Urteil des LAG Niedersachsen vom 30.07.2014

LArbG Niedersachsen: betriebsrat, verfügung, stadt, kontrolle, überwachung, niedersachsen, internet, beurteilungsspielraum, telefonanlage, intranet

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Bereitstellung eines separaten Telefon- und
Internetanschlusses
1. Der Möglichkeit der Überwachung und Kontrolle des Telefon- und
Internetverkehrs des Betriebsrats kann durch entsprechende Vereinbarung
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat begegnet werden und erfordert
keinen separaten Telefon- und Internetanschluss des Betriebsrats.
2. Dem Verlangen des Betriebsrats nach einem uneingeschränkten
Internetzugang steht das Interesse des Arbeitgebers entgegen, den Zugriff
auf Seiten mit strafbarem und/oder sittenwidrigem Inhalt zu unterbinden.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen 16. Kammer, Beschluss vom 30.07.2014, 16
TaBV 92/13
§ 40 Abs 2 BetrVG
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Oldenburg vom 27.06.2013 – 5 BV 5/13 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über einen separaten Telefon- und Internetanschluss
für den Betriebsrat, hilfsweise über einen uneingeschränkten Internetzugang.
Der Arbeitgeber, der zum Konzern der M. AG, W-Stadt gehört, unterhält neben
seinem Betrieb an seinem Sitz in X-Stadt mit circa 165 Arbeitnehmern einen
Betrieb in A-Stadt mit circa 65 Arbeitnehmern, in dem der antragstellende
fünfköpfige Betriebsrat gewählt ist.
In den Konzerngesellschaften werden Telefonanlagen des Typs Hipath 3000
eingesetzt, die so eingestellt werden können, dass die Verkehrsdaten mit
vollständigen Zielnummern gespeichert und personenbezogen ausgewertet
werden können. Die einzelnen Anlagen können gekoppelt und zentral
konfiguriert und verwaltet werden. Das Betriebsratsbüro in A-Stadt ist mit einem
Nebenstellenanschluss ausgestattet. Zudem steht dem Betriebsrat ein mobiles
Telefongerät zur Verfügung, das auf diese Nebenstelle geschaltet ist. Weiter ist
das Betriebsratsbüro mit einem PC und einem Laptop ausgestattet. Der
Internetzugang ist dem Betriebsratsgremium zugeordnet. PC und Laptop
laufen über dasselbe Passwort. Der Internetzugang wird konzernweit über
einen Proxyserver bei der M. AG vermittelt. Von dort kann der Zugang
verwaltet und überwacht werden. Es ist möglich, User- und zumindest IP-
Adressen und alle URLs der Browserzugriffe zu protokollieren und
personenbezogen auszuwerten. Die Emailpostspeicher können von
Administratoren gelesen werden, auf Grund von backups auch gelöschte
Email. Es werden Emailfilter eingesetzt, um Spam dem Fach Junkmail
zuzuordnen. Über Filter werden unerwünschte Internetadressen gesperrt.
Deshalb konnte der Betriebsrat nicht auf die Seiten von „youtube“ und
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„eRecht24“ zugreifen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass ihm wegen dieser
Gegebenheiten ein separater Telefon- und Internetzugang zur Verfügung zu
stellen sei und hat beantragt,
1. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen
separaten Telefonanschluss zur unkontrollierten Nutzung zur
Verfügung zu stellen,
2. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen
eigenen Internetzugang einzurichten, der nicht über den Proxy-Server
der Arbeitgeberin bzw. der Konzernmutter vermittelt wird und dem
Betriebsrat und seinen Mitgliedern einen uneingeschränkten und
unkontrollierten Internetzugang ermöglicht, einschließlich eines
dazugehörenden eigenen Computers.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber hat darauf hingewiesen, dass dem Betriebsrat der gleiche
Telefonanschluss und Internetzugang zur Verfügung stehe, wie den
Geschäftsführern und den anderen zugangsberechtigten Arbeitnehmern. Die
Telefon und Internetdaten würden nicht überwacht. Solches sei auch nicht
geplant. Die Kontrollfunktionen, die durch die eingesetzte Telefonanlage
möglich seien, würden nicht verwendet. Weder würden die vollständigen
Rufnummern gespeichert noch mit derartigen Daten Auswertungen
durchgeführt.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes
wird auf I. der Gründe des Beschlusses vom 27.06.2013 Bezug genommen,
mit dem das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen hat. Wegen seiner
Begründung wird auf II. der Gründe des Beschlusses Bezug genommen, der
dem Betriebsrat am 13.09.2013 zugestellt worden ist und gegen den er am
09.10.2013 Beschwerde eingelegt hat, die er am 13.12.2013 begründet hat,
nachdem mit Beschluss vom 01.11.2013 die Beschwerdebegründungsfrist bis
zu diesem Tag verlängert worden war.
Der Betriebsrat greift die arbeitsgerichtliche Entscheidung aus den in seiner
Beschwerdebegründungsschrift wiedergegebenen Gründen an. Auf die
Beschwerdebegründungsschrift vom 13.12.2013 wird Bezug genommen.
