Urteil des LAG Hessen vom 13.12.2010

LAG Frankfurt: bonus, arbeitsgericht, treu und glauben, willenserklärung, vergütung, auszahlung, minimum, meeting, wiederholung, zusage

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
7. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Sa 879/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 611 BGB, § 315 BGB
Kürzung einer Bonuszahlung für Bankmitarbeiter -
Verbindlichkeit einer vorläufigen Bonuszusage
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
vom 14. April 2010 – Az. 14 Ca 8942/09 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Bonuszahlung.
Der am xxx geborene Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags
vom 20. November 2003, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 97 - 100 d.A.
verwiesen wird, seit dem 01. März 2004 als „Senior Salesman“ im Bereich
„Investor Solutions Group“ der Investmentsparte (A) der B (im Folgenden:
„Rechtsvorgängerin“) beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ist inzwischen auf Grund
Verschmelzung auf die Beklagte übergegangen.
Der Arbeitsvertrag enthält unter „2. Bezüge“ folgende Regelung:
„Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf
Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:
a) Gehalt
Ein Bruttomonatsgehalt von € 6.920,00 brutto.
[…]
b) Variable Vergütung
Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage des
Corporate & Markets Geschäftes der Bank individuell nach
Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird.
[…]“
Unter „11. Sonstige Vereinbarungen“ befindet sich folgende Regelung:
„Bis zum Abschluss einer gesonderten Betriebsvereinbarung über die variable
Vergütung beträgt die zusätzliche Vergütung nach Ziffer 2b dieses Vertrags
mindestens 2 Monatsgehälter. […]“
Der Kläger erzielte im Jahre 2008 für die Rechtsvorgängerin mit dem Vertrieb von
Handelsstrategien und strukturierten Produkten Einkünfte in Höhe von ca. 13,5
Mio. €.
Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der Rechtsvorgängerin die
Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. €
für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich A erörtert, um die Mitarbeiterstabilität
aufrecht zu erhalten. Am 18. August 2008 teilte das Vorstandsmitglied C den
Mitarbeitern des „A-Frontoffice“ die Bildung des Bonuspools mit.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Mit E-Mail vom 20. Oktober 2008 (Bl. 45 d.A.) wurde u.a. dem Kläger seitens der
Rechtsvorgängerin mitgeteilt, dass die Benachrichtigung über die Vergabe der
Boni am Freitag, dem 19. Dezember 2008 erfolgen werde.
Am 28. Oktober stellte die Rechtsvorgängerin einen Mitarbeiterbrief in ihr Intranet,
in dem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilt wurde, „dass der Vorstand
für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100% des
Bonusvolumens 2007 - angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 - pro Funktion
und Division (exklusive A Frontoffice) zugesagt habe“. Wegen des übrigen
Wortlauts wird auf Bl. 105 d.A. verwiesen.
Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger folgenden „Bonusbrief“ (Bl. 34 d.A.):
„[…]
Wir können Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Bonus für das Jahr 2008 im Sinne von
Ziffer 2b) i.V.m. Ziffer 10/11 Ihres Arbeitsvertrages nach Maßgabe der
EUR 375.000,00 brutto
festgesetzt wurde.
Die vorläufige Bonusfestsetzung steht unter dem Vorbehalt eines Reviews für den
Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere
wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von A zum Forecast für
die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d.h. die
Ergebnissituation in A sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert. Dieser
Review wird im Januar 2009 unter der Führung von Herrn C durchgeführt. Sollten
solche weiteren wesentlichen negativen Abweichungen festgestellt werden, behält
sich die Bank das Recht vor, Ihre vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und,
falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.
Im Februar 2009 erhalten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer für das Kalenderjahr
2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung gem. Ihres
Arbeitsvertrages.
Eine Auszahlung des Bonus erfolgt nur, wenn zum Auszahlungszeitpunkt des
Bonus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung des Bonus
erfolgt im Rahmen Ihrer üblichen Gehaltszahlungen für den Monat Februar 2009.
[…]“
Mit einer englischsprachigen E-Mail vom 18. Februar 2009 (Bl. 129 d.A.) an den
Verteiler „A Global Personnel“ teilte die Rechtsvorgängerin u.a. mit, dass die
Mitarbeiter des A Front Office, denen eine vorläufige Bonusfestsetzung mitgeteilt
wurde, eine um 90% gekürzte Zahlung erhielten. Dies wurde durch E-Mail vom
selben Tag dahingehend ergänzt, dass der Bonus grundsätzlich mindestens ein
Bruttomonatsgehalt betragen solle.
