Urteil des LAG Köln vom 09.12.2004

LArbG Köln: sinn und zweck der norm, unwirksamkeit der kündigung, betriebsrat, ordentliche kündigung, personalausschuss, anhörung, geschäftsleitung, arbeitsgericht, vergütung, gebäude

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 5 (7) Sa 925/04
09.12.2004
Landesarbeitsgericht Köln
5. Kammer
Urteil
5 (7) Sa 925/04
Arbeitsgericht Köln, 7 Ca 1778/02
Fehler, Betriebsrat, Anhörung, Kündigung
§ 102 BetrVG
Arbeitsrecht
1. Mängel des Verfahrens bei einer Anhörung des Betriebsrats nach §
102 BetrVG sind für die Wirksamkeit der Kündigung nicht relevant, wenn
sie in den Zuständigkeit des Betriebsrats fallen.
2. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann,
dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom
14.04.2004 - 7 Ca 1778/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger, verheiratet, eine Unterhaltspflicht, ist seit 1985 im
Betrieb der Beklagten als Glasreiniger beschäftigt, bei einem Verdienst von 11,48 €/Std.
und einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden. Die Beklagte beschäftigt mehr als 700
Mitarbeiter, die überwiegend im Bereich der Gebäudereinigung tätig sind. In der
Glasreinigung hat sie insgesamt neun Mitarbeiter eingesetzt, davon sieben in sog.
Reinigungskolonnen, so auch den Kläger, dessen Arbeitsvertrag die Objektbezeichnung
"Glasreinigen" enthält. Die beiden anderen Mitarbeiter in der Glasreinigung, die Herren H
und F , sind dagegen bei ausgesuchten Einzelkunden tätig. Beide sind mittlerweile in den
Ruhestand getreten, nachdem sie 25 bzw. 30 Jahre bei der Beklagten beschäftigt waren.
Die Beklagte besitzt einen Betriebsrat. Dieser gab sich im Jahre 1995 eine
Geschäftsordnung, in deren Ziffer 14 es heißt:
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"Bei allen personellen, sozialen oder wirtschaftlichen Dingen, für die das
Betriebsverfassungsgesetz eine Mitbestimmung vorsieht, können Zustimmung oder
Stellungnahme des Betriebsrates nur bei vorherigen Sitzungen und Behandlungen des
Punktes gegenüber dem Arbeitgeber abgegeben werden."
Sodann heißt es in Ziffer 22:
"Kündigungen werden vom Personalausschuß bzw. Betriebsausschuß behandelt."
Am 30.6.1998 wurde der letzte Betriebsrat vor der streitgegenständlichen Kündigung
gewählt. In seiner konstituierenden Sitzung am 16.07.1998 wurde laut Sitzungsprotokoll ein
Personalausschuss mit den Mitgliedern H. P , F , H , S und F. P gewählt.
Mit Schreiben vom 29.01.2002, dem Kläger zugegangen am 30.01.2002, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen ordentlich zum 28.02.2002.
Ebenso sprach sie am selben Tage gegenüber den anderen sechs in den Glaskolonnen
beschäftigten Mitarbeitern ordentliche Kündigungen aus. Die Mitarbeiter F und H
beschäftigte sie hingegen weiter. Noch bestehende Reinigungsaufträge vergab die
Beklagte fremd an verschiedene Subunternehmen.
Mit seiner am 18.2.2002 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat sich der
Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt und Weiterbeschäftigung verlangt.
Später hat er im Wege der Klageerweiterung Ansprüche auf Annahmeverzugslohn für die
Zeit von März 2003 bis einschließlich Februar 2004 geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen nicht ordnungsgemäßer
Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Auch fehle es an einem dringenden betrieblichen
Erfordernis sowie an der notwendigen Durchführung einer Sozialauswahl hinsichtlich der
übrigen bei der Beklagten Beschäftigten, jedenfalls aber hinsichtlich der Mitarbeiter F und
H . Schließlich verstoße die Kündigung auch gegen das Verbot des § 613 a IV BGB.
