Urteil des LAG Köln vom 20.03.2001

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Landesarbeitsgericht Köln, 6 Ta 46/01
Datum:
20.03.2001
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
6.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Ta 46/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 2 Ga 14/01
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2001 - 2 Ga 14/01 - abgeändert:
1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes von
50.000,00 DM aufgegeben, den Antragsteller einstweilen bis zur
Entscheidung in der Hauptsache wieder als Leiter der Vertriebsdirektion
Mder CVAG und der NAV-AG innerhalb der Zweigniederlassung Mnach
Maßgabe des Dienstver-trages vom 12.02.1996 zu beschäftigen.
2. Der Antragsgegnerin wird ferner bei Meidung eines Zwangsgeldes
von 50.000,00 DM aufgegeben, die Wieder-beschäftigung auf
demselben Wege im Betrieb bekannt zu geben, der gewählt wurde, um
die Mitarbeiter über die Frei-stellung des Antragstellers zu informierten.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
4. Der Beschwerdewert wird auf 45.000,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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I. Die Parteien streiten über die Beschäftigung des Antragstellers im Rahmen eines
ungekündigten Arbeitsverhältnisses.
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Der Antragsteller ist aufgrund des Dienstvertrages vom 12.02.1996 (Kopie Bl. 11 ff. d. A.)
als "Vertriebsdirekor" mit der Leitung der Vertriebsdirektion Makler gegen eine
Vergütung von zuletzt 156.699,00 DM jährlich zuzüglich Bonifikation und Dienstwagen
beschäftigt gewesen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Antragsteller
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leitender Angestellter im Sinne des BetrVG ist. Die Abteilung Maklervertrieb, der der
Antragsteller als Leiter vorstand, besteht aus 13 angestellten Mitarbeitern.
Unter dem 05.02.2001 wurde der Antragsteller von seiner Leitungsaufgabe freigestellt,
was seinen Mitarbeitern und den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern noch am selben
Tag mitgeteilt wurde. Ebenfalls am 05.02.2001 wurde dem Antragsteller schriftlich
angeboten, mit sofortiger Wirkung die Funktion eines Maklerbevollmächtigten der
Zweigniederlassung München im Raum Nürnberg zu übernehmen. In dieser Funktion
wäre er dem Leiter der Vertriebsdirektion Makler der Niederlassung München unterstellt
und würde den Titel "Filialdirektor" tragen.
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Die Antragsgegnerin informierte alle Mitarbeiter der Zweigniederlassung München und
der Vertriebsdirektion Nürnberg über die Enthebung des Antragsteller aus seiner
Position als Leiter der Vertriebsdirektion Makler mit Schreiben vom 06.02.2001 (Kopie
Bl. 23 d. A.).
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Mit Beschluss vom 13.02.2001 hat das Arbeitsgericht Köln die beantragte einstweilige
Verfügung auf Weiterbeschäftigung und entsprechende Mitarbeiterinformation mangels
hinreichenden Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Wegen der Begründung im
Einzelnen wird auf Bl. 28 d. A. Bezug genommen.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21.02.2001, mit der der Antragsteller seine
Anträge unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt.
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Die Antragsgegnerin beantragt
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Zum Hintergrund der Freistellung trägt sie vor, der Antragsteller sei bereits seit Jahren
nicht in der Lage gewesen, die vorgegebenen Vertriebsziele zu erreichen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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II. Die nach § 78 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 567 Abs. 1 ZPO zulässige
Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Verfügungsansprüche folgen im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung aus den §§
611, 613, 242 BGB und im Hinblick auf die Beseitigung der Fehlinformation aus den §§
823, 1004 BGB. Der Antragsteller hat im Rahmen des ungekündigten
Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die
Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ist die Kehrseite der Arbeitspflicht des
Arbeitnehmers und letztlich aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abzuleiten
(vgl. BAG GS vom 27.02.1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).
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Die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ist angesichts des Rechtscharakters
der Beschäftigungspflicht als zumindest einer wesentlichen Nebenpflicht des
Arbeitgebers aus den Arbeitsvertrag nur unter den Voraussetzungen des § 626 BGB als
vorläufig milderes Mittel zu Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung
zulässig (vgl. ErfK/Preis, § 6121 BGB Rdnr. 829). Die Antragsgegnerin hat mit der
Beschwerdeerwiderung einen solchen Suspendierungsgrund nicht dargelegt. Allein der
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Hinweis auf die Nichterreichung der Vertriebsziele ist nicht geeignet, die für den
Antragsteller einschneidende Maßnahme zu rechtfertigen. Auch die im Dienstvertrag
enthaltene "umfassende Versetzungsklausel" vermag die Freistellung des
Antragstellers nicht zu begründen. Danach hat sich die Antragsgegnerin vorbehalten,
dem Antragsteller innerhalb ihres Unternehmens bei gleicher Vergütung - auch an
einem anderen Ort - eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten
entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eben das hat die Antragsgegnerin aber nicht
getan. Sie hat den Antragsteller lediglich von seinen bisherigen Leitungsaufgaben
entbunden, ohne hierfür einen zureichenden Grund zu haben. Ob der Arbeitsplatz, der
dem Antragsteller in Nürnberg angeboten wurde, mit seinem bisherigen gleichwertig ist,
kann für dieses Verfahren dahinstehen, wie die Antragsgegnerin insoweit zutreffend
bemerkt hat.
Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsgrund dargelegt und durch - ergänzende -
eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Wegen der Befriedigungswirkung einer
sogenannten Leistungsverfügung der vorliegenden Art sind allerdings besonders
strenge Anforderungen zu stellen. Der Antragsteller hat darzulegen und glaubhaft zu
machen, dass er auf die sofortige Erfüllung seiner Ansprüche dringend angewiesen ist
(vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 940 Rdnr. 6 m.w.N.). Diesen
Erfordernissen wird jedenfalls das Beschwerdevorbringen des Antragstellers gerecht.
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Der Antragsteller hat insbesondere nachvollziehbar ausgeführt, dass die
Versicherungsbranche sehr schnelllebig ist und sich häufig Produkte und deren
Zusammensetzung ändern. Solange er nicht wieder auf seiner bisherigen Position
beschäftigt wird, werden ihm die für seine berufliche Weiterentwicklung notwendigen
Kenntnisse vorenthalten. Dies gilt auch und vor allem für die Veränderungen im Bestand
der Maklerverbindungen, also im Bereich der Kundenbeziehungen. Je länger der
Antragsteller von dem beruflichen Informationsfluss abgeschnitten ist, der untrennbar mit
seiner Tätigkeit verbunden ist, desto schwieriger wird eine Wiederaufnehme seiner
Arbeit nach einem etwa erfolgreichem Abschluss des bereits anhängigen
Hauptsacheverfahrens sein. Ein effektiver Rechtsschutz ist unter diesen Umständen nur
dadurch gewährleistet, dass der Antragsteller einstweilen bis zur Entscheidung in der
Hauptsache weiterbeschäftigt wird. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu
berücksichtigen, dass der Verfügungsanspruch derzeit evident besteht (vgl. LAG Köln
vom 14.06.1996 NZA 1997, 327 ff.).
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III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 3, 91 Abs. 1 ZPO.
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IV. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG). Auf
die Möglichkeit des Widerspruchs nach den §§ 924, 936 ZPO wird hingewiesen. Der
Widerspruch ist bei dem Arbeitsgericht zu erheben.
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(Dr. Kalb)
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