Urteil des LAG Hessen vom 07.01.2005

LAG Frankfurt: ordentliche kündigung, reformatio in peius, gerichtlicher vergleich, fristlose kündigung, arbeitsgericht, feststellungsklage, zeugnis, dokumentation, quelle, werterhöhung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
15. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15 Ta 688/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 33 RVG
(Bewertung der allgemeinen Feststellungsklage -
Wertfestsetzung gem § 33 RVG)
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezember 2004
– 5 Ca 8523/04 – wird zurückgewiesen. Die
Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegebühr in Höhe von
40,00 Euro zu tragen.
Gründe
I.
Der Kläger, der bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von
2.132,31 Euro beschäftigt gewesen war, hat Klage erhoben mit folgenden
Anträgen:
1. Festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.
August 2004, zugegangen am 01. September 2004, rechtsunwirksam ist
und das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden
ist;
2. festzustellen, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.
August 2004, zugegangen am 01. September 2004, rechtsunwirksam ist
und das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden
ist;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen
über den Ablauf der Kündigungsfrist am 01. September 2004 bzw. 15
September 2004 hinaus weiter unverändert fortbesteht;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis, das sich auf Führung
und Leistung erstreckt, zu erteilen;
5. hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 und 2
abgewiesen wird,
die Beklagte zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das
sich auf Führung und Leistung erstreckt.
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Am 29. Oktober 2004 ist ein gerichtlicher Vergleich protokolliert worden, wonach
das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15. September 2004 geendet hat und wonach
die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis
zu erteilen.
Auf Antrag der Beklagtenvertreter hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15.
Dezember 2004 den Wert gem. § 33 RVG für das Verfahren und den Vergleich auf
jeweils 8.529,24 Euro festgesetzt. Zur Begründung ist darauf hingewiesen, dass für
den Feststellungsantrag drei Bruttomonatsgehälter anzusetzen seien, weil dieser
Antrag keine Einschränkung enthalten habe.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2004 – eingegangen beim Arbeitsgericht am
23. Dezember 2004 – hat die Beklagte gegen den Beschluss "sofortige
Beschwerde" eingelegt, mit der Begründung, es sei unangemessen, der
Gegenstandswertberechnung einen Vierteljahresbezug zugrunde zu legen. Das
Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Dezember 2004 nicht
abgeholfen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die vom Arbeitsgericht zutreffend im
Verfahren gem. § 33 RVG vorgenommene Wertfestsetzung (dazu bereits
Kammerbeschluss vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR 1999, 156,
wobei die dortige Begründung auch für den neuen Rechtszustand für die Zeit ab
dem 01. Juli 2004 gilt) ist zulässig.
Die Beschwerde, die unschädlicherweise zu Unrecht als sofortige Beschwerde
bezeichnet worden ist (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), ist form- und fristgerecht beim
Arbeitsgericht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 7 RVG).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch wie von § 33 Abs. 3 Satz
1 RVG vorgeschrieben den Betrag von 200 Euro.
Zwar ist es grundsätzlich geboten angegeben, welchen Wert die
Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer festgesetzt wissen. Denn nur so
lässt sich beurteilen, ob der Wert des Beschwerdegegenstande 200 Euro
übersteigt. Die Auslegung der Beschwerdebegründung ergibt jedoch, und dies
reicht aus, dass die Beschwerdeführerin den Wert für das Verfahrens und den
Vergleich um jedenfalls den Betrag einer Bruttomonatsvergütung herabgesetzt
wissen will. Damit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro, da
der Unterschied zwischen einer vollen Gebühr für den vom Arbeitsgericht
festgesetzten Wert und für den von der Beschwerdeführerin jedenfalls
angestrebten Wert 74 Euro beträgt und hier die Einigungsgebühr (Nr. 1000 des
Vergütungsverzeichnisses zum RVG: Gebührensatz 1,5), die Verfahrensgebühr
(Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG: Gebührensatz 1,3) und die
Terminsgebühr (Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG: Gebührensatz
1,2) zu berücksichtigen sind.
Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Die Klageanträge zu 1. und 2. sind zusammen mit dem Betrag eines
Quartalsbezuges zu bewerten, also mit dem Betrag von 6.396,93 Euro (§ 42 Abs. 4
Satz 1 GKG), da damit die außerordentliche fristlose Kündigung und die im selben
Schreiben hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung angegriffen worden
sind (Kammerbeschluss vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR 1999,
156). Eine Reduzierung dieses Betrages scheidet aus, da die Klageanträge und
deren Begründung nicht ergeben, dass nur um den zeitlich begrenzten
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestritten werden sollte; auf die
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, die Dauer des Bestehens des
Arbeitsverhältnisses und die Erfolgsaussichten der Klage kommt es dabei nicht an
(Kammerbeschluss vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR 1999, 156).
Hinzu kommt der Betrag eines Bruttomonatsgehaltes in Höhe von 2.132,31 Euro,
womit sich der Gesamtbetrag von 8.529,24 Euro errechnet.
Es ist nämlich bereits der Klageantrag zu 3. als zusätzlicher allgemeiner
Feststellungsantrag mit dem Betrag eines Bruttomonatsgehaltes anzusetzen. Die
bisherige gegenteilige Rechtsprechung der Kammer (vgl. Kammerbeschluss vom
21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR 1999, 156 mit weit. Nachw.) wird damit
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21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR 1999, 156 mit weit. Nachw.) wird damit
aufgegeben.
Auch wenn der allgemeine Feststellungsantrag regelmäßig und auch hier (noch)
keinen separaten und zusätzlichen Beendigungstatbestand abdeckt, ist es nicht
gerechtfertigt, diesen Antrag nicht eigenständig zu bewerten. Es handelt sich
insoweit regelmäßig (zunächst) um einen prozesstaktischen Antrag, der auf
potentielle Folgekündigungen oder anderweitige Beendigungstatbestände abzielt.
Als solcher hat dieser Antrag für den Kläger durchaus einen wirtschaftlichen Wert,
der hier zu berücksichtigen ist (insoweit vom Ansatz her ebenso LAG Hamm
Beschluss vom 03. Februar 2003 – 9 Ta 520/02 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert
Nr. 128). Soweit das LAG Hamm im eben zitierten Beschluss davon ausgeht, die
eigenständige Bewertung des allgemeinen Feststellungsantrags habe deswegen
zu unterbleiben, weil eine solche mit §§ 4 Satz 1, 6 KSchG unvereinbar sei, kann
dem inzwischen schon wegen der Neugestaltung der §§ 4, 6 KSchG mit Wirkung
vom 01. Januar 2004 (danach erfasst die Klage gegen eine Kündigung
grundsätzlich – abgesehen von der Frage der Schriftform – alle
Unwirksamkeitsgründe) nicht mehr gefolgt werden. Da die Kammer
Folgekündigungen regelmäßig mit dem Betrag eines Bruttomonatsverdienstes
bewertet (Kammerbeschluss vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98 – NZA-RR
1999, 156), ist es im Hinblick auf die Wertung des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG
angemessen, auch den allgemeinen Feststellungsantrag entsprechend zu
bewerten.
Weil im Verfahren nach § 33 RVG das Verschlechterungsverbot (Verbot der
"reformatio in peius") gilt (Kammerbeschluss vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta
630/98 – NZA-RR 1999, 156) und eine Werterhöhung damit ausscheidet, kann es
auf sich beruhen, ob an sich ein weiterer zusätzlicher Betrag in Höhe eines
Bruttomonatsverdienstes deswegen anzusetzen wäre, weil im Vergleich eine
Regelung über den Gegenstand des Hilfsantrages (Erteilung eines qualifizierten
Zeugnisses) getroffen worden ist (vgl. insoweit § 23 Abs. 1 RVG und § 19 Abs. 1
Satz 2 und Abs. 4 GKG).
Die Beschwerdeführerin hat wegen der Erfolglosigkeit ihrer Beschwerde die
Beschwerdegebühr in Höhe von 40 Euro zu tragen (Nr. 8613 des
Kostenverzeichnisses zum GVG). Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht
veranlasst, da Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9
Satz 2 RVG).
– gez. Dr. Bader –
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.