Urteil des LAG Hessen vom 16.12.2010

LAG Frankfurt: betriebsrat, geheimhaltungspflicht, verschwiegenheit, gestaltung, stillschweigen, bonus, gespräch, koch, schweigepflicht, form

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TaBV 55/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 78 BetrVG, § 79 BetrVG, §
30 BetrVG, § 823 BGB, § 186
StGB
Orientierungssatz
Für den Verlauf von Betriebsratssitzungen gilt nicht generell eine
Geheimhaltungspflicht.
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Frankfurt am Main vom 17. Dezember 2009 - 11 BV 396/09 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Unterlassung von Behauptungen.
Der Beteiligte zu 1) ist Mitglied des bei der zu 4) beteiligten Arbeitgeberin
gebildeten Betriebsrats in A, dem Beteiligten zu 3), dessen Vorsitzende die
Beteiligte zu 2) ist. Die Beteiligten zu 1) und 2) hatten in der Betriebsratssitzung
vom 16. Dez. 2008 eine Auseinandersetzung darüber, weshalb der Beteiligte zu 1)
oder eines der anderen Mitglieder des Betriebsrats, die über die Liste „e.v.a.“ in
den Betriebsrat gewählt worden sind, nicht für die Besetzung der auf
Konzernebene gebildeten im Zusammenhang mit der Integration der B stehenden
zwölf Arbeitskreise vorgeschlagen worden ist. Die Beteiligte zu 2) entgegnete dem
Beteiligten zu 1) u.a., dies sei eine Frage des Vertrauens, der Beteiligte zu 1) hätte
mehr als einmal bewiesen, dass er nicht vertrauenswürdig sei. Jedes Mal wenn sie
ihn beteiligt hätte, hätte er die Geheimhaltung verletzt. Sie hätte einen Ordner mit
Beweisen.
Am 26. März 2008 fand eine sog. Bonus-Beratungsrunde statt, in der die Höhe der
anstehenden Bonuszahlungen an Mitarbeiter beraten worden ist. Der Beteiligte zu
1) hat in der Folge ein Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter C geführt. In der
Betriebsversammlung vom 16. Sept. 2008 hat der Beteiligte zu 1) dem Betriebsrat
vorgehalten, dieser würde trotz Personalabbaus Mehrarbeitsanträge durchwinken
und hat dabei zumindest für einige Bereiche Umfang und Häufigkeit der
Mehrarbeitsanträge wiedergegeben. Am 17. Okt. 2008 wurde der Beteiligte zu 1)
nach einer Betriebsausschusssitzung am Kopierer gesehen. In einem Rundmail
vom 27. April 2007, das u.a. die Gestaltung künftiger Betriebsversammlungen zum
Gegenstand hatte, hat der Beteiligte zu 1) seinen diesbezüglichen Antrag auf der
Betriebsratssitzung und die ablehnende Begründung des Ausschusses für
Öffentlichkeitsarbeit zitiert. Am 30. Okt. 2008 leitete der Beteiligte zu 1) ein mit
dem Vermerk „confidential“ versehenes Mail des Bereichsvorstandes an einige
Mitarbeiter weiter.
Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, die Behauptungen der Beteiligten zu 2), er
habe wiederholt gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen, seien unwahr. Er hat
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habe wiederholt gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen, seien unwahr. Er hat
behauptet, bei den Informationen aus der Bonus-Beratungsrunde habe es sich
nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder geheimnisfähige Fakten
gehandelt. Er habe lediglich mit dem Zeugen C über Vergütungsfragen
gesprochen. In der Betriebsversammlung hätte er keine konkreten
Mehrarbeitsanträge verlesen, sondern nur exemplarisch Abteilungen und
Arbeitsstunden benannt. Die Präsentationsunterlage habe er lediglich für seine
eigene Verwendung kopiert. Hinsichtlich seiner E-Mails vom 30. Okt. 2008 habe er
schließlich darum gebeten, diese nicht an Dritte weiter zu leiten.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
der Beteiligten zu 2) zu untersagen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptungen
aufzustellen und / oder zu verbreiten,
a) der Beteiligte zu 1) habe „nicht die Geheimhaltung gewahrt“,
b) der Beteiligte zu 1) habe „die Geheimhaltung verletzt“,
c) der Beteiligte zu 1) habe „gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen“,
d) der Beteiligte zu 1) habe in der Vergangenheit seine Pflicht zur
Verschwiegenheit verletzt;
2. der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung
nach Ziff. 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben behauptet, nicht der Beteiligte zu 3) hätte die
Kompetenz gehabt, Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden, sondern der
Konzernbetriebsrat (in dem die Beteiligte zu 2) Mitglied ist). Im Übrigen sei es
zutreffend, dass der Beteiligte zu 1) bei der Entsendung in die Ausschüsse wegen
mangelnder Vertrauenswürdigkeit nicht berücksichtigt worden sei. Der Beteiligte
zu 1) habe vertrauliche Informationen, die er im Rahmen der
Bonusberatungsrunde erhalten habe, im Frühjahr 2008 an Mitarbeiter, u.a. den
Zeugen C, weitergegeben, obwohl die Personalabteilung zunächst um
Stillschweigen über die geplanten Zahlungen gebeten hätte. In der
Betriebsversammlung vom 16. Sept. 2008 habe er aus vertraulichen
Betriebsratsprotokollen von Juli / August 2008 zitiert und Auszüge aus
Mehrarbeitsanträgen vorgelesen. Er habe exakte Zahlen vorgelesen und die
Teams benannt. Am 13. Juli 2007 habe der Betriebsausschuss davon Kenntnis
erhalten, dass der Beteiligte zu 1) vertrauliche Präsentationsunterlagen kopiert
und verteilt hätte, obwohl die Geschäftsleitung zunächst um Stillschweigen
gebeten hätte. Ferner hätte er in einem Rundbrief vom 27. April 2007 (Bl. 47 ff. d.
A.) aus einem vertraulichen Betriebsratsprotokoll zitiert. Am 30. Okt. 2008 habe er
vertrauliche Informationen aus einem E-Mail an Teile der Belegschaft weitergeleitet
(Bl. 49 d. A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten
und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des
angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Anträge des Beteiligten zu 1) durch
Beschluss vom 17. Dez. 2009 – 11 BV 396/09 – zurückgewiesen, weil der Beteiligte
zu 1) in der Vergangenheit seine Geheimhaltungspflicht nicht immer gewahrt
habe. In seinem elektronischen Rundbrief vom 27. April 2007 habe er vertrauliche
Informationen aus der Betriebsratstätigkeit in die Öffentlichkeit getragen. Er sei zu
detaillierten Schilderungen des Ablaufs von Betriebsratssitzungen nicht berechtigt.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen
Beschlussgründe verwiesen.
Gegen den ihm am 1. März 2010 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1)
am 9. März 2010 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Der Beteiligte zu 1) rügt, das Arbeitsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen,
dass er in seinem elektronischen Rundbrief vom 27. April 2007 (Bl. 116, 117 d. A.)
aus einem Protokoll einer Betriebsratssitzung zitiert hätte. Es habe sich
stattdessen um die Sitzung des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit vom 19.
März 2007 (Protokoll Bl. 118 ff. d. A.) gehandelt, dessen Mitglied er sei. Er ist der
Auffassung, hinsichtlich des Inhalts und Ablaufs von Betriebsratssitzungen habe
der Gesetzgeber keine Geheimhaltungspflicht normiert.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dez. 2009
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dez. 2009
abzuändern und der Beteiligten zu 2) zu untersagen, wörtlich oder sinngemäß die
Behauptungen aufzustellen und / oder zu verbreiten,
a. der Beteiligte zu 1) habe „nicht die Geheimhaltung gewahrt“,
b. der Beteiligte zu 1) habe „die Geheimhaltung verletzt“,
c. der Beteiligte zu 1) habe „gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen“,
d. der Beteiligte zu 1) habe in der Vergangenheit seine Pflicht zur
Verschwiegenheit verletzt;
2. der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung
nach Ziff. 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 4) stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten zu 2) und 3) verteidigen den angefochtenen Beschluss und meinen,
Informationen aus Ausschusssitzungen unterlägen ebenso der Geheimhaltung wie
Betriebsratssitzungen. Es sei der Beteiligten zu 2) bei ihren Äußerungen in der
Betriebsratssitzung vom 16. Dez. 2008 um die Wahrung der Funktionsfähigkeit des
Betriebsrats gegangen. Die vom Beteiligten zu 1) kopierte vertrauliche
Präsentationsunterlage hätte, jedenfalls sinngemäß, den Aufdruck enthalten „Nur
für Betriebsausschussmitglieder“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die
Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 9. Sept.
