war
es, durch eine intensivierte Betreuung eine Integration von schwer
vermittelbaren arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in den allgemeinen
Arbeitsmarkt zu erzielen. Sofern dies nicht gelang, konnten die Teilnehmer an
dem Modellprojekt in die „Bürgerarbeit“ vermittelt werden. Es handelte sich
hierbei um eine Beschäftigung bei Arbeitgebern, durch welche zusätzliche und
im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten erledigt wurden. Die Förderung
bestand darin, den Arbeitgebern, die Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung
stellen, Zuwendungen zur Tragung der Lohnkosten und
Sozialversicherungsabgaben zukommen zu lassen. Die Bürgerarbeiter
erhielten ein beschäftigungsbegleitendes Coaching. Einzelheiten ergeben sich
aus den „Fragen und Antworten zur Durchführung von Modellprojekten -
Bürgerarbeit“ sowie „Leitfaden zur Bürgerarbeit (Beschäftigungsphase im
Modellprojekt Bürgerarbeit)“; Bl. 130 ff. d.A.
Nach den Vorgaben des Bundesministeriums konnte die Aktivierungsphase
frühestens ab dem 1. Juli 2010 beginnen, die dreijährige Beschäftigungsphase
muss bis spätestens 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein.
Bei dem beklagten Landkreis begann die Aktivierungsphase am 1. Oktober
2010. Die Maßnahmen in der Aktivierungsphase wurden aus dem SGB II -
Budget des beklagten Landkreises und aus ESF - Mitteln des Landes
finanziert. Während der Beschäftigungsphase wurden 200 Bürgerarbeiter
betreut, es erfolgte inhaltlich eine Stabilisierung auf dem jeweiligen
Bürgerarbeitsplatz, das Lösen von Konflikten, der Abbau sog.
Vermittlungshemmnisse sowie eine Berufswegeplanung und Vermittlung auf
einen regulären Arbeitsplatz. Eventuell frei werdende Bürgerarbeitsplätze
wurden von den Projektmitarbeitern neu besetzt, so dass die
Bürgerarbeitsplätze bis auf wenige Ausnahmen konstant besetzt waren.
Neben der Klägerin als Projektleiterin beschäftigte der beklagte Landkreis in
dem Modellprojekt die Mitarbeiterinnen T. und U..
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 beantragte die Kreisvolkshochschule bei
der N.Bank Mittel des ESF-Programms AdQ zur Förderung des Projektes
„Bürgerarbeit/Jobcoaches“. Mit Zuwendungsbescheid vom 15. November
2012 wurde der Kreisvolkshochschule seitens der N.Bank eine entsprechende
50%ige Förderung der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben für den
Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 bewilligt. In
dem Zuwendungsbescheid heißt es unter Ziffer 2, dass die Zuwendung
zweckgebunden ist und ausschließlich für die Durchführung des Projektes
„Bürgerarbeit/Jobcoaches“ zu verwenden sei. Die mit Schreiben vom 19.
Oktober 2012 vorgelegte Projektbeschreibung sowie der beigefügte
vollständig geprüfte Finanzierungsplan vom 14. November 2012 wurden in
dem Bescheid für verbindlich erklärt. Weiter heißt es in dem
Zuwendungsbescheid unter Ziffer 2: „Darüber hinaus werden für dieses Projekt
insgesamt 7.826,40 Stunden für die Tätigkeit als Jobcoach mit einem
Stellenanteil von 100% für Frau S., 64% für Frau A. und 28,2% für Frau W.
festgesetzt“. Wegen des weiteren Inhalts des Bescheids wird auf Bl. 72 ff. d. A.
Bezug genommen.
Bereits mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 hatte das Jobcenter des
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beklagten Landkreises der Kreisvolkshochschule eine Absichtserklärung zur
Co-Finanzierung des ESF-Projektes „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ im Rahmen
der Durchführung des Modellprojektes „Bürgerarbeit“ aus dem Titel zur
Finanzierung von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II abgegeben.
Am 20. Dezember 2012 schlossen die Parteien den hier
streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrag, nach welchem die Klägerin
ab dem 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 als nichtvollbeschäftigte
Arbeitnehmerin mit 64,10% der durchschnittlichen regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten
Arbeitnehmerin zur Mitarbeit im Projekt „JobAssist/Bürgerarbeit“ auf der
Grundlage des SGB II weiterbeschäftigt wird (Bl. 15 ff. d.A.). Die
Mitarbeiterinnen S. und W. erhielten einen bis zum 31. Dezember 2014
befristeten Arbeitsvertrag.
