Urteil des LAG Köln vom 23.11.2010

LArbG Köln (höhe, zpo, verhältnis zu, wohnkosten, fristlose kündigung, einkommen, nebenkosten, arbeitsgericht, wasser, anteil)

Landesarbeitsgericht Köln, 1 Ta 304/10
Datum:
23.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
1.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 Ta 304/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 1 Ca 2793/09
Schlagworte:
keine Abzugsfähigkeit der Nebenkosten für Strom und Wasser;
Schätzung der Nebenkosten; Aufteilung der Wohnkosten bei
Mitbewohnern
Normen:
§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO; § 287 Abs. 2 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1) Nebenkosten für Strom und Wasser gehören zur allgemeinen
Lebenshaltung und sind bereits in den Freibeträgen für das
Existenzminimum enthalten, so dass sie nicht gemäß § 115 Abs. 1 Satz
3 Nr. 3 ZPO abzugsfähig sind.
2) Mangels konkreter Aufschlüsselung kann der nicht abzugsfähige
Anteil an den Wohnkosten für Strom und Wasser geschätzt werden (in
Anlehnung an § 287 Abs. 2 ZPO, § 5 WohngeldVO).
3) Bei mehreren Mitbewohnern sind die Wohnkosten im Verhältnis der
Nettoeinkommen der verdienenden Mitbewohner anteilig zu tragen und
mit diesem Anteil i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO abzugsfähig.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der
Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom
14.07.2009 teilweise abgeändert und der Klägerin ratenfreie
Prozesskostenhilfe bewilligt.
G r ü n d e
1
I.
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Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines
Rechtsanwalts.
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Am 23.06.2009 reichte die Klägerin eine Kündigungsschutzklage gegen die
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außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.06.2009 bei dem
Arbeitsgericht Aachen ein. Die Klage war verbunden mit einem PKH-Antrag. In der
beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse teilte die
Klägerin u.a. mit, dass sie Arbeitslosengeld beantragt habe. Am 14.07.2009 schlossen
die Parteien vor dem Arbeitsgericht Aachen einen Vergleich, der am 05.08.2009
bestandskräftig wurde und das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter
Kündigung vom 08.06.2009 mit Wirkung zum 31.07.2009 beendete.
Mit Beschluss vom 14.07.2009 bewilligte das Arbeitsgericht Aachen der Klägerin
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Klaßen mit monatlicher
Ratenzahlung in Höhe von 95,00 € ausgehend von einem einzusetzenden monatlichen
Einkommen in Höhe von 260,12 €. Dabei ging das Arbeitsgericht entsprechend den
Angaben des Prozessbevollmächtigten von einem monatlichen Nettoeinkommen der
Klägerin in Höhe von 835,12 € aus.
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Gegen den Beschluss legte die Klägerin am 20.07.2009 sofortige Beschwerde ein. Zur
Begründung machte sie unter Vorlage von Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit
vom 02.07.2009 und 24.09.2009 geltend, sie habe zum Zeitpunkt der Bewilligung der
Prozesskostenhilfe im Juli 2009 lediglich monatliche Leistungen der Agentur für Arbeit
in Höhe von 478,50 € und ab dem 01.08.2009 in Höhe von 510,60,- € erhalten.
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Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Beschluss vom 06.09.2010 der sofortigen
Beschwerde nicht abgeholfen.
7
II.
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Die sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts
Aachen vom 14.07.2009 ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO i. V. m. §§ 11 a Abs. 3,
46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 569 ZPO zulässig und in der Sache auch begründet.
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Der Klägerin ist gemäß §§ 114, 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 11 a Abs. 3 ArbGG ratenfreie
Prozesskostenhilfe zu gewähren. Ungeachtet des Umstandes, dass seit der Anbringung
des PKH-Antrages Einkünfte in unterschiedlicher Höhe bezogen worden sind, verbleibt
der Klägerin i.S.v. §§ 115 Abs. 2 ZPO, 11 a Abs. 3 ArbGG kein einzusetzendes
Einkommen, das die Anordnung einer Ratenzahlung rechtfertigen könnte. Dies gilt
unabhängig von der umstrittenen Frage, auf welchen Beurteilungszeitpunkt im Rahmen
des PKH-Beschwerdeverfahrens abzustellen ist.
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a. Bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens ist unter dem Blickwinkel
des Zeitpunkts der Beschwerdeentscheidung und unter Berücksichtigung der
Regelungen des Vergleichs vom 14.7.2009 für die Monate Juni und Juli 2009 von
einem Nettoverdienst in Höhe von 835,12 € auszugehen.
