Urteil des LAG Hessen vom 01.01.2002

LAG Frankfurt: betriebsrat, ordentliche kündigung, treu und glauben, anspruch auf beschäftigung, unwirksamkeit der kündigung, überwiegendes interesse, echte rückwirkung, anhörung, manager, gespräch

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 2096/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 307 Abs 1 S 1 BGB, Art 229
§ 5 BGBEG, § 106 GewO
(Unwirksame Versetzungsklausel in einem vor dem
1.1.2002 begründeten Arbeitsvertrag - ergänzende
Vertragsauslegung)
Leitsatz
Die unwirksame Versetzungsklausel in einem Arbeitsvertrag entfällt bei einem Altfall
(bis 31.12.2002) im Rahmen der AGB-Kontrolle nicht ersatzlos. An die Stelle der
unwirksamen Versetzungsklausel tritt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
diejenige Regelung, die die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich
angeordnete Unwirksamkeit der Versetzungsklausel bekannt gewesen wäre.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am
Main vom 22.08.2006 - 18 Ca 2633/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und die
Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 18. Juni 1954 geborene Kläger, welcher seiner getrennt von ihm lebenden
Ehefrau und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 01. Oktober
1982 bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 10. August 1982 (vgl.
Bl. 5 – 5 R d. A.) ist unter anderem Folgendes geregelt:
„II. Herr A. wird eingestellt als Sales-Executive in B..
Seine Tätigkeit umfasst: Vertrieb der C.- Informationsdienste.
Der Arbeitnehmer erkennt an, dass eine spätere Versetzung möglich sein kann.“
Das monatliche Grundgehalt des Klägers betrug zuletzt € 8.180,00 brutto und das
Jahresgehalt einschließlich der leistungsbezogenen Entgeltbestandteile ca. €
177.000,00 brutto. Der Kläger war zuletzt im Vertriebsbereich Nord (A./D.) als
sogenannter „Sales-Manager-Nord“ mit Sitz in B. beschäftigt. Er trug die
Personalverantwortung für 4 Vertriebsmitarbeiter, von denen einer im 4. Quartal
2005 ausschied. In den Jahren zuvor war der Kläger bei der Beklagten an den
Standorten E.., F., D., G., und H. eingesetzt. Alle Niederlassungen der Beklagten in
Deutschland wurden einheitlich von E. aus geleitet. Seit Januar 2006 war der Kläger
mit ca. 1/3 seiner Arbeitszeit ausgelastet.
Mitte Dezember 2005 entschied die Beklagte, in E.. die Vertriebsposition „New
Business Development Executive“ zu schaffen, in welcher ein Jahresbruttogehalt in
Höhe von ca. € 100.000,00 erzielt werden konnte. Die Beklagte bot dem Kläger
diese Stelle am 02. März 2006 und setzte nach mehreren Gesprächen eine Frist
zur Annahme bis zum 15. März 2006. Mit E-Mail vom 17. März 2006 teilte der
Kläger mit, dass er die angebotene Position im Hinblick auf die Gehaltskürzung
nicht annehme.
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Mit Schreiben vom 23. März 2006 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden
Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des mit dem Kläger
bestehenden Arbeitsverhältnisses an; wegen des Inhalts dieses
Anhörungsschreibens wird auf Bl. 34 - 35 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben
vom 28. März 2006 teilte der Betriebsrat der Beklagten unter anderem mit, dass
eine abschließende Stellungnahme noch nicht möglich sei, da noch geprüft werden
müsse, inwieweit ein Widerspruchsgrund vorläge, wozu die Sozialdaten der aus
Sicht des Betriebsrats vergleichbaren Arbeitnehmer I., J., K. und L. benötigt
würden. Beim gegenwärtigen Kenntnisstand widerspreche der Betriebsrat der
Kündigung und erwarte vollständige Informationen, um eine abschließende
Erklärung abgeben zu können. Wegen des gesamten Inhalts dieses Schreibens
wird auf Bl. 131 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30. März 2006, welches dem Kläger am 01. April 2006
zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.
September 2006 (vgl. Bl. 9 d. A.). Hinsichtlich der Kündigungsfrist legte die
Beklagte die ab dem 01. Januar 1990 gültige Betriebsvereinbarung zugrunde,
welche ab einer Dauer der Betriebszugehörigkeit von 8 Jahren eine Kündigungsfrist
von 6 Monaten vorsieht.
Mit der Beklagten am 20. April 2006 zugestellter Klageschrift hat sich der Kläger
gegen die Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung der Beklagten sei unwirksam.
Er hat behauptet, seine Arbeitsaufgaben seien nicht entfallen. Er hätte als „New
Business Executive“ weiterbeschäftigt werden können, nachdem er sich auf eine
solche Position beworben habe. Bis Mitte des Jahres 2006 seien weitere Stellen, die
für ihn geeignet gewesen wären, anderweitig besetzt worden. Der Kläger hat die
Ansicht vertreten, die Kündigung sei auch wegen der fehlerhaften Sozialauswahl
unwirksam, da er mit den Arbeitnehmern I., M., K., J. und L. vergleichbar sei. Wegen
der dem Kläger angebotenen, vom Kläger jedoch abgelehnten Stelle des „New
Business Development Executiv“ hätte die Beklagte eine Änderungskündigung
aussprechen müssen. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß
durchgeführt worden, da dem Betriebsrat die Sozialauswahl und die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht mitgeteilt worden seien. Die Beklagte
habe auch die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten nicht eingehalten,
von der durch Betriebsvereinbarungen nicht abgewichen werden könne.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagten vom 30.03.2006 zum 30.09.2006 nicht aufgelöst werden wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsrechtsstreits als Sales-Manager zu unveränderten Arbeitsbedingungen
mit der Auftragsbearbeitung, der Angebotserstellung, der Umsatzverantwortung,
der Kundenakquise sowie mit Personalverantwortung in der Region Nord
weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch
die ausgesprochene betriebsbedingten Kündigung beendet worden. Sie hat
behauptet, Anfang März 2006 habe die Beklagte den Entschluss gefasst, die
zweite Hierarchieebene in der Region Nord zu streichen, wodurch die Position des
Klägers entfallen sei, und die verbleibenden Aufgaben des Klägers umzuverteilen.