Der Betriebsrat beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Beschlusses
1. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen
separaten Internetzugang zur Verfügung zu stellen, der nicht über den
Proxy-Server der M. AG, W-Stadt vermittelt wird und dem Betriebsrat
und seinen Mitgliedern einen uneingeschränkten und
unkontrollierbaren Internetzugang einschließlich eines
unkontrollierbaren E-Mail-Verkehrs ermöglicht,
hilfsweise
die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen
uneingeschränkten Internetzugang zur Verfügung zu stellen,
2. die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1) einen
separaten Telefonanschluss zur unkontrollierbaren Nutzung zur
Verfügung zu stellen, der unabhängig von der Telefonanlage der
Beteiligten zu 2) ist.
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Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auf seine Beschwerdeerwiderung vom 20.02.2014 wird gleichfalls Bezug
genommen.
B.
Die statthafte Beschwerde (§ 87 Abs. 1 ArbGG) ist form- und fristgerecht
eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 5, 87 Abs. 2, 89
Abs. 1 und 2 ArbGG).
Die mithin zulässige Beschwerde ist unbegründet.
I.
Der Betriebsrat kann keinen separaten Telefonanspruch beanspruchen.
Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende
Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Informations- und
Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Vorliegend hat der
Arbeitgeber dem Betriebsrat einen eigenen Nebenstellenanschluss zur
Verfügung gestellt. Einen separaten eigenen Amtsanschluss kann der
Betriebsrat nicht beanspruchen.
Dem Betriebsrat obliegt im Rahmen der § 40 Abs. 2 BetrVG die Prüfung, ob
ihm ein eigener Amtsanschluss als erforderliches Sachmittel zur Verfügung zu
stellen ist. Die Entscheidung hierfür darf er nicht allein an seinen subjektiven
Bedürfnissen ausrichten. Er muss vielmehr die betrieblichen Verhältnisse und
die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigen. Dabei sind die Interessen
der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und
die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine
Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander
abzuwägen. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des
verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist
auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel auf Grund der
konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben
des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur
die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigte
Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige
Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält
sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines
Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats
nicht durch seine eigene ersetzen (BAG, 18.07.2012 – 7 ABR 23/11 – Rdnr.
20).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überschreitet die Entscheidung des
Betriebsrats seinen Beurteilungsspielraum.
Dem Betriebsrat steht zur Erledigung seiner Aufgaben der betriebsübliche
Telefonanschluss zur Verfügung. Dieser ist für die Erledigung seiner Aufgaben
ausreichend. Das Verlangen nach einem eigenen separaten Amtsanschluss
verursacht zusätzliche Kosten, ohne dass ein eigener Amtsanschluss zur
Vermeidung der abstrakten Möglichkeit der Überwachung und Kontrolle seines
Telefonverkehrs notwendig ist. Ausreichend ist, dass der Betriebsrat von dem
Arbeitgeber verlangen kann, dass sein Telefonanschluss unkontrolliert bleibt,
indem die Aufzeichnung der Verkehrsdaten seines Nebenstellenanschlusses
unterdrückt und deren Auswertung verboten werden, zumal der Arbeitgeber,
wie in der Beschwerdeanhörung erklärt, zum Abschluss einer entsprechenden
Vereinbarung bereit ist.
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II.
Der Betriebsrat kann auch keinen separaten Internetzugang beanspruchen.
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze zu § 40 Abs. 2
BetrVG überschreitet das Verlangen des Betriebsrats seinen
Beurteilungsspielraum. Es lässt berechtigte Sicherheitsinteressen des
Arbeitgebers außer Acht.
Die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt im Intranet
über Email. Diese enthalten mitunter vertrauliche Informationen. Bei einer
Übermittlung per Email über das Internet an einen separaten also externen
Internetanschluss des Betriebsrates entstünde eine nicht notwendige
Sicherheitslücke. Diese braucht der Arbeitgeber nicht hinzunehmen, zumal
dem berechtigten Verlangen des Betriebsrats nach einem unkontrollierten
Emailverkehr gleichfalls durch eine Vereinbarung entsprochen werden kann,
die eine mögliche Kontrolle des Emailverkehrs des Betriebsrates verbietet,
wozu der Arbeitgeber nach seiner Erklärung bereit ist.
III.
Der Hilfsantrag des Betriebsrats ist gleichfalls unbegründet.
Das Verlangen nach einem uneingeschränkten Internetzugang berücksichtigt
nicht das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, einen Zugriff auf Seiten mit
strafbarem und/oder sittenwidrigem Inhalt durch die Installierung entsprechend
Firewalls auf dem Proxyserver zu unterbinden. Das berechtigte Interesse, sich
über betriebsratsrelevante Themen im Internet zu unterrichten, kann der
Betriebsrat durch die Beantragung der Freistellung der von ihm benötigten
Seiten erreichen. Er hat zum Beispiel nicht dargelegt, dass er die Freischaltung
der Seite „E-Recht 24“ beantragt, diese ihm aber verweigert worden wäre.
IV.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 a Satz 2 i.V.m. § 72
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.