Urteil des LAG Hessen vom 28.03.2006

LAG Frankfurt: tochtergesellschaft, arbeitsbedingungen, kopie, halle, betriebsrat, betriebsübergang, vergütung, arbeitsgericht, datum, betriebsmittel

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
15. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
15/14 Sa 1117/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 KSchG, § 1 Abs 2 KSchG,
§ 1 Abs 3 KSchG, § 102
BetrVG
(betriebsbedingte Änderungskündigung)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main
vom 9. März 2005 - 17/5 Ca 7370/04 - wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten
Änderungskündigung.
Der am ....1951 geborene verheiratete Kläger (zwei Kindern gegenüber
unterhaltspflichtig) war bei der Beklagten seit dem 01. September 1988 als
Sachbearbeiter Kurierabfertigung beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt des
Klägers betrug im Juni 2004 3.489,27 EUR. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom
27. August 1985, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf die zu den Gerichtsakten
gereichte Kopie (Blatt 79/80 d.A.) verwiesen wird, heißt es u. a.:
„Der Arbeitsvertrag richtet sich nach den Bestimmungen des
Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der für die A. geltenden
Zusatzbestimmungen, den betriebsüblichen Regelungen und den
Dienstvorschriften."
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig etwa 13.000 Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer. Sie betrieb u. a. die Abfertigung von Luftfracht am Flughafen B. in
der Abteilung Bodenverkehrsdienste – Fracht (BVD-F), in der ca. 600
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – darunter der Kläger – beschäftigt waren.
Die Beklagte nahm in dieser Abteilung zum einen mit eigenem Personal die von
Frachtführern im Auftrag von Luftverkehrsgesellschaften angelieferte Luftfracht
entgegen, lagerte sie zwischen, kommissionierte die Luftfracht nach Angaben der
Luftverkehrsgesellschaft, verwog sie und stellte sie zur Verladung in Flugzeuge
bereit (so genannter Export). Zum anderen übernahm die Beklagte Luftfracht auf
Paletten oder in Containern von Luftverkehrsgesellschaften, die aus Flugzeugen
entladen worden war. Die Beklagte lagerte auch diese Fracht vorübergehend ein,
bis sie von einem Frachtführer oder einem Endkunden der Luftverkehrsgesellschaft
abgeholt wurde (so genannter Import). Zu der Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in der Abteilung BVD-F gehörte weder die Verladung der Fracht
in die Flugzeuge noch die Entladung der Flugzeuge. Für diese Flugzeugabfertigung
bestand und besteht bei der Beklagten eine eigene Abteilung.
Die Abteilung BVD-F besaß eine große Halle auf dem Flughafengelände mit Lager-
und Büroraum sowie eine Wiegestation direkt vor der Halle zwischen der Halle und
dem Vorfeld mit Büro- und Unterkunftscontainern. Sie besaß Flurförderfahrzeuge,
insbesondere Gabelstapler zum Transport von Packstücken, Paletten und
Containern vornehmlich innerhalb der Halle, Lagereinrichtungen in der Halle sowie
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Containern vornehmlich innerhalb der Halle, Lagereinrichtungen in der Halle sowie
eine übliche Büroausstattung und ein EDV-System zur administrativen Abwicklung
der Frachtabfertigung.
Am 14. April 2003 beschloss der Vorstand der Beklagten zur Vermeidung sich
erhöhender Verluste, den Bereich BVD-F in die hundertprozentige Tochter der
Beklagten C. zu verlagern. Während die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an
den BAT und den BMT-G gebunden ist und mit allen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern in den Arbeitsverträgen die Geltung dieser Tarifwerke zwecks
Gleichstellung vereinbart, unterliegt die Tochtergesellschaft nicht diesen
Bindungen und kann daher auf dem Markt kostengünstiger auftreten. Der
konzerninternen Verlagerung stimmte der Aufsichtsrat am 24. September 2003
zu. Auf Grund der innerbetrieblichen Diskussion und der Verhandlungen mit dem
Betriebsrat zeichnete sich jedoch ab, dass die Mehrzahl der Beschäftigten der
Abteilung BVD-F einem Betriebsübergang widersprechen werde. Die Beklagte
richtete daher in dem Bereich Bodenverkehrsdienste die neue Abteilung
Frachtservice ein (BVD-FS). In dieser Abteilung sollten die Beschäftigten aus der
Abteilung BVD-F aufgefangen werden, die einem Betriebsübergang widersprechen
würden. Die in der neuen Abteilung BVD-FS beschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer sollten dann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der C.
