Urteil des LAG Hessen vom 05.11.2010

LAG Frankfurt: gemeinsame einrichtung, entschädigung, qualifikation, mindestlohn, baugewerbe, tarifvertrag, arbeitsgericht, kopie, allgemeinverbindlicherklärung, herausgabe

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 146/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 VTV-Bau, § 1 Abs 2
Abschn V Nr 29 VTV-Bau, §
21 VTV-Bau, § 28 VTV-Bau
(Auskunftsklage, bestimmter Klageantrag)
Leitsatz
Eine Klage der ZVK-Bau gegen einen baugewerblichen Arbeitgeber auf Erteilung
konkreter Auskünfte hinsichtlich "sämtlicher" gewerblicher Arbeitnehmer ist hinreichend
bestimmt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
11. Dezember 2009 – 8 Ca 219/09 – abgeändert und die Beklagte verurteilt,
1. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über Beginn, Ende und Dauer der
täglichen Arbeitszeit zu erteilen,
2. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils Kopien der Arbeitsverträge und der jeweiligen
Lohnabrechnungen zu übersenden,
3. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über die berufliche Qualifikation und die
ausgeführten Tätigkeiten zu erteilen und darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen
die Beklagte die Eingruppierungen gemäß § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn in Verbindung
mit § 5 Nr. 3 BRTV-Bau für jeden einzelnen Arbeitnehmer vorgenommen hat,
4. für den Fall, dass die Verpflichtungen aus den Klageanträgen Nr. 1 und Nr. 3
nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung vollständig
24.000,00 EUR
(in Worten: Vierundzwanzigtausend und 00/100 Euro).
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin
Kopien der Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge sämtlicher Arbeitnehmer für
einen bestimmten Beschäftigungszeitraum herauszugeben, der Klägerin
Auskünfte über den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit
sowie über der Eingruppierung zugrunde liegende Tatsachen zu erteilen und für
den Fall der nicht rechtzeitigen Erteilung der begehrten Auskünfte an die Klägerin
eine Entschädigungssumme zu zahlen.
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Die Klägerin ist die A.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien
des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die
Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf der
Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das
Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der
jeweils gültigen Fassung für den Zeitraum 15. August 2007 bis 31. Dezember 2008
auf Herausgabe sämtlicher Kopien von Arbeitsverträgen und Lohnabrechnungen
der gewerblichen Arbeitnehmer, auf Erteilung von Auskünften hinsichtlich der
Arbeitszeit und der Grundlagen der Eingruppierung sämtlicher gewerblicher
Arbeitnehmer sowie auf bedingte Entschädigungszahlung in Anspruch. Als
Entschädigung legt die Klägerin 80 % der zu erwartenden
Beitragsnachforderungen zugrunde, welche auf der Basis eines statistischen
Durchschnittswerts nach Auswertung einer Vielzahl von Fällen errechnet wurde und
Euro 200,-- je Mann-Monat unter Zugrundelegung von 124 im Betrieb der
Beklagten geleisteten Mann-Monaten beträgt. Hintergrund des Auskunfts- und
Herausgabeverlangens der Klägerin ist das Bestehen von Anhaltspunkten für
Mindestlohnunterschreitungen im Betrieb der Beklagten.
Die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum einen Betrieb, in dem jedenfalls auch
Abbrucharbeiten verrichtet wurden.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie gemäß § 28 VTV berechtigt sei,
Einsicht in die für die Durchführung des Einzugs- und Erstattungsverfahrens
notwendigen Unterlagen, gegebenenfalls auch durch Übersendung von Kopien zu
nehmen. Der auf Herausgabe von Kopien der Lohnabrechnungen und
Arbeitsverträge sämtlicher gewerblicher Arbeitnehmer des Beklagten gerichtete
Klageantrag sei hinreichend bestimmt, da das Klageziel aus dem Antrag
erkennbar sei. Schwierigkeiten in der Zwangsvollstreckung seien hinzunehmen.
