Urteil des LAG Köln vom 07.07.2008

LArbG Köln: vorteilsausgleich, arbeitsgericht, bemessungsgrundlage, form, rechtsnachfolge, offenkundig, versuch, abgabe, abrede, arbeitsrecht

Landesarbeitsgericht Köln, 5 Sa 447/08
Datum:
07.07.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 447/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 5 Ca 1818/07
Schlagworte:
Auslegung von Nutzungsverträgen zwischen Krankenhaus und
angestelltem Arzt
Normen:
§ 157 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Bei der Auslegung von Verträgen kommt der gelebten Vertragspraxis
der Parteien als Ausdruck des Parteiwillens eine erhebliche Bedeutung
zu.
2. Haben die Parteien einer Nutzungsvereinbarung zwischen
Krankenhaus und angestelltem Arzt über mehrere Jahre hinweg
einvernehmlich eine bestimmte Abrechnungsweise praktiziert, kommt
hierin das von den Parteien Gewollte zum Ausdruck, so dass der
Arbeitgeber nicht einseitig zu einer für den Arbeitnehmer ungünstigen
Abrechnungsweise übergehen kann.
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des ArbeitsgerichtsBonn
vom 10.10.2007 – 5 Ca 1818/07 EU – wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die Berechnungsweise für den Vorteilsausgleich aus dem
Nutzungsvertrag zwischen den Parteien für Tätigkeit des Beklagten außerhalb seiner
Dienstaufgaben.
2
Der am 04.03.1956 geborene Beklagte ist als leitender Chefarzt in der Chirurgie seit
dem 01.04.2003 bei der Klägerin in deren Krankenhaus in S beschäftigt. Zusätzlich zum
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schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 05.08.2002 haben die Parteien eine
Abrede über die Nebentätigkeitserlaubnis sowie einen Nutzungsvertrag für Tätigkeiten
außerhalb der Dienstaufgaben des Beklagten abgeschlossen (Bl. 30 ff. d. A.).
In § 2 Ziffern 1 – 6 dieser Nutzungsvereinbarung ist vorgesehen, dass der Beklagte der
Klägerin die durch seine Nebentätigkeit entstehenden Kosten zu erstatten hat,
insbesondere die Personalkosten, die Kosten der Nutzung von Räumen, Einrichtungen
und Geräten sowie die sonstigen Sachkosten im betriebswirtschaftlichen Sinn
einschließlich der Kosten für Verbrauchsmaterialien.
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Darüber hinaus schuldet der Beklagte gemäß § 2 Ziffer 7 der Nutzungsvereinbarung
einen sog. Vorteilsausgleich. Hierzu heißt es in § 2 Ziffer 7 der Nutzungsvereinbarung
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"Darüber hinaus entrichtet der Arzt an den Krankenhausträger einen
Vorteilsausgleich. Dieser wird in der Weise pauschalisiert, dass der Arzt von
seinen Bruttoliquidationseinnahmen im Nebentätigkeitsbereich, eine gestaffelte
Abgabe abführt. Unabhängig von der Kostenerstattung nach Abs. 1 ff.
Zahlungen an nachgeordnete Ärzte und Leistungen an Dritte dürfen von der
Bemessungsgrundlage (Bruttoliquidationseinnahme) nicht abgezogen werden.
Die Erhebung der Angaben erfolgt nach Anlage 3. die Vertragsbestandteil ist."
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Die in jener Bestimmung erwähnte Anlage 3 ist ein Formblatt, dass mit "Mitteilungen an
das Krankenhaus" überschrieben ist (Bl. 39 f. d. A.).
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die zunächst das Krankenhaus, in dem der
Beklagte tätig war, betrieb, rechnete für die Jahre 2003 – 2005 die von dem Beklagten
zu erstattenden Beträge in der Weise ab, dass sie bei der Bemessung des
Vorteilsausgleichs gemäß § 2 Ziffer 7 der Nutzungsvereinbarung von den
Gesamterlösen zunächst die Sachkosten abzog und aus dem dann verbleibenden
Betrag den Vorteilsausgleich berechnete. Aufgrund dessen zahlte der Beklagte für 2003
7.066,42 €, für 2004 14.748,66 € und für 2005 16.041,40 €.
