Urteil des LAG Hamm vom 22.10.2010

LArbG Hamm (betriebsrat, firma, bag, filiale, bezirk, einstweilige verfügung, betrieb, arbeitsgericht, mitarbeiter, arbeitnehmer)

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBVGa 19/10
Datum:
22.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBVGa 19/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Siegen, 2 BVGa 10/10
Schlagworte:
Unterlassungsantrag des Betriebsrats; Anordnung, Duldung von
Mehrarbeit; Zustimmung des Betriebsrats; Zuständigkeit des
Betriebsrats; Abspaltung von Betriebsteilen vor bzw. nach
Betriebsratswahl; Rechtsfolgen einer unterlassenen Wahlanfechtung;
Übergangsmandat; Gemeinschaftsbetrieb; einstweilige Verfügung;
Verfügungsgrund; Zulässigkeit einer Anschlussbeschwerde;
Anschlussbeschwerdebegründung.
Normen:
§§ 1, 3, 4, 19, 21 a, 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 520, 524
ZPO, §§ 85 Abs. 2, 89 Abs. 2 ArbGG
Tenor:
Die Beschwerde der Arbeitgeberin und die Anschlussbeschwerde des
Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom
02.09.2010 - 2 BVGa 10/10 - werden zurückgewiesen.
Gründe:
1
A
2
Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nimmt der antragstellende
Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Überstunden bei der
beteiligten Arbeitgeberin im Bezirk S2 für sich in Anspruch.
3
Die Firma A1 S1 betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die einzelnen Verkaufsstellen
sind aufgrund eines im Jahre 1995 abgeschlossenen Zuordnungstarifvertrags gemäß §
3 BetrVG organisatorisch bestimmten Bezirken zugeordnet, denen ein Bezirksleiter
vorsteht. Dem Bezirk 22 S2 gehörten Anfang des Jahres 2010 27 Verkaufsstellen mit
insgesamt 107 Arbeitnehmern an.
4
Im Bezirk S2 kam es im Jahre 2007 erstmals zur Wahl eines Betriebsrats, dem
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens.
5
Die vormals zum Bezirk S2 gehörende Verkaufsstelle in K5 wurde zum 28.01.2009 von
der Firma A1 S1 geschlossen. Die Räumlichkeiten mietete sodann die Firma S1 X1
6
GmbH, die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens, an und eröffnete dort eine
Filiale. In neuen Regalen wird dort ein Warensortiment von ca. 12.000 Artikeln
angeboten – im Vergleich zu ca. 4.000 Artikeln, die zuvor in der Verkaufsstelle K5 der
Firma A1 S1 angeboten wurden. In der Filiale K5 sind fünf Arbeitnehmerinnen
eingesetzt, wovon eine zuvor bereits bei der Firma A1 S1 tätig war.
Die Arbeitgeberin, deren alleiniger Gesellschafter A1 S1 ist, wurde im Dezember 2008
gegründet. Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin war zuvor Geschäftsführerin der
Tochtergesellschaft der Firma A1 S1 in Österreich. Sowohl die Arbeitgeberin wie auch
die Firma A1 S1 haben ihren Sitz in E2, T1. 12-13, und verfügen über identische
Telefon- einschließlich der Nebenanschlüsse.
7
Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin ist dort mit zwei Sachbearbeitern tätig und
verwaltet die Personalakten von 1.500 bis 2.100 Arbeitnehmern – bei inzwischen ca.
300 Märkten mit jeweils fünf bis sieben Mitarbeitern. Der Geschäftsführung der
Arbeitgeberin sind deutschlandweit vier Vertriebsleitungen unterstellt, denen ihrerseits
die Regionalleitungen unterstellt sind. Die Regionalleitungen sind die Vorgesetzten der
Marktverantwortlichen bzw. Verkaufsverantwortlichen (VV), denen alle Mitarbeiter eines
Marktes, einer Filiale, unterstellt sind. Die Verkaufsverantwortlichen führen den Markt im
Rahmen allgemeiner Anweisungen, sie besitzen die Schlüsselgewalt, haben die
bedarfsgerechte Disposition der Waren zu gewährleisten und erstellen die Dienstpläne
vor Ort in den Märkten.
8
Die Firma A1 S1 unterhält in der Zentrale in E2 eine Personalabteilung mit ca. 20
Mitarbeitern. Daneben gibt es eine Lohnbuchhaltung, die auch die Aufgaben für die
Arbeitgeberin mit erledigt. Auch die Immobilienabteilung der Firma A1 S1 erbringt
Dienstleistungen für die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens.
9
Ob die Arbeitgeberin mit der Firma A1 S1 einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des
Betriebsverfassungsgesetzes bildet, ist zwischen den Beteiligten streitig. Hierüber
streiten die Beteiligten insbesondere in dem inzwischen eingeleiteten
Beschlussverfahren 1 BV 24/10 Arbeitsgericht Siegen. Kammertermin zur Anhörung der
Beteiligten ist auf den 01.02.2011 anberaumt.
10
Anfang des Jahres 2010 fanden im Bezirk Siegen der Firma A1 S1 Betriebsratswahlen
statt. Da der dort gebildete Wahlvorstand die Auffassung vertrat, die Arbeitgeberin bilde
mit der Firma A1 S1 einen gemeinsamen Betrieb, verlangte er im Wege der
einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin zur Erstellung einer Wählerliste die
Überlassung der erforderlichen Daten der fünf Arbeitnehmerinnen, die im Markt in K5
tätig waren. Nachdem der entsprechende Antrag des Betriebsrats durch Beschluss des
Arbeitsgerichts Siegen vom 04.03.2010 – 1 BVGa 2/10 – abgewiesen worden war,
wurde auf die Beschwerde des Wahlvorstandes dem Antrag durch Beschluss des
erkennenden Gerichts vom 30.03.2010 – 13 TaBVGa 8/10 Landesarbeitsgericht Hamm
– stattgegeben. Auf die Gründe des den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens
bekannten Beschlusses vom 30.03.2010 wird Bezug genommen.
11
Aufgrund eines Wahlausschreibens vom 15.04.2010 (Bl. 5 ff. d. A.), in dem es eingangs
heißt:
12
"Aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes ist im Betrieb S1 sowie S1 XL Bezirk
S2 (252) ein Betriebsrat zu wählen.
