Urteil des LAG Köln vom 29.09.2008

LArbG Köln: versetzung, betriebsrat, leiter, anhörung, juristische person, arbeitsgericht, rechtskraft, aussetzung, stellenausschreibung, geeignetheit

Landesarbeitsgericht Köln, 2 TaBV 44/08
Datum:
29.09.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 TaBV 44/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegburg, 2 BV 2/08
Schlagworte:
Zustimmungsersetzung, Schwerbehinderte, Anhörung,
Schwerbehindertenvertretung
Normen:
§§ 99, 100 BetrVG, §§ 81, 95 SGB IX
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Anschluss an BAG 1 ABR 20/07 v. 17.06.2008
Die fehlende gesonderte Information der Schwerbehindertenvertretung
darüber, dass die innerbetrieblich ausgeschriebene Stelle
behindertengeeignet ist, berechtigt nicht zur Zustimmungsverweigerung,
wenn sich auf die Stelle kein Schwerbehinderter beworben hat.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Siegburg – AZ.: 2 BV 2/08 – abgeändert:
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Herrn R S vom
Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter
Mechanische Fertigung wird ersetzt.
Der Antrag zu 2) ist nicht zur Entscheidung angefallen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
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I. Die Beteiligten streiten um die Zustimmungsersetzung zur Versetzung des Mitarbeiters
R S von seiner bisherigen Position als Leiter Arbeitsvorbereitung und
Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung.
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Der Mitarbeiter S ist seit dem 01.07.1989 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Die Stelle
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des Leiters der Mechanischen Fertigung, die bereits seit dem 01.03.2006 nicht besetzt
ist, wurde innerbetrieblich ausgeschrieben. Hierauf bewarben sich der Mitarbeiter S
sowie zwei weitere Mitarbeiter, die sämtlich nicht schwerbehindert sind. Im Jahr 2006
war der Mitarbeiter S bereits sechs Monate kommissarisch mit den Tätigkeiten dieser
Stelle betraut. Am 01.10.2007 wurde der Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung
gebeten. In diesem Schreiben wird dem Betriebsrat mitgeteilt, die interne
Stellenausschreibung sei gemäß SGB IX an die Arbeitsagentur weitergegeben worden.
Der Agentur für Arbeit waren mit Schreiben vom 24.09.2006 die wesentlichen Daten des
Stellenprofils mitgeteilt worden. Erst mit E-Mail vom 17.10.2007, dem ein streitiges
gleichartiges Telefonat in der Woche vom 08. Bis 13.10.2007 vorausgegangen sein soll,
teilte die Agentur für Arbeit mit, dass keine geeigneten schwerbehinderten Bewerber
vorgeschlagen werden können. Die Beklagte hatte auch nicht vor, den Arbeitsplatz mit
einem externen Bewerber zu besetzen. Die Arbeitgeberin beschäftigt mehr
Schwerbehinderte, als sie nach § 71 Abs. 1 SGB IX beschäftigen müsste.
Da keine Bewerbung von schwerbehinderten Mitarbeitern vorlag, hat die Arbeitgeberin
die Schwerbehindertenvertretung nicht eingeschaltet. Sie hat auch im Übrigen die
Schwerbehindertenvertretung nicht hinsichtlich der Beurteilung, ob der Arbeitsplatz
nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann,
eingeschaltet, da sie ohnehin zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Arbeitsplatz
grundsätzlich für schwerbehinderte Menschen geeignet ist.
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Der Betriebsrat hat der Versetzung mit Schreiben vom 08.10.2007 wiedersprochen. Er
hat sich zum einen darauf berufen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt
wurde. Dies sei erforderlich gewesen, da der Arbeitgeber nicht alleine feststellen dürfe,
ob ein Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geeignet sei. Zudem sei die Prüfung der
Agentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 Satz 3 SGB IX noch nicht abgeschlossen gewesen,
als das Zustimmungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat in Gang gesetzt wurde.
