Urteil des LAG Köln vom 07.07.2005

LArbG Köln: sexuelle belästigung, firma, datum, unterlassen, widerruf, arbeitsgericht, strafanzeige, bezirk, bestätigungsschreiben, treppe

Landesarbeitsgericht Köln, 7 Sa 508/04
Datum:
07.07.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 508/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 3 Ca 5196/03
Schlagworte:
Unterlassung; Widerruf; Beweislast; sexuelle Belästigung; Non Liquet
Normen:
§ 1004 BGB; § 2 BeschSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1.) Der „Klaps“ mit dem Handrücken auf den Po ist geeignet, den
Tatbestand einer sexuellen Belästigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2
BeschSchG zu erfüllen.
2.) Ein Anspruch auf Widerruf der Behauptung einer sexuellen
Belästigung setzt voraus, dass die Behauptung nachweislich unwahr ist.
Für den Anspruch auf Unterlassung einer solchen Behauptung reicht es
aus, dass die Behauptung nicht erweislich wahr ist.
3.) Zur Beweiswürdigung in einem derartigen Einzelfall.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Köln vom 05.11.2003 in Sachen
3 Ca 5196/03 teilweise abgeändert:
Der Klageantrag zu 1) (Widerruf) wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen beide Parteien je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten den Widerruf und die Unterlassung der
Behauptung, er, der Kläger, habe die Beklagte sexuell belästigt.
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Kläger und Beklagte waren Anfang 2003 Mitarbeiter der Firma A . Die Beklagte war in
einem bestimmten Bezirk als Straßenreinigerin eingesetzt, der Kläger war der für den
entsprechenden Bezirk zuständige Gruppenleiter.
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Am 15.02.2003 stellte der Kläger auf einer dienstlichen Kontrollfahrt fest, dass die
Beklagte ihre Kehrmaschine abgestellt hatte und sich während der Arbeitszeit in einer
Spielhalle aufhielt. Der Kläger stellte sie deswegen zur Rede. In der Folgezeit wurde der
Vorgang Gegenstand einer Dienstbesprechung, in welcher der gemeinsame
Vorgesetzte, der als Betriebshofleiter fungierende Zeuge B , der Beklagten eröffnet,
dass sie aus ihrer bisherigen Arbeitsgruppe herausgenommen und als Beifahrerin auf
einem Lkw eingesetzt werden solle. Die Beklagte ihrerseits bezichtigte den Kläger, sie
in der Vergangenheit sexuell belästigt zu haben: Der Kläger habe ihr mit dem
Handrücken der rechten Hand, in der er ein zusammengerolltes Blatt Papier gehalten
habe, auf dem Treppenaufgang zum Büro auf das Gesäß geschlagen.
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Mit Anwaltsschreiben vom 27.02.2003 (Bl. 6 f. d. A.) ließ der Kläger die Beklagte
auffordern, ihre Behauptung, er habe sie sexuell belästigt, gegenüber der Firma A und
ihm selbst durch schriftliche Erklärung zu widerrufen und zukünftig derartige
Äußerungen zu unterlassen. Mit Anwaltsschreiben vom 17.04.2003 ließ die Beklagte
ihrerseits gegen den Kläger Strafanzeige erstatten (StA Köln 29 Js 386/03), wobei sie
ihren Vorwurf der sexuellen Belästigung durch den Kläger wiederholte und auf
Mittwoch, den 22.02.2003 gegen 14:00 Uhr datierte.
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Der Kläger hat behauptet, die Angabe der Beklagten, er habe sie in der angegebenen
Weise sexuell belästigt, sei unwahr. Die Beklagte habe den Vorwurf der sexuellen
Belästigung nur erfunden, um den Konsequenzen ihrer Dienstverfehlung vom
15.02.2003 zu entgehen. Schon im Vorfeld der Dienstbesprechung, die – wie in erster
Instanz unstreitig war – am 18.02.2003 stattgefunden habe, habe der ebenfalls bei der
Firma A beschäftigte Bruder der Beklagte ihn, den Kläger, aufgefordert, den Vorfall vom
15.02.2003 auf sich beruhen zu lassen; denn schließlich sei die Beklagte eine Frau und
man könne ihm, dem Kläger, schnell den Vorwurf einer sexuellen Belästigung
anhängen.
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Weiter hat der Beklagte ausgeführt, die Beklagte habe in der Dienstbesprechung vom
18.02.2003 behauptet, die sexuelle Belästigung habe "vor 14 Tagen" stattgefunden.