Nur mit diesem Antrag könne überprüft werden, ob der Betrieb der Beklagten
sämtlichen und nicht nur den bereits namentlich bekannten Arbeitnehmern den
tarifvertraglich vorgesehenen Mindestlohn zahle. Darüber hinaus stünde ihr aus §
28 VTV ein Anspruch auf die begehrten Auskünfte zu, welche die Klägerin benötige,
um einen Mindestlohnverstoß tatsächlich feststellen zu können.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über Beginn, Ende und Dauer der
täglichen Arbeitszeit zu erteilen,
2. der Klägerin für sämtliche im Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom 15.
August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils Kopien der Arbeitsverträge und der jeweiligen
Lohnabrechnungen zu übersenden,
3. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über die berufliche Qualifikation und die
ausgeführten Tätigkeiten zu erteilen und darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen
die Beklagte die Eingruppierungen gemäß § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn in Verbindung
mit § 5 Nr. 3 BRTV-Bau für jeden einzelnen Arbeitnehmer vorgenommen hat,
4. für den Fall, dass die Verpflichtungen aus den Klageanträgen zu Nr. 1 und Nr. 3
nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung vollständig
erfüllt werden, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen: Euro 24.800,--.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass sie ein Reinigungs- und Abbruchunternehmen
sei und als Mitglied dem B. angehöre. Sie hat die Ansicht vertreten, es bestünde
Tarifkonkurrenz zwischen dem BRTV-Bau und dem Rahmentarifvertrag für das
Abbruchgewerbe, der als speziellerer Tarifvertrag vorgehe.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 11. Dezember 2009 – 8 Ca
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Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 11. Dezember 2009 – 8 Ca
297/09 – die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, der Antrag zu
Ziffer 2. auf Übersendung der Kopien der Arbeitsverträge und Lohnabrechnungen
sämtlicher im Betrieb beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer für den genannten
Zeitraum sei unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei. Zwar sei es nicht
erforderlich, jede Kopie der begehrten Unterlagen mit einem zusätzlichen
Individualisierungsmerkmal aufzulisten. Die Frage, ob es sich bei einer Kopie um
eine Lohnabrechnung oder einen Arbeitsvertrag eines gewerblichen Arbeitnehmers
der Beklagten handele, sei aus sich heraus zu beantworten. Allerdings sei der
Klageantrag in seinem Umfang nicht hinreichend konkretisiert, soweit die Kopien
der Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge „sämtlicher“ gewerblicher
Arbeitnehmer begehrt werde. Es sei nämlich nicht erkennbar, um welche und wie
viele Arbeitnehmer es sich im Klagezeitraum handele. Es sei erforderlich, dass der
Titel aus sich heraus hinreichend bestimmt sei. Das sei bei dem Klageantrag zu 2.
nicht der Fall, da der Gerichtsvollzieher sich im Falle der Zwangsvollstreckung
letztlich auf die Angaben des Schuldners verlassen müsse, dass es sich um
„sämtliche“ Unterlagen handele. Damit sei dem Gerichtsvollzieher die Wegnahme
„sämtlicher“ Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge gegen den Willen des
Schuldners letztlich nicht möglich, vielmehr müsse er insoweit entsprechende
Ermittlungen anstellen. Zwar nehme allein der Umstand, dass die Vollstreckung
eines obsiegenden Urteils mit Schwierigkeiten verbunden sei, einem Antrag nicht
notwendigerweise die Vollstreckungsfähigkeit. In der erforderlichen
Interessenabwägung sei jedoch zu berücksichtigen, dass die gewählte Fassung des
Klageantrags durch seine Ungenauigkeit das Risiko des Unterliegens im Prozess in
unzumutbarer Weise auf den Beklagten abwälze, dem es nahezu unmöglich sei,
diesen Anspruch substantiiert zu bestreiten. Und schließlich sei anhand der
wörtlichen und systematischen Auslegung des § 28 VTV festzustellen, dass § 28
VTV der Klägerin ein Prüfungsrecht erst dann gewähre, wenn die Klägerin gegen
den Arbeitgeber mit der Auskunftsklage gemäß § 21 VTV vorgegangen sei. § 21
VTV wäre überflüssig, wenn § 28 VTV einschränkungslos ausgelegt würde.