Die Rechtsvorgängerin zahlte an den Kläger im März 2009 einen Bonus in Höhe
von 37.500,00 € brutto.
Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen, des Vorbringens der
Parteien und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils (Bl. 225 - 231 d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies - kurz zusammengefasst -
wie folgt begründet:
Der Kläger habe keinen Anspruch aus dem Bonusbrief vom 19. Dezember 2008,
weil dieser keine auf die Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens gerichtete
Willenserklärung enthalte. Es handele sich lediglich um ein Mitteilungsschreiben, in
dem die Rechtsvorgängerin über die zu diesem Zeitpunkt für sie maßgeblichen
Erwägungen und Faktoren zur variablen Vergütung informiert und die Empfänger
über die beabsichtigte weitere Vorgehensweise in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht in Kenntnis gesetzt habe.
Weiterhin folge der geltend gemachte Bonusanspruch auch nicht aus einer
ermessensfehlerhaften Leistungsbestimmung i.S.d. § 315 Abs. 1 und 3 BGB, da
der Kläger unter Berücksichtigung der prozessualen Darlegungs- und
Beweislastverteilung keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen habe, die eine
höhere Zahlung geböten.
22
23
24
25
26
27
28
29
30
Schließlich folge auch weder aus der Mitteilung über die Zurverfügungstellung des
Bonuspools, der nicht als Gesamtzusage angesehen werden könne, noch aus dem
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch in der geltend
gemachten Höhe.
Gegen dieses Urteil vom 14. April 2010, auf dessen Inhalt zur weiteren
Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger äußert die Auffassung, die Auslegung des Bonusbriefs vom 19.
Dezember 2008 durch das Arbeitsgericht sei angesichts des deutlich zu Tage
getretenen Willens der Rechtsvorgängerin unzulässig. Der Wortlaut des Schreibens
sei nicht auslegungsbedürftig. Die Beklagte selbst sei stets davon ausgegangen,
dass es sich bei dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 um die
Ermessensausübung gehandelt habe, dass sie diese jedoch auf Grund des
„Vorbehalts“ hiervon wieder habe lösen können. Die Aufnahme dieses Vorbehalts
sei maßgeblich aus populistischen Gründen und auf Grund der Tatsache erfolgt,
dass die Beklagte die Bonuspolitik der Rechtsvorgängerin missbilligt habe. Dieser
Vorbehalt sei unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nachvollziehbar,
arbeitsrechtlich jedoch irrelevant. Der Vorbehalt komme einem Widerrufsvorbehalt
gleich, der dem Transparenzgebot nicht entspreche. Daher sei die Beklagte zu
einer Reduzierung des zugesagten Bonus nicht berechtigt gewesen.
Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Arbeitsgericht zu der Einschätzung gelangen
konnte, bei dem Schreiben habe es sich um eine unverbindliche Information
gehandelt, denn für eine solche habe überhaupt kein Bedürfnis bestanden. Die
Äußerungen des zuständigen Vorstandsmitglieds C bei der Übergabe der
Schreiben im „Townhall-Meeting“ vom 19. Dezember 2008 widersprächen dem
vom Arbeitsgericht angenommenen Charakter des Schreibens.
Weiterhin äußert der Kläger die Auffassung, das Arbeitsgericht habe angesichts
der Bonusfestsetzung vom 19. Dezember 2008 die Verteilung der Darlegungs-
und Beweislast verkannt, wenn es von unzureichendem Vortrag des Klägers zur
fehlerhaften Ermessensentscheidung über die Höhe des schließlich ausgezahlten
Bonus‘ ausging. Entgegen der Ansicht sei es der Beklagten zu keinem Zeitpunkt
gelungen, zu belegen, weshalb die angeblich von ihr festgestellte doch so
überraschende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Rechtsvorgängerin
in Bezug auf den mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 erklärten Vorbehalt eine
lineare Kürzung des Bonus um 90% hat rechtfertigen können.