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Nachdem die Beklagte das Krankenhaus im Wege der Rechtsnachfolge übernommen
hatte, stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, die verlangten
Vorteilsausgleichsbeträge seien fälschlicherweise zu niedrig angesetzt worden. Die
Aufwendungen für die Sachkosten dürften von den Gesamterlösen nicht abgezogen
werden.
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Hieraus errechnete die Klägerin für die Jahre 2003 – 2005 einen Nachzahlungsbetrag in
Höhe von insgesamt 19.409,03 €, den sie mit der Klage geltend machte.
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Durch Urteil vom 10.10.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung darauf abgestellt, dass weder § 2 Ziffer 7 der Nutzungsvereinbarung noch
die dort zitierte Anlage 3 eine hinreichend eindeutige Aussage zur Frage des
Sachkostenabzugs mache. Angesichts der jahrelangen Vertragspraxis, die Sachkosten
jeweils abzuziehen, sei die vertragliche Vereinbarung zugunsten des Beklagten
auszulegen. Insoweit sei auch eine betriebliche Übung entstanden.
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Gegen dieses am 23.02.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht
Berufung einlegen und begründen lassen.
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Die Klägerin bekräftigt ihren Standpunkt, dass die Auslegung des Nutzungsvertrages
und der dazu gehörigen Anlage 3 ergäbe, dass Sachkosten nicht abgezogen werden
dürften. Aus der zunächst gegenteiligen Verfahrensweise der Rechtsvorgängerin der
Klägerin könne keine betriebliche Übung abgeleitet werden. Die eindeutige vertragliche
Regelung stehe dem entgegen. Aus einer nur dreimaligen gegenteiligen
Verfahrensweise könne zudem nicht auf das Entstehen einer betrieblichen Übung
geschlossen werden.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.10.2007 – 5 Ca
1818/07 EU – den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 19.378,49 € nebst
Zinsen, die 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegen, seit dem
12.07.2007 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Vorteilsausgleich sei
entsprechend den Vereinbarungen, die die Parteien getroffen hätten zunächst richtig für
die Jahre 2003 – 2005 vorgenommen worden. Der Beklagte habe sich erst dann auf
eine andere Auslegung des Vertrages berufen, nachdem ein Trägerwechsel
stattgefunden habe und die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der katholischen
Kirchengemeinde Vertragspartner des Beklagten geworden sei.
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Zu berücksichtigen sei zudem, dass die Honorareinnahmen des Beklagten aufgrund
gesetzlicher Bestimmungen des Sozialrechts ohnehin direkt an die Klägerin bezahlt
würden. Die Klägerin behalte dann die Sachkosten für sich und leite nur das ärztliche
Honorar nach Abzug des Vorteilsausgleichs an den Beklagten weiter. Letzteres und nur
letzteres seien die Bruttoliquidationseinnahmen, die in § 2 Ziffer 7 der
Nutzungsvereinbarung angesprochen seien. Wäre die Auslegung der Klägerin richtig,
so könnte theoretisch sogar der Fall eintreten, dass der Beklagte einen höheren Betrag
als Vorteilsausgleich zu entrichten hätte als er überhaupt an Einnahmen verbuchen
könne.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung, an deren Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, ist in der Sache nicht
begründet. Die Klage ist von vorneherein unschlüssig. Zu Recht und mit zutreffenden
Erwägungen hat das Arbeitsgericht daher die Klage abgewiesen.
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1. Ein Anspruch auf Vorteilsausgleich in der von der Klägerin jetzt geltend gemachten
Höhe steht ihr nicht zu. Die einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage,
nämlich § 2 Ziffer 7 des Nutzungsvertrages i. V. m. Anlage 3, gibt für einen solchen
Anspruch nichts her.