Demgegenüber hat die Beklagte ihre Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die
Auflösung der Glaskolonnen wie auch die Fremdvergabe der Aufträge stellten eine vom
Kläger hinzunehmende unternehmerische Entscheidung dar. Eine Sozialauswahl sei
mangels Vergleichbarkeit mit den übrigen, nicht in den Glaskolonnen beschäftigten
Mitarbeitern entbehrlich gewesen. Auch die Anhörung des Betriebsrates sei
ordnungsgemäß durchgeführt und dessen Zustimmung durch den Personalausschuss
wirksam erteilt worden.
Das Arbeitsgericht Köln hat – nach Beweisaufnahme gemäß Beweisbeschlüssen vom
31.1.2002 (Bl.41 GA) und 12.09.2003 (Bl.126 GA) die Klage durch Urteil vom 14.04.2004 -
7 Ca 1777/02 - abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die
Anhörung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Geschäftsleitung habe den
Vorsitzenden von Betriebsrat und Personalausschuss H. P umfassend über die Absicht,
den Mitgliedern der Glasreinigungskolonnen zu kündigen, unterrichtet, dies mit der
schlechten Ertragslage der Abteilung Glasreinigung begründet und hierzu die
entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Sodann seien seitens der Geschäftsleitung die
Zustimmung zu den beabsichtigten Kündigungen beantragt und hierzu die Personalakten
der Glaskolonnenmitarbeiter zur Verfügung gestellt worden. Der Personalausschuss habe
den beabsichtigten Kündigungen am Ende seiner Sitzung zugestimmt, was noch am
selben Tage der Geschäftsleitung mitgeteilt worden sei. Etwaige Mängel bei der Bestellung
oder Besetzung des Ausschusses könnten nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung
nach § 102 BetrVG führen, da sie in die Risikosphäre des Betriebsrates fielen und der
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Beklagten nicht anzulasten seien, die im übrigen auch die Frist des § 102 II BetrVG
eingehalten habe.
Auch habe sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe berufen können, da ihre
unternehmerische Entscheidung, die Glaskolonnen aufzulösen und die Aufträge an
Subunternehmer fremdzuvergeben, nicht zu beanstanden sei. Eine Sozialauswahl habe
unterbleiben können, da der Kläger mit den ungekündigten Mitarbeitern nicht vergleichbar
sei. Dies ergebe sich zum einen aus den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern zwischen
Industrie-/Unterhalts- sowie Einzelglasreinigern auf der einen und Kolonnenglasreinigern
auf der anderen Seite, des weiteren aus der differierenden tariflichen Vergütung der
einzelnen Gruppen. Überdies sei eine höhere Schutzbedürftigkeit des Klägers gerade in
Bezug auf die Mitarbeiter Fuß und Heide nicht ersichtlich. Schließlich sei ein
Betriebsübergang nicht feststellbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 173 -
187 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Gegen das der Klägervertreterin am 19.07.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Köln
ist am 05.08.2004 schriftlich Berufung eingelegt und diese am 17.9.2004 wie folgt
begründet worden:
Das Arbeitsgericht habe die Wirksamkeit wie auch die soziale Rechtfertigung der
Kündigung zu Unrecht bejaht.
Zunächst fehle es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis im Sinne von § 1 II
KSchG. Zu der von der Beklagten behaupteten Stillegung der Glasreinigungsabteilung sei
es nicht gekommen, da die Mitarbeiter F und H in diesem Bereich weiterbeschäftigt worden
seien und der dortige Arbeitsbedarf nicht entfallen, sondern vielmehr an Subunternehmer
fremdvergeben worden sei. An den bei einer Kündigung aufgrund bloßer
Stillegungsabsicht notwendigen "greifbaren Formen" fehle es, zumal die Beklagte zum
Kündigungszeitpunkt in Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes gestanden
habe. Zudem hätte eine Sozialauswahl gem. § 1 III KSchG durchgeführt werden müssen,
da der Kläger mit den beiden Einzelglasreinigern F und H , aber auch mit den anderen bei
der Beklagten beschäftigten Reinigern vergleichbar sei. Hierzu behauptet der Kläger, er
habe auch Gebäude, Fassaden, Teppiche, Jalousien, Lampen, Küchen etc. gereinigt und
die Einzelglasreiniger im Urlaubs- oder Krankheitsfalle vertreten. Auch habe er denselben
Lohn wie letztere erhalten.