Wegen des behaupteten Wegfalls von Arbeitsanteilen und der durchzuführenden
Umverteilung auf verbleibende Arbeitnehmer wird auf den Schriftsatz der
Beklagten vom 06. Juni 2006 (insbes. S. 3 – 8; Bl. 27 – 32 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen,
da der Kläger ausweislich seines Arbeitsvertrages räumlich nicht versetzt werden
könne. In B. gäbe es keine mit dem Kläger vergleichbaren Sales-Manager. Die
Beklagte hat behauptet, den Kläger gleichwohl mit anderen Sales-Managern,
nämlich mit den Mitarbeitern I., M., K., J. und L. verglichen zu haben, welche in N.
bzw. E.. beschäftigt seien. Diese Mitarbeiter seien jedoch aus der Sozialauswahl
herauszunehmen, da sie über besonders gute Kundenbeziehungen zu
Großkunden verfügten, die sie persönlich betreuten. Wegen der insoweit
behaupteten Einzelheiten der Großkundenbetreuung wird auf den Schriftsatz der
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behaupteten Einzelheiten der Großkundenbetreuung wird auf den Schriftsatz der
Beklagten vom 17. August 2006 (dort S. 15 - S. 20; Bl. 147 - Bl. 152 d. A.) Bezug
genommen. Die Beklagte hat behauptet, zum Zeitpunkt der Kündigung sei eine
für den Kläger geeignete freie Stelle nicht vorhanden gewesen. Am 18. März 2006
habe der Vorstand nach internen Gesprächen beschlossen, die dem Kläger
angebotene Stelle des „New Business Development Executiv“ in Deutschland zu
streichen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Betriebsratsanhörung sei
ordnungsgemäß durchgeführt worden. Neben der schriftlichen Anhörung sei am
23. März 2006 mit dem Betriebsrat ein ausführliches Gespräch auch über die
Sozialauswahlkriterien und die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten geführt worden,
wobei beide, Arbeitgeber und Betriebsrat, keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
im Unternehmen der Beklagten für den Kläger gesehen hätten.
Mit Urteil vom 22. August 2006 - 18 Ca 2633/06 - hat das Arbeitsgericht E.. der
Klage stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, die Beklagte hätte den
Kläger auf der Position des „New Business Development Executiv“ zu geänderten
Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen können. Sie hätte dem Kläger vor
Ausspruch der Beendigungskündigung diesen Arbeitsplatz mittels
Änderungskündigung anbieten müssen. Die Ablehnung der einvernehmlichen
Abänderung des Arbeitsvertrages durch den Kläger schließe nicht aus, dass der
Arbeitnehmer ggf. bereit sei, zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten,
wenn sich in einem Änderungskündigungsschutzverfahren die Berechtigung der
Änderungskündigung herausstelle.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 15. November 2006 zugestellt worden. Die
Berufung der Beklagten ist am 06. Dezember 2006 und die Berufungsbegründung
am 15. Januar 2007 bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und behauptet,
nachdem sie dem Kläger die Stelle als „Business Development Executiv“
angeboten habe, habe sie Mitte März 2006 erfahren, dass eine identische Position
bei der Schwestergesellschaft in der Schweiz geschaffen und mit dem Mitarbeiter
O. besetzt worden sei. Es sei dann nach Gesprächen mit der englischen
Muttergesellschaft beschlossen worden, diese Stelle zentral bei der C. S.A.
anzusiedeln, weshalb die Beklagte die Stelle am 18. März 2006 gestrichen habe.