Gegen die Darstellung der Beklagten spreche, dass die angekündigte Prüfung
nicht unter der Leitung von C stattgefunden habe, der zum maßgeblichen
Zeitpunkt bereits ausgeschieden gewesen sei. Die Beklagte beschränke sich auf
die Wiedergabe allgemeiner Erklärungen wie in den Parallelverfahren, ohne auf den
zusätzlichen Sachvortrag des Klägers einzugehen. Danach habe die Beklagte
durch eine methodische Veränderung bei der Bewertung von Buchpositionen ab
Februar 2009 der Rechtsvorgängerin höhere Verluste zugewiesen als dies bei
Anwendung der bewährten früheren Methode der Fall gewesen wäre.
Schließlich habe das Arbeitsgericht den Vortrag des Klägers zur Garantie eines
„Minimum-Bonuspools“ in Höhe von 400 Mio. Euro außer Betracht gelassen. Die
Mitteilung vom 28. Oktober 2008 erfülle entgegen der Auffassung des
Arbeitsgerichts die Voraussetzungen einer Gesamtzusage. Durch sie sei eine
Bindung der Rechtsvorgängerin in dem Sinne zu Stande gekommen, dass ein
Bonusvolumen in Höhe von 400 Mio. Euro ohne Möglichkeit des Widerrufs zur
Verfügung stünde, das auf die im Jahre 2008 verbliebenen Mitarbeiter im Bereich
Front Office nach billigem Ermessen zu verteilen sei. Somit könne die
Ermessensentscheidung der Rechtsvorgängerin zwar durchaus dazu führen, dass
die zu verteilenden Boni in unterschiedlicher Höhe ausfallen, sie könne jedoch
nicht dazu führen, dass die Summe der Einzelboni den garantierten Bonustopf von
400 Mio. Euro unterschreitet. Der Kläger habe nie die Auffassung vertreten, dass
die Bereitstellung des Bonuspools allein bereits einen für den Mitarbeiter individuell
ableitbaren Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten Bonus’ begründen könne.
Dieser Anspruch sei vielmehr durch die individuelle Verteilung und die Zusage im
Schreiben vom 19. Dezember 2008 entstanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2010 -
Aktenzeichen 14 Ca 8942/09 - zugestellt am 12. Mai 2010, abzuändern und die
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
Aktenzeichen 14 Ca 8942/09 - zugestellt am 12. Mai 2010, abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 337.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2009 zu zahlen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das
angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vortrags.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die
Berufungsbegründung vom 06. Juli 2010 (Bl. 256 - 273 d.A.) und den weiteren
Schriftsatz des Klägers vom 07. Dezember 2010 (Bl. 428 - 437 d.A) sowie die
Berufungsbeantwortung vom 16. September 2010 (Bl. 313 - 337 d.A.) - jeweils mit
den beigefügten Anlagen - verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, form- und
fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig.
II.
Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen.
Das Berufungsgericht schließt sich dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und in
der Begründung an (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Inhalt der in der Berufungsinstanz
gewechselten Schriftsätze gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:
1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Bonusbrief
vom 19. Dezember 2008 keine auf Ausübung des arbeitgeberseitigen Ermessens
gerichtete Willenserklärung enthält. Es hat hierzu die allgemeinen Regeln zur
Auslegung von Willenserklärungen ausführlich dargelegt und zutreffend
angewandt.
Danach ist das Recht einer Vertragspartei, die Leistung nach § 315 Abs. 1 BGB
einseitig zu bestimmen, ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige,
empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei
ausgeübt wird.
Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf die Herbeiführung einer
Rechtswirkung gerichteten Willens: Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum
Ausdruck. Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung wird üblicherweise
unterteilt in den das äußere Verhalten beherrschenden Handlungswillen, das
Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Zum objektiven Tatbestand
gehört jede Äußerung, die den Rechtsfolgewillen nach außen erkennen lässt
(). Bei empfangsbedürftigen
Willenserklärungen ist der objektive Erklärungsinhalt maßgeblich. Der Tatrichter hat
sie so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und
unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus
verstehen musste. Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an,
was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den
Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger darf
der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern
muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger
Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (
). Dies gilt nicht nur dann, wenn
nicht der Inhalt einer Willenserklärung durch Auslegung nach §§ 133, 167 BGB zu
ermitteln ist, sondern auch, wenn zweifelhaft ist, ob eine bestimmte Erklärung als
Willenserklärung zu werten ist oder nicht (
).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht mit zutreffenden
Gründen, auf deren Wiederholung verzichtet werden kann, zu dem eingangs
beschriebenen Ergebnis gelangt.
