Urteil des LAG Hessen vom 12.06.2009

LAG Frankfurt: schichtarbeit, zulage, psychisch kranker, urlaub, wechsel, tausch, begriff, wiese, erfüllung, behandlung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
19. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19/3 Sa 1831/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 6 TVöD, § 7 Abs 2
TVöD
(Schichtzulage - Voraussetzungen der Schichtarbeit iSd §§
7 Abs 2, 8 Abs 6 TVöD)
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 03. September 2008 – 1
Ca 203/08 – wird abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung einer Schichtzulage.
Die Beklagte betreibt Fachkrankenhäuser zur Behandlung und Betreuung
psychisch Kranker, ein Wohn- und Pflegeheim für Menschen mit geistiger
Behinderung sowie eine heilpädagogische Einrichtung für Menschen mit geistiger
Behinderung. Die Klägerin ist seit 1. Juli 1995 bei der Beklagten bzw. ihrem
Rechtsvorgänger als Krankenschwester in Vollzeit beschäftigt. Gemäß § 2 des
Arbeitsvertrags vom 3. Juli 1995 findet auf das Arbeitsverhältnis der BAT und die
diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Vorschriften Anwendung.
In der Klinik für forensische Psychiatrie, in welcher die Klägerin tätig ist, wird die
Arbeit in drei Schichten geleistet. Neben dem Tagdienst (7.00 Uhr bis 18.00 Uhr)
gibt es den Spätdienst (17.30 Uhr bis 21.45 Uhr) sowie den Nachtdienst (21.30
Uhr bis 7.00 Uhr). Bei der monatlichen Erstellung der Dienstpläne wird zunächst
der Urlaub der Mitarbeiter, der von den Mitarbeitern am Ende eines Jahres für das
komplette Folgejahr angemeldet wird, eingetragen. Dann wird der Nachtdienst
geplant, wobei jeder Mitarbeiter pro Jahr acht Nachtarbeitswochen zu leisten hat.
Die Mitarbeiter leisten in der Regel sieben Nachtarbeitsschichten am Stück,
beginnend am Freitagabend um 21.30 Uhr bis zum nächsten Freitagmorgen 7.00
Uhr. Nach einer dienstfreien Zeit beginnt am Samstagabend um 17.30 Uhr eine
Phase von in der Regel sieben Spätdienstschichten bis zum nächsten
Freitagabend um 21.45 Uhr. Im Anschluss an den Spätdienst folgt eine Reihe von
Tagdiensten, deren Zahl variiert. Danach beginnt der Zyklus von vorne. Der
Spätdienst ist an den Nachtdienst gekoppelt, isolierte Spätdienstschichten werden
von der Dienstplanung nicht vorgesehen. Es kommt jedoch vor, dass Mitarbeiter
im Einvernehmen mit der Beklagten Schichten tauschen, so dass es vereinzelt zur
Ableistung von Spätschichten ohne vorherigen Nachtdienst kommt.
Die Klägerin erhält regelmäßig eine Schichtzulage in Höhe von 40 Euro, welche
jeweils zwei Monate später abgerechnet und mit der Monatsvergütung ausgezahlt
wird. Im Jahr 2006 arbeitete die Klägerin vom 06. bis 13. Oktober im Nachtdienst
und vom 14. bis 20. Oktober im Spätdienst. Darauf folgten Tagschichten, bis die
Klägerin am 10. November 2006 ihren Erholungsurlaub antrat, welcher bis zum 26.
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Klägerin am 10. November 2006 ihren Erholungsurlaub antrat, welcher bis zum 26.