und 13. Dez. 2010 verwiesen. Das Beschwerdegericht hat Beweis erhoben durch
Vernehmung der Zeugen und Zeuginnen D und E, C, F und G sowie durch
Einholung einer schriftlichen Auskunft bei der Zeugin H. Wegen des Ergebnisses
der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Dez. 2010 und die
schriftliche Auskunft der Zeugin H vom 1. Dez. 2010 (Bl. 171 d. A.) verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft, §§ 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1
Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Die Anträge sind unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch des Beteiligten zu 1)
gemäß § 78 BetrVG in Verbindung mit §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB und § 186 StGB
besteht nicht. Bei den streitgegenständlichen Äußerungen der Beteiligten zu 2),
der Beteiligte zu 1) hätte die Pflicht zur Geheimhaltung nicht gewahrt und seine
Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt, handelt es sich nicht um ein Werturteil und
damit eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG, sondern um eine
Tatsachenbehauptung, die von dem Unterlassungsanspruch des Beteiligten zu 1)
aus den §§ 78 BetrVG, 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB erfasst wird. Für
die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kommt es darauf an, ob
die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises
zugänglich ist. Das ist bezüglich der genannten Äußerungen zu bejahen, da die
Beteiligte zu 2) in der Betriebsratssitzung vom 16. Dez. 2008 zum Beweis auf ihren
DIN-A-Ordner mit gesammelten Beweisen verwiesen hat (so schon
Kammerbeschluss vom 4. Juni 2009 - 9 TaBVGa 49/09 – n.v.).
2. Die Vorwürfe der Beteiligten zu 2) in der Betriebsratssitzung vom 16. Dez. 2008
sind nicht bereits dadurch gerechtfertigt, dass der Beteiligte zu 1) das Rundmail
vom 27. April 2007 versandt hat, in dem sein Antrag im Betriebsrat auf die
Gestaltung künftiger Betriebsversammlungen und der ablehnende Beschluss des
Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit wiedergegeben ist. Diese Thematik und ihre
Behandlung im Betriebsrat waren weder vertraulich noch geheimhaltungsbedürftig.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 1967 entschieden (Urteil vom 5. Sept.
1967 - 1 ABR 1/67 – AP § 23 BetrVG Nr. 8; ebenso etwa GK-BetrVG/Raab § 30 Rz.
27; ErfK/Koch § 30 BetrVG Rz. 3; Fitting § 30 Rz. 21; Richardi/Thüsing § 30 Rz. 16:),
dass im Allgemeinen keine Pflicht der Betriebsratsmitglieder besteht, über den
Verlauf von Betriebsratssitzungen (bzw. Ausschusssitzungen) Stillschweigen zu
bewahren. Eine solche Schweigepflicht ist vielmehr nur zu bejahen, wenn die
Verschwiegenheitspflicht des § 79 BetrVG greift oder bei Vorliegen besonderer
Umstände. Eine Schweigepflicht der Betriebsratsmitglieder kann jedoch nicht aus
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Umstände. Eine Schweigepflicht der Betriebsratsmitglieder kann jedoch nicht aus
der Vorschrift des § 30 BetrVG über die Nichtöffentlichkeit der
Betriebsratssitzungen gefolgert werden. Diese soll eine freie Diskussion erleichtern
(BAG a.a.O.). Auch aus der Vorschrift des § 41 Satz 2 BetrVG über die
Nichtöffentlichkeit von Betriebsversammlungen leitet niemand eine
Geheimhaltungspflicht für die gesamte Belegschaft ab. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1
BetrVG muss der Betriebsrat in der Betriebsversammlung über seine Tätigkeit
berichten. Diese Tätigkeit spielt sich in der Hauptsache in den
Betriebsratssitzungen ab. Wenn die Betriebsratsmitglieder über den Verlauf dieser
Sitzungen zur Verschwiegenheit verpflichtet wären, ließe sich dies mit der oben
genannten Vorschrift nicht vereinbaren (BAG a.a.O.). Etwas anderes kann für
Gegenstände gelten, die ihrer Natur nach geheim zu halten sind oder die den
Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer gefährden, etwa vertrauliche Mitteilungen
von Belegschaftsmitgliedern gegenüber Betriebsratsmitgliedern, durch deren vom
Betriebsrat zu vertretendes Bekanntwerden zudem das in ihn gesetzte und für
seine Arbeit unerlässliche Vertrauen gestört wird (BAG a.a.O.; ferner etwa GK-
BetrVG/Raab, § 30 Rz. 27; ErfK/Koch § 30 BetrVG Rz. 3; DKK/Wedde § 30 Rz. 14).