Die vom Kläger in der Berufung hiergegen vorgebrachten Argumente können aus
folgenden Gründen kein anderes Ergebnis begründen:
Nicht nur der mehrfache Gebrauch des Wortes „vorläufig“, sondern auch der
41
42
43
44
45
46
Nicht nur der mehrfache Gebrauch des Wortes „vorläufig“, sondern auch der
eindeutige Vorbehalt, den Betrag „falls erforderlich … zu reduzieren“ lässt die
Auffassung des Klägers, es habe sich bei dem Schreiben vom 19. Dezember 2010
um eine eindeutige und endgültige, einer Auslegung nicht zugängliche
Festsetzung der Bonushöhe im Sinne einer Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB
gehandelt, nicht zu. Vielmehr musste den Empfängern nach Erhalt und sorgfältiger
Lektüre dieses Schreibens klar sein, dass trotz der Nennung eines durch Fettdruck
hervorgehobenen Betrags dessen Auszahlung nicht allein an die am Ende des
Schreibens genannte Bedingung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses
geknüpft ist, sondern dass gerade die zur Aufstellung des Jahresabschlusses noch
durchzuführenden Ermittlungen zu einer Herabsetzung des Bonusbetrags führen
kann, wobei eine bestimmte Mindesthöhe nicht genannt wurde.
Daran ändern auch die Umstände bei der Übergabe, insbesondere die
Ausführungen, die das Vorstandsmitglied C der Rechtsvorgängerin bei dem so
genannten Townhall Meeting machte, nichts. Dieser hat keinen Zweifel daran
gelassen, dass er zwar gerne eine endgültige Zusage gemacht hätte, ihm dies
aber auf Grund eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses gerade nicht möglich
war. Die Worte „… doch sagen die heute versendeten Schreiben nichts darüber
aus, wie hoch Ihr Bonus zahlenmäßig definitiv ausfallen wird, sondern wovon Sie
vorbehaltlich der Prüfung der finanziellen Performance für das gesamte Jahr durch
die A ausgehen können …“ machten vielmehr deutlich, dass der Vorstand der
Rechtsvorgängerin mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 keine verbindliche
Leistungsbestimmung i.S.d. § 315 BGB erklären wollte und dies auch nicht getan
hat.
Darüber hinaus geht auch das Berufungsgericht wie das Arbeitsgericht davon aus,
dass die Leistungsbestimmung i.S.d. § 315 BGB bedingungsfeindlich ist und
deshalb auch nicht mit einem - wie auch immer begründeten - Vorbehalt versehen
werden kann (
). Soweit () davon
Ausnahmen aus praktischen Bedürfnissen zulassen will, bezieht er sich
ausdrücklich auf solche, deren Eintritt der Erklärungsempfänger selbst
herbeiführen und feststellen kann und nennt als Beispiel im Arbeitsrecht die
Änderungskündigung. Es liegt auf der Hand, dass die Interessenlage der Parteien
mit einem solchen Fall nicht vergleichbar ist, denn der hier formulierte Vorbehalt
lag allein bei der Beklagten. Der Kläger hatte auf den Inhalt und das Ergebnis der
angekündigten Review keinerlei Einfluss.
Nach den vorausgegangenen Feststellungen kann dahingestellt bleiben, ob der
geäußerte Vorbehalt im Sinne einer von der Beklagten selbst noch zu erfüllenden
Bedingung die gesamte Leistungsbestimmung - unter der Voraussetzung, dass
man entgegen den vorausgegangenen Feststellungen von einem entsprechenden
Erklärungsinhalt ausgeht - unwirksam macht. Keinesfalls hat der bei einer
Leistungsbestimmung unzulässige Vorbehalt aber zur Wirkung, dass dann die
Bestimmung vorbehaltlos gilt. Vielmehr ist nach dem Rechtsgedanken des § 139
BGB die gesamte Erklärung nichtig, denn aus dem Wortlaut selbst, den
Erklärungen des Vorstandsmitglieds C und den entsprechenden Beschlüssen des
Vorstands der Rechtsvorgängerin folgt ja gerade, dass diese unter den damaligen
Umständen keinesfalls willens war, eine Bonuszusage ohne den formulierten
Vorbehalt abzugeben.