eingesetzt werden. Zwischenzeitlich hat die C. umfirmiert und heißt heute D. .
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 unterrichtete die Beklagte den Kläger und
alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Abteilung BVD-F über den
bevorstehenden Betriebsübergang. Der Kläger widersprach – wie 544 weitere
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die Tochtergesellschaft (vgl. Kopie der
Erklärung des Klägers vom 16. Dezember 2003, Blatt 46 d. A.).
Unter dem Datum des 19. Dezember 2003 schlossen der Hessische
Arbeitgeberverband der Gemeinden und Kommunalverbände, dessen Mitglied die
Beklagte ist, und E. , die Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 741 (Kopie Blatt 48 bis
53 d.A.) ab. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung zum
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und zum BMT-G für die Beschäftigten der
Abteilung Frachtservice bei der Beklagten. Dieser Tarifvertrag gilt für alle
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres
Arbeitsverhältnisses auf die Tochtergesellschaft widersprochen haben. Er sieht u.
a. vor, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet sind, ihre
Arbeitsaufgaben bei einem Entleiherbetrieb wahrzunehmen. Nach diesem
Tarifvertrag ist die Vergütung bei einer Beschäftigung in der Abteilung
Frachtservice (BVD-FS) geringer als bisher.
Unter dem Datum des 22. Dezember 2003 erteilte das F. der Beklagten die
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2004 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten
Betriebsrat zur beabsichtigten Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit
dem Kläger an. Gleichzeitig beantragte die Beklagte die Zustimmung des
Betriebsrates zu einer mit der Änderungskündigung beabsichtigten Versetzung.
Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf die zu den
Gerichtsakten gereichte Kopie (Blatt 54 bis 57 d. A.) Bezug genommen. Das
Anhörungsschreiben ging dem Betriebsrat am 29. Juli 2004 zu.
Der Betriebsrat nahm zu der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 04.
August 2004 (Kopie Blatt 58 f. d. A.), der Beklagten zugegangen am 05. August
2004, Stellung.
Mit Schreiben vom 10. August 2004 (Kopie Blatt 3 bis 7 d. A.) kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2005, nachdem mit Bescheid vom
20. Juli 2004 (Kopie Blatt 60 bis 65 d.A.) das Integrationsamt die Zustimmung
hierzu erteilt hatte. Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses in der Abteilung Frachtservice zu den entsprechend der
Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 741 geänderten Bedingungen ab dem 01. April
2005 an.
Der Kläger nahm das Angebot mit der Klageschrift vom 12. August 2004 (Blatt 1/2
d. A.) unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht
sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Die
Beklagte erhielt die Klageschrift vorab zur Kenntnis, die Klage ist der Beklagten am
23. August 2004 zugestellt worden.
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Die Beklagte hatte durch eine vertragliche Vereinbarung sämtliche Betriebsmittel
der Abteilung BVD-F mit Wirkung zum 01. Juli 2004 auf die G. übertragen. Zum
gleichen Zeitpunkt waren sämtliche Kundenverträge der Frachtabteilung auf diese
Tochtergesellschaft übertragen worden. Der bisherige Leiter der Frachtabfertigung,
Herr H. , ist nunmehr Geschäftsführer der G. . Die Halle mit dem Lagerraum und
dem Büroraum sowie die außerhalb der Halle gelegene Wiegestation nebst Büro
und Unterkunftscontainer gingen in den Besitz dieser Gesellschaft über. Die
bisherige Frachtabteilung BVD-F existiert nicht mehr, die Organisation ist
aufgelöst, es existieren bei der Beklagten keine Betriebsmittel und keine
Kundenbeziehungen mehr.