13
…"
14
fand die Betriebsratswahl am 28.05.2010 statt, in der der antragstellende Betriebsrat,
bestehend aus sieben Personen, gewählt wurde. Das Wahlergebnis wurde am
29.05.2010 (Bl. 7 d. A.) bekannt gemacht. Ob Mitarbeiter der Arbeitgeberin an der
Betriebsratswahl tatsächlich teilgenommen haben oder nicht, ist zwischen den
Beteiligten streitig.
15
Die Betriebsratswahl wurde weder von der Arbeitgeberin noch von der Firma A1 S1
angefochten.
16
Zum Bezirk S2 der Firma A1 S1 gehörte zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl auch die
Verkaufsstelle P1 der Gemeinde H1, in der vier Arbeitnehmerinnen tätig waren. Diese
Arbeitnehmerinnen wurden an der Betriebsratswahl vom 28.05.2010 beteiligt.
17
Im Juli 2010 wurde die Verkaufsstelle P1 geschlossen und ausgeräumt. Nach
Umbaumaßnahmen, die Verkaufsfläche wurde von ca. 200 auf etwa 450 qm vergrößert,
wurde der neue Drogeriemarkt P1 am 30.07.2010 von der Arbeitgeberin eröffnet. Die
vier zuvor bei der Firma A1 S1 in der Verkaufsstelle P1 beschäftigten Mitarbeiterinnen
wurden seit dem 26.07.2010 von der Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens mit
neuen Arbeitsverträgen eingestellt und in der Filiale P1 weiterbeschäftigt.
18
Im Zusammenhang mit der Neueröffnung der Filiale P1 leisteten die dort beschäftigten
Mitarbeiterinnen über ihre persönliche Arbeitszeit hinaus in erheblichem Umfang
Mehrarbeit, über die der antragstellende Betriebsrat nicht unterrichtet wurde und zu der
auch keine Zustimmung eingeholt wurde. Den Mitarbeitern wurde mitgeteilt, die
Mehrarbeit würde nicht ausbezahlt, diese Stunden würden vielmehr in ein
Arbeitszeitdepot eingehen. Der Betriebsrat machte daraufhin gegenüber der
Arbeitgeberin vergeblich sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG geltend.
19
In seiner Sitzung vom 17.08.2010 beschloss der Betriebsrat daraufhin, seine
Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen, die Interessen des Betriebsrats zu vertreten
"zwecks Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Depotstunden in
der XL-Filiale P1 in H1 mit Genehmigung der bereits eingereichten Antragsschrift". Auf
die Einladung vom 11.08.2010 (Bl. 167 d. A.) zur Betriebsratssitzung vom 17.08.2010,
die Teilnehmerliste der Betriebsratssitzung vom 17.08.2010 (Bl. 159 d. A.), das Protokoll
der Sitzung vom 17.08.2010 (Bl. 160 ff. d. A.) und die dort gefassten Beschlüsse (Bl. 164
d. A.) wird Bezug genommen.
20
Bereits am 12.08.2010 hatte der Betriebsrat durch seine Verfahrensbevollmächtigten
das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht eingeleitet, mit dem er
Unterlassungsansprüche geltend macht.
21
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin des vorliegenden
Verfahrens und die Firma A1 S1, für deren Verkaufsstellen er in seinem örtlichen
Zuständigkeitsbereich zweifellos zuständig sei, würden einen gemeinsamen Betrieb
führen. Hierzu verweist er auf seine Ausführungen in dem vorangegangenen
einstweiligen Verfügungsverfahren 1 BVGa 2/10 Arbeitsgericht Siegen = 13 TaBVGa
8/10 Landesarbeitsgericht Hamm. Seine Zuständigkeit für die Verkaufsstellen der
Arbeitgeberin im Bezirk S2 ergebe sich zudem daraus, dass die Arbeitgeberin die
22
durchgeführte Betriebsratswahl nicht angefochten habe. Insoweit hat er behauptet, die
Betriebsratswahl habe unter Einbeziehung der Mitarbeiter der Filiale K5 der
Arbeitgeberin stattgefunden.
Im Hinblick auf die ohne seine Zustimmung geleisteten Mehrarbeitsstunden in der
Filiale P1 sowie im Hinblick auf die offensichtliche Einrichtung eines Arbeitszeitkontos
habe die Arbeitgeberin die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr.
2, 3 und 10 BetrVG missachtet. Jedenfalls habe die Arbeitgeberin ihm Einsicht in die
aktuellen Lohn- und Gehaltslisten, insbesondere des vergangenen Monats, sowie in die
konkrete Arbeitszeit- und Pausenplanung zu gewähren, damit er seine allgemeinen
Überwachungsaufgaben ausüben könne.
23
Der Betriebsrat hat beantragt,
24
der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben,
25
1. es zu unterlassen,
26
a) in den von ihr im Bezirk S2 betriebenen Verkaufsstellen – hilfsweise in der
Verkaufsstelle P1, 53 H1 – Überstunden anzuordnen, zu dulden oder ihre
Leistung hinzunehmen,
27
b) ein Arbeitszeitkonto (Depot) zu führen, mit welchem über die individuelle
Arbeitszeit hinaus geleistete Stunden als Plusstunden gutgeschrieben und
dahinter zurückbleibende Stunden als Minusstunden belastet werden,
28
ohne dass der Betriebsrat dem zugestimmt hätte oder seine Zustimmung durch
einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden wäre,
29
hilfsweise
30
2. dem Betriebsrat Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten zu gewähren und ihm
die Zeiterfassungsnachweise zu übersenden.
31
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
32
die Anträge abzuweisen.
33
Sie hat die Auffassung vertreten, der antragstellende Betriebsrat sei für die
Drogeriefilialen der Arbeitgeberin nicht zuständig. Mit der Firma A1 S1 führe sie, die
Arbeitgeberin, keinen Gemeinschaftsbetrieb. Das jeweilige Direktionsrecht werde von
der Arbeitgeberin für die in ihren Filialen tätigen Mitarbeiter/innen und von der Firma A1
S1 jeweils selbständig wahrgenommen. Ein Personalaustausch zwischen der
Arbeitgeberin und der Firma A1 S1 finde nicht statt. Es gebe auch keine
Führungsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und der Firma A1 S1.
