Urteil des LAG Köln vom 23.01.2007

LArbG Köln: zahl, arbeitsgericht, betriebsrat, zeiterfassung, aufzeichnung, mitbestimmungsrecht, datenschutz, arbeitsbedingungen, besitzer, vergütung

Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 66/06
Datum:
23.01.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 TaBV 66/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 15 BV 143/06
Schlagworte:
Einigungsstelle; offensichtliche Unzuständigkeit
Normen:
§ 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle liegt nicht vor,
wenn eine Betriebspartei die teilweise Änderung einer ungekündigten
Betriebsvereinbarung mit Arbeitszeitregelungen aufgrund nachträglicher
Entwicklungen erreichen will.
2. Sofern die Einigungsstelle nur eingerichtet werden soll, damit eine
Betriebspartei ihre früheren Regelungsvorschläge, die in der geltenden
Betriebsvereinbarung nicht ihren Niederschlag gefunden haben, erneut
vorbringen kann, ist der Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle schon
mangels Rechtschutzbedürfnis unzulässig. Zudem steht der anderen
Betriebspartei der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu (§ 242 BGB).
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 16. Oktober 2006 – 15 BV 143/06 – wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, dass Frau Dauch, Direktorin des
Arbeitsgerichts Düsseldorf, zur Vorsitzenden der Einigungsstelle bestellt
wird.
G r ü n d e :
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I. Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
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Die Antragstellerinnen und Beteiligte zu 1 bis 4 (Arbeitgeberinnen) führen ihre
Hauptverwaltungen in K als Gemeinschaftsbetrieb. Von den insgesamt beschäftigten
5000 Arbeitnehmern sind etwa 200 bis 300 Beschäftigte mit herausgehobenen und
verantwortungsvollen Aufgaben, die eine Vergütung erhalten, die über der obersten
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Tarifgruppe liegt (ÜT-Mitarbeiter). 300 Arbeitnehmer sind leitende Angestellte.
Am 13. Juli 1999 schlossen sie mit dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes eine
Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung, in der Arbeitszeitrahmen,
Dienstbereitschaft, tägliche Arbeitszeit, Pausen und Arbeitsunterbrechungen,
Zeitkonten, Ausgleichstage, Arbeitszeiterfassung und die Bewertung von Fehlzeiten,
dienstlicher Abwesenheit und Abwesenheit aus sonstigen Gründen geregelt sind. In den
Schlussbestimmungen heißt es, die Unternehmensleitung und der Betriebsrat seien
sich darüber einig, dass die Betriebsvereinbarung Modellcharakter habe und dass
zukünftige Erfahrungen, wie z. B. Marktentwicklungen, Änderungen erforderlich machen
könnten. Die Betriebsvereinbarung solle für alle Arbeitnehmer gelten, soweit sie nicht
ständig überwiegend im Außendienst tätig seien oder im Einzelfall nach Zustimmung
des Betriebsrats einzelvertraglich keine anderweitige Arbeitszeitregelung vereinbart sei.
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Am 3. September 1999 schlossen sie mit dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes
eine Betriebsvereinbarung Zutrittskontrolle, Zeiterfassung und Geldkarte, in der die
Einführung eines bestimmten Zeiterfassungs- und Zugangskontrollsystems und das
Verfahren bei der Arbeitszeiterfassung, die Benennung von Gleitzeitbeauftragten sowie
der Datenschutz geregelt sind. Die Betriebsvereinbarung soll für alle Arbeitnehmer
gelten, soweit im Einzelfall keine anderweitige Regelung vereinbart ist.