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Weiterhin hat der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Ziff. 6
BetrVG gestützt. Er hat geltend gemacht, dass der Mitarbeiter S gegen die
Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" verstoßen habe
und die Personalkommission "Mobbing" hierzu ein Ergebnis im März 2007 formuliert
habe. Herr S habe die Kompetenz der paritätischen Kommission in Frage gestellt und
ein Kommissionsmitglied verunglimpft. In einem Kritikgespräch habe Herr S geäußert, er
verstehe immer noch nicht, welches Verhalten ihm zur Last gelegt werde. Die soziale
Kompetenz des Mitarbeiters S beurteilt der Betriebsrat geringer als diejenige der beiden
Mitbewerber.
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Am 12.10.2007 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass die
Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei, weil der Mitarbeiter S
hinsichtlich der bevorstehenden ERA-Einführung die anstehenden
Eingruppierungsgespräche mit 42 Mitarbeitern führen solle. Auch dem widersprach der
Betriebsrat am 16.10.2007. Da kein Zwang bestehe, ERA bereits zum 01.01.2008
einzuführen, verbleibe genug Zeit, die anstehenden Gespräche durch den bisher mit
den Arbeiten betrauten Geschäftsführer führen zu lassen.
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Die Arbeitgeberin hat am 19.10.2007 die Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht
beantragt sowie die Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen
Gründen dringend erforderlich war. Das Arbeitsgericht hat beide Anträge
zurückgewiesen. Es hat in der noch nicht abgeschlossenen Anhörung der Agentur für
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Arbeit einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gesehen. Über die
Frage, ob die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden musste und ob hieraus
ebenfalls ein Zustimmungsverweigerungsgrund folgt, hat das Arbeitsgericht nicht
entschieden, ebenso nicht über die Frage des betriebsstörenden Verhaltens. Das
Arbeitsgericht hat auch die vorläufige Versetzung als nicht erforderlich im Sinne des §
100 Abs. 1 BetrVG angesehen, da angesichts der langen Vakanz auf der Stelle und der
nicht gegebenen Dringlichkeit bei der ERA-Einführung die anstehenden
Personalgespräche auch durch den Geschäftsführer geführt werden könnten.
Mit der Beschwerde wendet sich die Arbeitgeberin gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts und trägt vor, dass die Gesetzesverletzung, die möglicherweise in einem
noch nicht vollständig abgeschlossenen Verfahren bei der Anhörung der Agentur für
Arbeit gegeben sei, die konkrete Stellenbesetzung nicht hindern dürfe. Das Verfahren
nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX habe zum einen auf den Entschluss, die Stelle
mit einem internen Bewerber zu besetzen, keine Auswirkungen, zum anderen habe die
Agentur für Arbeit keinen geeigneten Bewerber vorschlagen können, so dass auch bei
Abschluss des Verfahrens keine andere Entscheidung als die Besetzung durch den
Mitarbeiter S in Frage gekommen sei. Hierdurch sei Schwerbehinderten keinerlei
Nachteil entstanden. Gleiches gelte für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung,
da sich auf die Stelle keine Schwerbehinderten beworben hatten. Die Tatsache, dass
die Arbeitsstelle für schwerbehinderte Menschen geeignet gewesen sei, sei
unzweifelhaft, wie sich bereits daraus ergeben habe, dass die Arbeitgeberin das
Arbeitsamt am 24.09.2007 eingeschaltet habe. Die gesamte schwierige Materie der
Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung führe jedenfalls im Einzelfall nicht
dazu, dass dann, wenn sich kein Schwerbehinderter auf die Stelle beworben habe, die
Auswahl des Mitarbeiters S für die Stellenbesetzung verboten sei.
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Hinsichtlich des Zustimmungsverweigerungsgrundes aus § 99 Abs. 2 Nr. 6 (Störung des
Betriebsfriedens) reiche die einmalige Feststellung, ein Verhalten des Mitarbeiters S sei
"nicht akzeptabel" nicht aus, um eine konkrete schwerwiegende Störung des
Betriebsfriedens zu prognostizieren.
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Die Beteiligten wurden währen des Beschwerdeverfahrens auf die Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 17.06.2008 – 1 ABR 20/07 - hingewiesen.
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Die Arbeitgeberin beantragt als Antragstellerin,
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1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg – 2 BV 2/08 – vom 16.04.2008
abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Herrn R
S vom Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter
Mechanische Fertigung zu ersetzen.