Mit ihrer am 4. Juni 2013 beim Arbeitsgericht Göttingen eingegangenen Klage
begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht
aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist. Sie hat
die Ansicht vertreten, die Befristung sei unwirksam. Der beklagte Landkreis
habe bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages keine Prognose
hinsichtlich des projektbedingten erhöhten Personalbedarfs angestellt. Der
beklagte Landkreis habe sich vielmehr auf eine sog. Fünfjahres-Regelung
berufen und sich deshalb geweigert, mit ihr einen über den 31. Dezember
2013 hinausgehenden Arbeitsvertrag abzuschließen. Hierbei handele es sich
um eine verwaltungsinterne Regelung ohne jegliche arbeitsrechtliche
Bedeutung, in welcher zudem eine mittelbare Altersdiskriminierung zu Lasten
Älterer liege. Da beim Abschluss des Arbeitsvertrages bereits sicher
festgestanden habe, dass über den 31. Dezember 2013 hinaus bis zum 31.
Dezember 2014 Bedarf für ihre Beschäftigung bestehe, sei die Befristung zum
31. Dezember 2013 völlig willkürlich. Hierdurch werde der gesetzliche
Kündigungsschutz unterlaufen. Ferner verstoße der beklagte Landkreis gegen
den Gleichheitsgrundsatz, weil die beiden anderen Mitarbeiterinnen einen bis
zum 31. Dezember 2014 befristeten Arbeitsvertrag erhalten hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im
Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2013 ende.
Der beklagte Landkreis hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der beklagte Landkreis hat die Auffassung vertreten, ein Befristungsgrund
liege vor, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend
bestehe. Bei dem Projekt „JobAssist/Bürgerarbeit“ handele es sich um eine
freiwillig übernommene Zusatzaufgabe und nicht um eine Daueraufgabe. Eine
rechtliche Verpflichtung zur Teilnahme an dem Modellprojekt nach dem SGB II
habe nicht bestanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das
Befristungsende auch nicht willkürlich gewählt, sondern das Ergebnis einer
ordnungsgemäßen Prognose. Die Fünfjahresregelung sei lediglich eine interne
Richtschnur, die auf die erhöhten Anforderungen an die Prognose und den
Sachgrund aufmerksam machen solle. In jedem Fall finde eine
Einzelfallprüfung statt. Der Wirksamkeit der Befristung stehe nicht entgegen,
dass die Vertragslaufzeit nicht mit der voraussichtlichen Dauer des Projekts
übereinstimme. Dass die beiden anderen Mitarbeiterinnen jeweils befristete
Verträge bis zum 31. Dezember 2014 erhalten hätten, hänge mit der Prognose
hinsichtlich des Bedarfs zusammen und stelle keine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes dar.
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Mit Urteil vom 15. Oktober 2013 hat das Arbeitsgericht Göttingen die Klage
abgewiesen und ausgeführt, für die Befristung bestehe der sachliche Grund
des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung im
Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG. Bei der Beschäftigung der Klägerin
im Rahmen des Projektes JobAssist/Bürgerarbeit handele es sich um eine
vorübergehende Zusatzaufgabe des beklagten Landkreises. Zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses habe mit der erforderlichen Sicherheit festgestanden,
dass das Modellprojekt zum 31. Dezember 2014 ende. Die Aufgaben als
Projektmitarbeiterin unterschieden sich im Rahmen der Beschäftigungsphase
inhaltlich von der Daueraufgabe des beklagten Landkreises, der reinen
Arbeitsvermittlung. Das Modellprojekt sei auch personell von den
Daueraufgaben der Arbeitsvermittlung abgrenzbar. Die Betreuung der
Bürgerarbeitsplätze sei ausschließlich durch die drei in diesem Projekt
beschäftigten Mitarbeiterinnen erfolgt. Ferner spreche die jedenfalls zu 50%
erfolgte Drittfinanzierung über die N.Bank dafür, dass es sich bei dem
Modellprojekt um eine nur auf vorübergehende Dauer angelegte Tätigkeit
handele. Der Wirksamkeit der Befristung stehe auch nicht entgegen, dass das
Arbeitsverhältnis lediglich bis zum 31. Dezember 2013 befristet worden sei. Es
könne nicht davon ausgegangen werden, dass die einjährige Vertragslaufzeit
einer dem Sachgrund entsprechenden Mitarbeit der Klägerin entgegenstehe.