Darüber hinaus fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gemäß §
102 BetrVG. Deren Durchführung könne nicht durch das von der Beklagten vorgelegte
Sitzungsprotokoll vom 16.01.2002 bewiesen werden, da es sich hierbei nicht um ein
Anhörungsschreiben an den Betriebsrat handle. Auch habe es keine Sitzung des
Betriebsrats gegeben; aus dem Beiblatt zur "Sitzung" vom 16.01.2002 ergebe sich nicht,
dass eine Sitzung unter Beteiligung aller dort Genannten stattgefunden habe. Die
Aussagen der angeblich an der Sitzung Beteiligten seien in sich widersprüchlich.
Jedenfalls sei der Betriebsrat nicht wie erforderlich über die Sozialdaten des Klägers sowie
die Daten der mit diesem vergleichbaren Arbeitnehmer informiert worden. Zudem sei ein
eventueller Zustimmungsbeschluss unwirksam, da diesen nicht der Betriebsrat, sondern
der fehlerhaft errichtete und bei seiner Entscheidung auch fehlerhaft besetzte
Personalausschuss gefasst habe, an den eine Übertragung der Befugnisse des
Betriebsrats nach § 102 BetrVG gar nicht wirksam erfolgt sei. Außerdem sei das
Anhörungsverfahren bei Ausspruch der Kündigung noch nicht beendet gewesen.
Schließlich sei die Kündigung gem. § 613a IV BGB aufgrund der Übernahme der Aufträge
der Glaskolonnenabteilung durch andere Firmen unwirksam.
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Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteiles des Arbeitsgerichts Köln vom 14.4.2004 AZ.: 7 Ca
1777/02 nach den Schlussanträgen des Klägers in erster Instanz zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie hält an der Wirksamkeit ihrer Kündigung fest. Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrages führt sie aus, das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger sei aufgrund der durch
Gesellschafterbeschluss gefassten unternehmerischen Entscheidung der Schließung der
Glaskolonnen und Fremdvergabe der entsprechenden Aufträge entfallen. Der Vorsitzende
des Betriebsrates und Personalausschusses H. P sei am 16.01.2002 über die Hintergründe
dieser Entscheidung und die Absicht der Geschäftsleitung zur Kündigung der betroffenen
Mitarbeiter, so auch des Klägers, informiert und mit entsprechenden Unterlagen versorgt
worden. Daraufhin habe er eine Sitzung des Personalausschusses einberufen, der den
beantragten Kündigungen ordnungsgemäß zugestimmt habe, was der Geschäftsleitung
dann übermittelt worden sei. Das Anhörungsverfahren sei hiermit beendet gewesen.
Zudem seien die Sozialdaten der Einzelglasreiniger dem Personalausschuss bekannt
gewesen. Deren Vergleichbarkeit mit dem Kläger entfalle jedoch, da Herr H ausschließlich
bei Privatkunden gereinigt habe, Herr F nur für ein Objekt, den K B , zuständig gewesen sei
und dort auch nicht nur Glasreinigung betrieben habe und beide lediglich die einfache
Vergütung für Gebäudereiniger, nicht wie der Kläger die um ca. 30% höhere Vergütung für
Glasreiniger, erhalten hätten. Weder hätten die Herren F und H je in Kolonnen gearbeitet
noch hätte der Kläger im Wege des Direktionsrechts zur Ausführung der niedriger
bezahlten Tätigkeiten herangezogen werden können.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft und in der gesetzlichen Form eingelegt und
begründet worden, sie ist damit zulässig.