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Die Antragstellerinnen zu 1, 3 und 4 haben mit ihren jeweiligen Gesamtbetriebsräten
Gesamtbetriebsvereinbarungen über ein neues Vergütungssystem für ÜT-Mitarbeiter
abgeschlossen. Die übertarifliche Vergütung erfolgt durch die Gewährung eines Bonus,
dessen Höhe sich nach Gehaltsbändern, Verantwortungsebenen und
Zielvereinbarungen richtet. Die Antragstellerin zu 2 verhandelt derzeit mit dem bei ihr
bestehenden Gesamtbetriebsrat über die Einführung eines solchen Vergütungssystem
auch für ihre ÜT-Mitarbeiter.
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Im Zusammenhang mit ihrem Bestreben, wegen der Managementfunktionen dieser
Mitarbeiter die Arbeitsverhältnisse an Regelungen für die leitenden Angestellten
anzunähern, wollen sie auch die Arbeitszeiterfassung für diese Beschäftigtengruppe
ändern. Die Mitarbeiter sollen künftig ihre Arbeitszeit selbst aufschreiben.
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Die Antragstellerinnen haben dem Antragsgegner den Entwurf einer
Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung und über Zutrittskontrolle,
Zeiterfassung und Geldkarte für ÜT-Mitarbeiter in dem Gemeinschaftsbetrieb in Köln
zugeleitet mit Regelungen über Arbeitszeitrahmen, Dienstbereitschaft, tägliche
Arbeitszeit, Pausen und Arbeitsunterbrechungen, Abrechnungszeitraum,
Ausgleichstage, Arbeitszeiterfassung mittels Selbstaufschreibung und die Bewertung
von Fehlzeiten und Abwesenheitszeiten aus dienstlichen und sonstigen Gründen sowie
Datenschutz.
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Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 25. August 2006 den Abschluss einer
solchen Betriebsvereinbarung im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, unter
den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungen aus dem Jahr 1999 fielen auch die
ÜT-Mitarbeiter. Da diese Betriebsvereinbarungen nicht gekündigt worden seien,
erübrige sich auch die Einberufung einer Einigungsstelle.
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Die Antragstellerinnen haben beantragt,
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1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über die Arbeitszeiterfassung für ÜT-
Mitarbeiter im Gemeinschaftsbetrieb der Antragstellerinnen zu 1 bis 4 in Köln und
eine Sonderregelung für ÜT-Mitarbeiter gegenüber der Betriebsvereinbarung
Arbeitszeitflexibilisierung in der Hauptverwaltung K 1999 und der
Betriebsvereinbarung Zutritts-Kontrolle, Zeiterfassung und Geldkarte für die
Hauptverwaltung K 1999 entscheidet, Herrn Dr. Gäntgen, Direktor des
Arbeitsgerichts Siegburg, zu bestellen,
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2. die Zahl der Beisitze für jede Seite auf drei festzusetzen.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
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1. die Anträge zurückzuweisen,
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2. hilfsweise die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf fünf festzusetzen.
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Er hat vorgetragen, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, da dem
Geltungsbereich der ungekündigten Betriebsvereinbarungen aus dem Jahr 1999 auch
die ÜT-Mitarbeiter unterfielen.
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Sollte gleichwohl eine Einigungsstelle gebildet werden, sei es geboten, im Hinblick auf
die Komplexität der zu treffenden Regelungen fünf Beisitzer für jede Seite zu bestellen.
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Die Antragstellerinnen haben beantragt,
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den Hilfsantrag des Antragsgegners zurückzuweisen.
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Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 16. Oktober 2006 den Anträgen der
Antragstellerinnen stattgegeben und den Hilfsantrag des Antragsgegners
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die einzurichtende Einigungsstelle
sei nicht offensichtlich unzuständig. Es sei zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass
die zu verhandelnden Regelungen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlägen.