Der Kläger hat die Änderungskündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten seines erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die
Klageschrift (Blatt 1 f. d. A.) und den Schriftsatz vom 07. Dezember 2004 (Blatt 72
f. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat daher vor dem Arbeitsgericht ausweislich des insoweit
maßgeblichen Protokolls vom 09. März 2005 (Blatt 78 d.A.) beantragt,
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die
Änderungskündigung vom 10. August 2004 unwirksam ist, und die Beklagte zu
verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter
Kurierabfertigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzrechtsstreites weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat demgegenüber beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die
Schriftsätze vom 11. November 2004 mit Anlagen (Blatt 15 bis 70 d. A.) und vom
01. Februar 2005 mit einer Anlage (Blatt 74 bis 77 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09. März 2005 (Blatt 82 bis 95 d. A.) die
Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den
Wert des Streitgegenstandes auf 13.959,00 EUR festgesetzt. Auf dieses Urteil wird
zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes und bezüglich der
Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat das Vorliegen
dringender betrieblicher Erfordernisse bejaht. Aufgrund einer unternehmerischen
Entscheidung der Beklagten sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen, und die
Möglichkeit der Beschäftigung des Klägers auf einem anderen freien gleichwertigen
Arbeitsplatz sei nicht gegeben gewesen. Auch scheitere die Wirksamkeit der
Kündigung nicht an einer fehlerhaften Sozialauswahl oder einer fehlerhaften
Betriebsratsanhörung, tarifrechtliche Bedenken bestünden nicht.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 13. Juni 2005 zugestellt worden.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist mit Begründung am 30. Juni 2005
beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Der Kläger hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Er ist nach wie vor
der Ansicht, der Betriebsratsanhörung leide unter Mängeln. Weiter könne nicht von
einer fehlerfreien Unternehmerentscheidung und einem Betriebsübergang
ausgegangen werden. Schließlich habe es eine anderweitige
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gegeben, und die Sozialauswahl sei fehlerhaft.
Für den Vortrag des Klägers im Berufungsrechtszug im Einzelnen wird Bezug
genommen auf den Schriftsatz vom 17. Juni 2005 (Blatt 100 bis 104 d. A.).
Der Kläger beantragt daher,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09.
März 2005 – 17/5 Ca 7370/04 – festzustellen, dass die Änderung der
Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 10. August
2004 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist, und die
Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Demgegenüber beantragt die Beklagte,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt unter Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlichen
Klägervortrag das angefochtene Urteil. Sie hält ihr Vorgehen für korrekt. Freie und
für den Kläger geeignete Arbeitsplätze habe es nicht gegeben. Für die weiteren
Details des Beklagtenvortrags in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf
den Schriftsatz vom 27. Juli 2005 (Blatt 108 bis 114 d. A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil – dieses stellt sich
nicht als Teilurteil dar, obwohl der im Tatbestand des Urteil wiedergegebene Antrag
(Blatt 86 d.A.) und die Begründung der Wertfestsetzung (Blatt 94 d.A.) dafür
sprechen könnten, dass nur über den Feststellungsantrag entschieden wurde;
denn ausweislich des Tenors ist die Klage einschränkungslos abgewiesen worden,
und die Wertfestsetzung auf vier Bruttomonatsverdienste belegt, dass die
Kammer auch den Weiterbeschäftigungsantrag im Blick hatte - erweist sich als
unbegründet: Die Klage ist unbegründet. Die zwischen den Parteien bestehenden
Arbeitsbedingungen sind durch die Änderungskündigung vom 10. August 2004
entsprechend den in der Änderungskündigung genannten Bedingungen und zum
darin genannten Zeitpunkt geändert worden.