Schließlich ist das Schreiben vom 19. Dezember 2008 auch nicht dahingehend
einschränkend auszulegen, dass der Beklagten ein Recht auf Reduzierung des
Bonus nur dann zugestanden hätte, wenn sich das wirtschaftliche Ergebnis durch
eine nach diesem Datum eintretende Entwicklung verschlechtert hätte. Denn wenn
es sich bei dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 um eine unverbindliche
Mitteilung handelte - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - und die Beklagte
ausdrücklich eine Review im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008
ankündigte, war sie berechtigt, trotz der Bezugnahme auf den „Forecast für die
Monate November und Dezember 2008“ ihr Ermessen auf der Basis der bis Ende
Februar 2009 gewonnenen Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der
Regelungen in § 315 BGB neu auszuüben.
Damit bleibt es bei dem bereits erstinstanzlich festgestellten Ergebnis, dass der
Kläger aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. Nr. 2b) seines Arbeitsvertrags und dem
Schreiben vom 19. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten
Bonus‘ hat.
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
2. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 315 Abs. 1 und Abs. 3
BGB i.V.m Nr. 2b) des Arbeitsvertrags.
Aus dem Vortrag des Klägers folgt auch in der Berufungsinstanz nicht, dass die
Beklagte bei der Leistungsbemessung ermessensfehlerhaft gehandelt hat und nur
die Auszahlung des vollen am 19. Dezember 2008 mitgeteilten vorläufigen
Betrags billigem Ermessen entspricht.
Bei der nach § 315 Abs. 3 Satz 1 gebotenen Leistungsbestimmung nach billigem
Ermessen muss der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und
die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen (stRspr, vgl. z.B.
). Die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1
BGB der Billigkeit entspricht, trägt derjenige, dem das Recht eingeräumt wurde
(
). Allerdings ist dabei von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast in
dem Sinne auszugehen, dass zunächst ein Arbeitnehmer, der die
Leistungsbestimmung nicht gelten lassen will, im Prozess angeben muss, weshalb
er die Bestimmung für unbillig hält ().
a) Zu Recht ist das Arbeitsgericht deshalb davon ausgegangen, dass der Kläger
trotz der vorläufigen Bonusmitteilung vom 19. Dezember 2008 als
Leistungsempfänger darlegen muss, weshalb er die Bestimmung vom Februar
2009 für unbillig hält. Bereits dies ist ihm nicht gelungen.
Dabei kann der Kläger nicht auf die Mitteilung vom 19. Dezember 2008
zurückgreifen, da diese - wie unter 1. bereits festgestellt - keine verbindliche
Bonusfestsetzung darstellte. Damit war die Beklagte frei, auf Grund der ihr zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Zahlen vertragsgemäß unter
Berücksichtigung der Leistung des Klägers ihr Ermessen zur Leistungsfestsetzung
neu auszuüben.
Die Beklagte hat als Grundlage ihrer Entscheidung Zahlen vorgetragen, die für sich
allein genommen bereits eine erhebliche Einschränkung der vorläufig mitgeteilten
Boni rechtfertigen: Danach endete die Review zum Stand vom 04. Februar 2009
mit einem operativen Ergebnis der A von -5,751 Mio. € und einem Verlust vor
Steuern von 5,948 Mrd. €. Damit hatte sich der Verlust gegenüber der Prognose
vom November annähernd verdoppelt, die Erträge präsentierten sich 10-fach
schlechter als im November.
Der Kläger hält diesem Vortrag der Beklagten entgegen, dass in den
vorausgegangenen Jahren der Ertrag der Rechtsvorgängerin nur eine
untergeordnete Bedeutung hatte und der Bonus allein aufgrund der Leistungen
des Klägers festgesetzt wurde.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte oder ihre
Rechtsvorgängerin verpflichtet war, auch bei der Bemessung des Bonus’ für das
Jahr 2008 bei diesem Verfahren zu bleiben, denn nach der eindeutigen
vertraglichen Formulierung in § 2b des Arbeitsvertrags ist neben den
Leistungsgesichtspunkten „die Ertragslage des Corporate & Market Geschäfts der
Bank“ bei der Bemessung des Bonus’ zu berücksichtigen. Dass dies in den Augen
des Klägers in den vergangenen Jahren nicht so erfolgte, kann durchaus daraus
resultieren, dass die entsprechende Ertragslage keinen Grund dafür bot, die
individuellen Bonuserwartungen des Klägers zu enttäuschen. Daraus folgt aber
noch nicht, dass dies angesichts der Ertragslage im Jahr 2008 ebenso geschehen
musste.