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Zwar könne eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sein, wenn von dem
Mitbestimmungsrecht durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung bereits abschließend
Gebrauch gemacht worden sei. Jedoch sei im vorliegenden Fall nicht offensichtlich,
dass die beiden Betriebsvereinbarungen aus dem Jahr 1999 abschließende
Regelungen enthielten. Vielmehr sähen beide Betriebsvereinbarungen vor, dass
Änderungen erforderlich werden könnten bzw. im Einzelfall eine anderweitige Regelung
vereinbart werden könne. Die Zahl der Beisitzer sei auf 3 für jede Seite festzusetzen, so
dass beide Betriebsparteien neben einem eigenen Vertreter auch einen rechtskundigen
Beisitzer und einen betriebswirtschaftlich sachverständigen Beisitzer benennen
könnten.
Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 25. Oktober 2006 zugestellt worden. Er hat
hiergegen am 7. November 2006 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
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Er ist weiterhin der Ansicht, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Die
Rechtsverbindlichkeit der Betriebsvereinbarungen aus dem Jahr 1999 könnten die
Antragstellerinnen nur durch Kündigung beenden. Eine Ausnahme können nur bei
einem – hier nicht vorliegenden – Wegfall der Geschäftsgrundlage gelten. Ansonsten
werde der Rechtsfrieden gefährdet. In den Betriebsvereinbarungen finde sich auch kein
Vorbehalt dahingehend, dass während der Laufzeit von einem Betriebspartner
ergänzende oder ändernde Regelungen über den Geltungsbereich verlangt werden
könnten.
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Der Antragsteller beantragt,
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unter Abänderung des Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16. Oktober
2006 – 15 BV 143/06 –
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1. die Anträge zurückzuweisen,
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2. hilfsweise die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf fünf festzusetzen.
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Die Antragstellerinnen beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen und als Vorsitzende der Einigungsstelle Frau
Dauch, Direktorin des Arbeitsgerichts Düsseldorf, zu bestellen.
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Sie sind der Ansicht, auch während der Geltungsdauer einer Betriebsvereinbarung
könne jeder Betriebspartner den Abschluss einer abändernden oder ergänzenden
Betriebsvereinbarung verlangen, ggf. auch im Rahmen eines
Einigungsstellenverfahrens. Im Übrigen fänden sich in den Betriebsvereinbarungen
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1999 Änderungsvorbehalte.
Da der vom Arbeitsgericht bestellte Einigungsstellenvorsitzende verhindert sei, werde
angeregt, Frau Dauch, Direktorin des Arbeitsgerichts Düsseldorf, als
Einigungsstellenvorsitzende zu bestellen.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze,
die Gegenstand der Anhörung am 23. Januar 2007 waren, verwiesen.
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II. 1. Die Beschwerde ist zulässig.
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Sie ist binnen der Frist nach § 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG eingelegt und begründet worden.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Arbeitgeberinnen (Antragstellerinnen)
stattgegeben und die begehrte Einigungsstelle eingerichtet.
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a. Der Antrag der Arbeitgeberinnen ist zulässig.
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Die Arbeitgeberinnen sind antragsbefugt, da es um die Beilegung einer Streitigkeit über
die gleichberechtigte Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG geht (vgl. dazu.
Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 98 Rdn 15).
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Es besteht auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Die Arbeitgeberinnen haben
vergebens den Betriebsrat aufgefordert, mit ihnen eine Betriebsvereinbarung über die
strittigen Angelegenheiten für ÜT-Mitarbeiter abzuschließen.
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b. Der Antrag der Arbeitgeberinnen ist auch begründet.
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Gemäß § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines
Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen
fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn
die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die
Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar
ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen
mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren
lässt (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 7. Juli 2003 – 10 TaBV 85/03 –und vom 21.
Dezember 2005 – 10 TaBV 173/05 - m.w.N.; LAG Köln, Beschluss vom 14. Januar 2004
– 8 TaBV 72/03 – und vom 3. Mai 2005 – 9 TaBV 76/04 -; Schwab/Weth/Walker, ArbGG,
§ 98 Rdn .36 ff.).
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Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass nach diesen Grundsätzen die begehrte
Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig ist.