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2. Festzustellen, dass die ab dem 15.10.2007 durchgeführte vorläufige
Versetzung des Herrn R S als Leiter der Mechanischen Fertigung aus
sachlichen Gründen erforderlich ist.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht teilten die Beteiligten mit,
dass vorsorglich im März 2008 die Stelle erneut ausgeschrieben wurde. Auf diese
Ausschreibung hätten sich zwei schwerbehinderte Mitarbeiter sowie der Zeuge S
beworben. Die Arbeitgeberin habe sich erneut für den Mitarbeiter S entschieden. Ein
weiteres Zustimmungsersetzungsverfahren sei anhängig. Jedoch sei nicht erneut das
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Verfahren nach § 100 BetrVG eingeleitet worden, obwohl der Mitarbeiter S nach wie vor
auf der Stelle beschäftigt werde.
II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die
Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters S vom Leiter Arbeitsvorbereitung und
Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung ist zu ersetzen, da
Zustimmungsverweigerungsgründe aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 6 BetrVG nicht gegeben
sind.
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Hinsichtlich der Frage, ob die möglicherweise noch nicht vollständig abgeschlossene
Anhörung der Agentur für Arbeit zur Stellenbesetzung und die fehlende Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitsplatz für
Schwerbehinderte geeignet ist, sowie die fehlende Inkenntnissetzung der
Schwerbehindertenvertretung von den nicht schwerbehinderten Bewerbern
Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellen,
legt das Landesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht in der
Entscheidung vom 17.06.2008 – 1 ABR 20/07 – zugrunde. Das Bundesarbeitsgericht
hat darin seine ständige Rechtssprechung vertieft, wonach eine
Zustimmungsverweigerung nur dann rechtmäßig ist, wenn die Maßnahme (hier die
Versetzung des Mitarbeiters S vom Arbeitsplatz Leiter Arbeitsvorbereitung und
Fertigungssteuerung auf den Arbeitsplatz Leiter Mechanischer Fertigung) selbst gegen
ein Gesetz einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Dabei muss es sich bei
der Norm nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinne handeln, das unmittelbar die
Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss aber hinreichend deutlich zum
Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle
Maßnahme selbst zu verhindern. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2
Nr. 1 BetrVG ist bei Versetzungen deshalb nur dann gegeben, wenn das Ziel der
Verbotsnorm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt
unterbleibt.
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Das Bundesarbeitsgericht hat hieraus gefolgert, dass ein Verstoß des Arbeitgebers
gegen die Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX bei internen Versetzungen
nicht im oben genannten Sinne relevant ist, also nicht zum Verbot der Versetzung führt.
Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass sich die Pflichten des § 81
Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX vorrangig daraus herleiten, dass Nachteile von
schwerbehinderten arbeitslosen Menschen bei der Arbeitssuche ausgeglichen werden
sollen. Demgegenüber wird die Vermeidung von Nachteilen für bereits beschäftigte
schwerbehinderte Mitarbeiter durch § 81 Abs. 2 SGB IX geregelt. Die Versetzung eines
nicht schwerbehinderten Mitarbeiters von einem Arbeitsplatz auf den anderen betrifft die
Chancen für schwerbehinderte arbeitslose Mitarbeiter nicht. Schwerbehinderte
Beschäftigte waren im konkreten Fall nicht betroffen, weil sie sich auf die
Stellenausschreibung nicht beworben hatten. Sie wurden durch die
Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin nicht benachteiligt. Die Frage, ob die Anhörung
der Agentur für Arbeit durch telefonische Rückmeldung des Arbeitsamtes bereits
abgeschlossen war, kann deshalb insgesamt dahinstehen, da infolge der internen
Besetzung der Stelle keinerlei Nachteile für arbeitslose Schwerbehinderte durch die
Versetzung des Mitarbeiters S entstehen konnten.