34
Dass die Betriebsratswahl nicht angefochten sei, sei für den vorliegenden Fall
unerheblich. Insoweit hat die Arbeitgeberin behauptet, Arbeitnehmer der Filiale K5
hätten an einer Betriebsratswahl im Unternehmen der Firma A1 S1, für die allein der
antragstellende Betriebsrat gewählt worden sei, gar nicht teilgenommen. Selbst wenn
dies aber der Fall gewesen sein sollte, wäre eine entsprechende Teilnahme ohne
35
Einfluss auf das Wahlergebnis gewesen mit der Folge, dass eine Wahlanfechtung von
vornherein unbegründet gewesen wäre.
Zudem fehle es dem Betriebsrat auch an einem Verfügungsgrund. Eine Vereitelung des
betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes der betroffenen Mitarbeiter sei nicht gegeben.
Vielmehr sei insoweit die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens zumutbar.
36
Durch Beschluss vom 02.09.2010 hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsanspruch
des Betriebsrats hinsichtlich der Anordnung, Duldung oder Hinnahme von Überstunden
in den von der Arbeitgeberin im Bezirk S2 betriebenen Verkaufsstellen stattgegeben
und die Anträge des Betriebsrats im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung der
stattgebenden Entscheidung hat das Arbeitsgericht unter anderem ausgeführt, der
Verfügungsanspruch ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, weil dem Betriebsrat bei
Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG ein Anspruch auf
Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zustehe. Unabhängig von der
Frage des Bestehens eines Gemeinschaftsbetriebes zwischen der Arbeitgeberin und
der Firma A1 S1 sei der Betriebsrat auch für die Arbeitnehmer der beteiligten
Arbeitgeberin in den von ihr im Bezirk S2 betriebenen Verkaufsstellen zuständig, weil
die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl vom 28.05.2010, bei der sich auch ihre
Mitarbeiter aus dem Bezirk S2 auf der Wählerliste befunden hätten, nicht angefochten
habe. Bei einer nicht angefochtenen Betriebsratswahl repräsentiere der Betriebsrat die
Belegschaft, die ihn mitgewählt habe. Selbst wenn der Betriebsrat unter Verkennung
des Betriebsbegriffs gewählt worden sein sollte, beeinträchtige dies seine
Funktionsfähigkeit und Zuständigkeit grundsätzlich nicht. Jedenfalls sei die Wahl nicht
nichtig. Auch für die Ausübung der Beteiligungsrechte gelte, dass die Einheit, für die der
Betriebsrat gewählt worden sei, einen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne
darstelle. Die Arbeitgeberin könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine
Anfechtung der Betriebsratswahl ihrerseits wäre von vornherein erfolglos gewesen. Die
richtige Einordnung des Betriebsbegriffs im Sinne der betriebsverfassungsrechtlichen
Wahlvorschriften sei ein wesentlicher Bestandteil einer rechtswirksamen Wahl. Eine
nicht angefochtene Betriebsratswahl bewirke, dass der Betriebsrat die Belegschaft
repräsentiere, die ihn gewählt habe. Dies habe auch Einfluss auf den Betriebsbegriff
und den Umfang des Zuständigkeitsbereichs des neu gewählten Betriebsrats.
37
Gegen den der Arbeitgeberin am 13.09.2010 zugestellten Beschluss, auf dessen
Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 16.09.2010
Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.
38
Der Betriebsrat, dem der erstinstanzliche Beschluss ebenfalls am 13.09.2010 zugestellt
worden ist, hat seinerseits mit Schriftsatz vom 04.10.2010, beim Landesarbeitsgericht
eingegangen am 05.10.2010 Anschlussbeschwerde eingelegt und zur Begründung
ausgeführt, aus den in der ersten Instanz im Einzelnen vorgetragenen Gründen habe die
Arbeitgeberin auch die Führung eines Arbeitszeitkontos unterlassen, jedenfalls sei dem
Betriebsrat Einsicht in Lohn- und Gehaltslisten zu gewähren und ihm die
Zeiterfassungsnachweise zu übersenden.
39
Die Arbeitgeberin, die die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats für unzulässig hält, ist
unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter der
Auffassung, der Betriebsrat sei für die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in den von ihr im
"Bezirk S2" betriebenen Drogeriemärkten nicht zuständig. Die Arbeitgeberin habe keine
Bezirke, auch keinen Bezirk S2. Sie habe auch keine Verkaufsstellen. Der
40
Zuordnungstarifvertrag, der von der Firma A1 S1 abgeschlossen worden sei, habe für
sie keine Geltung. Es habe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch keine
Betriebsratswahl für einen "Gemeinschaftsbetrieb" stattgefunden. Dies ergebe sich auch
nicht aus dem Wahlausschreiben vom 15.04.2010. Es müsse darüber hinaus mit
Nichtwissen bestritten werden, dass Arbeitnehmer der Arbeitgeberin auf einer
Wählerliste des Wahlvorstands zur Wahl des antragstellenden Betriebsrats aufgelistet
gewesen seien. Auch aus der Bekanntmachung des Wahlergebnisses vom 29.05.2010
ergebe sich nicht, dass die Betriebsratswahl etwa auch für einen Drogeriemarkt der
Arbeitgeberin durchgeführt worden wäre. Tatsächlich habe eine Betriebsratswahl
lediglich im Betrieb "Bezirk S2" der Firma A1 S1 stattgefunden.
Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl seien die Mitarbeiter der Verkaufsstelle P1
Arbeitnehmer der Firma A1 S1 gewesen, nicht Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Sie
hätten lediglich als Arbeitnehmer der Firma A1 S1 an der Betriebsratswahl
teilgenommen. Für die Arbeitnehmer des nunmehr von der Arbeitgeberin betriebenen
Drogeriemarkts P1 sei der antragstellende Betriebsrat nicht gewählt worden.
41
Auch einer Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG seitens der Arbeitgeberin habe es nicht
bedurft. Kein Arbeitnehmer der Arbeitgeberin hätte an der Wahl des antragstellenden
Betriebsrats teilgenommen. Aus diesem Grunde wäre eine Wahlanfechtung von
vornherein unbegründet gewesen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Wahlanfechtung
sei es, dass ein wesentlicher Verstoß zu einem anderen Wahlergebnis geführt habe
oder habe führen können. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, auch wenn die
Verkennung des Betriebsbegriffs einen Anfechtungsgrund darstelle.