Die Änderungskündigung ist zunächst nicht aus anderen Gründen im Sinne des § 4
Satz 2 KSchG unwirksam. Der Kläger hat sich nicht auf einen besonderen
Kündigungsschutz oder eine mögliche Unkündbarkeit berufen, so dass hierauf
nicht weiter einzugehen ist. An § 102 Abs. 1 BetrVG scheitert die Kündigung
gleichfalls nicht, weil die Änderungskündigung ausweislich der im Tatbestand
wiedergegebenen Daten erst nach Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1
BetrVG ausgesprochen worden ist. Damit kommt es nicht darauf an, ob Herr ...
vom Betriebsrat bevollmächtigt war, ob eine abschließende Stellungnahme des
Betriebsrates vorlag und ob vom Betriebsrat ein ordnungsgemäßer Beschluss
bezüglich der Anhörung zur Kündigung des Klägers gefasst worden ist. Im Übrigen
ist nicht erkennbar, dass der Betriebsrat unzureichend informiert worden wäre.
Die Änderungskündigung ist außerdem nicht sozial ungerechtfertigt (§ 2 Satz 1, §
1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG).
Auf Grund der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Zahl der bei der Beklagten
beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer findet das
Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG). Nimmt der
Arbeitnehmer – wie hier – das Änderungsangebot des Arbeitgebers rechtzeitig
unter Vorbehalt an, so hängt die Wirksamkeit der Änderungskündigung von der
sozialen Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung ab.
Aus der Verweisung in § 2 Satz 1 KSchG auf § 1 Abs. 2 und 3 KSchG folgt, dass für
die Vertragsänderung ein Grund in der Person oder im Verhalten des
Arbeitnehmers oder ein dringendes betriebliches Erfordernis – nur darum geht es
hier – vorliegen muss. Die eine ordentliche Änderungskündigung sozial
rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2
Satz 1, § 2 KSchG setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung
des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (BAG
Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54). Darüber hinaus
ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob der Arbeitgeber
sich bei einem an sich anerkennenswerten Grund zur Änderungskündigung darauf
beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer
billigerweise hinnehmen muss (ständige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts: vgl. dazu BAG Urteil vom 15. März 1991 - 2 AZR 582/90 –
NZA 1992, 120; BAG Urteil vom 23. November 2000 – 2 AZR 547/99 – NZA 2001,
492; BAG Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 236/00 – NZA 2002, 750; BAG
Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54, alle mit weit.
Nachw.). Dies beruht auf dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BAG Urteil vom 03. Juli 2003 – 2 AZR
617/02 – DB 2004, 655; vgl. auch BAG Urteil vom 21. April 2005 – 2 AZR 244/04 –
EzA-Schnelldienst Nr. 20/2005, S. 6 = DB 2005, 2250 und BAG Urteil vom 23. Juni
2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54). Die Änderungen müssen geeignet
und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten
Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für
alle Vertragsänderungen vorliegen (BAG Urteil vom 03. Juli 2003, a.a.O; BAG Urteil
vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54; vgl. weiter KR-Rost, 7.