2. In der Sache hatte das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die ordentliche Kündigung der
Beklagten ist weder gem. § 1 II, III KSchG noch nach § 613 a IV BGB oder § 102 BetrVG
unwirksam bzw. sozial ungerechtfertigt. Daher war die erhobene Kündigungsschutzklage
abzuweisen. Gleiches gilt hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags und der
geltendgemachten Verzugslohnansprüche, da infolge der wirksamen Kündigung das
Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28.2.2002 beendet wurde und weitere
Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich sind.
a) Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 II KSchG. Die Beklagte
hat sich zu Recht auf dringende betriebliche Erfordernisse berufen, die infolge der von ihr
getroffenen Unternehmer-Entscheidung einer Weiterbeschäftigung des Klägers
entgegenstanden. Eine solche Unternehmer-Entscheidung liegt u.a. dann vor, wenn der
Arbeitgeber sich entschließt, bestimmte Aufgaben, die er bislang selbst wahrgenommen
hat, fremdzuvergeben, sog. outsourcing (BAG 07.12.2000 AP § 1 KSchG Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 113; ErfK/Ascheid, 4.A., § 1 KSchG Rn. 418). Die Beklagte fasste Ende
2001 einen Gesellschafterbeschluss des Inhalts, ihre Glaskolonnen aus
Rentabilitätsgründen schnellstmöglich zu schließen und die dort laufenden Aufträge
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fremdzugvergeben. In Umsetzung dieses Beschlusses sprach sie am 29.01.2002, also
zwei Tage vor der Einstellung der Glaskolonnentätigkeit, gegenüber sämtlichen in den
Kolonnen beschäftigten Mitarbeitern ordentliche Kündigungen aus. Dies genügt für die bei
einer Kündigung aufgrund bloßer Stillegungsabsicht notwendigen "greifbaren Formen"
(vgl. BAG 19.06.1991 AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53). Seinen Vortrag,
die Beklagte habe zum Kündigungszeitpunkt noch in Verhandlungen über die
Veräußerung des Betriebes gestanden, vermochte der Kläger nicht zu substantiieren. Ob
die Abteilung Glasreinigung insgesamt stillgelegt wurde oder ob dem in Anbetracht der
beiden weiterbeschäftigten Einzelreiniger F und H nicht so war, kann hier dahinstehen, da
unstreitig jedenfalls die Glaskolonnentätigkeit vollständig eingestellt wurde. Damit entfiel
auch der Arbeitsplatz des Klägers, der ausweislich seines Arbeitsvertrages nur für die
Tätigkeit in der "Glas Kolonne 180020" eingestellt war. Auch die Fremdvergabe der
Aufträge vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Entschließt sich der Arbeitgeber
aus Rentabilitätsgründen zu einem outsourcing, so ist auch dies grundsätzlich eine nicht zu
beanstandende unternehmerische Entscheidung (v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG,
13.A., § 1 Rn 423d). Eine Ausnahme hiervon dergestalt, dass der kündigende Arbeitgeber
sich weiterhin das Direktionsrecht gegenüber nunmehr eingesetzten Fremdarbeitskräften
vorbehält oder die Aufgaben durch eine neu gegründete, in sein Unternehmen voll
eingegliederte Organgesellschaft betreiben lässt, liegt hier nicht vor. Nach dem
unbestrittenen Vortrag der Beklagten hat diese die Aufträge an die Firmen P , S + L aus H ,
D aus B und C aus K verteilt, die die Arbeiten jeweils mit ihren eigenen Mitarbeitern und
Betriebsmitteln unabhängig von der Beklagten durchgeführt haben.
Auch konnte der Kläger nicht nachweisen, dass die Entscheidung der Beklagten
offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen wäre. Den
diesbezüglichen Vortrag, der Geschäftsführer der Beklagten habe erklärt, er habe die
Aufträge Subunternehmern erteilt, da diese Löhne unter Tarif zahlten, was für ihn
preiswerter sei, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Berufungsverhandlung
ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten.