42
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Arbeitgeberin ihre Auffassung, sie bilde mit der
Firma A1 S1 tatsächlich keinen Gemeinschaftsbetrieb.
43
Schließlich ist die Arbeitgeberin der Auffassung, auch ein Verfügungsgrund liege nicht
vor. Die betroffenen Mitarbeiter seien nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung
in ausreichender Weise geschützt. Ginge man von einem Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats aus, wären die betroffenen Mitarbeiter nicht verpflichtet, Mehrstunden zu
leisten.
44
Die Arbeitgeberin beantragt,
45
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegen vom 02.09.2010
– 2 BVGa 10/10 – die Anträge des Betriebsrats insgesamt zurückzuweisen.
46
Der Betriebsrat beantragt,
47
1. die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen,
48
2. unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Siegen vom
02.09.2010 – 2 BVGa 10/10 –
49
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, ein Arbeitszeitkonto (Depot)
zu führen, mit welchem über die individuelle Arbeitszeit hinaus geleistete
Stunden als Plusstunden gutgeschrieben und dahinter zurückbleibende
Stunden als Minusstunden belastet werden, ohne dass der Betriebsrat dem
zugestimmt hätte oder seine Zustimmung durch einen Spruch der
50
Einigungsstelle ersetzt worden wäre,
hilfsweise,
51
dem Betriebsrat Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten zu gewähren und ihm
die Zeiterfassungsnachweise zu übersenden.
52
Der Betriebsrat verteidigt den von der Arbeitgeberin angefochtenen Beschluss des
Arbeitsgerichts und ist nach wie vor der Auffassung, die Arbeitgeberin bilde mit der
Firma A1 S1 einen Gemeinschaftsbetrieb.
53
Dass ein Gemeinschaftsbetrieb bestehe, ergebe sich schon daraus, dass die
Verkaufsstelle P1 aus dem Betrieb der Firma A1 S1, dem Bezirk S2 mit 27
Verkaufsstellen, ausgegliedert worden sei. Auch aus diesem Grund sei ein
Gemeinschaftsbetrieb anzunehmen. Die Verkaufsstellen der Arbeitgeberin im hiesigen
Gebiet seien örtlich dem Bezirk S2 zuzuordnen, aus dem sie als Verkaufsstellen der
Firma A1 S1 hervorgegangen seien.
54
Im Übrigen habe sich die Zuordnungsfrage dadurch erledigt, dass die Arbeitgeberin die
Betriebsratswahl nicht angefochten habe. Dies habe das Arbeitsgericht zu Recht
entschieden. Bestandteil des Wahlergebnisses sei, ob sich die Wahl auf die
Beschäftigten der Arbeitgeberin, die im Bezirk S2 tätig seien, erstrecke. Dies hätte die
Arbeitgeberin im Anfechtungsverfahren geltend machen müssen.
55
Die Arbeitgeberin beantragt,
56
die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
57
Die Beschwerdekammer hat die Akten 1 BVGa 2/10 Arbeitsgericht Siegen = 13
TaBVGa 8/10 Landesarbeitsgericht Hamm informationshalber beigezogen. Auf den
Inhalt dieser Akten wird ebenso Bezug genommen wie auf den weiteren Inhalt der von
den Beteiligten gewechselten Schriftsätze.
58
B
59
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet.
60
Demgegenüber erweist sich die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats als unzulässig.
61
I.
62
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig. Sie ist an sich statthaft und form- und
fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 1
und 2, 89 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG.
63
2. Demgegenüber ist die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats, der mit seiner
Beschwerde seine erstinstanzlich aberkannten Anträge weiterverfolgt, unzulässig.
64
Der Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde des Betriebsrats steht zwar nicht entgegen,
dass die Beschwerde des Betriebsrats, die er mit Schriftsatz vom 04.10.2010 erhoben
hat, nicht ausdrücklich als Anschlussbeschwerde bezeichnet worden ist (BAG
65
30.05.2006 – 1 AZR 111/05 – AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 23, Rn. 42; BAG
10.03.2009 – 1 ABR 93/07 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127, Rn. 23).
Die Beschwerdekammer konnte auch offenlassen, ob der Betriebsrat mit Schriftsatz vom
04.10.2010 eine eigene Beschwerde nach den §§ 87 ff. ArbGG oder eine
Anschlussbeschwerde einlegen wollte. In jedem Fall fehlt es nämlich an einer für die
Zulässigkeit einer Beschwerde bzw. Anschlussbeschwerde erforderlichen
ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung nach § 89 Abs. 2 ArbGG.
66
a) Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Beschwerdebegründung angeben, auf
welche im Einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen
Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Der Rechtsmittelführer muss, bezogen auf den
zur Entscheidung stehenden Teil zu erkennen geben, in welchen bestimmten Punkten
tatsächlicher oder rechtlicher Art die angefochtene Entscheidung seiner Ansicht nach
unrichtig sein soll und welche Gründe er ihm entgegensetzt. Die das Rechtsmittel
einlegende Partei muss zu den Gründen substantiiert Stellung nehmen, aus denen sie
die Vorinstanz abgewiesen oder stattgegeben hat. Bekämpft der Beschwerdeführer in
erster Linie die rechtliche Auffassung der vorinstanzlichen Entscheidung, so hat er seine
gegenteiligen Ansichten im Einzelnen darzulegen. Es muss eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung stattfinden. Eine
Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen genügt nicht. Dies gilt auch im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (BAG 31.10.1972 – 1 ABR 4/72 – AP ArbGG
1953 § 89 Nr. 7; zuletzt: BAG 08.10.2008 – 5 AZR 526/07 – AP ZPO § 520 Nr. 1; BAG
28.05.2009 – 2 AZR 223/08 – AP ZPO § 520 Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting/
Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 89 Rn. 29).
67
Für die Begründung einer Anschlussbeschwerde nach den §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2 Satz
2, 64 Abs. 6 ArbGG, 520, 524 Abs. 3 ZPO gilt nichts anderes.