Auch die Befristung der Arbeitsverträge mit den zwei weiteren für das
Modellprojekt tätigen Mitarbeiterinnen bis zum 31. Dezember 2014 führe nicht
zur Unwirksamkeit der Befristung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht
anwendbar, weil die Länge des Vertrages zum Gegenstand der individuellen
Vereinbarung zwischen den Parteien gehöre und damit dem Grundsatz der
Vertragsfreiheit unterfalle. Auch die Berücksichtigung aller mit der
Verlängerung verbundenen Umstände führe nicht zur Unwirksamkeit der
Befristung.
Das Urteil des Arbeitsgerichtes ist der Klägerin am 28. Oktober 2013 zugestellt
worden. Hiergegen hat sie mit einem am 26. November 2013 beim
Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit einem am 16. Januar 2014 eingegangenen Schriftsatz
begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 13. Dezember 2013 durch
Beschluss vom 16. Dezember 2013 die Berufungsbegründungsfrist bis zum
28. Januar 2014 verlängert worden war.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Sie
wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und meint, das Urteil des Arbeitsgerichts
Göttingen sei abzuändern. Das Projekt Bürgerarbeit betreffe eine von dem
beklagten Landkreis wahrzunehmende Daueraufgabe. Projektziel sei die
Eingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Ausweislich der
Darstellung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Förderantrages an die N.Bank sei
sie als Job-Coach und damit als Arbeitsvermittlerin tätig gewesen (Bl. 126 ff.
d.A.). Sie habe auch in der Beschäftigungsphase die Betroffenen in den ersten
Arbeitsmarkt vermitteln sollen. Damit sei keine Abgrenzung von der
Daueraufgabe „Arbeitsvermittlung“ möglich. Es handele sich auch nicht um ein
rein drittmittelfinanziertes Projekt, sondern lediglich um ein Instrument, das die
Vermittlungschancen verbessern solle und das im Rahmen des gesetzlichen
Auftrages von dem beklagten Landkreis co-finanziert sei. Der beklagte
Landkreis habe überhaupt keine Prognose angestellt, dass der betriebliche
Bedarf an der Arbeitsleistung nur zeitweise eröffnet sei. Der beklagte Landkreis
habe sich bei der Dauer der Befristung nur von der sachfremden Fünfjahres-
Regelung leiten lassen. Unabhängig davon sei die Befristung auch deshalb
unwirksam, weil die Vertragsdauer hinter dem tatsächlich bis zum 31.
Dezember 2014 bestehenden Beschäftigungsbedarf zurück bleibe. Dies
verstoße gegen die EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befristete
Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG. Die
Rahmenvereinbarung sehe nicht vor, dass Arbeitgeber in den Mitgliedsstaaten
mit den Verträgen hinter der tatsächlichen Dauer des Befristungsgrundes
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zurückbleiben könnten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 15. Oktober 2013 - 2 Ca
238/13 Ö - abzuändern und
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im
Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2013
geendet hat.
Der beklagte Landkreis beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Aufgaben der Klägerin als beschäftigungsbegleitender Coach im Rahmen
der Beschäftigungsphase unterschieden sich deutlich von der reinen
Arbeitsvermittlung, die eine Daueraufgabe des beklagten Landkreises
darstelle. Hinzu komme, dass das Coaching während der
Beschäftigungsphase zu 50% aus Landesmitteln gefördert worden und die
Betreuung der Bürgerarbeitsplätze ausschließlich durch die drei zusätzlichen
beschäftigten Mitarbeiterinnen erfolgt sei. Im Übrigen verteidigt er die
angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe seiner
Berufungserwiderung vom 13. Februar 2014 (Bl. 160 f. d.A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1,
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist begründet.
I.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht aufgrund Befristung vom 20.
Dezember 2012 gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG mit Ablauf des 31. Dezember 2013.
1. Die Wirksamkeit der Befristung ergibt sich nicht bereits aus § 17 Satz 2
TzBfG i.V.m. § 7 KSchG. Die materiell-rechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1
TzBfG wird auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der
vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt (vgl. BAG, 23. Juni 2010 - 7 AZR
1021/08 - EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).