November 2006 dauerte. Im Anschluss daran absolvierte die Klägerin im
November 2006 ausschließlich Tagdienste. Ab dem 01. Dezember 2006 war sie im
Nachtdienst eingesetzt. Die Beklagte gewährte für den Monat November 2006
keine Schichtzulage. Mit Schreiben vom 28. April 2007 machte die Klägerin die
Schichtzulage geltend.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, Anspruch auf Zahlung einer Schichtzulage
gemäß § 8 Abs. 6 TVöD für den Monat November 2006 zu haben. Der fehlende
Schichtwechsel, der nach ihrer Behauptung auf der Inanspruchnahme des Urlaubs
beruht, stehe dem Anspruch nicht entgegen. Die in Satz 2 der Protokollerklärung
zu § 27 TVöD enthaltene Wertung der Tarifvertragsparteien, nach der die
Inanspruchnahme von Erholungsurlaub für die Erfüllung der Merkmals der
ständigen Schichtarbeit im Rahmen des Zusatzurlaubs unschädlich sei, lasse sich
auf den Anspruch auf Zahlung der Schichtzulage übertragen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2007
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Schichtzulage kein fester
Entgeltbestandteil sei. Dazu hat sie bestritten, dass die Klägerin ohne
Inanspruchnahme von Erholungsurlaub Nachtdienst geleistet hätte. Es gebe keine
starre regelmäßige Einteilung der Schichtarbeit. Da jeder Mitarbeiter pro Jahr nur 8
Nachtarbeitswochen zu leisten habe, gebe es immer wieder Monate, in welchen
die Mitarbeiter nur im Tagdienst eingesetzt würden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 3. September 2008 – 1 Ca 203/08
– stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin ständig
Schichtarbeit im Sinne des Tarifvertrags geleistet habe, auch wenn sie im
November 2006 nicht in verschiedenen Schichten gearbeitet habe. Ein
Arbeitnehmer leiste ständig Schichtarbeit, wenn er auf Dauer nach einem
Schichtplan eingesetzt bzw. dem Arbeitnehmer dauerhaft eine vom Schichtplan
bestimmte Arbeit zugewiesen werde. Die Inanspruchnahme von Urlaub stehe
daher der Annahme ständiger Schichtarbeit nicht entgegen. Dafür spreche schon
der Sprachgebrauch, nach dem "ständig" mit "regelmäßig" gleichzusetzen sei.
Dafür spreche ferner der Zweck der Regelung. Die Schichtzulage werde als
Ausgleich für die aus der Ableistung von Schichtarbeit resultierenden
Einschränkungen bei der Teilnahme am privaten und gesellschaftlichen Leben
gewährt; diese Einschränkung halte auch in längeren Phasen der Arbeit zu
üblichen Arbeitszeiten oder während des Urlaubs an. Für diese Auslegung spreche
ferner die Protokollnotiz zu § 27 Abs. 1 und 2 TVöD. Diese beziehe sich zwar nur
auf den Zusatzurlaub. Aus § 27 Abs. 1 TVöD folge jedoch, dass der Anspruch auf
Zusatzurlaub und auf Schichtzulage nicht von unterschiedlichen Voraussetzungen
abhängen sollten. Gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung des
Tarifvertrags spreche schließlich die Manipulationsmöglichkeit. Es entspreche nicht
dem Interesse der Tarifvertragsparteien oder der Beklagten, wenn Mitarbeiter
allein durch den Tausch von Diensten in den Genuss einer Zulage kommen
könnten.
Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 9. Oktober 2008 zugestellt worden ist,
hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 5. November 2008, eingegangen beim
Hessischen Landesarbeitsgericht am 6. November 2008, Berufung eingelegt und
diese mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2008, der am selben Tag beim Hessischen
Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.
Die Beklagte meint, dass eine Schichtzulage nur für die Monate zu zahlen sei, in
denen der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeit in unterschiedlichen Schichten
erbringe, wobei spätestens nach einem Monat ein Schichtwechsel erfolgen müsse.
Mangels Schichtarbeit im November 2006 könne die Klägerin keine Schichtzulage
beanspruchen. Das gelte auch dann, wenn der Urlaub für das Fehlen der
Schichtarbeit ursächlich sei. Die Zulage solle die Nachteile ausgleichen, welche
durch die tatsächliche Erbringung von Schichtdienst im jeweiligen Monat
entstünden. Solche Nachteile seien der Klägerin im November 2006 nicht
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entstünden. Solche Nachteile seien der Klägerin im November 2006 nicht
entstanden. Etwas anderes folge nicht aus der Protokollerklärung zu § 27 TVöD.