b) Auch im Hinblick auf die unterbliebene Sozialauswahl gemäß § 1 III KSchG ist die
Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt. Eine Sozialauswahl brauchte nicht zu erfolgen, da
sie nur zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern stattfindet und der Kläger ausschließlich
mit den anderen Glaskolonnenmitarbeitern vergleichbar war, denen aber sämtlich
gekündigt wurde. Vergleichbar in diesem Sinne sind nur solche Arbeitnehmer, mit deren
Aufgaben der Gekündigte kraft Direktionsrechts betraut werden könnte; dies richtet sich
wiederum maßgeblich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages, da es für die Frage der
Vergleichbarkeit auf arbeitsplatzbezogene Merkmale ankommt (BAG 17.09.1998 AP § 1
KSchG Soziale Auswahl Nr. 36; 17.02.2000 AP § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 46;
ErfK/Ascheid, 4.A., § 1 KSchG Rn 481f.; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13.A., § 1 Rn
444, 449). Es genügt mithin nicht, dass der Gekündigte die Tätigkeit eines anderen nach
seinen Fähigkeiten lediglich tatsächlich, also ohne arbeitsvertragliche Anbindung,
ausführen könnte (ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn 482). Kann der Arbeitnehmer nach dem
Arbeitsvertrag nur in einem bestimmten Arbeitsbereich eingesetzt werden, so findet bei
dessen Wegfall keine Sozialauswahl mit Arbeitnehmern statt, die in anderen
Tätigkeitsbereichen arbeiten, selbst wenn es sich hierbei um an sich vergleichbare
Tätigkeitsbereiche handelt (BAG 17.02.2000 AP § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 46). Der
Kläger war nach seinem Arbeitsvertrag ausdrücklich und ausschließlich als Glasreiniger in
einer Kolonne beschäftigt. Schon aus diesem Grunde fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit
den Gebäude- bzw. Unterhaltsreinigern wie auch mit den Einzelglasreinigern F und H , die
ihre Arbeit unabhängig von den Kolonnen bei ausgesuchten Einzelkunden ausführten und
auch nicht zeitweise in den Kolonnen mitarbeiteten. Zudem erhielt der Kläger gemäß dem
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Lohntarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk jedenfalls in Bezug auf die Gebäude-
/Unterhaltsreiniger einen um ca. 30% höheren Lohn (Ecklohn A) als diese (Ecklohn B);
auch dies spricht gegen eine Vergleichbarkeit (BAG 15.06.1989 AP § 1 KSchG Soziale
Auswahl Nr. 18; v.Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13.A., § 1 Rn 451a). Soweit der Kläger
vorgetragen hat, auch in anderen Bereichen als der Glasreinigung tätig gewesen zu sein,
vermag dies nichts an der Maßgeblichkeit des arbeitsvertraglich festgelegten
Tätigkeitsumfangs zu ändern.
Abgesehen davon könnte sich der Kläger nicht auf eine fehlerhafte bzw. unterbliebene
Sozialauswahl berufen, da nicht ersichtlich ist, dass er sozial schutzwürdiger wäre als die
insoweit allenfalls in Frage kommenden Einzelglasreiniger Fuß und Heide. Dies wäre aber
erforderlich, da sich entsprechend dem Sinn und Zweck der Norm nur der sozial
Schwächere auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen kann (BAG 24.02.2000 AP § 1
KSchG Soziale Auswahl Nr. 47; ErfK/Ascheid, 4.A., § 1 KSchG Rn 470). Der Kläger war
zum Kündigungszeitpunkt 52 Jahre alt, verheiratet und ca.17 Jahre bei der Beklagten
beschäftigt, beide Einzelglasreiniger waren hingegen 25 bzw. 30 Jahre im Betrieb der
Beklagten tätig und standen kurz vor ihrem Eintritt in den Ruhestand. Der Kläger hat
keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, die den insoweit deutlich höheren Sozialschutz der
Einzelglasreiniger kompensieren oder gar überwiegen könnten.
c) Die Kündigung ist auch nicht gem. § 613 a IV BGB unwirksam. Hierzu fehlt es bereits an
einem Betriebsübergang. Für einen solchen bedarf es grundsätzlich der Wahrung der
Identität des übergehenden Betriebsteils als wirtschaftlicher Einheit, die sich im Wege einer
typologischen Gesamtbetrachtung u.a. aus dem Übergang von Personal,
Arbeitsorganisation, Betriebsmethoden und sächlichen und/oder immateriellen
Betriebsmitteln ergibt (BAG 11.12.1997 NZA 1998, 534; 18.03.1999 AP § 613 a BGB Nr.