Dementsprechend sei die Klägerin zunächst auf die vorrangige Beschaffung von
Auskünften nach § 21 VTV zu verweisen. Darüber hinaus hätten die
Tarifvertragsparteien gemäß § 6 VTV nur der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse
die Einholung arbeitnehmerbezogener Meldungen übertragen. Demgegenüber
stünde § 28 VTV im Zusammenhang mit den Schlussbestimmungen, in denen nur
Ansprüche geregelt seien, die erst nach Abschluss des Meldeverfahrens geltend
gemacht werden könnten. Die Klageanträge zu 1., 3. und 4. seien zwar zulässig.
Die Anträge seien jedoch unbegründet, da zunächst das Verfahren nach § 21 VTV
durchzuführen sei. Auch müsse der Anlass für die Ausübung des Prüfungsrechts
gemäß § 28 VTV konkret dargelegt werden, da das Prüfungsrecht unter dem
einschränkenden Vorbehalt stehe, dass ein Anfangsverdacht gegeben sei, der
eine Kontrolle erforderlich mache. Erst dann könne festgestellt werden, in welchen
notwendigen Unterlagen gegebenenfalls auch durch Übersendung von Kopien
Einsicht gewährt werden müsse.
Dieses Urteil ist der Klägerin am 14. Januar 2010 zugestellt worden. Die Berufung
der Klägerin ist am 29. Januar 2010 und die Berufungsbegründung nach
rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. April 2010
am selben Tag bei Gericht eingegangen.
Die Klägerin wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, dass
der Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt sei. Im Rahmen der
Zwangsvollstreckung könne der Gerichtsvollzieher gegebenenfalls nach §§ 883
Abs. 2, 758 ZPO vorgehen. Im Übrigen wisse die Beklagte, was unter „sämtlichen“
gewerblichen Arbeitnehmern zu verstehen sei. Ein Rangverhältnis zwischen § 28
VTV und § 21 VTV bestünde nicht. Die Auskunftsansprüche stünden der Klägerin
aus § 28 VTV zu. Die begehrte Entschädigungszahlung betreffe die Auskünfte nach
Klageantrag zu 1. und 3. insgesamt; hilfsweise könne die Entschädigung hälftig auf
die Auskünfte aufgeteilt werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 11.12.2009 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Wiesbaden, Aktenzeichen: 8 Ca 219/09, die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über Beginn, Ende und Dauer der
täglichen Arbeitszeit zu erteilen,
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2. der Klägerin für sämtliche im Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom 15.
August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils Kopien der Arbeitsverträge und der jeweiligen
Lohnabrechnungen zu übersenden,
3. der Klägerin für sämtliche in dem Betrieb der Beklagten in dem Zeitraum vom
15. August 2007 bis einschließlich 31. Dezember 2008 beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer jeweils schriftlich Auskunft über die berufliche Qualifikation und die
ausgeführten Tätigkeiten zu erteilen und darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen
die Beklagte die Eingruppierungen gemäß § 2 Abs. 2 TV Mindestlohn in Verbindung
mit § 5 Nr. 3 BRTV-Bau für jeden einzelnen Arbeitnehmer vorgenommen hat,
4. für den Fall, dass die Verpflichtungen aus den Klageanträgen zu Nr. 1 und Nr. 3
nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung vollständig
erfüllt werden, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen: Euro 24.800,--.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Klageantrag zu 2. sei nicht hinreichend bestimmt.
Die Beklagte sei nicht beitragspflichtig, da sie als Abbruchunternehmen einem
eigenen Verband angehöre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der
Berufungsschriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 05. November 2010
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist
gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Klägerin hat sie auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
In der Sache hat die Berufung der Klägerin Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend
gemachten Auskunftsansprüche gemäß § 28 Abs. 2 VTV und der
Entschädigungsanspruch gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zu.