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aa. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass hinsichtlich der beabsichtigten
Regelungen über Arbeitszeitflexibilisierung, Zutrittskontrolle, Zeiterfassung und
Geldkarte für ÜT-Mitarbeiter Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1
Ziff. 1, 2, 3, 6 und 8 BetrVG bestehen und damit die Zuständigkeit der Einigungsstelle
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nach § 87 Abs. 2 BetrVG gegeben ist.
bb. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats (Antragsgegners) ist die Einigungsstelle nicht
deshalb offensichtlich unzuständig, weil auch die ÜT-Mitarbeiter dem persönlichen
Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungen 1999 unterfallen, in denen ebenfalls
Regelungen zu diesen Angelegenheiten getroffen worden sind.
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aaa. Die Betriebspartner haben für die Betriebsvereinbarungen 1999 von vornherein
Änderungsvorbehalte festgelegt.
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Sie haben in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Regelung Modellcharakter habe und Änderungen aufgrund der
zukünftigen Erfahrungen erforderlich werden könnten. Die zukünftigen Erfahrungen
beziehen sich dabei sowohl auf externe Einflüsse, wie das ausdrücklich erwähnte
Beispiel "Marktentwicklungen" zeigt, als auch auf interne Entwicklungen. Es besteht
kein Anhaltspunkt dafür, dass interne Organisationsentscheidungen, die eine
Veränderung bei der Selbstgestaltung der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer oder eine
Gruppe der Arbeitnehmer erforderlich machen, für die Laufzeit der Betriebsvereinbarung
blockiert sein sollen. Vielmehr erfordert das in der Präambel vorangestellte Ziel, den
Geschäftsbetrieb nach den Bedürfnissen der Kunden auszurichten, regelmäßig nicht nur
eine Reaktion des Dienstleistungsunternehmens auf externe Einflussreaktoren, sondern
ggf. auch eine Prüfung, ob nicht durch Änderung der Arbeitsbedingungen für bestimmte
Arbeitnehmer ein besonderer Leistungsanreiz gegeben wird, der der Zielerreichung
dient.
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Der in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung genannte
Änderungsvorbehalt muss auch für die nicht einmal 2 Monate danach abgeschlossene
Betriebsvereinbarung Zutrittskontrolle, Zeiterfassung und Geldkarte gelten, da sie die
erste Betriebsvereinbarung nur ergänzt. In ihr wird im Wesentlichen die in § 8
Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung festgelegte Aufzeichnung durch
Zeiterfassungsgeräte im Einzelnen ausgestaltet. Steht aber die Regelung nach § 8
Betriebsvereinbarung Arbeitszeitflexibilisierung unter dem Änderungsvorbehalt nach §
12 dieser Betriebsvereinbarung, so muss dies auch notwendigerweise für Regelungen
über die nähere Ausgestaltung der Aufzeichnung durch Zeiterfassungsgeräte gelten:
Wird die Aufzeichnung durch Zeiterfassungsgeräte für eine bestimmte Gruppe von
Arbeitnehmern aufgehoben und stattdessen die Selbstaufschreibung vorgesehen, so
können für diese Gruppe auch nicht mehr die Regeln über die Ausgestaltung der
Zeiterfassungsgeräte gelten.
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bbb. Aber auch wenn kein Änderungsvorbehalt in den Betriebsvereinbarungen 1999
vereinbart worden wäre, könnten die Arbeitgeberinnen die Einrichtung der
Einigungsstelle durchsetzen.
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Grundsätzlich gilt im Verhältnis von Betriebsvereinbarungen zueinander das
Ablösungsprinzip. Danach ersetzt die Neuregelung die ältere, auch wenn sie für die
Arbeitnehmer ungünstiger ist. Es gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, da es sich um
gleichrangige Rechtsquellen handelt (ständige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 14. August 2001 – 1 AZR 619/00 -; Fitting,
Betriebsverfassungsgesetz, 23. Aufl., § 77 Rdn. 143). Ersetzt die neue
Betriebsvereinbarung nur teilweise die Regelungen der älteren, tritt diese insoweit
außer Kraft (vgl. BAG, Urteil vom 16.9.86 - AP Nr. 17 zu § 77 BetrvG 1972). Einer
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Kündigung der älteren Betriebsvereinbarung bedarf es nicht (vgl. BAG, Urteil vom 14.