68
b) Diesen Anforderungen genügt der Inhalt der Beschwerdebegründung vom
04.10.2010 hinsichtlich der vom Arbeitsgericht abgewiesenen Anträge des Betriebsrates
nicht. Inhaltlich befasst sich der Schriftsatz des Betriebsrates lediglich mit der
Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin. Demgegenüber hat das Arbeitsgericht in der
angefochtenen Entscheidung die Abweisung des Antrages zu 1. b) und des
Hilfsantrages im Einzelnen mit dem Fehlen eines Verfügungsgrundes begründet. Mit
dieser Begründung setzt sich die Beschwerdebegründung des Betriebsrates im
Schriftsatz vom 04.10.2010 nicht auseinander. Der bloße Bezug des Betriebsrates auf
sein insoweit in erster Instanz erfolgtes Vorbringen ist unzureichend. Aus welchen
Gründen hinsichtlich der abgewiesenen Anträge ein Verfügungsgrund bestehen soll,
den das Arbeitsgericht verneint hat, hat der Betriebsrat mit der Beschwerdebegründung
vom 04.10.2010 nicht vorgetragen. Die Beschwerdebegründung setzt sich mit den
Gründen des arbeitsgerichtlichen Beschlusses unter B. II. 3. nicht in ausreichender
Weise auseinander.
69
II.
70
Soweit das Arbeitsgericht dem Unterlassungsantrag des Betriebsrates stattgegeben hat,
ist die Beschwerde der Arbeitgeberin unbegründet.
71
1. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrates ist zulässig.
72
a) Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zulässigerweise im arbeitsrechtlichen
Beschlussverfahren, §§ 2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine
betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Frage, ob die
Arbeitgeberin durch die Anordnung oder Duldung von Überstunden/Mehrarbeit das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verletzt hat.
73
Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen
Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
74
b) Die Antragsbefugnis des Betriebsrates und die Beteiligung der Arbeitgeberin am
vorliegenden Verfahren folgt aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
75
c) Dem Antrag des Betriebsrates fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit
im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
76
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
entsprechende Anwendung findet (zuletzt: BAG 10.03.2009 – 1 ABR 87/07 – AP BetrVG
1972 § 87 Nr. 16), muss ein Antrag im Beschlussverfahren die Maßnahme, hinsichtlich
derer ein Mitbestimmungsrecht reklamiert oder in Abrede gestellt wird, so präzise
bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit
Rechtskraftwirkung entschieden werden kann (BAG 30.05.2006 – 1 ABR 17/05 – AP
BetrVG 1972 § 118 Nr. 80). Streiten die Beteiligten eines Beschlussverfahrens um ein
Mitbestimmungsrecht, muss der Antragsteller des Beschlussverfahrens die Maßnahme
des Arbeitgebers oder den betrieblichen Vorgang, hinsichtlich dessen das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates streitig ist, so genau bezeichnen, dass mit der
Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche Maßnahme oder Vorgänge das
Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist.
77
Diesen Anforderungen genügt der vom Betriebsrat gestellte Unterlassungsantrag. Der
Unterlassungsantrag beschreibt die Maßnahmen, die die Arbeitgeberin im Einzelnen
unterlassen soll, nämlich Überstunden ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates
anzuordnen, zu dulden oder ihre Leistung hinzunehmen. Soweit die Arbeitgeberin
zweitinstanzlich darauf hingewiesen hat, dass sie keine Verkaufsstellen wie die Firma
A1 S1 habe und in ihrem Betrieb auch kein Bezirk S2 existiere, führt dies nicht dazu,
dass die vom Betriebsrat begehrte Unterlassung nicht genügend bestimmt wäre. Auch
wenn es im Betrieb der Arbeitgeberin einen Bezirk S2 nicht gibt, lässt der Antrag des
Betriebsrates doch erkennen, dass er sein Mitbestimmungsrecht in all denjenigen
Betriebsteilen der Arbeitgeberin – seien es Verkaufsstellen, Drogeriemärkte, Filialen –
wahrnehmen will, die sich im Bezirk S2 der Firma A1 S1 befinden. Dies ist für die
Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausreichend.
78
d) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch entschieden, dass die Anträge des
Betriebsrates nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrates
zur Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten mit der Durchführung des
vorliegenden Beschlussverfahrens unzulässig sind.
79
Ein solcher Beschluss ist sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen
Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich (BAG 05.04.2000 – 7 ABR 6/99 – AP
BetrVG 1972 § 78 a Nr. 33; BAG 09.12.2003 – 1 ABR 44/02 – AP BetrVG 1972 § 33 Nr.
1; BAG 20.04.2005 – 7 ABR 44/04 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 30; BAG 30.09.2008 – 1
ABR 54/07 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 71 m.w.N.). Das Vorliegen eines
80
entsprechenden Beschlusses des Betriebsrates ist Voraussetzung für die Einleitung
eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens. Fehlt es daran, ist der Betriebsrat
gerichtlich nicht wirksam vertreten, es kommt kein Prozessrechtsverhältnis zustande.
Für den Betriebsrat gestellte Anträge wären unbeachtlich und als unzulässig
abzuweisen.
Im vorliegenden Verfahren war aber davon auszugehen, dass der Betriebsrat die
Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten
wirksam beschlossen hat. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss
im Einzelnen zutreffend begründet. Auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen
Beschlusses unter B. I. 4. kann insoweit Bezug genommen werden. Mit der Beschwerde
hat die Arbeitgeberin hiergegen keine Einwendungen erhoben.
81
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch begründet.
82
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich bereits aus einem Verstoß der
Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3
BetrVG.
83
a) Grundsätzlich steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung von
mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte
des Betriebsrates aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe
Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG
03.05.1994 – 1 ABR 24/93 – AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAG 23.07.1996 – 1 ABR
13/96 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 68; BAG 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 – AP
BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105; BAG 27.01.2004 – 1 ABR 7/03 – AP BetrVG
1972 § 87 Überwachung Nr. 40; BAG 24.04.2007 – 1 ABR 47/06 – AP BetrVG 1972 §
87 Arbeitszeit Nr. 124; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl.,
§ 87 Rn. 610 und § 23 Rn. 99 ff.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 87 Rn. 316;
ErfK/Kania, 10. Aufl., § 87 BetrVG Rn. 138; GK-BetrVG/Oetker, 9. Aufl., § 23 Rn. 126 ff.,
132 f.; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rn. 32 ff. m.w.N.). Auch die beim
Beschwerdegericht zuständigen Kammern haben einen Unterlassungsanspruch des
Betriebsrates bei Verstoß gegen Mitbe-stimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG stets
bejaht (LAG Hamm 06.02.2001 – 13 TaBV 132/00 – AiB 2001, 488; LAG Hamm
14.01.2005 – 10 TaBV 85/04 -; LAG Hamm 04.08.2006 – 10 TaBV 53/06 - ).