Voraussetzung für das Bestehen der Auskunftspflicht ist, dass der Betrieb der
Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV
fiel. Gemäß § 1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbe unter den betrieblichen
Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nachdem die Beklagte erstinstanzlich noch
behauptet hat, ein Reinigungs- und Abbruchunternehmen zu betreiben, ist in der
Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten
um einen Abbruchbetrieb handelt. Gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 29 VTV
werden Abbrucharbeiten ausführende Betriebe vom Geltungsbereich des VTV
erfasst.
Da die Beklagte nicht Mitglied einer der Tarifvertrag schließenden Parteien des VTV
war, war sie an den VTV zwar nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Allerdings
war der VTV im streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt
worden, weshalb die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich
auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 4
TVG erfasste.
Der Betrieb der Beklagten war von der Allgemeinverbindlicherklärung nicht
ausgenommen. Im Ersten Teil III. 2. der Bekanntmachung über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom
24. Februar 2006 ist zwar geregelt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung sich
nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland
erstreckt, die ganz oder teilweise Bauwerke, Bauwerksteile oder einzelne Elemente
aus Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Eisen, Stahl oder sonstigen Baustoffen,
technische Anlagen abbrechen, demontieren, sprengen, Beton schneiden, sägen,
bohren, pressen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied im Deutschen
Abbruchverband e. V. sind. Die Beklagte behauptet auch, Mitglied im B. zu sein.
Diese Behauptung ist jedoch unsubstantiiert, da nicht erkennbar ist, ab wann die
Mitgliedschaft besteht. Im Übrigen fehlt auch ein Beweisantritt.
Die Auskunftsanträge sind zulässig, denn sie sind hinreichend bestimmt. Gemäß §
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Die Auskunftsanträge sind zulässig, denn sie sind hinreichend bestimmt. Gemäß §
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des
Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten
Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und eine
Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung
geschaffen. Ein Klageantrag ist dann hinreichend bestimmt, wenn er den
erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis absteckt, den Inhalt und den Umfang der materiellen
Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines
Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den
Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne
eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH
28.11.2002 – I ZR 168/00 – NJW 2003, 668).
Welche Anforderungen im jeweiligen Einzelfall an die Konkretisierung des
Streitgegenstandes in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt ab von den
Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des
Einzelfalles (BGH 04.07.2002 – I ZR 38/00 – WM 2002, 1986). Die Anforderungen
an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu
schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend
verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und
Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkung mit dem ebenfalls
schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz
festzulegen.
Die Abwägung unter diesen Gesichtspunkten ergibt, dass die Fassung einer den
Auskunftsanträgen entsprechenden Verurteilung für die Beklagte nicht
unzumutbar ist. Soweit die Klägerin für den angegebenen Zeitraum hinsichtlich der
gewerblichen Arbeitnehmer Auskunft über Beginn, Ende und Dauer der täglichen
Arbeitszeit sowie Auskunft über die berufliche Qualifikation und die ausgeführten
Tätigkeiten sowie über die Tatsachen, die den Eingruppierungen zugrunde liegen,
begehrt, sind die Anträge hinreichend bestimmt, da die Beklagte ohne weiteres
erkennen kann, worauf das Auskunftsbegehren der Klägerin gerichtet ist.
Auch soweit diese Auskünfte nicht für namentlich bezeichnete, sondern für
„sämtliche“ gewerblichen Arbeitnehmer im Klagezeitraum begehrt werden, sind
die Anträge hinreichend bestimmt. Insoweit ist zunächst davon auszugehen, dass
die Klägerin als die „nicht wissende“ Partei keine genauen Erkenntnisse über die
tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse hat. Die Klägerin kann aufgrund von
Indizien vermutet behaupten, dass in einem baugewerblichen Betrieb
Arbeitnehmer beschäftigt werden, ohne dass die genaue Anzahl bekannt ist. Die
Beklagte dagegen als Arbeitgeber und „wissende“ Partei kennt nicht nur die im
Klagezeitraum angefallenen Arbeitszeiten, die beruflichen Qualifikationen, die
ausgeführten Tätigkeiten und die Tatsachen, aufgrund derer die Eingruppierungen
vorgenommen wurden, sondern weiß auch, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer
jeweils beschäftigt waren. Für die Beklagte ist es im Rahmen der
Zwangsvollstreckung, sofern der Betrieb ordnungsgemäß geführt wurde, kein
Problem, die begehrten Auskünfte bezogen auf sämtliche beschäftigten
gewerblichen Arbeitnehmer zu erteilen.