190; ErfK/Preis, 4.A., § 613a BGB Rn 10 f.). Die Beklagte hat aber unbestritten vorgetragen,
die Aufträge der Glaskolonnen an vier Firmen fremdvergeben zu haben, ohne dass
Betriebsmittel überlassen worden seien. Da die bloße Funktionsnachfolge zur Begründung
eines Betriebsübergangs - auch im Falle eines outsourcings - nicht genügt (vgl. BAG
11.12.1997 NZA 1998, 534, 535; ErfK/Preis, 4.A., § 613 a Rn 11, 37), könnte ein solcher
allenfalls noch dann bejaht werden, wenn ein wesentlicher Teil der in den Glaskolonnen
Beschäftigten zum Erwerber gewechselt hätte. Hierzu bedürfte es indes nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer insoweit anschließt,
einer Quote von mehr als 75%, zumal es sich um Arbeitnehmer mit geringem
Qualifikationsgrad handelt (vgl. BAG 10.12.1998 NZA 1999, 420, 422). Von den sieben
Kolonnenmitarbeitern hätten mithin mindestens sechs zum selben Erwerber überwechseln
müssen, was vom Kläger aber nicht vorgetragen wurde. Zudem hat die Beklagte ihre
Aufträge nicht an ein Subunternehmen vergeben, sondern sie vielmehr auf mehrere
Unternehmen verteilt.
d) Schließlich ist die Kündigung auch nicht nach § 102 I 3 BetrVG unwirksam, da keine
fehlerhafte Anhörung im Sinne dieser Norm vorliegt. Nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts wirken sich grundsätzlich solche Mängel im Anhörungsverfahren
nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung aus, die in den Zuständigkeits- und
Verantwortungsbereich des Betriebsrats fallen, und zwar selbst dann nicht, wenn der
Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht
fehlerfrei behandelt hat (BAG 04.08.1975 BAGE 27, 209; 16.1.2003 NZA 2003, 927, 929;
zuletzt BAG v.24.06.2004 – 2 AZR 461/03 = NZA 2004, 1330). Dies findet seinen Grund
darin, dass der Arbeitgeber sich nicht in die Amtsführung des Betriebsrats einmischen und
diesen nicht einmal zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung anhalten darf, also keinerlei
rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrates hat,
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weswegen ihm "im Gegenzug" hierbei auftretende Fehler nicht zugerechnet werden (BAG
04.08.1975 BAGE 27, 209, 214; 16.01.2003 NZA 2003, 927, 929). Damit sind die Rügen
des Klägers unbeachtlich, die eine unwirksame Errichtung, eine nicht gem. §§ 27, 28
BetrVG vorgenommene Übertragung der Befugnisse nach § 102 BetrVG und eine
fehlerhafte Besetzung des Personalausschusses bei der Sitzung vom 16.01.2002 betreffen.
Bei all diesen Vorgängen handelt es sich um betriebsratsinterne Abläufe, die die
Entscheidungsfindung bzw. die Subdelegation von Aufgaben und Befugnissen betreffen
und auf die die Beklagte als Arbeitgeber keinen Einfluss nehmen darf, somit auch nicht für
entsprechende Fehler einzustehen hat. Eine Ausnahme hiervon gilt allenfalls dann, wenn
der Arbeitgeber den Fehler des Betriebsrats selbst veranlasst hat oder für ihn erkennbar
keine Gremienentscheidung, sondern lediglich eine persönliche Äußerung des
Betriebsratsvorsitzenden vorliegt (BAG 16.01.2003 NZA 2003, 927, 929; Richardi, BetrVG,
9.A., § 102 Rn 122; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21.A., § 102 Rn 53).
Beides ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere ist nach der erstinstanzlichen
Beweisaufnahme und der Vorlage des Sitzungsprotokolls vom 16.01.2002 inkl. des hierzu
gehörigen Beiblatts davon auszugehen, dass eine Sitzung des Personalausschusses
stattgefunden hat, in der die Zustimmung zur Kündigung des Klägers nach Erörterung der
wirtschaftlichen Hintergründe beschlossen wurde. Ebenso steht zur Überzeugung der
Kammer fest, dass dieses Ergebnis der Geschäftsleitung nach der Sitzung mitgeteilt wurde,
und zwar als Beschluss des Ausschusses und nicht als Einzelentscheidung des
Betriebsrats- bzw. Personalausschussvorsitzenden.