84
Im vorliegenden Fall ist die Durchführung von Mehrarbeit jedenfalls anlässlich der
Eröffnungsaktion im Drogeriemarkt P1 in erheblichem Umfang seitens der Arbeitgeberin
nicht in Abrede gestellt worden. Die Zustimmung des antragstellenden Betriebsrates
hierzu ist nicht eingeholt worden.
85
Aus der in der Vergangenheit ohne Zustimmung des Betriebsrates angeordneten oder
geduldeten Mehrarbeit ergibt sich auch eine Wiederholungsgefahr. Für diese besteht
eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass besondere Umstände einen neuen
Eingriff unwahrscheinlich machen (BAG 29.02.2000 – 1 ABR 4/99 – AP BetrVG 1972 §
87 Lohngestaltung Nr. 105). Derartige Umstände hat die Arbeitgeberin im vorliegenden
Verfahren nicht vorgetragen.
86
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ist der antragstellende Betriebsrat
auch für die Arbeitnehmer der beteiligten Arbeitgeberin in den von ihr im Bezirk S2
(Bezirk der Firma A1 S1) betriebenen Verkaufsstellen/Drogeriemärkte zuständig.
87
Dabei konnte auch die Beschwerdekammer offenlassen, ob zwischen dem Betrieb der
Arbeitgeberin und den von der Firma A1 S1 kraft Zuordnungstarifvertrag gebildeten
Bezirken ein Gemeinschaftsbetrieb gebildet worden ist. Die Beschwerdekammer hat
auch offengelassen, ob sich die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrates auch
für die Verkaufsstelle/Filiale P1 allein aufgrund der Tatsache ergibt, dass die
Betriebsratswahl vom 28.05.2010 von der Arbeitgeberin nicht angefochten worden ist.
Nach Auffassung der Beschwerdekammer stehen nämlich in jedem Fall - jedenfalls
zurzeit - auch für die Mitarbeiter der Verkaufsstelle/Filiale P1 kraft Übergangsmandats
gemäß § 21 a BetrVG die Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG dem
antragstellenden Betriebsrat zu.
88
aa) Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Arbeitsgericht in der
angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der antragstellende Betriebsrat
für die Verkaufsstelle/Filiale K5 deshalb zuständig ist, weil die Betriebsratswahl vom
28.05.2010 nicht angefochten worden ist.
89
Bei einer nicht angefochtenen Betriebsratswahl repräsentiert der Betriebsrat die
Belegschaft, die ihn mitgewählt hat. Selbst wenn der Betriebsrat unter Verkennung des
Betriebsbegriffs gewählt worden sein sollte, beeinträchtigt dies seine Funktionsfähigkeit
und Zuständigkeit grundsätzlich nicht. Nur ausnahmsweise, im Falle der Nichtigkeit der
Wahl – die vorliegend aber nicht gegeben ist – , gilt etwas anderes. Es würde dem
Erfordernis der Rechtssicherheit, dem § 19 BetrVG dient, widersprechen, wenn bei
Ausübung eines jeden einzelnen Beteiligungsrechts jeweils zu klären wäre, ob der
gewählte Betriebsrat überhaupt für den Betrieb im Sinne des
Betriebsverfassungsgesetzes gewählt bzw. zuständig ist. Ein Rechtsverstoß, der eine
Wahlanfechtung begründen würde, wird unbeachtlich, wenn keine Wahlanfechtung
erfolgt ist. Auch für die Ausübung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates muss die
Annahme gelten, dass die Einheit, für die der Betriebsrat gewählt worden ist, einen
Betrieb im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt (BAG 13.01.1991 –
7 ABR 8/91 – AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 9; BAG 27.06.1995 – 1 ABR 62/94 – AP BetrVG
1972 § 4 Nr. 7; BAG 03.06.2004 – 2 AZR 577/03 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141;
Fitting, aaO., § 19 Rn. 36, 50; GK-BetrVG/Kreutz, § 19 Rn. 15, 76; WPK/Wlotzke, a.a.O.,
§ 19 Rn. 1, 17; Haas, FA 2010, 219 m.w.N.).
90
Hiernach muss davon ausgegangen werden, dass der am 28.05.2010 gewählte
Betriebsrat mangels Anfechtung der Wahl auch für die Verkaufsstelle/Filiale K5
zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen der
Arbeitgeberin und der Firma A1 S1 vorliegt. Die unter Einschluss der Mitarbeiter der
Verkaufsstelle/Filiale K5 stattgefundene Betriebsratswahl ist unstreitig nicht angefochten
worden. Die – mögliche – Verkennung des Betriebsbegriffs führt jedenfalls nicht zu
Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 28.05.2010 (BAG 13.09.1984 – 6 ABR 43/83 – AP
BetrVG 1972 § 1 Nr. 3; BAG 27.06.1995 – 1 ABR 62/94 – AP BetrVG 1972, § 4 Nr. 7;
BAG 19.11.2003 – 7 AZR 11/03 – AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 19;
LAG Hamm 14.03.2005 – 10 TaBV 31/05 – NZA-RR 2005, 373; Fitting, a.a.O., § 19 Rn.
22; DKK/Schneider, a.a.O., § 19 Rn. 9; GK-BetrVG/Kreutz, a.a.O., § 19 Rn. 30, 139
m.w.N.).
91
Auf die Frage, ob Mitarbeiter der Verkaufsstelle/Filiale K5 an der Betriebsratswahl vom
28.05.2010 teilgenommen haben, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Weder
die Arbeitgeberin noch die anfechtungsberechtigten Mitarbeiter der
92
Verkaufsstelle/Filiale K5 haben die Betriebsratswahl vom 28.05.2010 angefochten.