Aufl., § 2 KSchG, Rz. 106 d). Ausgangspunkt ist dabei die bisherige vertragliche
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Aufl., § 2 KSchG, Rz. 106 d). Ausgangspunkt ist dabei die bisherige vertragliche
Regelung, was bedeutet: Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter
vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung
des angestrebten Zieles erforderlich ist (BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR
642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54). Bei einer vom Arbeitgeber angestrebten
Änderung von Tätigkeit und Vergütung muss die Vergütungsänderung nur dann
nicht selbstständig gerechtfertigt sein, wenn sich die Höhe der Vergütung aus
einem Vergütungssystem, etwa einem Lohn- und Gehaltstarifvertrag ergibt, mit
dem für die Eingruppierung maßgeblich auf die jeweiligen Tätigkeitsmerkmale
abgestellt wird (BAG Urteil vom 18. Oktober 2000 – 2 AZR 465/99 – NZA 2001,
437, unter II. 1. c) dd) der Gründe; BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 –
EzA § 2 KSchG Nr. 54; KR-Rost, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze hält die Änderungskündigung der
Beklagten einer gerichtlichen Prüfung stand. Sie ist sozial gerechtfertigt i. S. v. §§ 2
Satz 1 i. V. m. 1 Abs. 2 KSchG. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor,
die einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu den alten Arbeitsbedingungen
entgegenstehen, und die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen sind vom
Kläger billigerweise hinzunehmen. Dringende betriebliche Erfordernisse im
genannten Sinne sind gegeben. Die Beklagte hat sich zu einer organisatorischen
Maßnahme entschlossen, deren Umsetzung das Bedürfnis für die weitere
Beschäftigung des Klägers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ließ (BAG
Urteil vom 22. Januar 1998 – 8 AZR 243/95 – NZA 1998, 536 m. w. N.; vgl. auch
BAG Urteil vom 16. Dezember 2004 – 2 AZR 66/04 – NZA 2005, 761; zu II 2. b) aa)
der Gründe; vgl. auch BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2
KSchG Nr. 54, zu B. I. 1. a) der Gründe). Dieser Entschluss ist wie vom
Arbeitsgericht bereits im Tatbestand dargestellt – ein
Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht gestellt worden - unstreitig gegeben, und
dies ist damit so der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen;
entgegenstehende Tatsachen hat der Kläger zweitinstanzlich nicht behauptet und
nicht unter Beweis gestellt.
Die bisherige Abteilung BVD-F, in der der Kläger beschäftigt war, ist aufgegeben
und auf eine Tochtergesellschaft übertragen worden, und zwar zum 01. Juli 2004.
Wegen der Stilllegung dieser Abteilung sind die Arbeitsplätze im Bereich
Bodenverkehrsdienste - Fracht bei der Beklagten entfallen. Auch dazu enthält der
unstreitige Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils die entsprechenden
Angaben, auch insoweit gibt es keinen Tatbestandsberichtigungsantrag und keinen
Vortrag entgegenstehender Tatsachen unter Beweisantritt durch den Kläger in der
Berufungsinstanz, womit von einem Teilbetriebsübergang auszugehen ist (dazu
auch noch unten). Dass diese Arbeitsplätze bei der Tochtergesellschaft weiter
bestehen bzw. weiter bestehen könnten, ist ohne Belang, da der Kläger dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Tochtergesellschaft wirksam
widersprochen hat. Bezüglich des Widerspruchs ist nicht nach einem sachlichen
Grund zu fragen (BAG Urteil vom 30. September 2004 – 8 AZR 462/03 – BB 2005,
605); selbst wenn man von einem kollektiven Widerspruch ausgehen wollte, ist
dieser nicht gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich (näher dazu BAG Urteil vom 30.
September 2004, a.a.O.).
Diese Entscheidung der Beklagten ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder
wirtschaftliche Zweckmäßigkeit zu kontrollieren. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt,
vermögen die Arbeitsgerichte eine Unternehmerentscheidung nur darauf zu
überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG Urteil
vom 30. April 1987, 2 AZR 184/86, BAGE 55, 262; weiter ausführlich – auch unter
Einbeziehung der verfassungsrechtlichen Aspekte – BAG Urteil vom 26.