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2. § 2 Ziffer 7 Satz 3 des Nutzungsvertrages legt fest, welche Zahlungen von der
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Bemessungsgrundlage (den Bruttoliquidationseinnahmen) bei der Berechnung des
Vorteilsausgleichs nicht abgezogen werden dürfen. Danach dürfen nicht abgezogen
werden Zahlungen an nachgeordnete Ärzte sowie sonstige Zuwendungen an
nachgeordnete Ärzte und Leistungen an Dritte. Dass weitere Aufwendungen nicht
abgezogen werden dürften, lässt sich § 2 Ziffer 7 des Nutzungsvertrages nicht
entnehmen. Im Gegenteil folgt aus dem Umstand, dass nach dem Nutzungsvertrag der
Abzug von drei bestimmten Zahlungspositionen ausgeschlossen ist, dass der Abzug
anderer Positionen, und damit auch der Sachkosten sehr wohl möglich ist.
3. Aus der zugehörigen Anlage 3, auf die sich die Klägerseite beruft, folgt nichts
anderes. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach § 2 Ziffer 7 Satz 4 des
Nutzungsvertrages die Erhebung der Angaben nach Anlage 3 erfolgt. Bereits anhand
dieses Wortlauts wird deutlich, dass die Anlage 3 nicht die Berechnung des
Vorteilsausgleichs zum Inhalt hat, sondern allein der Erhebung der Angaben dient. Dies
wird bestätigt durch den Wortlaut der Anlage 3. Diese ist überschrieben mit
"Mitteilungen an das Krankenhaus" und hat allein zum Inhalt, dass der Beklagte anhand
dieses Formulars die vereinnahmten Vergütungen angeben muss. Von einem
Vorteilsausgleich oder einer Berechnung des Vorteilsausgleich ist in der gesamten
Anlage 3 mit keinem Wort die Rede.
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Es bleibt damit festzuhalten, dass weder § 2 Ziffer 7 Satz 3 noch die Anlage 3 eine
vertragliche Ermächtigungsgrundlage dafür enthalten, die Sachkosten nicht abzuziehen.
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4. Soweit danach überhaupt noch Auslegungszweifel verbleiben können, gehen diese
gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin. Denn es ist in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 07.07.2008 unstreitig geworden, dass
die Klägerin Arbeits- und Nutzungsverträge der vorliegenden Art in einer Mehrzahl von
Fällen verwandt hat, so dass gemäß §§ 305, 310 BGB die Inhaltskontrolle Allgemeiner
Geschäftsbedingungen vorzunehmen ist. Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen aber Zweifel
bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, also
hier zu Lasten der Klägerin.
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5. Schließlich ist bei der Auslegung von Verträgen, soweit überhaupt noch Zweifel
verbleiben, auf die Vertragspraxis abzustellen. Das gelebte Rechtsverhältnis ist
Ausdruck des wirklichen Parteiwillens (s. BAG, Urteil vom 25.04.2007 – 5 AZR 504/06 –
NZA 2007, 801 ff.). Völlig zutreffend hat das Arbeitsgericht daher darauf abgestellt, dass
die Vertragsparteien drei Jahre lang das Vertragsverhältnis in der Weise praktiziert
haben, dass der Vorteilsausgleich jeweils nach vorherigem Abzug der Sachkosten
berechnet worden ist. Damit haben die Parteien unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht, wie sie die vom Wortlaut ohnehin klaren Vertragsbestimmungen verstanden
haben.
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6. Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die nunmehr von der Klägerseite
gewollte geänderte Berechnungsweise keinerlei vertragliche Grundlage resultiert; es
handelt sich vielmehr offenkundig um den Versuch der Klägerin nachträglich Ansprüche
und Nachforderungen gegen den Beklagten zu stellen, für die es keinerlei vertragliche
Grundlage gab und gibt.
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Die Berufung war folglich mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO kostenpflichtig
zurückzuweisen.
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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da weder eine rechtsgrundsätzliche
Bedeutung der Sache noch Divergenz vorlag.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
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Gegen dieses Urteil ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben. Hinsichtlich der
Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
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Dr. Griese Daverkausen Keupgen
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