Die Beklagte behauptet, das Erstellen von Angeboten und die Bearbeitung von
Aufträgen, die Genehmigung von Angeboten der Accountmanager und die
Umsatzberechnung hätten ca. 20 % der Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Von
diesen Aufgaben sei die Erstellung von Angeboten und die Bearbeitung von
Aufträgen entfallen, da die Angebote automatisch mit Hilfe der
Auftragsbearbeitungssoftware CRM-Siebel erstellt, bearbeitet und kontrolliert
würden. Die Vertriebsmitarbeiter würden die entsprechenden Daten, die sie in der
Vergangenheit an den Kläger weitergemeldet hätten, unmittelbar in das
Programm eingeben. Darüber hinaus seien mit den wichtigsten Kunden der Region
Nord Rahmenverträge abgeschlossen worden, so dass Verhandlungen über
individuelle Angebotskonditionen künftig entbehrlich seien. Die Akquisition von
Neukunden habe ca. 5 % der Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Da das
Neukundenpotential in der Region Nord weitgehend ausgeschöpft sei, habe die
Beklagte beschlossen, die Akquisitionsbemühungen nur noch durch die
Vertriebsmitarbeiter wahrnehmen zu lassen. Die Vertriebssteuerung der
Produktreihe „Risk“ habe ca. 25 % der Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Das
Produkt werde nunmehr in einer eigenständigen Abteilung vertrieben, wobei die
Vertriebssteuerung von dem Abteilungsleiter P., welcher auf einer höheren
Hierarchieebene als der Kläger angesiedelt sei, übernommen worden sei. Die
Pflege der bestehenden Geschäftsbeziehungen außerhalb konkreter Projekte habe
ca. 15 % der Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Da bei den maßgeblichen
Großkunden in der Region Nord keine weiteren Umsätze zu erwarten seien, würde
die Kundenbetreuung insoweit durch die Vertriebsmitarbeiter miterledigt. Die
Koordinierung/Planung der Vertriebsaktivitäten und die Übermittlung der
Vertriebsziele an die Vertriebsmitarbeiter habe ca. 10 % der Arbeitszeit des
Klägers ausgemacht. Diese Aufgaben seien weitgehend durch die Einführung des
EDV-Systems „Campagne“ entfallen, da der Vertriebsleiter Q. die Vertriebsziele
unmittelbar über das intranet-basierte EDV-System quartalsweise den
Vertriebsmitarbeitern übermittele und über dieses System auch aktuelle
Verkaufsaktionen zentral vorgegeben würden. Die Bearbeitung von Urlaubs- und
Spesenanträgen der Vertriebsmitarbeiter habe etwa 5 % der Arbeitszeit des
Klägers ausgemacht. Der Bearbeitungsaufwand habe sich durch den Einsatz eines
neuen EDV-Systems deutlich reduziert und könne ohne etwaige überobligatorische
Anstrengungen durch den Vertriebsleiter Q. mit übernommen werden, da er nicht
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Anstrengungen durch den Vertriebsleiter Q. mit übernommen werden, da er nicht
mehr für 4 Vertriebsmitarbeiter in Österreich verantwortlich sei, was allein 20 %
seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen habe. Die Aufgaben im Zusammenhang
mit der Onlinekommunikationssoftware „C.-Messaging“ habe ca. 20 % der
Arbeitszeit des Klägers ausgemacht. Diese Aufgabe sei der Beklagten entzogen
worden und werde europaweit ausschließlich von der Schwestergesellschaft der
Beklagten in Österreich betreut und vertrieben. Die Beklagte ist der Ansicht, der
Arbeitsvertrag enthalte keine Versetzungsklausel, sondern lediglich einen Hinweis
auf die Rechtslage. Da B. als Arbeitsort im Arbeitsvertrag bestimmt sei, sei die
Sozialauswahl auf B. beschränkt. Sofern die Klausel im Arbeitsvertrag als
Versetzungsklausel zu werten wäre, wäre sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
unwirksam. Die Unwirksamkeit beschränke sich nach § 306 Abs. 1 BGB auf Ziffer II.
3. Satz des Arbeitsvertrages. Es handele sich um eine teilbare Klausel, da Ziffer II.
des Arbeitsvertrages inhaltlich von einander trennbare und einzeln aus sich heraus
verständliche Regelungen enthalte. Werde der 3. Satz in Ziffer II. des
Arbeitsvertrages gestrichen, enthalte Satz 1 eine sinnvolle und in sich
abgeschlossene Regelung. Die Grundregel, dass sich der Verwender von AGB nicht
auf die Unwirksamkeit einer von ihm selbst gestellten Klausel berufen könne,
passe vorliegend nicht, da die Frage der Unwirksamkeit der Versetzungsklausel
nicht nur das Verhältnis zwischen dem Verwender und dem Vertragspartner,
sondern über die Sozialauswahl auch die Rechtsstellung anderer Arbeitnehmer
berühre. Sofern von der Wirksamkeit der Versetzungsklausel ausgegangen würde,
würde das im Rahmen der Sozialauswahl dazu führen, dass andere Sales-Manager
in den Kreis der zu Entlassenden fielen, obwohl die Beklagte keine Möglichkeiten
habe, den Kläger einseitig an einen anderen Standort zu versetzen. Trotz
fehlender Austauschbarkeit des Klägers würde eine Austauschbarkeit zu Lasten
Dritter unterstellt. Der Kläger sei auch in der Vergangenheit niemals versetzt,
sondern immer einvernehmlich an verschiedenen Standorten eingesetzt worden.
Die Beklagte behauptet, die vom Kläger als vergleichbar benannten Mitarbeiter I.