August 2001 – 1 AZR 619/00 -).
Diese Regel gilt für die Betriebsvereinbarungen, unabhängig davon, ob sie
einvernehmlich von den Betriebspartnern abgeschlossen worden sind oder ob sie – wie
in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14. August 2001, 1 AZR 619/00,
entschiedenen Fall - im Wege der Zwangsschlichtung durch Spruch der Einigungsstelle
zustande gekommen sind (so auch: LAG Köln, Beschluss vom 6. September 2005 – 4
TaBV 41/05 -).
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Die Ansicht des Antragsgegners, während der Geltungsdauer einer nicht gekündigten
Betriebsvereinbarung könne nur bei Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Seite über die
Einigungsstelle eine Abänderung erreichen, findet im Gesetz keine Stütze.
Einigungsstellen sind nach § 76 Abs. 1 BetrVG bei Meinungsverschiedenheiten
einzurichten. Handelt es sich um einen Fall der erzwingbaren Mitbestimmung, so wird
die Einigungsstelle auf Antrag auch nur einer Seite tätig (§ 76 Abs. 5 BetrVG).
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Dadurch wird entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht der Rechtsfrieden
gefährdet. Es muss zulässig sein, dass jeder Betriebspartner während der Laufzeit einer
Betriebsvereinbarung im Hinblick auf nachträgliche Entwicklungen nur die Abänderung
eines Teils der Regelungen unter Beibehaltung der sonstigen, weiterhin für sinnvoll
gehaltenen Bestimmungen anstrebt. Stimmt der andere Betriebspartner nicht zu, so hat
die Einigungsstelle unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs
und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 76 Abs. 5
S. 3 BetrVG), ob einzelne Regelungen geändert werden. Abgesehen davon steht dem
anderen Betriebspartner das Recht zu, ggf. seinerseits die Betriebsvereinbarung
vorzeitig zu kündigen (§ 77 Abs. 5 BetrVG).
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Sofern die Einigungsstelle nicht eingesetzt werden soll, um über Änderungen aufgrund
nachträglicher Entwicklungen zu befinden, sondern ein Betriebspartner nur seine
früheren Regelungsvorschläge, die in der geltenden Betriebsvereinbarung nicht ihren
Niederschlag gefunden haben, erneut vorbringen will, stellt sich bereits die Frage, ob
der Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig ist. Zudem kann dem anderen Betriebspartner der Einwand des
Rechtsmissbrauchs zustehen (§ 242 BGB).
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ccc. Im vorliegenden Fall begründen die Arbeitgeberinnen ihr Änderungsbegehren mit
einer nachträglichen Entwicklung. Sie wollen nunmehr die Entgelt- und
Arbeitsbedingungen der ÜT-Mitarbeiter wegen der von ihnen ausgeübten
Managementfunktion insgesamt an Regelungen für die leitenden Angestellten
annähern.
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cc. Die Eignung von Frau Dauch zur Übernahme des Einigungsstellenvorsitzes steht
außer Frage.
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dd. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch die Zahl der Beisitzer auf drei für jede Seite
festgesetzt.
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Der Betriebsrat hat erstinstanzlich ohne nähere Ausführungen eingewandt, die
Komplexität der Regelungsfragen gebiete es, nicht nur drei, sondern fünf Besitzer für
jede Seite zu bestellen. Mit den Begründung des Arbeitsgerichts, weshalb drei Besitzer
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je Seite ausreichen, hat sich der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren nicht
auseinandergesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben
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(Schwartz)
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