September 2002 – 2 AZR 636/01 – AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969
Betriebsbedingte Kündigung) und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber
geltend gemachten Änderungsbedarf ist (BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR
642/04 – EzA § 2 KSchG Nr. 54, zu B. I. 1. a) der Gründe mit weit. Nachw.). Dafür
liegen keine Anhaltspunkte vor. Zwar mag es sein, dass die Beklagte wirtschaftlich
auch in der Lage gewesen wäre, die Abteilung BVD-F wie bisher fortzuführen. Die
Entscheidung hierüber obliegt jedoch nicht den Gerichten für Arbeitssachen (etwa
BAG Urteil vom 26. September 2002, a.a.O.). Vielmehr hat der Unternehmer
selbst zu entscheiden, wie er seinen Betrieb organisiert. Das gilt bis zu den
angesprochenen Grenzen offenbarer Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit und Willkür,
für deren Überschreiten der Vortrag des grundsätzlich und auch hier insoweit
darlegungspflichtigen (dazu BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2
KSchG Nr. 54, zu B. I. 1. a) der Gründe) Klägers weder erst- noch zweitinstanzlich
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KSchG Nr. 54, zu B. I. 1. a) der Gründe) Klägers weder erst- noch zweitinstanzlich
etwas Tragfähiges ergibt.
Die Maßnahme der Beklagten erweist sich auch nicht als missbräuchlich.
Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte die Auslagerung einer Abteilung
auf die Tochtergesellschaft nur vorgenommen hätte, um so „auf Umwegen" eine
Reduzierung der Vergütung von bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern zu erreichen. Die Beklagte hat sich vielmehr aus dem Grunde, in
dem entsprechenden Teilbereich weiter wettbewerbsfähig sein zu können, zu der
Auslagerung der Abteilung auf die Tochtergesellschaft entschlossen. Dabei war
und ist diese Tochtergesellschaft eigenständig und auch mit eigenen
Arbeitnehmern tätig. Wenn dann die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weit
überwiegend dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Tochtergesellschaft
widersprechen, lässt sich der Beklagten nicht der Vorwurf machen, sie habe den
Arbeitskräfteüberhang provoziert. Es ist im Gegenteil zu begrüßen, dass die
Beklagte im Hinblick auf die zu erwartende Situation Vorkehrungen getroffen hat
und im Zusammenwirken mit den Tarifvertragsparteien eine Möglichkeit gesucht
und gefunden hat, allen widersprechenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
trotz des unstreitig erfolgten Teil-Betriebsübergangs – dazu schon oben,
ergänzend wird Bezug genommen auf die Seiten 8 bis 9 des angefochtenen Urteils
(Blatt 91/92 d. A.) – und trotz des Widerspruchs den Arbeitsplatz (wenngleich mit
herabgesetzter Vergütung) zu erhalten.
Damit liegt gerade kein Umgehungstatbestand vor, wie er der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 26. September 2002 (a.a.O.) zugrunde lag, und es ist
nicht erkennbar, dass mit dem von der Beklagten gewählten Weg der
verfassungsrechtlich geforderte Bestandsschutz unangemessen zurückgedrängt
würde. Die Beklagte hat, wie schon angesprochen, ein von der Rechtsordnung
gebilligtes Ziel verfolgt. Sie hat sich dabei eines legitimen Mittels bedient und hat
erst veranlasst durch die Aussicht, dass die Mehrzahl der betroffenen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dem beabsichtigten Teil-Betriebsübergang
widersprechen würde, einen Ausweg gesucht und – auch mit Hilfe der
Tarifvertragsparteien – gefunden und damit auch dem in der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 26. September 2002 (a.a.O.) in den Vordergrund
gerückten Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer Rechnung getragen. Dieser
Hintergrund verbietet es zugleich, auf die Maßstäbe zurückzugreifen, die das
Bundesarbeitsgericht für Änderungskündigungen zur Entgeltreduzierung entwickelt
hat (vgl. dazu etwa BAG Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 236/00 – NZA
2002, 750; vgl. dazu auch BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 – EzA § 2
KSchG Nr. 54 mit weit. Nachw.).