und L. seien von derselben unternehmerischen Entscheidung der Beklagte
betroffen wie der Kläger; L. sei zum 30. Juni 2006 und I., da er noch ein Projekt
habe zu Ende führen sollen, mit Kündigung vom 08. Mai 2007 zum 31. Dezember
2007 ausgeschieden. Der Mitarbeiter I. sei allerdings mit dem Kläger nicht
vergleichbar, da er weder übergeordnete Kunden-, noch Personalverantwortung
besessen habe. Der Mitarbeiter M. sei mit dem Kläger als Lead-Account-Manager
nicht vergleichbar, da diese Position unterhalb der Hierarchieebene des Klägers
angesiedelt sei. Die Herausnahme des Mitarbeiters K. aus der Sozialauswahl
erfolge aufgrund berechtigter betrieblicher Interessen, da der Mitarbeiter K. anders
als der Kläger, der keine besonderen Bindungen zu einem Großkunden vorweisen
könne, über besondere Beziehungen zum Bereichsleiter IT beim R. verfüge, aus
welchem für die Beklagte ein Rahmenvertrag mit einem Volumen von € 12
Millionen im Jahr resultiere; er verfüge weiterhin über persönliche Beziehungen
zum Vorstandsmitglied S. der T., mit welcher ein Jahresumsatz von € 1, 4 Millionen
erreicht werde. Ebenso bestünden persönliche Beziehungen zum
Vorstandsmitglied U. der Börse N., aus welcher ein Umsatz von über € 30.000,00
im Monat resultiere. Gleiches gelte für den Mitarbeiter J.. Dieser Mitarbeiter
unterhalte besondere Geschäftsbeziehungen zur V., zum Vorstand der W. und zur
X., wobei sich aus diesen Kontakten ein monatliches Umsatzvolumen in Höhe von
€ 60.000,00 ergebe. Darüber hinaus habe der Mitarbeiter J. aus einem früheren
Beschäftigungsverhältnis die Y., die Z. und die AA. als Kunden der Beklagten mit
einem monatlichen Umsatz von insgesamt € 120.000,00 eingebracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 22. August 2006, Az.: 18 Ca
2633/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die
Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam, wobei die Beklagte sich auf
die Unwirksamkeit nicht berufen dürfe. Der Beklagten bleibe die Möglichkeit der
Änderungskündigung. Im Übrigen habe die Beklagte den Kläger, wie alle anderen
Mitarbeiter auch, in der Vergangenheit versetzt. Würde die Beklagte sich nunmehr
auf die Nichtversetzbarkeit berufen, stelle das eine unzulässige Rechtsausübung
dar. Die Herausnahme der Leistungsträger K. und J. aus der Sozialauswahl sei von
der Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Das gelte
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der Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Das gelte
insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Accountmanager etwa alle 2 Jahre die
Kunden wechselten, woraus sich ergäbe, dass der Beklagten eine enge
Kundenbeziehung nicht wichtig sei. Der Kläger behauptet, über besondere
Kontakte zu Großkunden verfügt zu haben. Wegen der insoweit vom Kläger
benannten Kunden und geschätzten Umsatzvolumina wird auf den Schriftsatz des
Klägers vom 23. Mai 2008 (S. 7 - S. 10: Bl. 488 - Bl. 491 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger bestreitet, dass der Betriebsrat zur Sozialauswahl ordnungsgemäß
angehört worden sei. Im Übrigen habe die Beklagte auch die Wochenfrist des § 102
Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht gewahrt.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen BB.,
CC., Q., DD. und EE.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschriften vom 08. Februar 2008 (Bl. 373 - Bl. 376 d. A.), vom 25.
April 2008 (Bl. 447 - Bl. 451 d. A.), vom 05. September 2008 (Bl. 522 - Bl. 524 d.
A.) sowie vom 31. Oktober 2008 (Bl. 539 - Bl. 541 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die
Berufungsschriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt ist
gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis
der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. März 2006
nicht aufgelöst worden, denn diese Kündigung ist unwirksam.
Allerdings ist die Kündigung nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger auf einem
zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung freien Arbeitsplatz im Betrieb hätte
weiterbeschäftigt werden können. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist
stets zu prüfen, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine
anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers hätte vermieden werden können.
Sofern die Weiterarbeit an einem anderen freien Arbeitsplatz, über den der
Arbeitgeber verfügen kann, möglich und zumutbar ist, ist die Kündigung weder
dringend noch durch ein betriebliches Erfordernis bedingt. Sofern der freie
Arbeitsplatz finanziell schlechtere Arbeitsbedingungen aufweist, als der
Arbeitsplatz, der einem Arbeitnehmer vertraglich zusteht, ist der Arbeitgeber
gehalten, eine Änderungskündigung auszusprechen (BAG 21.04.2005 - 2 AZR
132/04 - NZA 2005, 1289).
Die dem Kläger mit einer Annahmefrist bis zum 15. März 2006 angebotene
Position des „New Business Development Executiv” bestand im Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung am 01. April 2006 nicht mehr. Das steht aufgrund der
durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
Der Zeuge BB. hat insoweit ausgesagt, dass er sich erinnern könne, dass dem
Kläger diese Position mehrfach angeboten worden sei. Nachdem der Kläger diese
Stelle wegen der abgesenkten Vergütung endgültig abgelehnt habe, sei über diese
Stelle neu nachgedacht worden. Er könne sich erinnern, dass die diese Stelle dann
gestrichen worden sei, auch wenn er nicht mehr sagen könne, wann das genau
gewesen sei. Jedenfalls habe die Stelle nicht mehr existiert, als man beim
Betriebsrat gewesen sei und die Kündigung erörtert habe. Die Ablehnung durch
den Kläger habe gewissermaßen den letzten Anstoß gegeben, die Stelle ganz zu
streichen.
Der Zeuge Q. hat ausgesagt, dass er sich erinnern könne, dass die Stelle dem
Kläger aktiv angeboten worden sei und der Kläger die Stelle wegen der finanziellen
Ausstattung nicht angenommen habe. Die Stelle sei so konzipiert gewesen, dass
künftig eine Person für das Neugeschäft eingesetzt werden sollte. Nachdem der
Kläger die Stelle abgelehnt habe, sei entschieden worden, das Geschäft wie in der
Vergangenheit weiterzubetreiben. Die Neustrukturierung des Vertriebsgeschäfts
sei dann von dem Mitarbeiter O. von Genf aus betrieben worden, der das
Neugeschäft weiterhin auf die Accountmanager übertragen habe. Ca. innerhalb
von 10 Tagen nach Ablehnung durch den Kläger sei die Stelle gestrichen worden.