Dies habe aber schon deshalb nicht stimmen können, da er, der Kläger, vom 19.01. bis
10.02.2003 gar nicht im Dienst gewesen sei.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, die Behauptung, der Kläger habe sie sexuell belästigt
9
a. gegenüber dem Kläger
b. gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers, der Firma A zu widerrufen;
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die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber dritten Personen,
insbesondere Mitarbeitern der Firma A , wörtlich oder sinngemäß die Behauptung
aufzustellen oder zu verbreiten, der Kläger habe sie in irgendeiner Form sexuell
belästigt.
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12
Die Beklagte und Berufungsklägerin hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte hat die vom Kläger aufgestellten Behauptungen über angebliche
Äußerungen ihres Bruders bestritten und bekräftigt, dass sie nichts zu widerrufen oder
zu unterlassen habe, da sich der Vorfall der sexuellen Belästigung so, wie von ihr in der
Strafanzeige geschildert, tatsächlich abgespielt habe, allerdings nicht 14 Tage vor dem
18.02.2003, sondern am 22.02.2003 gegen 14:00 Uhr auf der Zugangsrampe zu den
Büroräumen des Betriebshofs an der O Straße.
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In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger eine Bescheinigung der
Firma AWB vom 02.07.2003 vorgelegt, der zufolge er auch am 22.02.2003 nicht
gearbeitet hatte.
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Mit Urteil vom 05.11.2003 hat das Arbeitsgericht der Widerrufs- und Unterlassungsklage
in vollem Umfang stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug
genommen.
17
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Beklagte am 16.04.2004 zugestellt. Sie hat
hiergegen am 05.05.2004 Berufung eingelegt und diese am 02.06.2004 begründen
lassen.
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Die Beklagte und Berufungsklägerin bleibt bei ihrer Behauptung, dass der Kläger und
Berufungsbeklagte sie am 22.02.2003 in der von ihr beschriebenen Weise sexuell
belästigt habe. Mit Schriftsatz vom 26.11.2004 lässt die Beklagte vortragen, dass nach
einigen Nachforschungen nunmehr aufgefallen sei, dass der 18.02.2003 fälschlich als
Datum der Mitarbeiterbesprechung benannt worden sei. Tatsächlich habe es sich um
den 18.03.2003 gehandelt.
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Außerdem stellt die Beklagte und Berufungsklägerin die für einen Anspruch auf
Unterlassung bestimmter Behauptungen erforderliche Wiederholungsgefahr in Abrede,
zumal sie zwischenzeitlich aus den Diensten der Firma A ausgeschieden sei.
20
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
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das Urteil des Arbeitsgericht Köln vom 05.11.2003, zugestellt am 16.04.2004,
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Aktenzeichen 3 Ca 5196/03, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
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die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger und Berufungsbeklagte bekräftigt, dass die gegnerische Behauptung der
sexuellen Belästigung unwahr sei. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen
Sachvortrag und verteidigt die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe.
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Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K , L , B , R ,
Ü , K und B . Wegen der Beweisthemen wird auf Bl. 68 f. d. A. sowie das
Sitzungsprotokoll vom 27.04.2005 Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 27.04.2005 und 07.07.2005
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft
und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und
begründet.
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II. Die Berufung der Beklagten ist auch teilweise begründet. Entgegen der Auffassung
des Arbeitsgerichts kann die Beklagte nicht verpflichtet werden, ihre Behauptung, der
Kläger habe sie durch einen Schlag mit dem Handrücken auf das Gesäß sexuell
belästigt, zu widerrufen. Andererseits hat es jedoch bei dem vom Arbeitsgericht
ausgeurteilten Anspruch des Klägers zu verbleiben, dass die Beklagte die
Wiederholung ihrer Behauptung zukünftig zu unterlassen hat.
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Insgesamt war die Berufung der Beklagten somit teilweise erfolgreich, teilweise
unterliegt sie der Zurückweisung.
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1. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte darauf, die Behauptung zu widerrufen,
er habe sie durch einen Schlag mit dem Handrücken auf das Gesäß sexuell belästigt,
konnte vom Berufungsgericht nicht verifiziert werden.