Ein Verhalten des Arbeitgebers wirkt sich auf die Wirksamkeit der Kündigung im Rahmen
des § 102 BetrVG nur dann aus, wenn dieser das Anhörungsverfahren nicht
ordnungsgemäß einleitet, dem Betriebsrat eine Stellungnahme nicht ermöglicht oder ggf.
die Frist des § 102 II BetrVG nicht einhält (BAG 16.01.2003 NZA 2003, 927, 929;
ErfK/Kania, 4.A., § 102 BetrVG Rn 26). Dabei hat er den Betriebsrat über die
Kündigungsgründe, die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers sowie über die
Kündigungsart zu informieren, was gem. § 26 II 2 BetrVG auch formlos und zu Händen des
Betriebsrats- bzw. Personalausschussvorsitzenden geschehen kann (BAG 04.08.1975
BAGE 27, 209; 06.02.1997 NZA 1997, 656, 658; ErfK/Kania, 4.A., § 102 BetrVG Rn 4f.).
Dies ist hier in nicht zu beanstandender Weise geschehen. Aufgrund der Beweisaufnahme
in erster Instanz steht fest, dass die Beklagte am 16.01.2002 den Betriebsrats- und
Personalausschussvorsitzenden H. P kontaktierte, ihm sowohl die Absicht, den
Glaskolonnenmitarbeitern zu kündigen, wie auch die wirtschaftlichen Hintergründe mitteilte
und die Zustimmung des Betriebsrats bzw. des Personalausschusses beantragte. Hierfür
spricht zudem die Aussage des H. P , der bekundete, er habe die Beklagte erst einmal von
der von ihr ins Auge gefassten fristlosen Kündigung abbringen müssen. Die Personalakten
des Klägers sowie der vergleichbaren übrigen sechs Glaskolonnenmitarbeiter lagen dem
Personalausschuss während der Sitzung vom 16.01.2002 vor. Dass dieser auch mit den
wirtschaftlichen Hintergründen vertraut gemacht wurde, ergibt sich zudem aus dem
Sitzungsprotokoll, in dem Ertrags- bzw. Rentabilitätszahlen im einzelnen aufgeführt sind.
Die Sozialdaten der Einzelglasreiniger F und H sowie der übrigen bei der Beklagten
Beschäftigten brauchten dem Personalausschuss nicht vorgelegt zu werden, da es sich
zum einen bei den Genannten nicht um vergleichbare und somit in eine Sozialauswahl mit
dem Kläger einzubeziehende Mitarbeiter handelte, es zum zweiten der Angabe solcher
Daten wegen des Grundsatzes der subjektiven Determination dann nicht bedarf, wenn der
Arbeitgeber - wie hier - eine Sozialauswahl für entbehrlich hält (BAG 24.02.2000 AP § 1
KSchG Soziale Auswahl Nr. 47; ErfK/Kania, 4.A., § 102 BetrVG Rn 9) und sich der Kläger
zum dritten wie dargelegt ohnehin nicht auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen könnte.
Ob die Kündigung nach Abschluss des Anhörungsverfahrens erfolgte - wovon hier wohl
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ausgegangen werden kann, da der Beschluss vom 16.01.2002 auch für die Beklagte eine
abschließende Stellungnahme des Personalausschusses darstellte - oder nicht, kann
letztlich dahinstehen, da die Beklagte die Kündigung unstreitig erst am 29.01.2002
ausgesprochen und somit jedenfalls die Wochenfrist des § 102 II BetrVG eingehalten hat.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 VI 1 ArbGG, 97 ZPO. Die Revision war nicht
gemäß § 72 II ArbGG zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
zukommt noch die Gefahr einer Divergenzentscheidung besteht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die
Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
(Rietschel) (Dipl. Ing. Alfter) (Schnelle)