Der Zeuge CC. hat ausgesagt, dass für ihn als Berater der Beklagten der zentrale
Punkt gewesen sei, ob eine Änderungskündigung ausgesprochen werden müsste
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Punkt gewesen sei, ob eine Änderungskündigung ausgesprochen werden müsste
oder eine Beendigungskündigung in Frage käme. Ihm sei vor der
Betriebsratsanhörung, die er mit vorbereitet habe, gesagt worden, dass nicht nur
der Kläger die ihm angebotene Stelle abgelehnt habe, sondern dass die Stelle
auch nicht mehr zur Verfügung stünde. Das sei ihm sowohl von Herrn BB. wie vom
Vorstandsmitglied FF. gesagt worden.
Die Aussagen dieser Zeugen sind nicht etwa deshalb unglaubhaft, da sie als
ehemaliger Personalleiter, Vertriebsleiter und Berater der Beklagten in die
damalige Kündigungsentscheidung eingebunden war. Auch der weitere Umstand,
dass im April 2007 von der Beklagten entschieden wurde, die Position des „New
Business Development Executiv“ wegen der zwischenzeitlichen Markterholung neu
zu schaffen, ändert nichts daran, dass die Zeugen übereinstimmend ausgesagt
haben, dass die Stelle im März 2006 vor der Betriebsratsanhörung nicht mehr zur
Verfügung gestanden habe. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, insoweit
eine Änderungskündigung auszusprechen.
Die Kündigung ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, da keine dringenden
betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in diesem
Betrieb entgegenstanden, vorlagen. Aufgrund der durchgeführten
Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte vor
Ausspruch der Kündigung die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, eine
Hierarchieebene an den Außenstandorten, soweit nicht genügend Großkunden
betreut wurden, zu streichen und die dem Kläger verbliebenen Aufgaben auf die
Accountmanager und den Vertriebsleiter zu verlagern, ohne dass diese
überobligatorisch in Anspruch genommen wurden.
Der Zeuge BB. hat ausgesagt, dass über die Positionen der Salesmanager 6 - 9
Monate vor dem Hintergrund diskutiert worden sei, dass die Konkurrenten eine
derartige Position teilweise jedenfalls nicht mehr besetzten. Ob die Salesmanager
vor Ort erforderlich seien, sei auch abhängig gewesen von der Kundenstruktur. Es
sei die Entscheidung gefallen, wichtige Aufgaben beim Vertriebsleiter Q. zu
zentralisieren. Die Auslastung des Klägers sei nicht hinreichend gewesen. Erst
nachdem dem Kläger das Messaging-Thema übertragen worden sei, sei seine
Auslastung besser gewesen. Hauptaufgabe des Klägers als Salesmanager sei die
Gewinnung von neuen Kunden und die Pflege von Kunden gewesen. Wenn der
Kläger mit 5 % seiner Arbeitszeit in der Neukundenakquisition tätig gewesen sei,
wäre das eigentlich viel zu wenig gewesen. Es sei klar gewesen, dass mit den
bestehenden Produkten ein Neugeschäft in der Region Nord nicht zu generieren
gewesen sei, weshalb auch die Stelle des „New Business Development Executiv“
ausgeschrieben worden sei, um die Gewinnung von Neukunden zu bündeln. Das
Produkt „Risk“ sei auf den in der Hierarchieebene eine Stufe höher angesiedelten
Mitarbeiter P. übertragen worden. Der erforderliche Kundenkontakt sei damals
durch die Accountmanager gehalten worden, deren Zahl jedoch auch verringerbar
gewesen sei. Die Herausnahme des Klägers aus dem Vertriebsgebiet sei möglich
gewesen, da die Accountmanager die Tätigkeiten des Klägers ohne Probleme
hätten mit übernehmen können. Die Vorgabe der Vertriebsziele sei bereits zentral
von E. aus erfolgt. Die Kommunikations-Software „Reuters-Messaging“ sei dem
Kläger entzogen und nach Österreich vergeben worden. Insgesamt sei der Einsatz
des Klägers im Bereich der Kundenpflege praktisch nicht mehr notwendig
gewesen, da die Accountmanager die Tätigkeit übernommen hätten und etwaige
strategische Entscheidungen in E. gebündelt worden seien. Diese
Organisationsentscheidungen dürften im Januar getroffen worden sein.
Der Zeuge Q. hat ausgesagt, dass seinerzeit eine sukzessive Umstrukturierung
stattgefunden habe. Die Auslastung des Klägers habe aufgrund verschiedener
Ursachen abgenommen. So sei etwa die GG. mit der HH: und die II. mit der JJ.
fusioniert. Intern sei die Arbeitsmenge reduziert und die Kundenbeziehungen
umstrukturiert worden. Organisatorische Tätigkeiten seien von Papier auf EDV
umgestellt und in E. zentralisiert worden. Von manuellen Arbeitsprozessen sei auf
elektronische Arbeitsprozesse übergegangen worden. Das habe etwa
Spesenabrechnungen, Urlaubsanträge und Ähnliches betroffen. Die Produktreihe
„Risk“, die ursprünglich in jedem Vertragsgebiet geführt worden sei, sei zentral von
E. aus gesteuert worden. C.-Messaging, was vom Kläger mitkoordiniert worden sei,
sei ebenfalls nach E. gegeben worden. Anfang 2006 habe dann eine Kollegin in KK.