2. Die Befristung des Arbeitsvertrages ist nicht durch einen sachlichen Grund
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.
a. Ein sachlicher Grund liegt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Der
vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung kann auf
unterschiedlichen Sachverhalten beruhen. Er kann sich zum Beispiel aus dem
Umstand ergeben, dass für einen begrenzten Zeitraum in dem Betrieb oder der
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Dienststelle zusätzliche Arbeiten anfallen, die mit dem Stammpersonal allein
nicht erledigt werden können, oder daraus, dass sich der Arbeitskräftebedarf
künftig verringert, etwa wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen
Anlage. Der vorübergehende Bedarf an der Arbeitsleistung kann auch auf
einer zeitweise übernommenen Sonderaufgabe beruhen oder auf einer im
Bereich der Daueraufgaben des Arbeitgebers vorübergehend angestiegenen
Arbeitsmenge, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht
ausreicht (BAG, 20. Februar 2008 - 7 AZR 950/06 - AP TzBfG § 14 Nr. 45).
Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann dagegen nicht auf § 14 Abs. 1 Satz
2 Nr. 1 TzBfG gestützt werden, wenn der vom Arbeitgeber zur Begründung
angeführte Bedarf an der Arbeitsleistung tatsächlich nicht nur vorübergehend,
sondern objektiv dauerhaft besteht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut
der Vorschrift, sondern auch aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der
Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 und der inkooperierten
EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom
18. März 1999, deren Umsetzung die befristungsrechtlichen Vorschriften des
TzBfG dienen. § 5 Nr. 1 Buchstabe a der Rahmenvereinbarung steht der
Anwendung einer Regelung nationalen Rechts, die den Abschluss
aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines
zeitweiligen Bedarf gestattet, entgegen, wenn der Bedarf nicht nur zeitweilig,
sondern ständig und auf Dauer besteht (BAG, 17. März 2010 - 7 AZR 640/08 -
EzA § 14 TzBfG Nr. 63 unter Hinweis auf EuGH, 23. April 1999 - C 378/07 bis
C 380/07 - Angelidaki).
b. Eine Befristung wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an
der Arbeitsleistung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit
hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen
Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers
in dem Betrieb kein dauerhafter Bedarf mehr besteht (BAG, 20. Februar 2008 -
7 AZR 950/06 - AP TzBfG § 14 Nr. 45). Hierüber hat der Arbeitgeber bei
Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages eine Prognose zu erstellen, der
konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist Teil des
Sachgrundes für die Befristung (BAG, 3. November 1999 - 7 AZR 846/98 - AP
BAT § 2 SR 2 y Nr. 19).
c. Wird die Befristung auf einen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf im Bereich der
Daueraufgaben gestützt, hat der Arbeitgeber darzutun, aufgrund welcher
Umstände bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon auszugehen
war, das künftig nach Ablauf der mit dem befristet beschäftigt Arbeitnehmer
vereinbarten Vertragslaufzeit das zu erwartende Arbeitspensum mit dem
vorhandenen Stammpersonal würde erledigt werden können. Die allgemeine
Unsicherheit über die zukünftig bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten
rechtfertigt die Befristung nicht. Sie gehört zum unternehmerischen Risiko des
Arbeitgebers, dass er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages
auf die Arbeitnehmer abwälzen kann (BAG, 9. März 2011 - 7 AZR 728/09 -
EzA TzBfG § 14 Nr. 76). Es reicht demnach nicht aus, dass sich lediglich
unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des
Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte (BAG, 15. Mai 2012 - 7
AZR 35/11 - AP TzBfG § 14 Nr. 97).
d. Wird die Befristung auf die nur vorübergehende Übertragung oder
Wahrnehmung einer sozialstaatlichen (Dauer-)Aufgabe gestützt, vermag dies
für sich gesehen die Befristung nicht zu rechtfertigen (vgl. BAG, 11. Februar
2014 - 7 AZR 362/03 - BAGE 109, 339). So liegt etwa in den Fällen, in denen
sich eine (übertragene) Maßnahme nicht als zeitlich begrenztes Projekt,
sondern als Teil einer Daueraufgabe des staatlichen Auftragsgebers darstellt,
in der Übertragung der sozialstaatlichen Aufgabe allein kein hinreichender
Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses des bei einem
Auftragnehmer angestellten Arbeitnehmers (BAG, 11. September 2013 - 7
AZR 107/12 - EzA TzBfG § 14 Nr. 96; BAG, 4. Dezember 2013 - 7 AZR 277/12
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- NZA 2014, 480).
e. Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze ist die von dem
beklagten Landkreis vorgetragene Prognose, im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses mit der Klägerin sei mit hinreichender Sicherheit zu
erwarten gewesen, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die
Beschäftigung kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe, nicht
begründet.
aa. Die Prognose des beklagten Landkreises stützt sich darauf, dass es sich
bei dem Projekt „JobAssist-Bürgerarbeit“ um ein zeitlich befristetes
Modellprojekt handelt und bei dem die dreijährige Beschäftigungsphase, die
eigentliche „Bürgerarbeit“ bis zum 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein
muss. Bei dem Modellprojekt handele es sich um ein freiwillig übernommene
vorübergehende Zusatzaufgabe. Das begleitende Coaching während der
Beschäftigungsphase sei zu 50% aus Landesmitteln gefördert worden und die
Betreuung der Bürgerarbeitsplätze sei ausschließlich durch die drei zusätzlich
beschäftigten Mitarbeiterinnen, darunter auch die Klägerin, erfolgt.
bb. In seine Prognose hätte der beklagte Landkreis auch einstellen müssen,
dass die Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht „an sich“ eine Aufgabe von
begrenzter Dauer ist. Als steuerfinanziertes staatliches Fürsorgesystem, das
für erwerbsfähige Hilfsbedürftige vorrangig Leistungen zur Eingliederung in
den Arbeitsmarkt bzw. in eine Beschäftigung erbringt, handelt es sich vielmehr
um eine sozialstaatliche Daueraufgabe. Der beklagte Landkreis ist als
zugelassene Optionskommune gemäß § 6 a SGB II dauerhaft kommunaler
Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Verpflichtung zur
Erbringung von Leistungen zur Eingliederung von Arbeitslosen in den
Arbeitsmarkt ist somit bei dem beklagten Landkreis nicht zeitlich begrenzt.
cc. Die Aufgaben des beklagten Landkreises im Rahmen der
Beschäftigungsphase des Konzeptes Bürgerarbeit lassen sich nicht
ausreichend von den von ihm wahrzunehmenden Daueraufgaben abgrenzen.
Die Tätigkeiten der Klägerin unterscheiden sich inhaltlich nicht von den
Aufgaben, die der beklagte Landkreis nach §§ 1, 2, 14 ff. SGB II i.V.m. §§ 35 ff.
SGB III wahrzunehmen hat. Zu den in § 1 Abs. 1 SGB III definierten Zielen der
Arbeitsförderung, die dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die
Dauer der Arbeitslosigkeit abkürzen und den Ausgleich von Angebot und
Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen sollen, gehört
die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit der
Arbeitssuchenden. Insbesondere Langzeitarbeitslose bedürfen regelmäßig
einer besonderen Förderung und Betreuung. Auch die Vermittlung von
derartigen Arbeitslosen gehört zu den Pflichtaufgaben und damit den
Daueraufgaben des beklagten Landkreises. Die Aufgaben der festangestellten
Arbeitsvermittler und der im Rahmen des Modellprojekts Bürgerarbeit befristet
beschäftigten sind gleich. Langzeitarbeitslose sollen durch eine gezielte
Vermittlungsaktion und Förderungsaktion wieder in den ersten Arbeitsmarkt
integriert werden. Die Klägerin war im Rahmen des Modellprojekts Bürgerarbeit
als Arbeitsvermittlerin eingesetzt. Entsprechend der Tätigkeitsbeschreibung
sollte ihre Betreuung zur Integration der zugeteilten Bürgerarbeiter in den
Regelarbeitsmarkt führen. Hierzu diente eine kontinuierliche enge Abstimmung
zwischen den Projektverantwortlichen und dem Jobcenter des beklagten
Landkreises. Während der Projektlaufzeit sollten zusammen die
Vermittlungsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt intensiviert und
überwacht werden. Die Bürgerarbeiter sollten motiviert werden,
Bewerbungsbemühungen aus eigenem Antrieb aufzunehmen. Neben der
„prozessbegleitenden“ Einzelbetreuung sollten je nach Bedarf auch weitere
Gruppenmodule bzw. Workshops angeboten werden, um die soziale
Kompetenz der Bürgerarbeiter zu stärken. Es sollte ein klassisches
Bewerbungscoaching stattfinden. Bei allen Tätigkeiten der Klägerin stand die
Vermittlung der am Modellprojekt Teilnehmenden in den ersten Arbeitsmarkt im
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Vordergrund. Sofern durch Vermittlung eines Teilnehmers auf einen regulären
Arbeitsplatz ein Bürgerarbeitsplatz frei wurde, wurde dieser umgehend neu
besetzt.
