Urteil des LAG Hamm vom 05.11.2010

LArbG Hamm (kläger, era, vermögensrechtliche streitigkeit, tätigkeit, erfüllung, ivv, abstimmung, kooperation, ige, ausbildung)

Landesarbeitsgericht Hamm, 13 Sa 468/10
Datum:
05.11.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Sa 468/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bochum, 2 Ca 1292/09
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 4 AZN 95/11
Schlagworte:
Gegenstandswert im Beschlussverfahren; vermögensrechtliche
Streitigkeit; Freistellung zur Teilnahme an Schulungsveranstaltung;
identischer Streitgegenstand; Haupt- und Hilfsantrag
Normen:
§§ 23, 33 Abs. 3 RVG, § 45 Abs. 1 GKG, § 5 ZPO, §§ 37 Abs. 6, 40 Abs.
1 BetrVG
Leitsätze:
Bei dem Antrag des Betriebsrats auf Freistellung eines
Betriebsratsmitglieds unter Fortzahlung der Vergütung zwecks
Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung handelt es sich um eine
vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 RVG.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum
vom 19.01.2010 – 2 Ca 1292/09 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers, der daneben die
Zahlung daraus resultierender Vergütungsdifferenzen verlangt.
2
Der am 04.06.1970 geborene Kläger, ein ausgebildeter Kunststoffformgeber mit einer
Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker, Schwerpunkt Betriebstechnik, ist seit
dem 23.01.1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Firma A1 O1,
beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Tarifwerk für die Metall- und
Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung.
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Die Beklagte erbringt logistische Dienstleistungen für die A1 O1 GmbH in Form des
Vereinnahmens sowie Ein- und Auslagerns von Teilen und Zubehör für das O1-
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Händler-Netz.
Der Kläger kommt in der Abteilung Identifikation, Verpackungs- und
Verkaufsfähigkeitsprüfung (IVV), die Bestandteil der Qualitätsgruppe Service T & Z ist,
zum Einsatz. Die von ihm vorzunehmende Identitätsprüfung (Fehlerermittlung) erfolgt
anhand technischer Zeichnungen. Der Kläger entscheidet nach einem Vergleich, ob ein
Teil den Vorgaben entspricht und einwandfrei verpackt ist; teilweise erfolgt die
Bearbeitung dabei in englischer Sprache. Er hat sich nach den von der Beklagten
herausgegebenen QM-Arbeitsanweisungen (Bl. 59 ff. d.A.) zu richten.
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In einem Memo der A1 O1 AG vom 18.06.2001 (Bl. 54 ff. d.A.) wird als Einarbeitungszeit
auf einem Arbeitsplatz wie dem des Klägers bei gleicher Qualifikation ein Zeitraum von
sechs Monaten angegeben. – In einer Stellenausschreibung der Firma O1 aus dem
Jahre 1999 (Bl. 18 ff. d.A.) wurden für die Tätigkeit langjährige Erfahrungen sowie
bereichsübergreifende Kenntnisse vorausgesetzt.
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Nach Einführung des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie
Nordrhein-Westfalens im Betrieb der Beklagten wurde der Kläger in die Entgeltgruppe
(EG) 9 des § 3 Nr. 2 ERA (im Folgenden kurz: ERA) eingruppiert.
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Im Oktober 2007 beantragte er die Überprüfung dieser Entscheidung. Auf einer ERA-
Sitzung am 05.03.2008 wies der Betriebsrat darauf hin, dass nach seiner Ansicht bei der
Bewertung der Fachkenntnisse ein Können vorauszusetzen sei, das in der Regel durch
eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und durch
eine zusätzliche anerkannte einjährige Fachausbildung erworben werde; zusätzlich sei
eine Berufserfahrung von mehr als drei Jahren erforderlich.
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Mit Schreiben vom 16.04.2008 (Bl. 12 f. d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es
angesichts einer Gesamtpunktsumme von 86 bei der Eingruppierung in EG 9 ERA
verbleibe. Die Beklagte nahm dabei folgende Bewertung vor:
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Anforderungsmerkmal "Können (Fachkenntnisse)" = Bewertungsstufe 8 (i.d.R.
abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf von mindestens
dreijähriger Regelausbildungsdauer) mit 58 Punkten;
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Anforderungsmerkmal "Handlungs- und Entscheidungsspielraum" = Bewertungsstufe 3
(Erfüllung der Arbeitsaufgaben ist teilweise vorgegeben) mit 18 Punkten;
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Anforderungsmerkmal "Kooperation" = Bewertungsstufe 3 (regelmäßige Kommunikation
und Zusammenarbeit sowie gelegentliche Abstimmung) mit 10 Punkten;
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Anforderungsmerkmal "Mitarbeiterführung" = 0 Punkte.