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aa) Von diesem Einkommen sind der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz
3 Nr. 1 b ZPO in Höhe von 180,- € sowie der Unterhaltsfreibetrag gemäß 115 Abs. 1
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Satz 3 Nr. 2 a ZPO in Höhe von 395,- € abzuziehen.
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bb) Darüber hinaus sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO anteilige Kosten für
Unterkunft und Heizung i. H. v. 250,00 € abzusetzen. Die Klägerin hat glaubhaft
gemacht, dass sie mit ihrem Ehemann eine gemeinsame Wohnung in H bewohnt,
für die 410,00 € Miete sowie 150,00 € Nebenkosten, insgesamt 560,00 € monatlich
aufzubringen sind. Von diesen Wohnkosten sind nach ganz überwiegender
Ansicht, der sich das erkennende Gericht anschließt, gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3
Nr. 3 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG zusätzlich zu den Mietkosten nur die Kosten
für Heizung und Nebenkosten (Warmmiete) abzugsfähig. Die Beträge für Strom
und Wasser gehören zur allgemeinen Lebenshaltung und sind bereits in den
Freibeträgen für das Existenzminimum enthalten (BGH v. 08.01.2008 – VIII ZB
18/06 – NJW-RR 2008, 595; LAG Köln v. 13.07.2010 – 1 Ta 130/10 -; LAG
Rheinland-Pfalz v. 17.01.2008 – 3 Ta 291/07 – bei juris; OLG Saarbrücken v.
18.02.2010 – 6 WF 20/10 – bei juris; Musielak-Fischer, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 115
Rn. 22). Danach ist aus den Nebenkosten i. H. v. 150,00 € monatlich der Anteil für
Strom und Wasser heraus zu rechnen. Mangels konkreter Aufschlüsselung kann
der Anteil nur geschätzt werden (in Anlehnung an § 287 Abs. 2 ZPO und § 5
WohngeldVO). Das Gericht schätzt die Kosten auf 60,- € monatlich, so dass für
Heizung monatlich 90,00 € verbleiben.
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An den anrechnungsfähigen Wohnkosten i. H. v. 500,00 € monatlich muss sich die
Klägerin – auch mit Rücksicht auf ihre Unterhaltspflicht gemäß §§ 1360, 1360 a
BGB – anteilig im Verhältnis zu den Nettoeinkommen der verdienenden
Mitbewohner beteiligen (LAG Düsseldorf v. 18.03.2008 – 3 Ta 93/08 – bei juris;
OLG Köln v. 17.02.2003 – 14 WF 22/03 – FamRZ 2003, 1394;
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl.
2010, Rn. 274 m. w. N.). Ausgehend von einem Nettoeinkommen des Ehemannes
in Höhe von 818,- € ergeben sich annähernd gleich hohe Nettoeinkommen, so
dass sich die Klägerin mit einem Anteil in Höhe von 50 % an den Wohnkosten zu
beteiligen hat (zur hälftigen Teilung in einem solchen Fall ebenso
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl.
2010, Rn. 274 m. w. N.). Daraus errechnen sich abzugsfähige Wohnkosten in Höhe
von 250,- €.
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cc) Nach allen Abzügen verbleibt ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von
10,12 €. Gemäß § 115 Abs. 2 ZPO ist die Monatsrate mit 0 anzusetzen.
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b. Für die Zeit ab August 2009 hat die Klägerin Leistungen der Bundesagentur für
Arbeit in Höhe von 510,60 € erhalten. Abzüglich des Unterhaltsfreibetrages in
Höhe von 395 € und der anteiligen Wohnkosten - mit einer Quotierung unter
Berücksichtigung des verringerten Nettoeinkommens von 38,40 % - in Höhe von
192,- €, verbleibt kein einzusetzendes Einkommen.
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c. Gleiches gilt, wenn man für die Beurteilung ausschließlich auf den Zeitpunkt der
Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 14.7.2009 abstellen würde. Denn zu
diesem Zeitpunkt bezog die Klägerin Leistungen der Agentur für Arbeit in Höhe
von 478,50 €, so dass kein einzusetzendes Einkommen verbleibt. Ansprüche auf
Arbeitsentgelt standen der Klägerin zu diesem Zeitpunkt mit Rücksicht auf die
Kündigung noch nicht zu, denn der Vergleich wurde erst am 05.08.2009
bestandskräftig.
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III.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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Dr. vom Stein
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