Unstreitig entwickelte sich die Gesamtsituation der Rechtsvorgängerin und damit
auch die der sie übernehmenden Beklagten so dramatisch, dass es schließlich
zum operativen Ergebnis des Bereichs Investment Banking in Höhe von -6,275
Mio. € und einem operativen Verlust der Rechtsvorgängerin der Beklagten
insgesamt von 6,560 Mrd. € kam.
Dieses endgültige Ergebnis wurde so im testierten Jahresabschluss der
Rechtsvorgängerin der Beklagten (auszugsweise vorgelegt als Bl. 118 - 126 d.A.)
festgestellt, und kann schon deshalb nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Auch die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die besondere Situation der
Übernahme der Rechtsvorgängerin genutzt, um dieser höhere Verluste
58
59
60
61
62
63
64
65
Übernahme der Rechtsvorgängerin genutzt, um dieser höhere Verluste
zuzuweisen, ist nicht schlüssig im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch.
Eine fehlerhafte Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Festlegung der
Bonushöhe könnte aus den Mutmaßungen des Klägers überhaupt nur dann in
Betracht gezogen werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die
vorgetragenen Verlustbuchungen gerade zu dem Zweck vorgenommen wurden,
die Ergebnissituation der Rechtsvorgängerin mit dem Ziel der Bonusabsenkung
negativ zu verändern. Hinweise für ein solches zielgerichtetes Verhalten des
Vorstands der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin sind aber weder
vorgetragen noch aus den Umständen der Übernahme ersichtlich.
Im Übrigen spricht der Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer unter dem
Finanzbericht 2008 der Rechtsvorgängerin (Bl. 125f d.A.) eine deutliche Sprache,
die dem vom Kläger geäußerten Verdacht widerspricht. Darin heißt es:
„Ohne diese Beurteilung einzuschränken, weisen wir auf die Ausführungen im
Konzernlagebericht in den Abschnitten „Geschäftliche Entwicklung“ und „Ausblick“
sowie im Konzernrisikobericht im Abschnitt „Zusammenfassung und Ausblick“ hin.
Dort ist ausgeführt, dass der Fortbestand der B davon abhängt, dass in
ausreichendem Maße Eigenkapital zur Stärkung der aufsichtsrechtlichen
Eigenmittel sowie der Risikodeckungsmasse zur Verfügung gestellt wird. Hierzu ist
insbesondere erforderlich, dass
- die D eine stille Einlage in Höhe von 750 Mio. € leistet;
- die E als 100%iger Gesellschafter der B für diese bis zur Verschmelzung eine
angemessene Kapitalausstattung sicherstellen wird;
- das integrierte Institut B nach der Verschmelzung eine ausreichende
Eigenkapitalausstattung ausweist;
- die zuständigen Behörden keine aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergreifen
werden sowie
- gegen die vorgenannten Maßnahmen keine rechtlichen Vorbehalte
(insbesondere EU-Verfahren) geltend gemacht werden.“
Zwar lagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Erkenntnisse zum
Zeitpunkt der Bonusfestsetzung im Februar 2009 noch nicht vor, der Vermerk
macht jedoch nachträglich deutlich, in welch prekärer finanzieller Situation sich die
Rechtsvorgängerin der Beklagten kurz vor Übernahme durch diese befand.
Dadurch wurde die Richtigkeit der Review-Ergebnisse, die die Rechtsvorgängerin
ihrer Bonusfestsetzung zu Grunde gelegt hatte, nachträglich bestätigt.
Indem die Beklagte allein diese Ergebnisse nunmehr zur Basis ihrer
Ermessensentscheidung nahm, verstieß sie nicht gegen die gesetzlich gebotene
Billigkeit. Insbesondere kommt es angesichts dieser Erkenntnisse nicht mehr
darauf an, wie sich die Ertrags- und Ergebnissituation der A und/oder der
Rechtsvorgängerin insgesamt in den Monaten zwischen August und Dezember
2008 in den Prognosen des Vorstands entwickelt hatte. Demzufolge bedarf es
auch insofern keiner Beweisaufnahme über die teilweise streitig gebliebenen
Zahlen.
Dass die Rechtsvorgängerin im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auch die
individuelle Leistung des Klägers in Beachtung der arbeitsvertraglichen Regelung
berücksichtigt hat, folgt bereits daraus, dass sie hinsichtlich der Höhe der
ausgezahlten Boni unter den bonusberechtigten Arbeitnehmern differenziert
entschieden und in deren Verhältnis untereinander die Leistungsbeurteilung, die
zur vorläufigen Mitteilung vom 19. Dezember 2008 geführt hatte, weiter zu Grunde
gelegt hat.