31
a. Ein Anspruch des Klägers auf Widerruf der streitigen Beklagtenbehauptung folgt nicht
schon daraus, dass der von der Beklagten behauptete Tatbestand – ein Schlag des
Klägers mit dem Handrücken auf ihr Gesäß – nicht als "sexuelle Belästigung"
bezeichnet werden könnte. Wie zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens
letztlich sogar unstreitig ist, ist das Gegenteil der Fall. Insbesondere in der
Rechtsprechung und Literatur zu § 2 des Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor
sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist anerkannt, dass auch der von der Betroffenen
erkennbar abgelehnte "Klaps auf den Po" eine sexuelle Belästigung im Sinne dieses
Gesetzes darstellt (LAG Sachsen, LAGE Nr. 130 zu § 626 BGB; HWK/Thüsing, § 2
BeschSchG, Rz. 9; Erfurter Kommentar/Schlachter, § 2 BeschSchG, Rz. 5); denn es
handelt sich dabei bereits um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre des anderen
Teils, der nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine sexuelle Färbung besitzt
(Erfurter Kommentar/Schlachter, a. a. O., m. w. N.). Daran kann insbesondere im
vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen; denn wie aus der Aussage des Zeugen K
hervorgeht, war eine gleichgeschlechtliche Orientierung der Beklagten und der daraus
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resultierende Umstand, dass sich die Beklagte vor Berührungen durch Männer
besonders ekelt, im Kollegenkreis allgemein bekannt.
b. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf einen
Widerruf
die Beklagte sexuell belästigt zu haben, setzt jedoch voraus, dass der Vorwurf
nachweislich unwahr
erbringen.
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c. Dem gegenüber besteht ein Anspruch auf
Unterlassung
ehrenrührigen Vorwurfs schon dann, wenn die Behauptung der Beklagten
nicht
erweislich wahr
die Beklagte gleichwohl ihre Behauptung wiederholt. In der Rechtsverteidigung
gegenüber dem klägerischen Unterlassungsanspruch war es Sache der Beklagten, die
Wahrheit ihrer Behauptung nachzuweisen.
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2. Nach sorgfältiger Prüfung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sind jedoch beide
Parteien beweisfällig geblieben (sog. Non-liquet). Das Berufungsgericht konnte sich
weder mit dem für eine Entscheidungsfindung notwendigen Grad an Gewissheit davon
überzeugen, dass der Kläger die Beklagte tatsächlich in der von dieser beschriebenen
Weise sexuell belästigt hat, noch steht für das Berufungsgericht hinreichend fest, dass
dies nicht der Fall war.
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a.
Für
K und B .
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Der Zeuge K hat eigenständig und anschaulich einen Vorfall geschildert, bei dem der
Kläger der Beklagten auf einer Treppe mit dem Handrücken auf den Hintern geschlagen
haben soll. Der Zeuge K hat bekundet, dies selbst gesehen und anschließend sofort
dem Zeugen B erzählt zu haben. Der Zeuge K hat auf Nachfrage auch nachvollziehbar
erläutert, warum der Vorfall ihm bemerkenswert erschien, und dabei erstmals – im
folgenden zwischen den Parteien unstreitige – Umstände zur Sprache gebracht, die für
die Beurteilung des Gesamtgeschehens bedeutsam erscheinen können. Der Zeuge B
hat die Angaben des Zeugen K , was seine eigene Rolle angeht, bestätigt: Danach
hätten sich der Zeuge K und die Beklagte auf der gemeinsamen Heimfahrt der
Fahrgemeinschaft über den vom Zeugen K geschilderten Vorfall unterhalten "und sich
dabei noch furchtbar darüber aufgeregt." Der Zeuge K konnte den von ihm geschilderten
Vorfall zeitlich nicht mehr einem bestimmten Monat zuordnen, wusste sich aber noch zu
erinnern, "dass wir Winterdienst hatten und es ein Mittwoch war."
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Für sich betrachtet wirkten die Aussagen der Zeugen K und B glaubhaft, dass
Aussageverhalten ließ keine Anhaltspunkte für eine unredliche Gefälligkeitsaussage
erkennen.
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b.
Gegen
Beklagten dezidiert vorgenommene zeitliche Zuordnung des Vorfalls.
39
aa. So hat die Beklagte in ihrer Strafanzeige gegenüber der Staatsanwalt explizit
angegeben, der Vorfall habe sich "am Mittwoch, dem 22.02.2003 gegen 14:00 Uhr"
ereignet, und dieses Datum auch im vorliegenden Arbeitsgerichtsverfahren mehrfach
ausdrücklich bekräftigt, nachdem von Klägerseite die von der Beklagten geschilderten
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zeitlichen Abläufe in Frage gestellt worden waren. Insbesondere hat die Beklagte
betont, dass es "keinesfalls irgendwelche Vorkommnisse 14 Tage vor dem 18.02.2003"
gegeben habe.