Diese Protokollerklärung gelte nur für das Merkmal der Ständigkeit der
Schichtarbeit in Bezug auf den Zusatzurlaub. Dafür hätten die
Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die ständige Schichtarbeit nicht
unterbrochen werde, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von vier
Monaten einige Tage arbeitsbefreit sei. Damit werde jedoch nicht von der
Definition der Schichtarbeit im Sinne von § 7 Abs. 2 TVöD und von dem Erfordernis
des Schichtwechsels im Laufe eines Monats abgewichen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 3. September 2008 – 1 Ca 203/08
– abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Voraussetzungen der Schichtzulage für gegeben.
Schichtarbeit sei ein Arbeitszeitsystem, bei dem sich Teile der Belegschaft nach
einem feststehenden Schichtplan bei der Erfüllung einer Arbeitsaufgabe ablösen.
Nach dieser Definition sei das Merkmal der Schichtarbeit nicht
arbeitnehmerbezogen, sondern betriebs- oder abteilungsbezogen zu beurteilen.
Danach werde bei der Beklagten die Arbeit im Schichtsystem erbracht. Die
Klägerin leiste ständig Schichtarbeit im Sinne des Tarifvertrags, da sie regelmäßig
in das Schichtsystem einbezogen sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die
Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12. Juni 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 a
ArbGG statthaft, denn sie ist im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden.
Ferner ist sie gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß
begründet worden.
II. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Zahlung einer Schichtzulage für den Monat November 2006. Die
Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden § 8
Abs. 6 TVöD liegen nicht vor, denn die Klägerin hat im November 2006 keine
Schichtarbeit geleistet.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden jedenfalls kraft einzelvertraglicher
Vereinbarung die Regelungen des TVöD Anwendung, der den BAT ersetzt hat. Da
die Beklagte Trägerin eines Krankenhauses ist, in dem die Klägerin als
Krankenschwester beschäftigt wird, gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien der TVöD
(– AT) in Verbindung mit dem TVöD – BT-K.
2. Die Klägerin hat für den Monat November 2006 keinen Anspruch auf Zahlung
der Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 TVöD, denn sie hat in diesem Monat
ausschließlich in der Tagschicht gearbeitet und damit keine Schichtarbeit im
tariflichen Sinne geleistet. Schichtarbeit im tariflichen Sinne setzt die tatsächliche
Arbeit in verschiedenen Schichten mit einer Zeitspanne von 13 Stunden voraus.
Ob Schichtarbeit geleistet wird, ist monatsweise zu beurteilen. Die durch Urlaub
ausgefallenen Schichtwechsel sind nicht zu berücksichtigen. Das ergibt eine
Auslegung des Tarifvertrags.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags hat entsprechend den
Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu
ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften.
Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der
Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Normen
seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen berücksichtigt
werden muss, weil nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den
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werden muss, weil nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den
wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so der Sinn und
Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben bei
entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen
Gesamtzusammenhangs im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des
wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die
Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des
jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Eine Bindung an eine bestimmte
Reihenfolge bei den heranzuziehenden Auslegungsmitteln gibt es nicht. Im Zweifel
ist eine Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG 24.
September 2008 – 10 AZR 140/08 – Rn. 14, AP TVöD § 7 Nr. 1; BAG 19. Januar
2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr.
73 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 41 zu 3 a der Gründe).
b) Schichtarbeit im tariflichen Sinne setzt die tatsächliche Arbeit in verschiedenen
Schichten mit einer Zeitspanne von 13 Stunden voraus. Dafür spricht vor allem
der Wortlaut der tarifvertraglichen Vorschriften. Nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD
erhalten Beschäftigte, die ständig Schichtzulage "leisten", eine Schichtzulage von
40 Euro. Der Begriff der Schichtarbeit ist in § 7 Abs. 2 TVöD definiert. Danach ist
Schichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel
des Beginns der täglichen Arbeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten
von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von
mindestens 13 Stunden geleistet wird. Die so definierte Schichtarbeit muss zum
einen im jeweiligen Arbeitsbereich organisatorisch vorgesehen sein und zum
anderen vom Beschäftigen auch tatsächlich geleistet werden. Das folgt aus der
Verwendung des Begriffs "leisten" (vgl. zur Wechselschichtarbeit: BAG 24.09.2008
– 10 AZR 140/08 – Rn. 15, AP TVöD § 7 Nr. 1; BAG 9.12.1998 – 10 AZR 207/98 – AP
BAT § 33 a Nr. 15 = EzBAT BAT § 33 a Nr. 16). Wenn die Tarifvertragsparteien in
Kenntnis der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den
Begriff "leisten" verwenden, spricht dies dafür, dass nach ihrem Willen die
Schichtzulage die tatsächliche Erbringung der Arbeit in verschiedenen Schichten
voraussetzt.