Nach dem Wahlausschreiben vom 15.04.2010 ist jedenfalls im Betrieb der Firma A1 S1
sowie S1 XL Bezirk S2 (252) der antragstellende Betriebsrat gewählt worden. Das
Arbeitsgericht hat insoweit im Übrigen auch zu Recht darauf hingewiesen, dass das
Wahlverhalten einzelner Mitarbeiter ohnehin nicht im gerichtlichen Verfahren
nachgeprüft werden kann (BAG 06.07.1956 - AP BetrVG § 27 Nr. 4; BAG 20.02.2008 - 7
ABN 95/07 - n.v.; LAG Hamm 17.12.2008 - 10 TaBV 137/07 - n.v.; Fitting, a.a.O., § 14
Rn. 15; GK/Kreutz, a.a.O., § 14 Rn. 20; DKK/Schneider, a.a.O., § 14 Rn. 12;
WPK/Wlotzke, a.a.O., § 14 Rn. 5 m.j.w.N.).
bb) Ob diese Erwägungen, die für die bereits zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl am
28.05.2010 übergegangene Verkaufsstelle/Filiale K5 gelten, auch für die erst im Juli
2010 übergegangene Verkaufsstelle/Filiale P1 zutreffen und Geltung beanspruchen
können oder ob das Mandat des antragstellenden Betriebsrates für die Verkaufsstelle
P1 infolge einer betrieblichen Umorganisation, die eine Änderung der bisherigen
Betriebsidentität zur Folge hatte, mit dem Wegfall der bisherigen Betriebsidentität der
Verkaufsstelle P1 sein Ende gefunden hat (BAG 23.11.1988 – 7 AZR 121/88 – AP BGB
§ 613 a Nr. 77; BAG 18.10.2000 – 2 AZR 494/99 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 49), konnte
die Beschwerdekammer offenlassen. Dem antragstellenden Betriebsrat steht nämlich in
jedem Fall für die Verkaufsstelle/Filiale P1 zurzeit – noch – ein Übergangsmandat nach
§ 21 a Abs. 1 BetrVG zu.
93
Nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG bleibt im Falle einer Spaltung eines Betriebes dessen
Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten
Betriebsteile weiter, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und
nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht.
94
Unter Betriebsspaltung ist die Teilung des Betriebes (insgesamt oder nur Absonderung
von Teilen des Betriebes) in tatsächlicher Hinsicht und – bei
unternehmensübergreifender Spaltung – auch in rechtlicher Hinsicht zu verstehen. Die
vor der Spaltung bestehende einheitliche Betriebsorganisation wird dadurch aufgelöst
oder verändert, dass alle oder nur bestimmte Teile des Betriebes als eigenständige
Betriebe fortgeführt oder in einen oder mehrere andere Betriebe eingegliedert oder aber
auch nach der Spaltung nach Abs. 2 mit anderen Betrieben oder Betriebsteilen zu
einem Betrieb zusammengefasst werden. Eine Betriebsteilabspaltung im Sinne des §
21 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt insbesondere dann vor, wenn vom Ursprungsbetrieb nur
ein oder mehrere (zumeist kleinere) Betriebsteile oder –bereiche abgespalten werden
und diese als eigenständige betriebsratsfähige Betriebe fortgeführt oder nach der
Abspaltung in einen oder mehrere andere Betriebe eingegliedert oder mit anderen
Einheiten zu einem Betrieb zusammengefasst werden. In einem derartigen Fall übt der
weiter bestehende Betriebsrat neben seinem "normalen Mandat" ein Übergangsmandat
aus, und zwar für den oder die abgespaltenen Betriebsteile, die als eigenständige
betriebsratslose Betriebe fortgeführt und nicht in einen anderen Betrieb eingegliedert
werden, in dem ein Betriebsrat besteht (WPK/Wlotzke, a.a.O., § 21 a Rn. 10, 11; Fitting,
a.a.O., § 21 a Rn. 9, 9 a m.w.N.).
95
So liegt der vorliegende Fall. Aus dem Bezirk S2 der Firma A1 S1, der nach dem
Zuordnungstarifvertrag von 1995 einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
bildete, ist ein Betriebsteil oder –bereich abgespalten worden, nämlich die
Verkaufsstelle/Filiale P1. Diese Verkaufsstelle/Filiale P1 ist nunmehr einem anderen
Leitungsapparat, nämlich dem der Arbeitgeberin unterstellt worden. Die
96
Verkaufsstelle/Filiale P1 untersteht nicht mehr dem Bezirksleiter S2 und dem
Verkaufsbüro D2 der Firma A1 S1, in der Filiale P1 ist nunmehr ein
Marktverantwortlicher bzw. Verkaufsverantwortlicher tätig, der der Regionalleitung bzw.
der Vertriebsleitung der Arbeitgeberin unterstellt ist. Dies ergibt sich aus dem eigenen
Vorbringen der Arbeitgeberin. Die ursprüngliche Verkaufsstelle P1 der Firma A1 S1 ist
insoweit in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert worden, in dem ein Betriebsrat
nicht besteht. Der Ursprungsbetrieb, der Bezirk S2 der Firma A1 S1, ist dabei in seiner
Identität bestehen geblieben, der hier gewählte Betriebsrat nach wie vor im Amt. Er
nimmt lediglich für den abgespaltenen Betriebsteil bzw. –bereich P1 ein
Übergangsmandat wahr, weil weder in dem abgespaltenen Betriebsteil, der Filiale P1,
noch im Betrieb der Arbeitgeberin ein Betriebsrat besteht (WPK/Wlotzke, a.a.O:, § 21 a
Rn. 11; Fitting, a.a.O., § 21 a Rn. 9 a; DKK/Buschmann, a.a.O., § 21 a Rn. 31; Rieble,
NZA 2002, 234, 235; einschränkend: Richardi/Thüsing, BetrVG, 11. Aufl., § 21 a, Rn. 4
ff., 6). Soweit vertreten wird, dass § 21 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur solche betrieblichen
Organisationsänderungen durch Spaltung erfasse, bei denen der Ursprungsbetrieb
seine Identität verliere und untergehe, wird verkannt, dass der Schutz der betroffenen
Arbeitnehmer durch ein Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 bei jeder
Betriebsspaltung besteht, sofern nicht die Ausnahmevoraussetzungen nach dem 2.
Halbsatz des § 21 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt sind (GK-Kreutz, a.a.O., § 21 a Rn. 18;
Rieble, NZA 2002, 234, 235; WPK/Wlotzke, a.a.O., § 21 a Rn. 11).