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Auch die Tatsache, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht bei der Prüfung
eingeschaltet war, ob der Arbeitsplatz grundsätzlich mit einem schwerbehinderten
Menschen besetzt werden kann, stellt keinen versetzungsrelevanten Gesetzesverstoß
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im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Die Arbeitgeberin ist auch ohne
Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Stelle für Schwerbehinderte grundsätzlich geeignet ist und hat sich aus diesem Grund
nach § 81 Abs. 1 an die Agentur für Arbeit gewandt. Zwar regelt § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB
IX ausdrücklich, dass bei der Prüfung der Geeignetheit eines Arbeitsplatzes für
Schwerbehinderte die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen ist. Allerdings ist nicht
ersichtlich, dass hinsichtlich eines bereits als geeignet anerkannten Arbeitsplatzes die
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein anderes Ergebnis herbeiführen
könnte.
Zudem verweist § 81 Abs. 1 Satz 6 auf das Verfahren des § 95 Abs. 2 SGB IX. Nach §
95 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Beurteilung eines Arbeitsplatzes
als schwerbehindertengeeignet der Schwerbehindertenvertretung mitzuteilen. Die
fehlende Mitteilung der Eignungsentscheidung rechtfertigt aufgrund ausdrücklicher
gesetzlicher Regelung in § 95 Abs. 2 Satz 2 aber nur die Aussetzung der Versetzung bis
zur Nachholung der Beteiligung. Gleichzeitig verweist § 95 Abs. 2 Satz 3 wiederum auf
§ 81 Abs. 1 SGB IX. Wie sich ein Arbeitgeber bei diesem Verweisungspingpong richtig
zu verhalten hat, wenn sich überhaupt kein Schwerbehinderter auf die innerbetrieblich
ausgeschriebene und zu besetzende Stelle bewirbt, braucht letztlich nicht abschließend
geklärt zu werden. Denn die Regelung des § 95 Abs. 2 Satz 2 regelt ausdrücklich, dass
bei mangelhafter Beteiligung lediglich ein Aussetzen der Vollziehung in Betracht kommt,
nicht aber das völlige Unterbleiben der geplanten Maßnahme. Sieht man als
Entscheidung, zu der die Schwerbehindertenvertretung anzuhören war, die Beurteilung
der Schwerbehinderteneignung des Arbeitsplatzes an, so ergibt hier die Nachholung
der Beteiligung keinen Sinn, denn auch ohne Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung ist die Arbeitgeberin vorliegend zu dem Ergebnis gelangt,
dass die Stelle grundsätzlich auch für Behinderte geeignet sein kann. Die konkrete
Besetzungsentscheidung betraf danach weder einen schwerbehinderten einzelnen
Mitarbeiter noch die schwerbehinderten Menschen als gesamte betriebliche Gruppe, da
trotz Ausschreibung kein Bewerber aus diesem Personenkreis gegeben war. Eine
Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 war deshalb nicht
erforderlich. Auch eine Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 4 kam mangels
Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen nicht in Betracht.
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Ein Gesetzesverstoß, der eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
hindern würde, ist auch nicht deshalb gegeben, weil der Betriebsrat selbst nach § 93
SGB IX i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 6 nicht beteiligt wurde, obwohl er beteiligt werden
musste. Zum einen ist fraglich, ob die Rechte des Betriebsrats wegen der fehlenden
Information weiter gehen als die Rechte der Schwerbehindertenvertretung, die nach §
95 Abs. 2 S. 2 nur die Aussetzung der Versetzung bis zur Nachholung der Information
verlangen kann. Zum anderen ist in dem Zustimmungsantrag vom 01.10.2007 die
Mitteilung enthalten, dass die Arbeitgeberin die interne Stellenausschreibung gemäß
SGB IX an die Arbeitsagentur weitergegeben hatte. Hieraus konnte der Betriebsrat
unschwer entnehmen, dass die Arbeitgeberin die Stelle im Sinne des § 81 Abs. 1 S. 1
als für schwerbehinderte Menschen geeignet ansah. Mehr als dieses Ergebnis hätte
auch bei einer vorgezogenen, gesonderten Anhörung zur Schwerbehinderteneignung
des Arbeitsplatzes nicht erreicht werden können.
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Auch eine Benachteiligung der gesamten Gruppe der Schwerbehinderten im
Bewerbungsverfahren auf die ausgeschriebene Stelle kann durch die unter-bliebene
Information der Schwerbehindertenvertretung hinsichtlich der Geeignetheit der Stelle für
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Schwerbehinderte nicht angenommen werden. Durch die Ausschreibung im Betrieb war
das Anforderungsprofil hinreichend deutlich für alle Betriebsangehörigen. Eine
irgendwie geartete Erschwerung der Bewerbung gerade von Schwerbehinderten ist
nicht ersichtlich.
