Urteil des LAG Hessen vom 23.05.2008

LAG Frankfurt: aussetzung, arbeitsgericht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, dokumentation, zivilprozessrecht, quelle, belastung, prozessökonomie

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Ta 193/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 148 ZPO, § 611 Abs 1 BGB
(Aussetzung eines Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit -
Anhängigkeit bei einem anderen Gericht)
Leitsatz
§ 148 ZPO setzt nicht voraus, dass der vorgreifliche andere Rechtsstreit bei einem
anderen Gericht oder einem anderen Spruchkörper des Gerichts anhängig ist.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Kassel vom 2. April 2008 - 3 Ca 112/08 - wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Wirksamkeit von Kündigungen.
Im Verfahren 3 Ca 397/07 geht es um die vorhergehende außerordentliche
Kündigungen. Die. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13. März 2008 der gegen
diese Kündigungen gerichteten Klage stattgegeben. Dieses Urteil ist den Parteien
noch nicht zugestellt, eine Berufung dagegen nicht eingelegt. Das Arbeitsgericht
hat den vorliegenden Rechtsstreit mit Beschluss vom 2. April 2008 bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 3 Ca 397/07 ausgesetzt.
Gegen diesen der Klägerin am 8. April 2008 zugestellten Beschluss hat sie am 11.
April 2008 sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht durfte gemäß § 148
ZPO den vorliegenden Rechtsstreits aussetzen. Nach dieser Vorschrift kann das
Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen
Rechtsstreits ausgesetzt wird, wenn dieser das Bestehen oder Nichtbestehen
eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand hat, von dem die Entscheidung im
auszusetzenden Verfahren abhängig ist. Die Entscheidung im vorliegenden
Verfahren über die Wirksamkeit von Folgekündigungen ist abhängig davon, ob das
Arbeitsverhältnis bereits durch die außerordentlichen Kündigungen beendet
wurden, die Gegenstand des Rechtsstreits 3 Ca 397/07 sind. Wäre dies der Fall,
wären die Klagen gegen die Kündigungen, die Gegenstand des vorliegenden
Rechtsstreits sind unbegründet. Eine Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits 3 Ca 397/07
ist damit gegeben. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ist damit sachgemäß.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob der
vorgreifliche Rechtsstreit bei einem anderen Gericht oder einem anderen
Spruchkörper anhängig ist (so schon Hess. LAG vom 17. Januar 2000 - 9 Ta 32/00
– AnwBl 2000, 697). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird
(Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 148, Randziffer 6; Stein/Jonas / Roth; ZPO; § 148
Randziffer 10; Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 148 Randziffer 7), der andere
Rechtsstreit müsse vor einem anderen als dem erkennenden Gericht oder
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Rechtsstreit müsse vor einem anderen als dem erkennenden Gericht oder
jedenfalls einem anderen Spruchkörper anhängig sein, ergibt sich das nicht aus
dem Wortlaut des Gesetzes. Auch der Zweck des Gesetzes, der Prozessökonomie
zu dienen, liegt dieser Auffassung nicht nahe. Ein wesentlicher Unterschied ist
nicht zu erkennen zwischen den Gestaltungen, dass ein Rechtsstreit bei zwei -
benachbarten - Gerichten, zwei unterschiedlichen Kammern eines Gerichts, beim
Eingangsgericht und beim Berufungsgericht oder - noch - bei der gleichen Kammer
eines Gerichts anhängig ist. Immer geht es darum, widersprechende
Entscheidungen und sich später als überflüssig erweisende Arbeit und Belastung
zu vermeiden. Immer kommt es darauf an, dass das Gericht sein Ermessen
pflichtgemäß ausübt. Jedenfalls wenn es den bei ihm anhängigen Rechtsstreit
entschieden hat, wird eine Aussetzung auch dann sachgemäß sein können, wenn
eine Berufung noch nicht eingelegt ist.
Soweit die Parteien rügen, dass die Verfahren über die verschiedenen
Kündigungen getrennt wurden und das Urteil im vorgreiflichen Verfahren noch
nicht abgesetzt ist, betrifft das nicht die Rechtmäßigkeit des
Aussetzungsbeschlusses.
Die Kosten der Beschwerde hat die Klägerin zu tragen dass sie erfolglos blieb.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.