Die Arbeitgeberin kann auch nicht darauf verweisen, dass in ihrem Betrieb ein Bezirk S2
nicht existiert und sie auch nicht an den Zuordnungstarifvertrag, der für die Firma A1 S1
abgeschlossen worden ist, gebunden ist. Auch Gemeinschaftsbetriebe sowie die durch
kollektiv-rechtliche Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 3 BetrVG gebildeten
Organisationseinheiten, die nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG ebenfalls als Betriebe gelten,
können gespalten werden (Fitting, a.a.O., § 21 a Rn. 9; GK/Kreutz, a.a.O., § 21 a Rn. 17;
ErfK/Koch, a.a.O., § 21 a BetrVG Rn. 2).
97
Nach alledem ist der antragstellende Betriebsrat mindestens aufgrund des ihm
zustehenden Übergangsmandats nach § 21 a Abs. 1 BetrVG zurzeit für die Filiale P1
der Arbeitgeberin zuständig. Die Rechte und Pflichten des antragstellenden
Betriebsrates aus diesem zeitlich befristeten Übergangsmandat sind nicht
eingeschränkt. Der Betriebsrat ist berechtigt und verpflichtet, alle Aufgaben und
Beteiligungsrechte wahrzunehmen, die er hätte, wenn er in dem von ihm bislang
betreuten Betriebsteil bzw. –bereich – Verkaufsstelle/Filiale P1 – zum Betriebsrat
gewählt worden wäre. Hierzu gehören auch die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1
BetrVG.
98
3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch einen
Verfügungsgrund angenommen.
99
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines
Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
Zur Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein.
Angesichts der Tatsache, dass die auf Unterlassung oder Rückgängigmachung
gerichtete einstweilige Verfügung Erfüllungswirkung hat, ist eine umfassende
Interessenabwägung erforderlich. Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft
gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur
Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige
Regelung zu treffen (LAG Hamm 19.04.1984 – 8 Sa 702/84 – LAGE GG Art. 9
100
Arbeitskamp Nr. 14 = NZA 1984, 130; LAG Hamm 17.03.1987 – 8 Sa 484/87 – LAGE
GG Art. 9 Arbeitskamp Nr. 39 = DB 1987, 846; LAG Hamm 06.02.2001 – 13 TaBV
132/00 – AiB 2001, 488). Dabei ist auch das Gewicht des drohenden Verstoßes und die
Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für die Arbeitgeberin und
andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen (BAG 03.05.1994 – 1
ABR 24/93 – AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23). Das durch eine Unterlassungsverfügung zu
sichernde Beteiligungsrecht des Betriebsrates ist kein subjektives absolutes Recht,
sondern eine Berechtigung, zum Schutz der Arbeitnehmer durch Ausübung des
jeweiligen Beteiligungsrechts mitgestaltend tätig zu werden. Für die Feststellung eines
Verfügungsgrundes kommt es daher nicht allein darauf an, ob dem Betriebsrat die
Ausübung seiner Beteiligungsrechte ganz oder jedenfalls für die Vergangenheit
unmöglich gemacht wird, sondern auch darauf, ob für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer
mitbestimmten Regelung der damit bezweckte Schutz der Arbeitnehmer
unwiederbringlich vereitelt wird. Bei der Abwägung der verschiedenen Interessen
können die Anforderungen an einen Verfügungsgrund umso geringer sein, desto
schwerer und offensichtlicher die drohende oder bestehende Rechtsverletzung ist (LAG
Köln 24.11.1998 – 13 Sa 940/98 – NZA 1999, 1008; LAG Hamm 12.12.2001 – 10 Sa
1741/01 – NZA-RR 2003, 311; LAG Hamm 26.02.2007 – 10 TaBVGa 7/07 -).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen
Beschluss das Vorliegen eines Verfügungsgrundes bejaht. Auf die dort gemachten
Ausführungen kann Bezug genommen werden. Zu Recht weist das Arbeitsgericht
insbesondere darauf hin, dass das mögliche Interesse der Arbeitgeberin einer
Beibehaltung einer offensichtlich rechtswidrigen Verfahrensweise rechtlich nicht
schützenswert ist (LAG Baden-Württemberg 05.08.2005 – 5 TaBV 5/05 – AiB 2006,
389). Auch nach Auffassung der Beschwerdekammer besteht – jedenfalls derzeit – ein
Mitbestimmungsrecht des antragstellenden Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG auch
hinsichtlich der Verkaufsstelle/Filiale P1. Insoweit ist es nicht hinnehmbar, dass die
betroffenen Arbeitnehmer dieser Filiale bis zur rechtskräftigen Klärung in einem
Hauptsachverfahren unwiederbringlich auf den betriebsverfassungsrechtlichen Schutz
verzichten müssten. Der Betriebsrat ist auf den Erlass der begehrten einstweiligen
Verfügung auch deshalb dringend angewiesen, da ohne Erlass ihm ein endgültiger
Rechtsverlust hinsichtlich seiner Mitbestimmungsrechte jedenfalls bis zum Ablauf der
sechsmonatigen Frist des § 21 a Abs. 1 Satz 3 BetrVG droht. Bereits hieraus ergibt sich
die Notwendigkeit und Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Verfügung. Auch im
Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer war die Arbeitgeberin nicht bereit, ein
Übergangsmandat des antragstellenden Betriebsrates befristet anzuerkennen.
101
Die Arbeitgeberin kann auch nicht darauf verweisen, dass die Anordnung von
Überstunden gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern bei fehlender Mitbestimmung
des Betriebsrates ohnehin unverbindlich sei und die betroffenen Mitarbeiter nach der
Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung nicht verpflichtet seien, Mehrstunden zu leisten.
Ein rechtlich anerkennenswertes Interesse der Arbeitgeberin an der Abweisung der
Anträge des Betriebsrates besteht schon deshalb nicht, weil nicht der Betriebsrat,
sondern die Arbeitgeberin sich mitbestimmungswidrig und damit rechtswidrig verhält.
Auf die Unverbindlichkeit einer etwaigen Anordnung von Überstunden kann die
Arbeitgeberin sich mindestens dann nicht berufen, wenn sie den betroffenen
Mitarbeitern nicht einmal mitteilt, dass ihre Weisung rechtswidrig und damit
unverbindlich ist.
102
III.
103
Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3
ArbGG.
104