Zu denken ist z. B. an noch im Stadium des Entstehens befindliche
Betriebsratsbeschlüsse, deren Zustandekommen durch ein zu frühzeitiges
Bekanntwerden gefährdet würde (BAG a.a.O.). Darüber hinaus ist das im
Betriebsratsgremium gesprochene Wort nicht per se geheimhaltungsbedürftig und
muss das Licht der Betriebsöffentlichkeit nicht scheuen. Der Betriebsrat ist kein
geheimer Zirkel, der die Aufgabe hat, die Arbeitnehmer durch die Geheimhaltung
von Informationen über unternehmerische Planungen und Entscheidungen vor
unnötiger Aufregung und Unruhe zu bewahren. Er ist auch nicht berechtigt, den
Betriebsratsmitgliedern eine über § 79 BetrVG hinausgehende
Verschwiegenheitspflicht über vertrauliche Angelegenheiten aufzuerlegen (wie hier
GK-BetrVG/Raab § 30 Rz. 27; DKK/Wedde § 30 Rz. 13; Fitting § 30 Rz. 21;
Richardi/Thüsing § 30 Rz. 16).
b) Die Anträge zur Gestaltung künftiger Betriebsversammlungen und die
Beschlussfassung des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit sind weit von jeder
Geheimhaltungsbedürftigkeit entfernt. Die Anträge und die Beschlussfassung des
Ausschusses sind in dem Rundmail in sachlicher Form wiedergegeben und werden
seitens des Beteiligten zu 1) nicht einmal kommentiert.
3. Auch die Argumentation des Beteiligten zu 1) anhand der Protokolle des
Arbeitszeitausschusses in der Betriebsversammlung vom 16. Sept. 2008
rechtfertigt die Vorwürfe der Beteiligten zu 2) nicht. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme steht fest, dass der Beteiligte zu 1) dem Betriebsrat gegenüber
auf der Betriebsversammlung vom 16. Sept. 2008 Vorhaltungen gemacht hat, er
würde in Zeiten des Personalabbaus Mehrarbeitsanträge durchwinken. Dies ist
gemäß § 45 BetrVG ein zulässiges Thema für eine Betriebsversammlung. Es lässt
sich jedoch nicht feststellen, ob aus den Vorhaltungen des Beteiligten zu 1)
überhaupt auf einzelne Mitarbeiter geschlossen werden konnte. Die Zeugin F,
freigestelltes Betriebsratsmitglied, hat ausgesagt, der Beteiligte zu 1) hätte auf
der Betriebsversammlung vom 16. Sept. 2008 die Genehmigungspraxis bezüglich
Mehrarbeitsstunden beanstandet und dem Betriebsrat vorgeworfen, er genehmige
Mehrarbeit, obwohl Personalabbau stattfände. Er habe anhand der Protokolle des
Arbeitszeitausschusses runtergebrochen bis zum aus 10 bis 15 Mitarbeitern
bestehenden Team argumentiert. Dagegen sagte die Zeugin D aus, sie wisse
nicht mehr, wann die Betriebsversammlung stattgefunden hätte und hätte es
nicht mehr so genau im Kopf, aber der Beteiligte zu 1) hätte
Abteilungsbezeichnungen genannt. Ob er auch Mitarbeiter benannt hat, wisse sie
nicht mehr. Ebenso meinte ihr Ehemann, der Zeuge E, seinerzeit zweiter
stellvertretender Vorsitzender, die Betriebsversammlung hätte 2009
stattgefunden. Der Beteiligte zu 1) hätte aus den Unterlagen, die er dabei gehabt
hätte, vorgelesen. Er hätte die Abteilungen genannt, aber nicht die Namen der
einzelnen Mitarbeiter. Es lässt sich mithin nicht mehr feststellen, was genau der
Beteiligte zu 1) zu den Mehrarbeitsanträgen geäußert hat, ob von den Anträgen
von Teams oder Abteilungen die Rede gewesen sei und inwiefern
Schlussfolgerungen auf einzelne Mitarbeiter möglich waren.
4. Unbelegt ist auch der Vorwurf, der Beteiligte zu 1) hätte am 17. Okt. 2008
vertrauliche Informationen aus einer Betriebsausschusssitzung über das Thema
„Disaster Recovery-Location I“ weitergegeben, indem er vertrauliche
Präsentationsunterlagen ca. 10fach kopiert und verteilt habe. Die Geschäftsleitung
habe darauf hingewiesen, dass die Angelegenheit noch nicht offen kommuniziert
werden solle. In der nächsten Betriebsausschusssitzung danach befragt, habe er
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werden solle. In der nächsten Betriebsausschusssitzung danach befragt, habe er
gesagt, das ginge den Betriebsausschuss nichts an. Wie viele Kopien der Beteiligte
zu 1) von dieser Unterlage gefertigt hat, wird von den Beteiligten zu 2) und 3)
geschätzt. Ob er diese verteilt hat, ist eine bloße Schlussfolgerung aus der
behaupteten Anzahl der Kopien, die möglich, aber keineswegs zwingend ist.