Soweit das Arbeitsgericht zutreffend darauf hinweist, dass im Rahmen der
Zwangsvollstreckung bei einem Herausgabetitel auf Seiten des Gerichtsvollziehers
die Unsicherheit entstehen kann, ob tatsächlich „sämtliche“ herausverlangten
Sachen im Rahmen der Zwangsvollstreckung erfasst wurden, gilt das in
vergleichbarer Weise auch bei einem Auskunftsanspruch, durch welchen
bestimmte Auskünfte über „sämtliche“ gewerblichen Arbeitnehmer begehrt
werden. Wie für den Gerichtsvollzieher kann auch für das Prozessgericht als
Vollstreckungsgericht im Zwangsvollstreckungsverfahren eine mehr oder minder
große Unsicherheit bestehen, ob die Auskünfte tatsächlich hinsichtlich
„sämtlicher“ gewerblichen Arbeitnehmer erteilt worden sind.
Das führt jedoch nicht zur Unbestimmtheit des Klageantrags. Mit dem
Bundesgerichtshof (BGH, 28.11.2002 – I ZR 168/00 – a. a. O.) ist davon
auszugehen, dass der Umstand, dass die Vollstreckung eines einem Klageantrag
stattgebenden Urteils mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, einen Klageantrag
nicht ohne weiteres unbestimmt macht. Vielmehr ist die Unsicherheit im
vorliegenden Fall auf Seiten der Klägerin als „nicht wissende“ Partei unvermeidlich
und im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes hinzunehmen. Die gleiche
Unsicherheit besteht auf Seiten des Beklagten nicht, da er ohne weiteres
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Unsicherheit besteht auf Seiten des Beklagten nicht, da er ohne weiteres
erkennen kann, hinsichtlich welcher gewerblichen Arbeitnehmer die Auskünfte
begehrt werden.
Der Klägerin stehen die begehrten Auskünfte zu. Gemäß § 28 Abs. 2 VTV sind den
Kassen auf ihr Verlangen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Klägerin Anhaltspunkte dafür hat,
dass die Beklagte in ihrem Betrieb die gewerblichen Arbeitnehmer unterhalb des
Mindestlohns vergütet. Um diese Vermutung zu bestätigen oder zu entkräften,
benötigt die Klägerin Angaben über die tägliche Arbeitszeit jedes gewerblichen
Arbeitnehmers, über die berufliche Qualifikation und die konkret ausgeführten
Tätigkeiten. Anhand dieser Angaben kann die Klägerin ihrerseits prüfen, ob die ihr
mitgeteilten Bruttolohnsummen korrekt sind. Die Klägerin ist darüber hinaus auch
auf Auskünfte angewiesen, die die Eingruppierung der einzelnen gewerblichen
Arbeitnehmer betreffen, da sie auf der Basis dieser Auskünfte überprüfen kann, ob
der Beklagte nicht nur den Mindestlohn, sondern auch den Lohn gemäß § 5 BRTV-
Bau ordnungsgemäß bezahlt.
Die Klägerin ist nicht auf die vorrangige Durchführung des Verfahrens gemäß § 21
VTV zu verweisen. Weder aus dem Wortlaut des § 28 Satz 2 VTV noch aus dem
Wortlaut von § 21 VTV ergibt sich eine Rangfolge dieser tariflichen Vorschriften des
Inhalts, dass vom Prüfungsrecht gemäß § 28 VTV erst dann Gebrauch gemacht
werden darf, wenn das Auskunftsverfahren gemäß § 21 VTV durchgeführt worden
ist.