Da aufgrund der neuen Ausschreibung und Versetzungsanhörung im März 2008
unstreitig die Schwerbehindertenvertretung nunmehr angehört wurde und die
Beteiligungsrechte jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt des Landesarbeitsgerichts
gewahrt waren, kommt selbst eine Aussetzung der Vollziehung der Versetzung aus § 95
Abs. 2 Satz 2 SGB IX nicht in Betracht.
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Legt man die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts aus der Entscheidung vom
17.06.2008 – 1 ABR 20/07 – zugrunde, so ist die Zustimmung zur Versetzung des
Mitarbeiters S auch deshalb zu erteilen, weil selbst dann, wenn sich einzelne
Schwerbehinderte möglicherweise auf die Stelle beworben hätten, wenn die
Schwerbehindertenvertretung aufgrund der individuellen Erörterung mit ihr über die
Behinderteneignung der Stelle Behinderte angesprochen hätte und diese zur
Bewerbung aufgefordert hätte. Denn eine Benachteiligung bei der konkreten Besetzung,
also bei der Auswahlentscheidung ist nur dann feststellbar, wenn der Behinderte einen
Anspruch auf die Besetzung der Stelle gehabt hätte. Nur wenn ein Behinderter eine
rechtlich erhebliche Anwartschaft auf die ausgeschriebene Position gehabt hätte und
diese wegen der fehlenden Anhörung der Schwerbehindertenvertretung verloren hätte,
müsste die Versetzung des Mitarbeiters S unterbleiben. Eine solche Situation war nicht
feststellbar.
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Auch der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG ist nicht
gegeben. Es kann dahinstehen, ob das in der Vergangenheit liegende Verhalten des
Mitarbeiters S geeignet ist, die Prognose abzugeben, er werde in Zukunft den
Betriebsfrieden auf dem neuen Arbeitsplatz durch gesetzwidriges Verhalten oder grobe
Verletzung der in § 75 Abs. 1 erteilten Grundsätze stören. Denn es ist nicht ersichtlich,
dass mögliches, zukünftiges, betriebsstörendes Verhalten des Mitarbeiters S mit dem
Arbeitsplatz in Zusammenhang steht, der von diesem neu besetzt werden soll. Es ist
nicht dargelegt, dass gerade an dem neuen Arbeitsplatz der Betriebsfrieden gestört wird,
während bei einer Belassung am alten Arbeitsplatz keine solche Störung eintreten wird.
Die Versetzung kann wegen der Besorgnis der Störung des Betriebsfriedens nicht mit
Hinweis auf allgemeine Verhaltensschwierigkeiten versagt werden. Vielmehr müsste
ein Zusammenhang zwischen den erwarteten Störungen des Betriebsfriedens und den
konkreten Arbeitsumständen am neuen Arbeitsplatz herzustellen sein. Hierfür ist
keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich. Ist das betriebsstörende Verhalten unabhängig von
dem zugewiesenen Arbeitsplatz, so kann der Betriebsrat seine Rechte aus § 104
BetrVG geltend machen. Vorliegend kann deshalb nicht festgestellt werden, dass die
vom Betriebsrat befürchteten zukünftigen Störungen des Betriebsfriedens gerade durch
die Versetzung an den neuen Arbeitsplatz hervorgerufen werden.
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Da die Zustimmung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht ersetzt wurde, ist
der Antrag über die vorläufige Versetzung nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Er
hat sich erledigt. Es kann dahinstehen, ob die Durchführung der Personalgespräche zur
Umsetzung des ERA-Abkommens, die lediglich zwei Wochen in Anspruch genommen
haben, zur Entlastung des Geschäftsführers unverzüglich erforderlich war und ob es
nicht auch möglich gewesen wäre, diesen Teil des neuen Arbeitsplatzes vorübergehend
und befristet zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben des Mitarbeiters S diesem zu
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übertragen, wodurch möglicherweise nicht einmal der Versetzungstatbestand erfüllt
worden wäre. Denn durch die die Zustimmung ersetzende Entscheidung des
Beschwerdegerichts ist die Beschäftigung des Mitarbeiters S am neuen Arbeitsplatz
nicht mehr betriebsverfassungswidrig.