Arbeitnehmer, die diese Unterlage vom Beteiligten zu 1) erhalten hätten, konnten
von den Beteiligten zu 2) und 3) jedenfalls nicht namhaft gemacht werden.
Letztendlich handelt es sich um Vermutungen, die den Vorwurf der Beteiligten zu
2) nicht tragen können.
5. Der Beteiligte zu 1) hat allerdings vertrauliche Informationen aus der Bonus-
Beratungsrunde weitergegeben. Der Zeuge E hat bekundet, er hätte an dieser
Runde teilgenommen, sie seien von Anfang an darauf hingewiesen worden, dass
die Zahlen noch nicht veröffentlich oder weitergereicht werden dürften. Dies
stimmt mit der schriftlichen Aussage der Zeugin H vom 1. Dez. 2010 (Bl. 171 d.
A.) überein, sie hätte als Leiterin Personalberatung in der Bonusberatungsrunde
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Informationen von allen Teilnehmern
streng vertraulich zu behandeln seien. Der Zeuge E sagte aus, es sei um die
Bonuszahlungen für April gegangen. In der Folge habe er zwei oder drei Anrufe aus
der Abteilung Orga bekommen. Die Anrufer hätten sich beschwert, dass die
Bonuszahlungen viel zu niedrig seien, da müsste der Betriebsrat was machen. Der
Zeuge hätte nachgefragt, von wem sie diese Informationen hätten. Sie hätten
gesagt, das hätte ihnen Herr J gesagt. Herr C hätte sich schriftlich an den
Betriebsrat gewandt. Der Zeuge hätte ihn angerufen und ihn gefragt, von wem er
diese Information hätte. Herr C hätte gesagt, er hätte sie vom Beteiligten zu 1).
Dies stimmt überein mit der Aussage des Zeugen C. Der Beteiligte zu 1) hätte
ihm in einem Gespräch beim Mittagessen gesagt, am Wochenende zuvor sei bei
einem Gespräch mit den Betriebsräten über die beabsichtigten Boni gesprochen
worden. Er sagte, der Betrag für den Zeugen sei im Gegensatz zu den Beträgen
für die anderen Angestellten schon relativ niedrig. Der Beteiligte zu 1) habe ihm
geraten, sich an die Beteiligte zu 2) zu wenden. Ob er ihm den konkreten Betrag
bis auf den Cent genannt habe, wisse er nicht mehr, er habe ihm jedenfalls „die
Hausnummer“ genannt und nicht die Beträge für die anderen Mitarbeiter. Mit der
Weitergabe der geplanten Beträge hat der Beteiligte zu 1) gegen seine
Geheimhaltungspflicht aus § 79 BetrVG verstoßen. Die Lohn- und Gehaltsdaten
sind Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation über Umsätze und
Gewinnmöglichkeiten und können - unter Berücksichtigung der Besonderheiten
des betroffenen Unternehmensbereiches - ein Geschäftsgeheimnis darstellen (vgl.
BAG Beschluss 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 - EzA § 79 BetrVG Nr. 1). Die Zahlen sind
vom Arbeitgeber, d.h. von der Zeugin H, ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig
bezeichnet worden.
6. Darüber hinaus hat der Beteiligte zu 1) am 30. Okt. 2008 eine vertrauliche E-
Mail-Antwort des Herrn K von der Leitung ZTB M, die dieser als „confidential“
bezeichnet hat, an Kollegen weitergeleitet (Bl. 49 d.A.). Seine Bitte an die Kollegen,
das E-Mail nicht an Dritte weiterzuleiten, hebt er sozusagen dadurch wieder auf,
dass er schreibt, die Information dürfe aber gern an Kollegen weiter gegeben
werden. Es ist im Übrigen nicht Sache einzelner Betriebsratsmitglieder,
Informationen von Führungskräften einzuholen, die diese dann als „confidential“
erteilen, und diese dann unter einem Teil der Arbeitnehmer weiterzuverbreiten.
Das wäre Sache des Gremiums gewesen, ob die von Herrn K erbetene
Vertraulichkeit aufgehoben wird.
Somit ist der Vorwurf der Beteiligten zu 2) berechtigt, der Beteiligte zu 1) hätte
bezüglich Betriebsratsinformationen in der Vergangenheit nicht immer seine
Geheimhaltungspflicht gewahrt.
7. Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete
Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.