Die Kündigung verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG. Als
möglicher zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung anderer freier
gleichwertiger Arbeitsplatz – ein Anspruch auf Übertragung eines höherwertigen
Arbeitsplatzes besteht nicht (vgl. dazu etwa Dornbusch/Wolff, KSchG, § 1 Rz. 409
mit weit. Nachw.) - im Betrieb der Beklagten kommt nach dem klägerischen
Vortrag nach wie vor nur der Arbeitsplatz in Frage, den zuvor der Arbeitnehmer I.
inne gehabt hatte. Dazu hatte die Beklagte wie vom Arbeitsgericht wiedergegeben
bereits erstinstanzlich unter Vorlage einer entsprechenden Abrechnung
vorgetragen, dass Herr I. in eine höhere Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen
sei, und angesichts dessen bleibt der Vortrag aus der Berufungsbegründung –
damit hatte es trotz entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht bis auf den unsubstantiierten Hinweis, diese Stelle sei
jetzt niedriger ausgeschrieben, sein Bewenden – zu pauschal und unsubstantiiert.
Es ist nicht näher zu den Anforderungsprofilen der Stelle des Klägers und der
Stelle I. und zu den Eingruppierungsmerkmalen vorgetragen. Der unzureichende
Sachvortrag kann auch nicht durch den Beweisantritt ersetzt werden, eine
Beweisaufnahme wie vom Kläger beantragt würde sich als Ausforschungsbeweis
gestalten.
Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert schließlich nicht an einer fehlerhaften
Sozialauswahl. Die Beklagte verneint die Erforderlichkeit einer Sozialauswahl, und
der Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG) Klägers
ergibt nichts Näheres dafür, dass dies anders zu sehen wäre. Soweit der Kläger
bezüglich der Sozialauswahl abermals auf die Stelle I. in der
Vorfeldzulassungsstelle abhebt, hilft ihm dies hier nicht weiter, da es insoweit aus
den bereits dargestellten Gründen an der Vergleichbarkeit fehlt, die ergibt, in
welchem Kreis die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzunehmen ist.
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Im Übrigen sind die dem Kläger angebotenen neuen Arbeitsbedingungen von
diesem billigerweise hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach dem Vortrag der Parteien nicht zu sehen.
Auch wenn man für die Änderung einen sachlichen Grund für erforderlich hält und
dazu eine Abwägung zwischen der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 GG)
einerseits und der Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers (Art. 12,1 4 GG)
andererseits vornimmt (vgl. dazu BAG Urteil vom 23. Juni 2005 – 2 AZR 642/04 –
EzA § 2 KSchG Nr. 54 mit weit. Nachw.; vgl. weiter eingehend Wallner, Die
ordentliche Änderungskündigung des Arbeitgebers, S. 149 ff.), genügt die
angebotene Änderung diesen Anforderungen. Wegen des Wegfalls der
ursprünglichen Beschäftigungsmöglichkeit und wegen des Fehlens anderweitiger
Beschäftigungsalternativen war es der Beklagten nur möglich, das
Änderungsangebot so zu unterbreiten, wie es hier geschehen ist. Nur zu diesen
Konditionen war der Arbeitsplatz überhaupt zu erhalten, wenngleich zu den
verschlechterten Bedingungen, die auch ihrerseits in Anbetracht der oben bereits
gewürdigten Gesamtsituation als billigerweise hinzunehmen anzusehen sind. Diese
verschlechterten Bedingungen ergeben sich aus der Tarifvertraglichen
Vereinbarung Nr. 741, auf die in der Änderungskündigung Bezug genommen
worden ist. Die Möglichkeit eines näher am Inhalt des bisherigen
Arbeitsverhältnisses liegenden Änderungsangebots ist auch nach dem Vortrag der
Berufung nicht zu sehen.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht nach allem in der Abteilung
BVD-FS fort. Für diese Beschäftigung gelten die speziellen Regelungen der
Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 741 vom 19. Dezember 2003, gegen deren
Wirksamkeit nach dem vorliegenden Vortrag der Parteien keine Bedenken
ersichtlich sind.
Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers scheitert schon daran, dass er das
Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat (BAG Urteil vom 18. Januar
1990 – 2 AZR 183/89 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65).
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1
ZPO).
Die Revision gegen dieses Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.