Urteil des LAG Hessen vom 08.11.2010

LAG Frankfurt: vergleich, rechtshängigkeit, beendigung, berufungskläger, quelle, zivilprozessrecht, kündigung, immaterialgüterrecht, klagerücknahme, bedingung

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
13. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13/11/13 Sa 504/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Nr 8222 GKG 2004, Vorbem
8 Teil 8 GKG 2004
Antragsänderung - Hauptantrag - Hilfsantrag - Vergleich -
Verfahrensgebühr
Orientierungssatz
Die Änderung eines Hauptantrags in einen Hilfsantrag stellt keine teilweise Erledigung,
Teilrücknahme oder sonstige Beendigung eines Verfahrensteils im Sinne des Teils 8 KV-
GKG dar und verhindert deshalb nicht den vollständigen Wegfall der Verfahrensgebühr
bei einem folgenden prozessbeendenden Vergleich.
Tenor
Auf die Erinnerung der Beklagten wird die Kostenrechnung des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 16. August 2010 – 13/11/13 Sa 504/08 – aufgehoben.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2008 kündigte der Kläger und Berufungskläger im
Berufungsverfahren vor dem erkennenden Gericht folgende Anträge an:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 06. Februar 2008, Az. 7 Ca 7235/078 abgeändert.
a) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24. August 2007
aufgelöst worden ist.
b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen
Bedingungen als Möbelpacker und Kraftfahrer bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
c) Für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1. a) wird die Beklagte
verurteilt, an den Kläger € 825,92 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. Januar 2008 zu zahlen.
In der mündlichen Verhandlung vom 5. August 2008 stellte der Kläger den Antrag
zu 1b) als Hilfsantrag zu dem Antrag zu 1a). Danach schlossen die Parteien im
selben Termin einen prozessbeendenden Vergleich, der unter anderem die
Aufhebung der Kosten des Berufungsverfahrens vorsah.
Durch Beschluss vom 7. Oktober 2008 wurde der Gegenstandswert gemäß § 33
RVG bis zum 5. August 2008 auf 11.225,92 €, für die Zeit danach und für den
Vergleich auf 8.625,92 € festgesetzt.
Am 16. August 2010 stellte die Kostenbeamtin der Beklagten eine
Gerichtskostenrechnung über 175,20 €, berechnet als halbe 1,6-fache Gebühr aus
11.225,92 € unter Berufung auf Nr. 8222 KV GKG. Der Erinnerung der Beklagten
9
10
11
12
13
14
15
11.225,92 € unter Berufung auf Nr. 8222 KV GKG. Der Erinnerung der Beklagten
vom 24. September 2010 halfen die Kostenbeamtin ebenso wenig ab wie die
Bezirksrevisorin am 4. Oktober 2010 mit der Auffassung, das Verfahren habe
durch Teil-Klagerücknahme vor und Teil-Vergleich nach streitiger Verhandlung
beendet. Deshalb sei in analoger Anwendung von Nr. 8222 KV GKG eine 1,6 fache
Gerichtsgebühr angefallen.
II.
Die Erinnerung der Beklagten gegen die Kostenrechnung, den Kostenansatz, ist
gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässig. Nach unterbliebener Abhilfe durch die
Kostenbeamtin und die Bezirksrevisorin ist der Kammervorsitzende zuständig.
Der Erinnerung der Beklagten ist abzuhelfen.
Zu Unrecht hat die Kostenbeamtin die Beklagte mit Gerichtskosten in Höhe von
175,20 € belastet.
Gemäß der amtlichen Vorbem. 8 zu Teil 8 KV GKG ist im vorliegenden Fall durch
Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 5. August 2008 die im
Berufungsrechtszug angefallene Gebühr in vollem Umfang entfallen und nicht etwa
nur teilweise, wie die Kostenbeamtin und die Bezirksrevisorin meinen. Durch die
Klageänderung im Termin vom 5. August 2008, die Umstellung des zweiten
Hauptantrags zu einem Hilfsantrag, ist nämlich keine teilweise Erledigung oder
sonstige Beendigung eines Verfahrensteils vor streitiger Verhandlung
eingetretenen, was den vollständigen Wegfall der Verfahrensgebühr durch den
nach Antragstellung abgeschlossenen Vergleich verhindert hätte (vergleiche dazu
im einzelnen Kammerbeschlüsse vom 15. Dezember 2008 – 13 Ta 366/08 – und
vom 8. Oktober 2008 – 13 Ta 313/08 –).
Mit der Umstellung eines Hauptantrags auf einem Hilfsantrag begehrt der Kläger
primär nur noch Entscheidung und lediglich für den Fall, dass hierüber in
bestimmter Weise entschieden wird, eine (weitere) Entscheidung über den
Hilfsantrag. Der Hilfsantrag begründet die auflösend bedingte Rechtshängigkeit
des Hilfsanspruchs in die Form, dass eine Sachentscheidung nur für den Fall der
Erfolglosigkeit oder - wie hier - des Erfolgs des Hauptantrags begehrt wird. Die
Rechtshängigkeit erlischt damit erst durch rechtskräftige Zu- oder Aberkennung
des Hauptantrages mit dem Eintritt dieser Bedingung (Zöller/Greger,
ZPO, 28. Aufl. 2010, § 260 Randziffer 4; Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 260
Randziffer 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 260 Randziffer 17). Der
Abschluss eines Vergleichs steht dem rechtskräftigen Urteil gleich.
Im vorliegenden Fall hat somit erst der abgeschlossene Vergleich die
Rechtshängigkeit aller Anträge, auch des Hilfsantrags, beendet. Damit entfällt die
Verfahrensgebühr im zweiten Rechtszug gemäß der Vorbem. 8 zu Teil 8 KV GKG
vollständig.
Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.