die Aufgaben im Zusammenhang mit „C.-Messaging“ übernommen. Der Kläger
sei etwa mit einem Drittel seiner Arbeitszeit noch ausgelastet gewesen. Dieses
Drittel sei auf ihn und die Accountmanager verteilt worden. Die Entscheidung, die
Stelle des Klägers im Vertriebsgebiet Nord entfallen zu lassen, sei sehr früh im Jahr
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Stelle des Klägers im Vertriebsgebiet Nord entfallen zu lassen, sei sehr früh im Jahr
2006 getroffen worden. Der Arbeitsaufwand, den er vom Kläger übernommen
habe, sei durchaus überschaubar gewesen. Auch die Accountmanager hätten die
Akquisition von Neukunden, soweit sie vom Kläger gemacht worden sei,
übernehmen können. Die vom Kläger zu leistende Koordinationstätigkeit sei von
ihm übernommen worden. Vertriebsziele für die Vertriebsmitarbeiter seien durch
die EDV übermittelt worden. Gleiches habe für die Bearbeitung der Urlaubs- und
Spesenanträge gegolten. Das habe nur eine geringe Zeitspanne in Anspruch
genommen.
Aufgrund dieser Aussagen, die in sich schlüssig und glaubhaft sind, steht zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger mit ca. einem Drittel seiner
Arbeitszeit ausgelastet war, dass die Produkte „Risk“ und „C.-Messaging“
ausgelagert worden waren und dass die verbliebenen Aufgaben des Klägers auf
den Vertriebsleiter Q. und die verbliebenen Vertriebsmitglieder verlagert wurden,
ohne dass diese überobligatorisch beansprucht wurden.
Die Kündigung ist allerdings deshalb unwirksam, da nicht zur Überzeugung des
Gerichts feststeht, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der
Kündigung angehört worden ist.
Die Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung ergibt sich jedoch entgegen der
Ansicht des Klägers nicht daraus, dass die Beklagte die Frist des § 102 Abs. 2 Satz
1 BetrVG nicht eingehalten hat. Danach hat der Betriebsrat Bedenken gegen eine
ordentliche Kündigung unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens
innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Zwischen den Parteien besteht kein
Streit darüber, dass der Betriebsrat am 23. März 2006 von der Beklagten angehört
wurde. Die einwöchige Frist lief am 30. März 2006 ab. Das Kündigungsschreiben ist
dem Kläger außerhalb dieser Frist, nämlich am 01. April 2006, zugegangen. Es ist
unschädlich, dass das Kündigungsschreiben unter dem 30. März 2006 geschrieben
wurde.
Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats liegt, wenn im Rahmen einer
betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl durchzuführen ist, nur dann vor,
wenn der Betriebsrat auch über die Kriterien der Sozialauswahl und die
vergleichbaren Arbeitnehmer informiert wurde. Im vorliegenden Fall war eine
Sozialauswahl durchzuführen und der Betriebsrat entsprechend anzuhören. Das
ergibt sich aus Folgendem:
Der Kläger war jedenfalls mit den Arbeitnehmern K. in N. und J. in E.. vergleichbar.
Beide sind wie der Kläger Salesmanager und von der Beklagten nicht in die soziale
Auswahl miteinbezogen worden, da ihre Weiterbeschäftigung wegen ihrer
Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betriebliche Interesse lag. Das hätte
dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung mitgeteilt werden müssen.
Die Sozialauswahl war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Kläger gemäß Ziff.
II. des Arbeitsvertrages seinen Arbeitsort in B. hatte und in der Niederlassung in B.
- insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit - kein mit dem Kläger
vergleichbarer Arbeitnehmer beschäftigt war. Der Kläger war nämlich gemäß Ziff.
II. Satz 3 des Arbeitsvertrages auch örtlich versetzbar. Da die Führung der
verschiedenen Niederlassungen der Beklagten insgesamt zentral von E. aus
wahrgenommen wurde, stellten sämtliche Betriebsstätten der Beklagten einen
Betrieb dar (BAG 20.8.1998 - 2 AZR 84/98 - NZA 1999, 255). Der Kläger war damit
jedenfalls mit dem Arbeitnehmer K. in der Betriebsstätte in N. und dem
Arbeitnehmer J. in der Betriebsstätte in E.. vergleichbar.
Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt Ziff. II. Satz 3 des Arbeitsvertrages nicht
lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage dar. Entsprechend dem insoweit
eindeutigen Wortlaut akzeptierte der Kläger, dass die Beklagte sich das Recht
vorbehält, den Kläger in Zukunft zu versetzen.
Diese Versetzungsklausel ist allerdings gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,
wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Versetzungsklausel benachteiligt
den Kläger unangemessen, da die Beklagte sich eine Versetzung nach Inhalt, Ort
und Zeit der Arbeitsleistung unbeschränkt offenhält.
Die Unwirksamkeit dieser Versetzungsklausel führt allerdings nicht dazu, dass der
Einsatzort des Klägers allein B. ist und die Sozialauswahl dementsprechend auch
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Einsatzort des Klägers allein B. ist und die Sozialauswahl dementsprechend auch
nur auf diesen Standort bezogen durchzuführen ist.