c) Die tatsächlichen Voraussetzungen der Schichtarbeit, die tatsächliche
Erbringung von Arbeit in verschiedenen Schichten, müssen für jeden
Zahlungsmonat erfüllt sein (LAG Niedersachsen 9.12.2008 – 11 Sa 836/08 – zitiert
nach Juris). Das folgt aus der Bezugnahme auf den Monatszeitraum in § 7 Abs. 2
TVöD und insbesondere aus der monatlichen Zahlung der Zulage. Müsste bei der
Beurteilung, ob Schichtarbeit geleistet wird, auf einen längeren, ggfs. in die
Zukunft reichenden Zeitraum abgestellt werden, wäre eine monatliche Auszahlung
nicht möglich.
Gegen diese Auslegung spricht nicht der Umstand, dass § 8 Abs. 6 Abs. 1 TVöD
"ständige" Schichtarbeit regelt. Das führt nicht dazu, dass für die Beantwortung,
der Frage, ob ein Arbeitnehmer Schichtarbeit leistet, auf einen längeren Zeitraum
– etwa auf sechs Monate oder ein Jahr – abzustellen ist. Das Bundesarbeitsgericht
hat zur Vorgängerregelung des § 33 a Abs. 2 BAT, die sich ebenfalls auf "ständige
Schichtarbeit" bezog, ausgeführt, dass es sich bei der Wechselschichtzulage und
der Schichtzulage um eine Zulage handele, die monatlich zu zahlen sei; damit sei
für jeden Monat festzustellen, ob die Voraussetzungen der Zulage gegeben seien
(BAG 7. Februar 1996 – 10 AZR 203/94 – AP BAT § 33 a Nr. 9 = EzBAT BAT § 33 a
Nr. 10 zu II 1 der Gründe).
d) Es kann offen bleiben, ob die Klägerin andere als Tagschichten gearbeitet hätte,
wenn sie nicht vom 10. bis 26. Oktober 2006 Urlaub gehabt hätte. Bei der
Beurteilung, ob Schichtarbeit geleistet wird, sind die durch Inanspruchnahme von
Urlaub ausgefallenen Schichtwechsel nicht zu berücksichtigen. Das folgt aus der
Anknüpfung an die tatsächliche Erbringung der Schichtarbeit durch die
Verwendung des Begriffs "leisten" (a. A. Welkoborsky in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr
TVöD § 8 Rn. 16; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD § 8 Rn. 66; vgl. zur
Wechselschichtarbeit: BAG 24.09.2008 – 10 AZR 140/08 – Rn. 15, AP TVöD § 7 Nr.
1; BAG 7. Februar 1996 – 10 AZR 203/94 – AP BAT § 33 a Nr. 9 = EzBAT BAT § 33 a
Nr. 10 zu III 1 der Gründe).
Der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung erfordert kein anderes Ergebnis.
Nach § 11 BUrlG bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen
Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen, so dass gezahlte Schichtzulagen zu
berücksichtigen sind. Schichtzulagen gehören auch zum Arbeitsentgelt, das nach
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berücksichtigen sind. Schichtzulagen gehören auch zum Arbeitsentgelt, das nach
§ 4 EFZG während Arbeitsunfähigkeit zu zahlen ist. Von diesen Vorschriften kann
jedoch durch Tarifvertrag abgewichen werden (§ 13 Abs. 1 BUrlG, § 4 Abs. 4 EFZG).