Die Entscheidung über die Zustimmungsersetzung hat keinen im Sinne des § 85 ArbGG
vollstreckbaren Inhalt (vgl. Germelmann/Mattes/Prütting/Müller-Glöge,
Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Auflage, § 85 Randnummer 3). Insbesondere ist das Verfahren
nicht auf Abgabe einer Willenserklärung des Betriebsrates gerichtet, sondern auf die
Feststellung, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat das Recht hat, einen
Mitarbeiter mit einer bestimmten Tätigkeit zu beschäftigen. Hätte die Entscheidung
vollstreckbaren Inhalt, wäre eine vorläufige Vollstreckung ohne weiteres zulässig. Die
(zunächst noch) vorläufige Feststellung, dass die Versetzung des Mitarbeiters nicht
betriebsverfassungswidrig ist, kann nach Ansicht der Kammer deshalb nur zur Folge
haben, dass der Arbeitgeber auch ohne die besonderen Voraussetzungen des § 100
BetrVG die Versetzung (vorläufig) umsetzen darf.
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Die Regelung des § 100 BetrVG ergreift nur diejenigen vorläufigen Maßnahmen, die
aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sind. Dabei erhält der Arbeitgeber sogar
das Recht, einen Arbeitnehmer auch in dem Falle weiter zu beschäftigen, bis die
Rechtskraft der Entscheidung eingetreten ist, in dem das Arbeitsgericht die Zustimmung
nicht ersetzt hat. Würde man für die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers auf
dem neuen Arbeitsplatz die Rechtskraft der die Zustimmung ersetzenden Entscheidung
für erforderlich halten, so dürfte der Arbeitgeber trotz Obsiegen den Arbeitnehmer nicht
mehr beschäftigen, wenn zu diesem Zeitpunkt keine Eilbedürftigkeit mehr gegeben ist.
Die vorläufige, noch nicht rechtskräftige Zustimmungsersetzung berechtigt nach Ansicht
der erkennenden Kammer den Arbeitgeber deshalb vorläufig und bis zur Rechtskraft
einer widersprechenden Entscheidung die Versetzung des Arbeitnehmers umzusetzen,
auch wenn dringende sachliche Gründe zum Zeitpunkt der zustimmungsersetzenden
Entscheidung nicht oder nicht mehr gegeben sind. Das Recht des Betriebsrats, vom
Arbeitgeber die Unterlassung der Versetzung verlangen zu können, endet damit nicht
nur in den Fällen des § 100 BetrVG, sondern auch dann, wenn die Zustimmung durch
das Gericht ersetzt wurde. Anderenfalls ergäbe sich das Ergebnis, dass ein Arbeitgeber
eine zwar dringende aber materiell unzulässige Versetzung bis zwei Wochen nach
Rechtskraft aufrechterhalten darf, während eine nicht oder nicht mehr dringende
Versetzung vor Rechtskraft einer zustimmenden Entscheidung gar nicht umgesetzt
werden könnte. Der Arbeitgeber, der mit seiner beabsichtigten Maßnahme nicht
durchdringen kann, erhält mehr Schutz als der Arbeitgeber, dessen Betriebsrat zu
Unrecht der Maßnahme widersprochen hat.
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Für eine feststellende Entscheidung, ob die Maßnahme bis zum Beschluss des
Landesarbeitsgerichts aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, fehlt das
Rechtsschutzinteresse, da es sich hierbei nur noch um die Begutachtung eines in der
Vergangenheit liegenden Sachverhalts handelt.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss kann vom Beteiligten zu 2 (Betriebsrat)
31
R E C H T S B E S C H W E R D E
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eingelegt werden.
33
Die Rechtsbeschwerde muss
34
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
35
nach der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
37
Hugo-Preuß-Platz 1
38
99084 Erfurt
39
Fax: 0361 2636 2000
40
eingelegt werden.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift
muss
Als
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Rechtsbeschwerdeschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
46
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Olesch Schloß Baur
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