Gemäß Artikel 229 § 5 EGBGB findet auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 01.
Januar 2002 begründet worden sind, ab dem 01. Januar 2003 das Bürgerliche
Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung Anwendung. Dazu gehören auch die §§
305 - 310 BGB. Vertrauensschutz hat das Gesetz nur bis zum 31. Dezember 2002
eingeräumt.
Mit dem BAG wird davon ausgegangen, die unwirksame Vertragsklausel bei dem
hier vorliegenden Altfall nicht ersatzlos wegfällt (vgl. BAG 11.10.2006 - 5 AZR
721/05 - NZA 2007, 87). Auch wenn der Verwender eines Formulararbeitsvertrages
die Voraussetzungen der Versetzung mindestens soweit konkretisieren muss, wie
es § 106 Gewerbeordnung vorsieht, ergibt sich daraus bei vor dem 01. Januar 2002
abgeschlossenen Verträgen nicht zwingend die Unwirksamkeit einer nicht weiter
konkretisierten Versetzungsklausel. Dabei geht es nicht um im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten, da langfristig angelegte Formularverträge ohne die
Möglichkeit der einseitigen Änderung von allgemeinen Geschäftsbedingungen im
gesamten Vertragsrecht vorkommen. Vielmehr resultieren die Bedenken aus der
rückwirkenden Anwendung von förmlichen Anforderungen, nämlich der hinreichend
deutlichen Formulierung des Versetzungsvorbehalts, auf einen abgeschlossenen
Sachverhalt. Da das Gesetz auch für Altverträge gilt und dies hinsichtlich der
Anforderungen an die Vertragsformulierungen auf eine echte Rückwirkung hinaus
läuft, bedarf es der verfassungskonformen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
wahrenden Auslegung und Anwendung. Das führt dazu, dass die unwirksame
Klausel nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersatzlos wegfällt. Würde die Klausel
ersatzlos wegfallen, würde der Kläger erheblich benachteiligt, da die Sozialauswahl
auf Hamburg beschränkt wäre. Würde die Versetzungsklausel nur für die Beklagte
als die Partei, die die Klausel erstellt hat, wegfallen, könnte sich der Kläger im
Rahmen eines Kündigungsverfahrens auf die Versetzungsklausel und die
dementsprechend weiter zu ziehende Sozialauswahl berufen, ohne jedoch einer
anschließenden Versetzung folgen zu müssen. Diese Rechtsfolgen wären nicht
angemessen und würden den Interessen beider Seiten nicht hinreichend Rechnung
tragen. Da der Verwender bei Abschluss des Arbeitsvertrages die §§ 307 f BGB
nicht berücksichtigen konnte und die Klausel nur deswegen unwirksam ist, weil sie
in formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügt, bedarf es zur
Schließung der entstandenen Lücke der ergänzenden Vertragsauslegung. Es ist in
diesem Rahmen zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die
gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bekannt gewesen
wäre. Maßgeblich ist insoweit nicht die subjektive Vorstellung einer Vertragspartei,
sondern das, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen
nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten.
Bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen hätten redliche Parteien den
Versetzungsvorbehalt so geregelt, wie er in § 106 Gewerbeordnung vorgesehen
ist. Die Beklagte hätte sich vorbehalten, unter anderem den Ort der
Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen zu können. Der Kläger
wäre damit auch unabhängig von der Frage, ob der Kläger in der Vergangenheit in
entsprechender Weise versetzt worden ist oder ob die Parteien insoweit
einvernehmliche Regelungen getroffen haben, nach E.. und N. versetzbar
gewesen.
Daraus folgt, dass jedenfalls die Arbeitnehmer K. und J. mit dem Kläger
vergleichbar waren. Die Herausnahme dieser Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl
aufgrund berechtigter betrieblicher Interessen hätte dem Betriebsrat im Rahmen
der Anhörung mitgeteilt werden müssen.
In der schriftlichen Anhörung hat die Beklagte ausdrücklich auf ihren auch im
vorliegenden Verfahren vertretenen Rechtsstandpunkt Bezug genommen, dass
eine Sozialauswahl im Hinblick auf den Kläger nicht durchzuführen sei, da keine
kündigungsschutzrechtliche Vergleichbarkeit mit einem anderen Mitarbeiter
bestehe.
Allerdings behauptet die Beklagte, den Betriebsrat im Rahmen der mündlichen
Anhörung am 23. März 2006 auch über die Vergleichbarkeit des Klägers u. a. mit
den Mitarbeitern K. und J. und die Gründe der Herausnahme dieser Mitarbeiter aus
der Sozialauswahl informiert zu haben. Es war deshalb insoweit eine
Beweisaufnahme durchzuführen.
Aufgrund der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest,
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Aufgrund der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass am 23. März 2006 eine entsprechende Information des Betriebsrats
stattgefunden hat.
Der Zeuge EE. hatte ausgesagt, dass im Rahmen des Anhörungsgesprächs
mitgeteilt worden sei, dass keine soziale Vergleichbarkeit bestehe. Es sei erläutert
worden, warum dem Kläger gekündigt werden solle. Der Betriebsrat habe darauf
hingewiesen, dass es andere Jobs ggf. auch in einem Level unterhalb der Position
des Klägers gebe und der Kläger dort entsprechend eingesetzt werden könne.