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 TVöD ist im Entgeltfortzahlungszeitraum das
Tabellenentgelt sowie die im Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile zu
zahlen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Schichtzulage zu zahlen ist. Diese
tarifliche Regelung besagt nur, welche Zulagen zum Arbeitsentgelt zählen und
während der Dauer der aufgelisteten Entgeltfortzahlungstatbestände grundsätzlich
zu zahlen sind. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob überhaupt ein Anspruch
auf die Zulage besteht. Wenn dafür der Tarifvertrag darauf abstellt, dass ein
Wechsel der Schicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums stattfinden muss,
kann über die Vorschriften über die Entgeltfortzahlung ein solcher Wechsel nicht
fingiert werden. Bei der Schichtzulage handelt es sich – wie bei der
Wechselschichtzulage – nicht um eine Zulage, die aufgrund eines einmal
gegebenen Tatbestands durchlaufend in jedem Monat gezahlt wird, sondern um
eine Zulage, die nach den tatsächlichen Verhältnissen zu zahlen ist (BAG 7.
Februar 1996 – 10 AZR 203/94 – AP BAT § 33 a Nr. 9 = EzBAT BAT § 33 a Nr. 10 zu
III 1 der Gründe).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Protokollerklärung zu § 27 Abs. 1 und 2
TVöD (a. A. Welkoborsky in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr TVöD § 8 Rn. 16;
Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD § 8 Rn. 66). In Satz 2 bestimmt sie in
Bezug auf den Zusatzurlaubs, dass eine Unterbrechung durch Arbeitsbefreiung,
Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des §
22 TVöD für die Annahme einer ständigen Wechselschicht- oder Schichtarbeit
unschädlich ist. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser
Vorschrift liegen nicht vor. Es besteht keine unbewusste Regelungslücke. Die
Regelung zeigt zunächst, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind,
dass Unterbrechungen der tatsächlichen Arbeit aufgrund von Arbeitsbefreiung,
Freizeitausgleich, bezahltem Urlaub oder Krankheit der Annahme ständiger
Wechselschichtarbeit oder Schichtarbeit entgegenstehen können. Wenn die
Tarifvertragsparteien in Kenntnis dieser Problematik nur eine Regelung hinsichtlich
des Zusatzurlaubs getroffen haben, fehlt es an einer Regelungslücke. Für die
differenzierte Behandlung besteht auch eine sachlicher Grund, da § 27 TVöD auf
einen deutlich längeren Zeitraum abstellt.
Auch der Sinn und Zweck der Zulage erzwingt nicht die Zahlung der
Schichtzulage, wenn ein Schichtwechsel im Monat wegen Urlaubs unterblieben ist.
Der Wechsel von Arbeitszeiten wirkt sich belastend aus. Darüber hinaus ist ein
Arbeitnehmer, der nach einem Schichtplan eingesetzt wird, in der Planung seiner
Freizeit eingeschränkt. Welche dieser Belastungen die Tarifvertragsparteien durch
die Zahlung der Schichtzulage kompensieren wollen, ergibt sich aus der Regelung,
insbesondere den aufgestellten Voraussetzungen. Aus § 8 Abs. 6 TVöD i. V. m. § 7
Abs. 2 TVöD folgt, dass die Zulage die besonderen Belastungen, die durch den
tatsächlichen Wechsel der Arbeitsschichten im Monatszeitraum entstehen,
ausgleichen soll.
Schließlich spricht die Möglichkeit, Schichtwechsel durch Tausch zu verlegen, so
dass im maßgebenden Monatszeitraum der erforderliche Schichtwechsel
stattfindet, nicht gegen das Auslegungsergebnis. Einerseits besteht dann in dem
Monat die Belastung, welche durch die Schichtzulage ausgeglichen werden soll.
Andererseits setzt ein Tausch das Einverständnis eines Kollegen und der
Arbeitgeberin voraus, so dass die Gefahr der Manipulation gering einzuschätzen ist
(vgl. BAG 7. Februar 1996 – 10 AZR 203/94 – AP BAT § 33 a Nr. 9 = EzBAT BAT §
33 a Nr. 10 zu III 1 der Gründe)
III. Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
IV. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher
Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.