Urteil des LAG Köln vom 16.04.2010

LArbG Köln (beschwerde, gehilfe, gabe, kläger, arbeitsgericht, tätigkeit, zpo, bestimmtheit, zwangsvollstreckung, gläubiger)

Landesarbeitsgericht Köln, 8 Ta 106/10
Datum:
16.04.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 Ta 106/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 10 Ca 4222/09
Schlagworte:
Weiterbeschäftigung, Zwangsvollstreckung, Titel, Bestimmtheit
Normen:
§ 888 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Sind unter Einbeziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen
eines ein Versäumnisurteil aufrechterhaltenden Schlussurteils
insbesondere nach Maßgabe einer einschlägigen tariflichen
Eingruppierung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgabenstellung
Inhalt und Umfang der vertraglichen Tätigkeit hinreichend erkennbar, so
liegt ein zur Vollstreckung der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung
hinreichend bestimmter Titel vor.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2010
– 10 Ca 4222/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
Die Beklagte und Schuldnerin ist nach Maßgabe durch das erstinstanzliche Urteil vom
21.01.2010 bestätigten Versäumnisurteils vom 01.10.2009 verurteilt, den Kläger bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Gehilfe weiter zu
beschäftigen.
2
Gegen dieses der Beklagten am 05.02.2010 zugestellte Urteil erster Instanz hat die
Beklagte und Schuldnerin am 12.02.2010 Berufung eingelegt.
3
Auf Antrag des Klägers und Gläubigers hat das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom
08.03.2010 gegen den Schuldner zur Erfüllung der titulierten Verpflichtung zur
Weiterbeschäftigung ein Zwangsgeld von 500,00 €, ersatzweise zwei Tage Zwangshaft,
verhängt.
4
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde der Schuldner am 09.03.2010 zugestellt.
5
In diesem Beschluss wendet sich die am 17.03.2010 beim Arbeitsgericht eingegangene
sofortige Beschwerde der Schuldnerin und Beklagten.
6
Die Schuldnerin und Beklagte macht geltend, dass mit dem Titel erster Instanz ein
vollstreckungsfähiger Weiterbeschäftigungstitel nicht vorliege und damit die
Voraussetzungen für die Weiterbeschäftigung nicht gegeben seien. Der Titel verpflichte
die Schuldnerin, den Gläubiger "als Gehilfen" bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Eine solche Position – " Gehilfe" –
habe der Gläubiger gar nicht inne. Der Gläubiger sei vielmehr bei der Beklagten in der
Position des Palettovitbeschickers (Abfahrers) in der Lohngruppe 3/4 beschäftigt.
7
Der erstinstanzlich vorgelegte Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer
20./22.07.1977 enthält u. a. folgende Klausel: Wir behalten uns vor, sie gegebenenfalls
auch mit anderen Arbeiten oder in einer anderen Abteilung zu beschäftigen.
8
Einstufung ist die Tariflohngruppe III / IV aufgeführt.
9
Die Schuldnerin führt in ihrer Beschwerdebegründung u. a. auf, dass die Entscheidung
des Arbeitsgerichts auf der fehlerhaften Annahme beruhe, dass sich eine inhaltliche
Bestimmtheit des Weiterbeschäftigungstitels im Wege der Auslegung aus Tatbestand
und Entscheidungsgründen des Urteils erster Instanz ermitteln lasse. Das Arbeitsgericht
übersehe dabei, dass der angefochtene Beschluss auf der Basis des Versäumnisurteils
vom 01.10.2009 erlassen worden sei. Die Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung
scheide danach per se aus, da das Versäumnisurteil weder Tatbestand noch
Entscheidungsgründe enthalte.
10
Würde man die Formulierung "Gehilfe" noch als hinreichend bestimmt ansehen,
bestehe im Streitfall die Besonderheit, dass der Kläger und Vollstreckungsgläubiger
nicht als "Gehilfe", sondern als Palettovitbeschicker (Abfahrer) in der Lohngruppe 3/4
vormalig beschäftigt gewesen sei.
11
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin nicht abgeholfen und
sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
12
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 62 Abs. 2 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft
und wurde fristgerecht eingelegt.
13
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
14
Der Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln ist nach § 888 ZPO gerechtfertigt. Die
allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung)
liegen vor.
15
Bei der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung handelt es sich um die Verurteilung zur
Vornahme einer unvertretbaren Handlung.
16
Der arbeitsgerichtliche Titel des Versäumnisurteils ist zur Zwangsvollstreckung
geeignet.
17
Entgegen der Annahme der Schuldnerin ist die Leistungspflicht der Schuldnerin im Titel
hinreichend bestimmt. Sie ergibt sich aus dem Tenor des durch arbeitsgerichtliches
Schlussurteil vom 21.01.2010 bestätigten Versäumnisurteils vom 01.10.2009 in
Verbindung mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils erster
Instanz vom 21.01.2010.
18
Entgegen der Auffassung der Schuldnerin und Beklagten sind naturgemäß auch
Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils vom 21.01.2010, welches das
Versäumnisurteil vom 01.10.2009 aufrechterhält und damit die dortigen
Weiterbeschäftigungspflicht bestätigt für die relevanten Einzelheiten des
Beschäftigungstitels heranzuziehen. Demnach ergibt sich, dass der Kläger in der
Funktion eines gewerblichen Arbeitnehmers der Lohngruppe 3/4 als Gehilfe mit
maßgeblichen Tätigkeiten zu beschäftigen ist, wie sie nach Maßgabe der zuletzt
ausgeübten Tätigkeit als Palettovitbeschicker (Abfahrer) ausgeübt waren. Hierdurch
sind Inhalt und Umfang der vertraglich geschuldeten Beschäftigungspflicht hinreichend
erkennbar und eindeutig bestimmt (ebenso LAG Hamm, Beschluss vom 23.10.2008 –
12 Ta 383/08 -, zitiert nach juris; LAG Köln, Beschluss vom 09.03.2010 – 8 Ta 412/09 -,
n. v.).
19
Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Titel jede einzelne geschuldete Tätigkeit
im Einzelnen ausweist. Die Zuweisung konkreter Aufgaben im Einzelfall ist vom
Arbeitsanfall abhängig und unterliegt dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers, der
insbesondere nach Maßgabe des Arbeitsvertrages berechtigt ist, den Kläger in allen
anfallenden Tätigkeiten und Arbeiten der Tariflohngruppen 3/4 zu beschäftigen. Dies gilt
im Streitfall umso mehr, als nach Maßgabe der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag das
Arbeitsverhältnis der Parteien in der Vergangenheit streitfrei ausgeübt wurde und
insbesondere die tatsächlich zuletzt vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als
Palettovitbeschicker SQS (Abfahrer) bei der Schuldnerin nach wie anfallen.
20
Damit genügt der Tenor des durch Schlussurteil vom 21.01.2010 bestätigten
Versäumnisurteils vom 01.10.2009 den Anforderungen an eine erforderliche
hinreichende Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels.
21
Die sofortige Beschwerde war demnach zurückzuweisen.
22
III. Die Schuldnerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels gemäß §§ 664 Abs. 6
ArbGG, 97 ZPO zu tragen.
23
IV. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nichts ersichtlich. Der Beschluss ist
unanfechtbar.
24
Jüngst
25