Urteil des LAG Hessen vom 01.12.2010

LAG Frankfurt: darstellung des sachverhaltes, betriebsrat, versetzung, ordentliche kündigung, teilzeitbeschäftigung, arbeitsgericht, verzug, quelle, zivilprozessrecht, dokumentation

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 740/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 KSchG
Krankheitsbedingte Kündigung
Orientierungssatz
Krankheitsbedingte Kündigung, Widerspruch des Betriebsrats gegen Versetzung auf
geeigneten Arbeitsplatz
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am
Main vom 23. März 2010 – 10 Ca 9333/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine krankheitsbedingte Kündigung der
Beklagten ihr Arbeitsverhältnis beendet hat.
Der Kläger ist seit dem 01. März 1999 bei der Beklagten als Brief-/Postzusteller mit
einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich angestellt. Seit Juli 2006 ist der
Kläger aus Gesundheitsgründen nicht mehr in der Lage als Zusteller zu arbeiten.
Der Kläger wurde zeitweise anders, auch bei Tochtergesellschaften der Beklagten
eingesetzt. Bei der Beklagten bestand im Sommer 2009 die Möglichkeit den
Kläger im Vorbereitungszentrum 15 Stunden wöchentlich einzusetzen.
Im August 2009 hörte die Beklagte im Betriebsrat zu einer geplanten
Änderungskündigung gegenüber dem Kläger mit dem Angebot einer
Teilzeitbeschäftigung von 15 Stunden im Vorbereitungszentrum Frankfurt und der
damit verbundenen Versetzung an.
Der Betriebsrat widersprach der geplanten Maßnahme und auch der
beabsichtigten Versetzung. Die vom Betriebsrat angesprochenen sonstigen
Einsatzmöglichkeiten bestanden nicht.
Mit Schreiben vom 06. Oktober 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer
geplanten Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger an. Mit Schreiben vom
12. Oktober 2009 widersprach der Betriebsrat der geplanten Kündigung.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2009, das dem Kläger am 16. Oktober 2009
zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März
2010. Der Kläger ist seit dem 14. Dezember 2009 arbeitsunfähig erkrankt.
Der Kläger hat geltend gemacht, es bestünden freie
Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten, die ihm nicht angeboten worden seien. Die
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Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten, die ihm nicht angeboten worden seien. Die
Beklagte hätte wie in der Vergangenheit dem Widerspruch des Betriebsrats gegen
die Versetzung und Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG begegnen können. Der
Kläger erklärt, dass er bereit sei in Teilzeit im Vorbereitungszentrum zu arbeiten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten am 14. Oktober 2009 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Ausnahme einer Teilzeittätigkeit im Vorbereitungszentrum gebe es keine
anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Dahin sei eine Versetzung mangels
Zustimmung des Betriebsrats nicht möglich. Ihr sei die Durchführung eines
Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht zumutbar. Die Situation sei im Hinblick
darauf, dass es sich um eine unbefristete Maßnahme handeln solle anders als bei
den früheren befristeten Versetzungen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 23. März 2010 auf
das insbesondere zur näheren Darstellung des Sachverhaltes verwiesen wird. Das
Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Kläger im Wege
einer Änderungskündigung eine Teilzeitbeschäftigung im Vorbereitungszentrum
anbieten müssen. Es sei der Beklagten zumutbar gewesen ein Zustimmungs-
ersetzungsverfahren durchzuführen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ihr sei die
Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht zumutbar gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 23. März 2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main –10 Ca 9333/09– die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte habe dem Kläger im Wege
einer Änderungskündigung den Teilzeitarbeitsplatz in der Vorbereitung anbieten
müssen. Die Beklagte habe schon früher trotz Widerspruchs des Betriebsrats den
Kläger versetzt und die Versetzung als aus sachlichen Gründen dringend
erforderlich gewertet und Beschlussverfahren durchgeführt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die ordentliche Kündigung vom 14. Oktober 2009 – dem Kläger zugegangen am
16. Oktober 2009 – hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgelöst. Sie
ist rechtswirksam, da sie nicht sozial ungerechtfertig im Sinne des § 1 Abs. 2
KSchG ist.
Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers gerechtfertigt. Unstreitig
ist der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seine
arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als Zusteller zu erbringen. Eine Kündigung
ist allerdings gemäß § 1 Abs. 2 KSchG auch sozial ungerechtfertigt, wenn der
Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder einem
anderen Betrieb des Unternehmens weiter beschäftigt werden kann. Unstreitig
bestehen bei der Beklagten keine Vollzeitbeschäftigungsmöglichkeiten in der
Entgeltgruppe III, für die der Kläger geeignet wäre.
Eine personenbedingte Beendigungskündigung setzt aber weiter voraus, dass es
keine geringerwertigeren Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, die dem Arbeitnehmer
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keine geringerwertigeren Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, die dem Arbeitnehmer
im Wege einer Änderungskündigung angeboten werden können. (vgl. nur BAG vom
03. April 2008 – 2 AZR 500/06 – in AP-Nr.: 137 zu § 2 KSchG 1969). Entgegen der
Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts musste die Beklagte aber nicht im
Wege der Änderungskündigung dem Kläger eine Teilzeitbeschäftigung im
Vorbereitungszentrum anbieten. Der Betriebsrat hatte der Versetzung des Klägers
auf diesen Arbeitsplatz widersprochen. Das Bundarbeitsgericht (Urteil vom 22.
September 2005 – 2 AZR 519/04 – AP-Nr.: 10 zu § 81 SGB IX) hat entschieden,
dass in der Regel davon auszugehen ist, dass eine dem Arbeitgeber zumutbare
Weiterbeschäftigungs-möglichkeit nicht besteht, wenn der Betriebsrat der
Versetzung auf den Arbeitsplatz widerspricht. Der Arbeitgeber ist nur bei Vorliegen
besonderer Umstände verpflichtet, ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach §
99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (BAG vom 22. September 2005). Die Kammer
folgt dieser Rechtssprechung. Lediglich beim Vorliegen besonderer Umstände
kann eine Pflicht des Arbeitgebers angenommen werden, gegen den Betriebsrat
nach § 99 Abs. 4 BetrVG vorzugehen und durch ein entsprechendes
Beschlussverfahren die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu belasten. Im
vorliegenden Fall ist der Widerspruch des Betriebsrats nicht offensichtlich
unbegründet und es ist keinerlei Anzeichen für ein kollusives Zusammenwirken
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorhanden. Soweit die Beklagte in früheren
Fällen bezüglich des Klägers Verfahren nach § 99 BetrVG eingeleitet hat, handelte
es sich dabei um vorläufige personelle Maßnahmen. Hier musste die Beklagte ein
Verfahren nach § 100 Abs. 2 einleiten. Im vorliegenden Fall ist nichts dafür
ersichtlich, dass eine Versetzung des Klägers aus sachlichen Gründen dringend
erforderlich wäre. Die Beklagte hätte damit keine Möglichkeit zu einer vorläufigen
personellen Maßnahme. Im Übrigen treffen im vorliegenden Fall auch die
Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts zu, dass eine Verzögerung durch
Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht ohne weiteres im
Interesse des Klägers gelegen hätte. Der Arbeitgeber ist nämlich nicht mit der
Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, solange der Kläger nicht in der Lage ist,
die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen und er einer
Vertragsänderung nicht zugestimmt hat.
Im Übrigen hat die Beklage soweit ersichtlich alles Erdenkliche getan, um den
Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen zu beschäftigen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.