Aus der historischen Entwicklung der Norm ergibt sich Folgendes: Im Tarifvertrag
über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 war in
den Schlussbestimmungen in § 54 unter dem Stichwort „Prüfungsrecht“ geregelt,
dass Beauftragten der C. auf Verlangen Einsicht in die für die Durchführung des
Einzugsverfahrens notwendigen Unterlagen zu gestatten ist. Das Prüfungsrecht
war mithin dahingehend beschränkt, dass die notwendigen Unterlagen durch
Beauftragte der Klägerin eingesehen werden konnten. Seit dem Tarifvertrag über
das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 ist dieses
Prüfungsrecht in § 28 VTV nunmehr dahingehend erweitert worden, dass nicht nur
Beauftragten der ZVK, sondern allen Kassen auf Verlangen die erforderliche
Einsicht zu gewähren ist bzw. die erforderlichen Auskünfte zu erteilen sind. Die
Tarifvertragsparteien haben den Sozialkassen mithin ein umfassendes
Prüfungsrecht eingeräumt. Dabei mag dahinstehen, ob jeder Kasse ohne
Darlegung eines Anlasses auf ihr Verlangen Einsicht in die notwendigen Unterlagen
zu gewähren ist. Der Klägerin jedenfalls steht ein Anspruch auf Erteilung der
erforderlichen Auskünfte gemäß § 28 Satz 2 VTV zu, da sie über Anhaltspunkte
über eine Mindestlohnunterschreitung im Betrieb der Beklagten verfügt.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts kann aus der systematischen Stellung
des § 28 VTV in den Schlussbestimmungen nicht geschlossen werden, dass diese
Vorschrift erst dann zum Tragen kommt, wenn die Rechte aus den
vorhergehenden Abschnitten geltend gemacht worden sind. § 28 VTV differenziert
nicht nach zuständiger Einzugsstelle oder zuständiger Kasse, sondern gewährt den
jeweils zuständigen Kassen bzw. Einzugsstellen ein umfassendes Prüfungsrecht in
ihrem Zuständigkeitsbereich.
Der Klägerin steht die begehrte Entschädigungssumme gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1
ArbGG zu. Danach ist die Beklagte, sofern das Urteil die Verpflichtung zur
Vornahme einer Handlung ausspricht, auf Antrag der Klägerin zugleich für den Fall,
dass die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen wird, zur
Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzen
Entschädigung zu verurteilen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die
Klägerin die Entschädigung auf der Basis der Auswertung einer Vielzahl von Fällen
von Mindestlohnunterschreitungen errechnet, wobei 80 % des abgerundeten,
durchschnittlichen Differenzbetrages in Höhe von Euro 200 in Ansatz gebracht und
in Bezug auf den Betrieb der Beklagten 124 Mannmonate zugrunde gelegt werden.
Aus diesen unstreitigen Tatsachen errechnet sich der Entschädigungsbetrag in
Höhe von Euro 24.000. Dieser Entschädigungsbetrag ist nicht hälftig auf die beiden
Auskunftsansprüche aufzuteilen, da er auf die Durchsetzung der Auskünfte
insgesamt abzielt.
Auch der Klageantrag zu 2. ist zulässig und begründet. Wie oben bereits
ausgeführt, ist ein Klageantrag, der auf die Übermittlung „sämtlicher“ Unterlagen
gerichtet ist, hinreichend bestimmt. Den denkbaren Schwierigkeiten des
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gerichtet ist, hinreichend bestimmt. Den denkbaren Schwierigkeiten des
Gerichtsvollziehers im Rahmen der Zwangsvollstreckung tatsächlich „sämtlicher“
Unterlagen aufzufinden, kann mit Hilfe von §§ 883 Abs. 2 und 3, 758 ZPO
entgegengewirkt werden. Da darüber hinaus unstreitig ein Anlass für eine
entsprechende Überprüfung durch die Klägerin bestand, war die Beklagte
verpflichtet, die begehrten Unterlagen in Kopie herauszugeben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, da sie unterlegen ist, § 91 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.