Urteil des LAG Hessen vom 14.03.2011

LAG Frankfurt: unwirksamkeit der kündigung, betriebsrat, einstweilige verfügung, wirtschaftliche einheit, betriebsübergang, spaltung, arbeitsgericht, anhörung, einkauf, schwestergesellschaft

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
16. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 Sa 1677/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 613a BGB, § 21a BetrVG, §
102 BetrVG, § 307 Abs 2 Nr 1
BGB
Betriebsübergang - Spaltung des Betriebs - Wirksamkeit
einer formularvertraglichen Klausel, den Arbeitnehmer
nach erfolgter Kündigung zu beurlauben
Leitsatz
1.Ein Betriebsinhaberwechsel lässt die Rechtsstellung des für den Betrieb gewählten
Betriebsrats so lange unberührt, wie die Identität des Betriebs beim neuen Arbeitgeber
fortbesteht. Geht die Identität des Betriebs infolge organisatorischer Änderungen
verloren und entsteht dadurch ein neuer Betrieb, endet das Amt des Betriebsrats. Dies
kann bei einer Spaltung eines Betriebs oder bei der Zusammenfassung zweier oder
mehrerer Betriebe der Fall sein; Folge ist ein Übergangsmandat, § 21a BetrVG.
Dagegen haben die bloße Stilllegung eines Betriebsteils oder eine
Betriebseinschränkung keinen Einfluss auf die Betriebsidentität.
2.Eine formularvertragliche Klausel, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, den
Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung unter Fortzahlung der Bezüge zu beurlauben,
ist mit wesentlichen Grundgedanken einer Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB nicht zu vereinbaren.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 26.
Juli 2010 – 2 Ca 84/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits zu einem Fünftel vom Kläger und zu
vier Fünftel von der Beklagten zu tragen sind. Die Kosten des Berufungsverfahrens
hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer
ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte handelt mit Produkten der Informationstechnologie sowie Software.
Sie beschäftigte zuletzt 71 Arbeitnehmer. Der am XXX geborene, verheiratete
Kläger ist bei ihr beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin, der C, seit 01. April
2001 als Einkäufer beschäftigt. Bei der C war ein Betriebsrat gebildet. Nachdem
diese im Juli 2009 Insolvenzantrag stellen musste, wurde die Beklagte gegründet,
die im wesentlichen deren Kundenstamm, einen Teil des Anlagevermögens sowie
einen Teil der bei Insolvenzeröffnung noch vorhandenen Arbeitsverhältnisse
übernahm. Nicht übernommen wurden ein Lager, die Warenauslieferung sowie
eine Serviceabteilung. Diese werden seit Beginn der Aufnahme der Tätigkeit der
Beklagten extern aufgrund entsprechender Vereinbarungen von deren
Schwestergesellschaft, der D, besorgt. Ferner konnte die Beklagte die
bestehenden Lieferantenverträge nicht übernehmen, da diese wegen der
wirtschaftlichen Krise der C nahezu vollständig gekündigt worden waren. Die
Beklagte informierte die von dem (Teil-) Betriebsübergang betroffenen
Arbeitnehmer mit Schreiben vom 01. September 2009, wegen dessen Inhalt im
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Arbeitnehmer mit Schreiben vom 01. September 2009, wegen dessen Inhalt im
einzelnen auf Blatt 82 bis 85 der Akten Bezug genommen wird. Die
Geschäftstätigkeit der Beklagten besteht im Vertrieb der IT-Produkte gegenüber
dem übernommenen Kundenstamm, der Weiterleitung der Verkäufe und
Bestellungen an die D, die die notwendigen Einkäufe tätigt, die Auslieferung
vornimmt und den erforderlichen Service leistet, sowie der mit den Geschäften
verbundenen Verwaltungstätigkeit.
Mit Schreiben vom 02. März 2010 zeigte die Beklagte der Agentur für Arbeit die
Entlassung von 17 Arbeitnehmern an. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte sie
das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Juli 2010 (Blatt 15 der Akten),
ohne dass zuvor der bei der C gewählte Betriebsrat angehört wurde. Das
Kündigungsschreiben ist vom Vorstand der Beklagten unterzeichnet. Unter dem
09. März 2010 (Blatt 18, 19 der Akten) ließ der Kläger die Kündigung nach § 174
BGB zurückweisen.
Hiergegen hat der Kläger mit einem am 17. März 2010 beim Arbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben. Der Kläger hat
behauptet, die Kündigung sei gemäß § 174 BGB unwirksam, da die
Unterzeichnerin lediglich Prokura habe und nur mit einem Vorstandsmitglied oder
einem anderen Prokuristen gemeinsam handeln könne. Die Unterschrift auf dem
Kündigungsschreiben sei lediglich eingescannt, weshalb die Schriftform des § 623
BGB nicht erfüllt sei. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Eine
ordnungsgemäße Sozialauswahl sei nicht vorgenommen worden. Ebenso liege
eine Massenentlassungsanzeige nicht vor. Schließlich fehle es an einer
ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung.
Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen
Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der
Entscheidung des Arbeitsgerichts, Blatt 92 bis 97 der Akten, Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Beklagte
zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Die Kündigung sei nach § 102 BetrVG
unwirksam, weil der Betriebsrat nicht angehört wurde. Aufgrund der Spaltung des
Betriebs habe ein Übergangsmandat gemäß § 21a Abs. 1 BetrVG bestanden.
Dieses habe erst am 02. März 2010 geendet. Die Kündigung sei auch deshalb
unwirksam, weil die Beklagte eine ordnungsgemäße und fristgerechte
Massenentlassungsanzeige nicht substantiiert dargelegt habe. Schließlich sei die
Kündigung nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz sozialwidrig, weil die Beklagte
weder dargelegt habe, wann sie im einzelnen den behaupteten Entschluss, die
Abteilungen Einkauf, IT-Organisation, Internet Web-Shop und Controlling vollständig
aufzulösen getroffen habe. Ferner liege zur Umsetzung der unternehmerischen
Entscheidung nur ein pauschaler Vortrag vor. Schließlich hätte die Beklagte dem
Kläger die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten müssen.
Auch die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden.
Gegen dieses, ihr am 05. Oktober 2010 sind zugestellte Urteil hat die Beklagte mit
einem am 04. November 2010 beim Hessischen Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis 06. Februar 2011 am 13. Dezember 2010
begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, zum Zeitpunkt der Kündigung sei das
Übergangsmandat des Betriebsrats nach § 21 a BetrVG bereits beendet gewesen.
Die Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter betreffend die
Teilbetriebsübernahme sei am 1.9.2009 abgeschlossen und noch am gleichen Tag
umgesetzt worden. Die Behörde habe den ordnungsgemäßen Eingang einer
Massenentlassungsanzeige bestätigt. Erst danach sei die Kündigung
ausgesprochen worden. Die Kündigung sei auch nicht sozial ungerechtfertigt.
Hinsichtlich der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung habe das
Arbeitsgericht die Anforderungen an die Substantiierung überspannt. Die
Umstellung des Einkaufs der Beklagten habe Ende März 2010 begonnen und sei
Ende Juni abgeschlossen gewesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung seien keine
Arbeitsplätze frei gewesen, auf denen der Kläger hätte beschäftigt werden können.
Dies sei auch nicht absehbar gewesen. Für die drei vom Kläger benannten
Arbeitsplätze sei dieser nicht geeignet. Mit dem Kläger im Rahmen der
Sozialauswahl vergleichbare Arbeitnehmer gebe es nicht.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 26.7.2010 -2 Ca 84/10- abzuändern und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64
Abs. 2a Arbeitsgerichtsgesetz. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden, § 66 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, § 519, § 520 ZPO und damit
insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung ist nicht begründet.
1. Die Kündigung vom 2.3.2010 ist nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.
a) Hinsichtlich der im Sinne des § 102 BetrVG ordnungsgemäßen Anhörung des
Betriebsrats gilt eine abgestufte Darlegungslast. Danach hat der Arbeitnehmer im
Prozess zunächst die für ihn günstige Tatsache vorzutragen, dass überhaupt ein
Betriebsrat besteht und deshalb nach § 102 BetrVG vor Ausspruch einer
Kündigung dessen Anhörung erforderlich war. Ohne dieses Vorbringen ist das
Gericht nicht berechtigt und nicht verpflichtet, das Vorliegen einer
ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung zu prüfen. Da die Betriebsratsanhörung
nach § 102 BetrVG Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist, trifft die
Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich insoweit den Arbeitgeber
(Bundesarbeitsgericht 23.6.2005-2 AZR 193/04, NZA 2003, 1233, zu II 1b der
Gründe).
b) Der Kläger hat in der Klageschrift zunächst die ordnungsgemäße Anhörung des
Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten. Unstreitig war bei der C, bei der der Kläger
beschäftigt war, ein Betriebsrat gebildet. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung
vom 1. oder 2.9.2009 nach § 613a BGB auf die Beklagte über. Ausweislich ihres
Schreibens vom 1.9.2009 (Blatt 82 bis 85 der Akten) einigte sich die Beklagte mit
dem Insolvenzverwalter der C auf die Übernahme wesentlicher Geschäftsbereiche
dieses Unternehmens. Die Beklagte übernahm in der Folge neben dem
Anlagevermögen sämtliche Mitarbeiter der Abteilungen Einkauf (der der Kläger
angehörte), Buchhaltung, Vertrieb, Marketing, IT, während die Bereiche Logistik
und Service von dem Betriebsübergang nicht erfasst wurden.
c) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts läßt ein
Betriebsinhaberwechsel die Rechtsstellung des für den Betrieb gewählten
Betriebsrats jedenfalls so lange unberührt, wie die Identität des Betriebs beim
neuen Arbeitgeber fortbesteht (28. September 1988 - 1 ABR 37/ - BAGE 59, 371 =
AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 55, zu B I 2 der Gründe; 5. Februar 1991 -1 ABR 32/90 -
BAGE 67, 168 = AP BGB § 613 a Nr. 89, zu B IV 2 c bb der Gründe; 11. Oktober
1995 - 7 ABR 17/95 - AP BetrVG 1972 § 21 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 16, zu
B 2 der Gründe).
Das Betriebsverfassungsgesetz beruht auf der Annahme einer ausschließlich
betriebsbezogenen Interessenvertretung durch die gewählten Repräsentanten der
betriebsangehörigen Arbeitnehmer. Dazu knüpft es die Zuständigkeit des
Betriebsrats an die Identität desjenigen Betriebs, für den er gewählt worden ist.
Solange die Identität des Betriebs fortbesteht, behält der Betriebsrat das ihm
durch die Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Belegschaftsinteressen
und zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben
(Bundesarbeitsgericht 31.5.2000-7 ABR 78/98 - BAGE 95,15 =AP BetrVG 1972 § 1
Gemeinsamer Betrieb Nummer 12, zu B IV 2a aa der Gründe). Geht die Identität
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Gemeinsamer Betrieb Nummer 12, zu B IV 2a aa der Gründe). Geht die Identität
des Betriebs hingegen infolge organisatorischer Änderungen verloren und entsteht
dadurch ein neuer Betrieb, endet das Amt des Betriebsrats. Dies kann bei der
Spaltung eines Betriebs oder bei der Zusammenfassung zweier oder mehrerer
Betriebe oder Betriebsteile zu einem Betrieb der Fall sein. Gleiches gilt, wenn einer
von mehreren Arbeitgebern den bisherigen Gemeinschaftsbetrieb allein
weiterführt. Denn durch eine Veränderung in der Betriebsführung wird die
betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt ist, nicht berührt.
Auch die bloße Stilllegung eines Betriebsteils oder eine Betriebseinschränkung
haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Betriebsidentität. Die betrieblichen
Strukturen werden dadurch nicht verändert. Der Betriebsrat nimmt für die
verbleibenden Arbeitnehmer weiterhin die ihm nach dem BetrVG zustehenden
Rechte und Pflichten war (Bundesarbeitsgericht 19.11.2003-7 AZR 11/03- BAGE
109,1 = AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nummer 19, Randnummer
15).
d) Danach blieb durch den (Teil-) Betriebsübergang von der C auf die Beklagte die
Identität des Betriebs erhalten.
Nachdem die C im Juli 2009 Insolvenzantrag stellen musste, wurde die Beklagte
gegründet, die vom Insolvenzverwalter im wesentlichen deren Kundenstamm,
einen Teil des Anlagevermögens sowie einen Teil der bei Insolvenzeröffnung noch
vorhandenen Arbeitsverhältnisse übernahm. Nicht übernommen wurden ein Lager,
die Warenauslieferung sowie eine Serviceabteilung. Diese werden seit Beginn der
Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten extern aufgrund entsprechender
Vereinbarungen von deren Schwestergesellschaft, der D, besorgt. Ferner konnte
die Beklagte die bestehenden Lieferantenverträge nicht übernehmen, da diese
wegen der wirtschaftlichen Krise der C nahezu vollständig gekündigt worden waren.
Nach ihrer Behauptung wickelte die Beklagte ihren Wareneinkauf zunächst zu 80
bis 90% und nach Beschluss der Geschäftsleitung vom 2.3.2009 vollständig über
die D ab.