bb. Die Behauptung der Beklagten, der angebliche Vorfall habe "am Mittwoch, den
22.02.2003 gegen 14:00 Uhr" stattgefunden, kann jedoch aus verschiedenen Gründen
nicht zutreffen. So fiel der 22.02.2003 bereits nicht auf einen Mittwoch, sondern auf
einen Samstag. Der Annahme, die Beklagte habe dem von ihr gerade auch im
Arbeitsgerichtsverfahren stets wiederholten Datum "22.02.2003" lediglich einen
falschen Wochentag zugeordnet, steht indessen die Aussage des von ihr selbst
genannten Zeugen K entgegen. Dieser wusste sich zwar nicht mehr zu erinnern, an
welchem Datum und gar in welchem Monat der sich von ihm bestätigte Vorfall
abgespielt hatte. Wohl aber erinnerte er sich noch daran, dass "es ein Mittwoch war."
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cc. Die Behauptung der Beklagten, es sei der 22.02.2003 gewesen, an dem der Kläger
sie sexuell belästigt habe, wird auch durch das Schreiben der Personalverwaltung der
Firma A vom 24.01.2005 widerlegt, welches der Kläger in der mündlichen Verhandlung
vom 07.07.2005 vorgelegt hat. Darin bestätigt die Personalverwaltung dem Kläger, dass
sie "zum ersten Mal am 19.02.2003 von dem gegen Sie erhobenen Vorwurf der
sexuellen Belästigung erfahren" habe (vgl. Bl. 108 d. A.).
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dd. Diese Bestätigung der Personalverwaltung der Firma A lässt sich nahtlos in die
Schilderung einfügen, die der Zeuge B über den Verlauf der Dienstbesprechung vom
18.02. 2003 gegeben hat. Dem Zeugen B zu folge hatte die Beklagte nämlich den
Vorwurf der sexuellen Belästigung bereits bei dem Dienstgespräch vom 18.02.2003 zur
Sprache gebracht, bei dem es vorrangig um die in den Tagen zuvor festgestellten
dienstlichen Verfehlungen der Beklagten gegangen war. Der Zeuge B hat angegeben,
nachdem es in dem Dienstgespräch vom 18.02.2003 nicht zu einer einvernehmlichen
Lösung der eigentlichen Problematik des Dienstgespräches gekommen war, weil die
Beklagte mit einer Umsetzung nicht einverstanden gewesen sei, habe er deren Vorwurf
der sexuellen Belästigung an die Personalabteilung weiter gegeben.
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ee. Das Bestätigungsschreiben der Personalverwaltung der Firma A vom 24.01.2005
sowie die Aussage des Zeugen B widerlegen auch die von der Beklagten erstmals in
der Berufungsinstanz aufgestellt Behauptung, das fragliche Personalgespräch habe
nicht schon am 18.02., sondern erst am 18.03.2003 stattgefunden. Dies kann aber auch
schon deshalb nicht zutreffen, weil der Kläger die Beklagte bereits mit Anwaltsschreiben
vom 27.02.2003 aufgefordert hatte, die Behauptung der sexuellen Belästigung
gegenüber der Firma A zu widerrufen und zukünftig zu unterlassen (Bl. 6 f. d. A.). Schon
deshalb steht fest, dass die Beklagte den Vorwurf der sexuellen Belästigung nicht erst
im März, sondern im Februar 2003, und zwar dem Bestätigungsschreiben der A vom
24.01.2005 zufolge jedenfalls vor dem 19.02.2003 erhoben haben muss.
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c. Die Feststellung, dass die von der Beklagten behauptete – und vom Zeugen K
bestätigte – sexuelle Belästigung durch den Kläger jedenfalls nicht am 22.02.2003
stattgefunden haben kann, kann für sich allein betrachtet nicht einen Widerrufsanspruch
des Klägers begründen; denn sein Widerrufsantrag bezieht sich auf den Vorwurf einer
sexuellen Belästigung allgemein und ist nicht zeitlich auf ein bestimmtes Datum fixiert.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme lässt ohne Weiteres die Möglichkeit offen, dass die
von der Beklagten behauptete und vom Zeugen K bestätigte sexuelle Belästigung
tatsächlich stattgefunden hat, jedoch zu einem anderen Zeitpunkt als von der Klägerin
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im vorliegenden Verfahren angegeben.
d. Die Unstimmigkeiten um den von der Beklagten angegebenen Zeitpunkt der
angeblichen sexuellen Belästigung führen andererseits dazu, dass trotz der
bestätigenden Aussagen der Zeugen K und B die Zweifel daran, dass überhaupt eine
sexuelle Belästigung stattgefunden hat, groß genug sind, dass das Gericht den Inhalt
der Behauptung nicht als erwiesene Tatsache werten kann.