Nach seiner Erinnerung sei die Sozialauswahl jedoch nicht weiter angesprochen
worden. Insgesamt seien während dieses Gesprächs Erläuterungen zur neuen
Struktur der Beklagten gegeben worden. Bis zu diesem Gespräch sei ihm nicht
bekannt gewesen, dass ggf. die Arbeitnehmer I., J., K. und L. mit dem Kläger
vergleichbar seien. Diese Namen habe der Betriebsrat nach dem
Anhörungsgespräch aus dem Personalverzeichnis entnommen.
Der Zeuge DD. hat ausgesagt, dass er sich am 23. März 2006 Notizen gemacht
habe. Es sei gesagt worden, dass die Stelle des Klägers entfalle. Eine soziale
Vergleichbarkeit sei nicht durchzuführen, da niemand mit dem Kläger vergleichbar
sei. Die Betriebsratsseite habe noch gesagt, dass es doch vergleichbare
Arbeitnehmer geben müsse. Namen hätten im Gespräch vom Betriebsrat noch
nicht genannt werden können. Erst nach dem Gespräch habe der Betriebsrat
recherchiert und dann vergleichbare Arbeitnehmer gefunden. Das sei dann der
Beklagten mit Schreiben des Betriebsrats vom 28. März 2006 mitgeteilt worden.
Auch aus seinen Aufzeichnungen ergäbe sich nicht, dass die Arbeitgeberseite
selbst auf eventuell vergleichbare Arbeitnehmer hingewiesen habe. Es sei im
Rahmen dieses Gesprächs über Kunden des Klägers und darüber gesprochen
worden, dass der Kläger von den Kunden her nicht mehr ausgelastet sei.
Demgegenüber hat der Zeuge BB. ausgesagt, dass dem Betriebsrat erläutert
worden sei, warum der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Der Zeuge CC.
habe dann die Kundenstruktur dargelegt. Auch zur Sozialauswahl sei etwas gesagt
worden. Er erinnere sich, dass jedenfalls die Sales-Manager genannt worden seien.
Auch sei der Name des Herrn K. gefallen.
Der Zeuge CC. hat ausgesagt, dass in dem ca. 3/4-stündigen Gespräch die
Kündigungsentscheidung und die Kündigungsgründe dargelegt worden seien. Es
sei auch über die Vergleichbarkeit anderer Mitarbeiter gesprochen worden. Bereits
damals sei das Problem der Vergleichbarkeit bewusst gewesen und man habe
überlegt, wie damit in der Betriebsratsanhörung umgegangen werden sollte. Man
habe sich entschieden, grundsätzlich davon auszugehen, dass eine
Vergleichbarkeit nicht bestünde und das dem Betriebsrat auch so mitzuteilen. Für
den Fall jedoch, dass man zu einem anderen Ergebnis komme, sollte der
Betriebsrat auch über die ggf. in Frage kommenden anderen Mitarbeiter informiert
werden. Das sollte lediglich mündlich gemacht werden. Im Anhörungsgespräch sei
das dann von ihm selbst so vorgetragen worden. Insbesondere seien die
Sozialdaten der anderen Mitarbeiter genannt worden. Auf einem Zettel habe er
sich die besonderen Kundenbeziehungen und die Hauptkunden der in Frage
kommenden Mitarbeiter notiert gehabt und sie so auch angesprochen. Der
Betriebsrat habe dann jedoch gesagt, dass er die besonderen Kundenbeziehungen
der Mitarbeiter kenne. Herr DD. habe gesagt, dass er jedenfalls die
Kundenbeziehungen von Herrn K. kenne. Nach seiner Erinnerung seien alle
möglicherweise vergleichbaren Mitarbeiter durchgegangen worden und der
Betriebsrat habe das auch nachvollzogen.
Alle vier Zeugen haben einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Das Gericht
hat keinen Anhaltspunkt dafür, entscheiden zu können, welcher Zeuge bzw. welche
Zeugen sich entweder fehlerhaft erinnern oder die Unwahrheit sagen. Ein „non
liquet“ geht zu Lasten der beweisbelasteten Partei, hier also zu Lasten der
Beklagten. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert damit an der nicht
ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.
Der Kläger ist antragsgemäß weiterzubeschäftigen. Es mag dahinstehen, ob es
sich bei dem Schreiben des Betriebsrats vom 28. März 2006 um einen
ordnungsgemäßen Widerspruch im Sinn von § 102 Abs. 3 BetrVG handelt und dem
Kläger deshalb ein Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß §102 Abs. 5 BetrVG
zusteht. Jedenfalls steht dem Kläger der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch
zu. Einem solchen Antrag ist stattzugeben, wenn die ordentliche Kündigung
unwirksam ist. Zu den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch ein
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unwirksam ist. Zu den Rechten aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch ein
klagbarer Anspruch auf Beschäftigung, welcher aus dem Gedanken der freien
Entfaltung der Persönlichkeit abgeleitet und nicht nur während des
unangefochtenen Bestandes des Arbeitsverhältnisses, sondern auch während der
Dauer des Kündigungsschutzprozesses besteht. Nach der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAG Beschluss 27.02.1985 - GS
1/84 - DB 1985, 2197) besteht der Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei einer
fristgerechten Kündigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung
unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer
solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Liegt ein die Unwirksamkeit der
Kündigung feststellendes Urteil vor, so hat der Arbeitgeber besondere zusätzliche
Umstände darzulegen, aus denen sich im Einzelfall sein überwiegendes Interesse
an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers ergibt. Solche zusätzlichen
Umstände sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden.
Die Beklagte trägt die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels, § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.