Zwar kommt die Beschäftigungsphase erst dann zum tragen, wenn die
Vermittlungsbemühungen während der Aktivierungsphase erfolglos geblieben
sind. Das angestrebte Ziel ist identisch, Arbeitslose sollen auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden. Im Vordergrund des
Modellprojekts „Bürgerarbeit“ stand nicht die zeitlich befristete subventionierte
Besetzung der sog. Bürgerarbeitsplätze. Die Besetzung derartiger Plätze war
nur ein Zwischenschritt, um die Teilnehmer derart zu stabilisieren, damit auch
die Bürgerarbeiter Zugang in den ersten Arbeitsmarkt finden können (vgl.
auch: Fragen und Antworten zur Durchführung von Modellprojekten
„Bürgerarbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit (Bl. 130 ff. d.A.). Diesem Ziel
trägt das Schreiben des Jobcenters des beklagten Landkreises an die
Kreisvolkshochschule vom 27. November 2012 betreffend
„Bürgerarbeit/Jobcoaches“ Rechnung, wenn es dort unter Ziffer 3 heißt, dass
vorrangiges Ziel des Projektes sei, einen Wechsel der Bürgerarbeiter aus der
geförderten Beschäftigung in den regulären Arbeitsmarkt zu erreichen. Auch in
diesem Schreiben bringt das Jobcenter des beklagten Landkreises wörtlich
zum Ausdruck, dass das Thema Vermittlung „zentrale Aufgabe und zentrales
Element“ in der Bürgerarbeit sei.
dd. Die Vermittlung von Arbeitslosen ist für den beklagten Landkreis keine
zeitlich begrenzte Maßnahme, sondern eine Daueraufgabe. Darauf, ob der
beklagte Landkreis für die Durchführung die Kreisvolkshochschule
eingeschaltet hatte, kommt es nicht an. Diese Daueraufgabe des beklagten
Landkreises wird nicht dadurch zu einer abgrenzbaren Zusatzaufgabe, dass
sich die Methodik und Herangehensweise an die Erledigung dieser Aufgabe
verändert. Eine klare und eindeutige Abgrenzung als Zusatzaufgabe oder eine
von einer allgemeinen Zielsetzung zu trennende begrenzte
Projektdurchführung ist nicht erkennbar. Das im Rahmen des Modellprojektes
gegebenenfalls ein anderer Betreuungsschlüssel und bestimmte individuelle
Ansätze praktiziert werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Letztlich hat
der beklagte Landkreis im Rahmen des Modellprojektes lediglich aufgrund von
zusätzlichen finanziellen Mitteln eine intensivere und einzelfallbezogene
Betreuungsmöglichkeit von Langzeitarbeitslosen gewählt. Dies steckt aber
lediglich den finanziellen Rahmen der Tätigkeit der Klägerin ab, macht diese
aber nicht zu einer Zusatzaufgabe. Auch hat es sich bei dem Modellprojekt
nicht um ein rein drittmittelfinanziertes Projekt gehandelt. Der beklagte
Landkreis hat das Modellprojektes „Bürgerarbeit“ ausweislich seines
Schreibens vom 11. Oktober 2012 mitfinanziert.
Da der genannte Befristungsgrund nicht vorlag und sich der beklagte
Landkreis auf andere Befristungsgründe nicht berufen hat, war dem
Feststellungsantrag der Klägerin im Ergebnis stattzugeben.
II.
Auch das weitere Vorbringen des beklagten Landkreises, auf das in diesem
Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe
gemäß § 313 ZPO lediglich eine Zusammenfassung der tragenden
Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 2 Ziffer
ArbGG zuzulassen.