Auch aus einem weiteren Grund ist der Vortrag des Klägers zur Begründung seines
Anspruchs aus § 611 BGB i.V.m. § 315 Abs. 1 und 3 BGB unschlüssig:
Da der Kläger einen bezifferten Anspruch in Höhe des am 19. Dezember 2008
vorläufig mitgeteilten Bonus‘ geltend macht, müsste sich aus seinem Vortrag
ergeben, dass allein die Festsetzung in dieser Höhe der ordnungsgemäßen
Leistungsbemessung i.S.d. § 315 BGB entspräche. Für eine solche Reduzierung
des Ermessensspielraums sind jedoch keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich,
denn nach den vorausgehenden Erwägungen war die Rechtsvorgängerin jedenfalls
berechtigt, den zu zahlenden Bonus vor dem Hintergrund des sich im Februar
2009 abzeichnenden schlechten wirtschaftlichen Ergebnis sowohl des Investment-
Bereichs als auch der Bank insgesamt neu und weit geringer als zunächst
angekündigt festzusetzen.
66
67
68
69
70
71
72
Dem Gericht wäre es danach selbst im Falle einer festgestellten fehlerhaften
Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts unmöglich, auf der Basis der ihm
mitgeteilten Daten eine eigene Leistungsbestimmung i.S.d. § 315 Abs. 3 Satz 2
BGB in Höhe des begehrten Betrags vorzunehmen.
Zu Recht hat es das Arbeitsgericht weiterhin abgelehnt, in der Mitteilung über die
Bereitstellung des Bonuspools in Höhe von 400 Mio. € eine Gesamtzusage
gegenüber dem Kläger und den anderen Arbeitnehmern zu erkennen. Weder die
Mitteilung vom 18. August 2008 noch das Mitarbeiterschreiben vom 28. Oktober
2008 enthält irgendwelche Verteilungsgrundsätze oder sonstige
Zahlungsvoraussetzungen. Es mangelt diesen Erklärungen somit an den vom
Arbeitsgericht ausführlich dargestellten Voraussetzungen, die Rechtsprechung und
Lehre an eine Gesamtzusage stellen.
Dies sieht offenbar auch der Kläger selbst so, da er zugesteht, dass aus den
Mitteilungen noch kein bezifferter individueller Anspruch des Klägers folgt. Er geht
jedoch fehl in der Annahme, dass daraus zwingend folgt, dass die Beklagte das
gesamte im Herbst 2008 bereitgestellte Bonusvolumen restlos an die
bonusberechtigten Arbeitnehmer ausschütten muss. Für eine solche Rechtsfolge
der Erklärungen der Rechtsvorgängerin fehlte es bereits am Erklärungsempfänger,
dem gegenüber sich die Rechtsvorgängerin mit ihrer Mitteilung über das
bereitgestellte Bonusvolumen hätte binden können.
Insofern kann in den entsprechenden Erklärungen nicht mehr als eine
unverbindliche Ankündigung gegenüber der Gesamtheit der Arbeitnehmer
gesehen werden, die die Rechtsvorgängerin mit dem erklärten Ziel abgab, die
Belegschaft während der sich immer stärker abzeichnenden Krise auf dem
Finanzmarkt im Arbeitsverhältnis zu halten. Wenn die Arbeitnehmer darauf
vertrauten und auf möglicherweise in Betracht gezogene Kündigungen
verzichteten, so wurden sie letztlich in diesem Vertrauen verletzt. Dies räumt
ihnen jedoch aus keinem Gesichtspunkt einen Anspruch in der geltend gemachten
Höhe ein.
In Ergänzung hierzu kann zur rechtlichen Beurteilung des Mitarbeiterbriefs vom 28.
Oktober 2008 auf die den Parteien bekannte rechtskräftige Entscheidung des
(
) verwiesen werden, mit dem die Berufung eines
Arbeitnehmers der Beklagten zurückgewiesen wurde, der allein unter Berufung auf
den Mitarbeiterbrief vom 28. Oktober 2008 einen Bonusanspruch gegenüber der
Beklagten geltend machte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Da die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen über den Einzelfall
hinaus für eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Beklagten von grundsätzlicher
Bedeutung sind, wurde die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.