Hierdurch wurde die betriebliche Organisationseinheit nicht verändert. Es wurden
lediglich einige Teilbereiche (Lager, Warenauslieferung und Serviceabteilung)
stillgelegt und der Einkauf über ein Konzernunternehmen und nicht wie bisher
direkt abgewickelt. Dies führt zu einem entsprechenden Wegfall von Arbeitsplätzen
bei der Beklagten (Betriebseinschränkung). Die betrieblichen Strukturen werden
dadurch jedoch nicht verändert, so dass die Betriebsidentität erhalten bleibt. Die
Beklagte verfolgt den zuvor bereits von der C ausgeübten und sodann von der
Beklagten fortgeführten arbeitstechnischen Zweck des Handels mit Produkten und
Komponenten der Informationstechnologie sowie Software weiter. Durch die
genannte Betriebseinschränkung und das Ausscheiden der dort beschäftigten
Arbeitnehmer entstand kein neuer Betrieb. Dies gilt auch dann, wenn vom
Insolvenzverwalter vorübergehend 3 Mitarbeiter in der Verwaltung des noch
bestehenden Lagers und in der Serviceabteilung bei der Abwicklung von
Kundengeschäften der Insolvenzschuldnerin eingesetzt wurden. Hierdurch wurde
nämlich insoweit keine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, eine
organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung, die nicht auf die Ausführung
eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist, geschaffen.
e) Vor Ausspruch der Kündigung vom 2. März 2010 hörte die Beklagte den
Betriebsrat nicht an.
2. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung ist die Beklagte bis zum
rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsprozesses zur Weiterbeschäftigung
des Klägers entsprechend den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen
verpflichtet, §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB (BAG GS 27.2.1985 - GS 1/84 -
NZA 1985, 702).
Die formularvertragliche Klausel des § 12 Abs. 2 Arbeitsvertrag, wonach der
Arbeitgeber berechtigt ist, den Kläger nach erfolgter Kündigung unter Fortzahlung
der Bezüge zu beurlauben, steht der der Beklagten obliegenden Verpflichtung zur
Weiterbeschäftigung nicht entgegen. Die Klausel ist mit wesentlichen
Grundgedanken einer Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu
vereinbaren.
Die Klausel ist Bestandteil eines für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten
Vertragswerks, das vom Arbeitgeber gestellt (§ 305 Abs. 1 BGB) wurde. Da der
Arbeitnehmer auch Verbraucher gemäß § 13 BGB ist, ist das Merkmal des Stellens
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Arbeitnehmer auch Verbraucher gemäß § 13 BGB ist, ist das Merkmal des Stellens
nur dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die AGB in den Vertrag eingeführt
hat (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB), wofür den Arbeitgeber die Darlegungs- und
Beweislast trifft. Dafür dass hier die AGB vom Arbeitgeber gestellt wurden spricht,
dass sich in den Verträgen der drei Kläger der anstehenden Parallelverfahren eine
§ 12 Abs. 2 Arbeitsvertrag entsprechende Regelung befindet.
Diese verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. "Gesetzliche Regelung" im Sinne der
genannten Vorschrift sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern
die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten
Rechtsgrundsätze (BGHZ 89, 206, 211), d.h. auch alle ungeschriebenen
Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender
Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen
Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (BGH 10.12.1992 - I
ZR 186/90 - BGHZ 121, 14, 18). Zwar gibt es keine gesetzliche Fixierung der
Beschäftigungspflicht, aber der Anspruch wird aus §§ 611 Abs. 1, 613 BGB i.V.m. §
242 BGB hergeleitet und ist richterrechtlich anerkannt (BAG GS 27.2.1985 - GS
1/84 - NZA 1985, 702). Daher gibt es ein Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB. Hiervon kann nur bei Bestehen eines berechtigten Interesses abgewichen
werden, das in der Vertragsklausel selbst genannt werden muss (Korinth, Die
einstweilige Verfügung im Individualarbeitsrecht, 2. Aufl., I Rn. 74). Diesen
Anforderungen entspricht § 12 Abs. 2 Arbeitsvertrag nicht.
Eine Weiterbeschäftigung des Klägers ist der Beklagten auch nicht unmöglich. Die
Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen
schließt eine Versetzung im Rahmen des Direktionsrechts nicht aus (vgl. Korinth,
a.a.O., I Rn. 100). Auch § 1 Abs. 3 Arbeitsvertrag sieht die Übertragung einer
anderen, den Fähigkeiten des Klägers entsprechenden Tätigkeit vor. Selbst wenn
der bisherige Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sein sollte, bleibt es der
Beklagten unbenommen, ihm eine gleichwertige andere Tätigkeit zuzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Trotz erfolglosem
Rechtsmittel ist - sogar bei einem beschränktem Rechtsmittelangriff - die gesamte
Kostenentscheidung der Vorinstanz zu überprüfen (Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 97 Rn.
6). Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist von Amts wegen abzuändern, da
das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt hat, dass der in der Klageschrift
angekündigte allgemeine Feststellungsantrag, der später nicht mehr weiter
verfolgt wurde, unzulässig ist. Es fehlt an dem besonderen Feststellungsinteresse,
§ 256 ZPO (vgl. BAG 13.3.1997 NZA 1997, 844, 845).
IV.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2
Arbeitsgerichtsgesetz.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.