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e. Daran ändert auch das Ergebnis der Vernehmung des von der Beklagten benannten
Zeugen L nichts. Dieser hat zwar im ersten Teil seiner Aussage zunächst bestätigt, dass
der Kläger ihm erzählt habe, er habe die Beklagte beim Hinaufgehen auf eine Treppe
auf den Hintern geschlagen. Auf Nachfragen durch die Klägervertreterin und das Gericht
hat der Zeuge jedoch seine ursprüngliche Angabe relativiert und dahingehend
abgeschwächt, der Kläger habe ihm lediglich berichtet, ihm werde unterstellt, er habe
die Beklagte auf den Hintern geschlagen. Die wankelmütige Aussage des Zeugen L ist
somit für das Ergebnis des Prozesses unergiebig.
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f. Dagegen ergibt sich aus der Aussage des Zeugen B entgegen der Tendenz der
Sachverhaltsschilderung seitens der Beklagten, dass die Beklagte den Vorwurf der
sexuellen Belästigung sehr wohl erstmals im Zusammenhang mit den gegen sie
erhobenen Vorwürfen dienstlicher Verfehlungen zur Sprache gebracht hat. Der
schlüssigen und detailreichen Schilderung des Zeugen B zu Folge brachte die Beklagte
den Vorwurf der sexuellen Belästigung im Rahmen des Dienstgespräches
gewissermaßen als "Waffe" gegen die von ihr als ungerecht empfundene geplante
Umsetzungsmaßnahme vor. Dies spricht tendenziell gegen die Beklagte, da sie stets
geleugnet hat, einen solchen Zusammenhang hergestellt zu haben.
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g. Andererseits lässt auch die Aussage des Zeugen B die Möglichkeit offen, dass es den
von der Beklagten geschilderten Vorfall einer sexuellen Belästigung durch einen Klaps
auf den Po tatsächlich gegeben hatte, dass die Beklagte darin jedoch ursprünglich
keinen Anlass gesehen hatte, sich über den Kläger zu beschweren, dass sie dann aber
auf den Vorfall zurückgriff, um ihn als "Verteidigungsmittel" zu instrumentalisieren, als
sie ihrerseits mit den Vorwürfen der Dienstverfehlung konfrontiert wurde.
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h. Soweit das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen B als schlüssig und glaubhaft
wertet, steht dem die Aussage des Zeugen K nicht entgegen. Der Zeuge hat zwar
entgegen den Angaben des Zeugen B ausgeführt, bei dem fraglichen
Personalgespräch, bei dem es um die Dienstvorwürfe gegen die Beklagte und die
geplante Umsetzungsmaßnahme ging, sei das Thema "sexuelle Belästigung" noch
nicht zur Sprache gekommen. Für die insoweit abweichende Schilderung des Zeugen B
spricht jedoch nicht nur deren innige Stimmigkeit, sondern auch die durch die
Bescheinigung der Firma A vom 24.01.2005 bestätigten zeitlichen Abläufe, auf die
bereits oben näher eingegangen wurde.
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3. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts ist somit weder bewiesen, dass der Kläger
die Beklagte in der von ihr behaupteten Weise durch einen Klaps auf den Po sexuell
belästigt hat, noch ist bewiesen, dass dies nicht der Fall war.
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Ein Widerrufsanspruch des Klägers scheidet aus, der Unterlassungsanspruch ist
hingegen begründet.
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4. Dem Unterlassungsanspruch steht entgegen der Auffassung der Beklagten eine
fehlende Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Beklagte hat die Richtigkeit ihres
Vorwurfs stets bekräftigt, außergerichtlich die Abgabe einer Unterlassungserklärung
stets abgelehnt und – im Gegensatz zum Kläger – auch mehrere gerichtliche
Vergleichsvorschläge nicht akzeptiert, die zum Inhalt hatten, dass sich die Beklagte zur
zukünftigen Unterlassung der Behauptung verpflichtet, der Kläger hingegen den
Widerrufsanspruch fallen lässt. In Anbetracht dieses Verhaltens der Beklagten kann der
Kläger sich keineswegs sicher sein, dass die Beklagte es in Zukunft auch ohne Erlass
eines gerichtlichen Titels unterlassen wird, die hier streitige Behauptung des Vorwurfs
einer sexuellen Belästigung zu wiederholen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 92 Abs. 1 ZPO aus dem Verhältnis des
beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens.
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Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist in der vorliegenden
Einzelfallentscheidung, bei der es vornehmlich um die Tatsachenfeststellung geht, nicht
gegeben.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
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Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.
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(Dr. Czinczoll) (Modemann) (Kruger)
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