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Nachdem in der Folgezeit ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren nicht zustande kam,
machte der Kläger mit Schreiben vom 05.12.2008 (Bl. 14 ff. d.A.) für den Zeitraum ab
Oktober 2007 die Zahlung der monatlichen Differenzbeträge zwischen EG 9 ERA und
der von ihm begehrten EG 12 ERA geltend.
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Nachdem sich die Beklagte in der Folgezeit weigerte, die Ansprüche zu erfüllen, erhob
der Kläger die vorliegende Klage, mit der er die Eingruppierung in die EG 12 ERA und
die Zahlung von Entgeltdifferenzen für den Zeitraum ab Oktober 2007 weiterverfolgt.
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Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich nach dem ERA-Bogen zur Bewertung von
Arbeitsaufgaben bei seiner Tätigkeit um Arbeitsaufgaben mit einem Können, das in der
Regel durch eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf
und zusätzlich durch eine anerkannte einjährige Fachausbildung erworben werde,
handele. Zudem sei eine Erfahrung von mehr als drei Jahren erforderlich. So entscheide
er selbständig, welche Maßnahmen im Falle eines von ihm als fehlerhaft eingestuften
Teils, von denen es insgesamt ca. 240.000 verschiedene gebe, ergriffen werden
müssten. Dies setze umfangreiche und langjährige Fachkenntnisse voraus. Zudem
müssten bei der Untersuchung von Fremdteilen mögliche technische Änderungen
herausgesucht und entschieden werden, ob sie den Vorgaben entsprechen würden
oder nicht. Dies alles erfordere besondere Teilekenntnisse, die nur durch umfangreiche
und langjährige Fachkenntnisse erworben werden könnten. Ohne die zusätzliche
Berufserfahrung sei diese Teilekenntnis nicht zu erlangen. Dies folge auch daraus, dass
die Beklagte in der Abteilung IVV zuletzt Meister und Techniker eingestellt habe.
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Ferner erfordere die Erfüllung der Arbeitsaufgaben eine regelmäßige Abstimmung. Zwar
führe er seine Arbeit im Wesentlichen selbständig aus, aber es gebe einen Koordinator,
der die eingehenden Anfragen zusammenfasse, auf die die Mitarbeiter der Abteilung
dann zugreifen könnten. Zudem werde mit den Mitarbeitern der Abteilung
Materialwirtschaft der A1 O1 GmbH sowohl das jeweilige Prüfungsergebnis als auch die
dann einzuleitenden Maßnahmen erörtert.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab Oktober 2007 in die
Entgeltgruppe 12 gemäß § 3 Ziffer 2 des Entgeltrahmenabkommens für die Eisen-,
Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in NRW vom 18.12.2003 (ERA)
einzugruppieren,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.055,04 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, für die Arbeitsaufgaben des Klägers sei ein Können
erforderlich, das in der Regel durch eine abgeschlossene Ausbildung in einem
anerkannten Ausbildungsberuf von mindestens dreijähriger Regelausbildungsdauer
erworben werde. Eine zusätzliche Fachausbildung sowie weitere Berufserfahrungen
seien für die Tätigkeit nicht erforderlich. Maßgeblich sei auch nicht das durch den Kläger
vorgehaltene, sondern das für die Tätigkeit benötigte Wissen.
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Bei der Arbeit des Klägers handele es sich um Hilfstätigkeiten im Rahmen des
Qualitätswesens. Er führe lediglich standardisierte Prüfungen bei insgesamt ca. 150.000
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Teilen durch, wobei seine Aufgabe in der Mithilfe bei der Umsetzung von Vorgaben
bestehe. Rückmeldungen an Händler habe der Kläger anhand vorgefertigter
Textmodule zu verfassen. Keinesfalls treffe er wesentliche und eigenständige
Entscheidungen über das weitere Schicksal eines Teils. Regelmäßig dauere eine
Einarbeitungszeit für die IVV-Tätigkeiten lediglich vier bis acht Wochen. Es bedürfe
auch keines höherwertigen Berufsabschlusses.
Im Bereich der Kooperation sei die Tätigkeit des Klägers zutreffend bewertet worden.
Die Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben erfordere zwar regelmäßige Kommunikation und
Zusammenarbeit, allerdings nur gelegentliche Abstimmung.
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Durch Urteil vom 19.01.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen des Klägers sei für eine
Höhergruppierung unzureichend. So habe er nicht dargelegt, welche zusätzliche
Fachausbildung er zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben benötige. Es sei auch
nicht erkennbar, warum eine zusätzliche mindestens einjährige Berufserfahrung
erforderlich sei und warum die Tätigkeit über eine gelegentliche Abstimmung hinaus
regelmäßige Abstimmungen mit anderen Mitarbeitern erfordere.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
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Er ist weiter der Auffassung, dass er zutreffenderweise in EG 12 ERA eingruppiert
werden müsse, hilfsweise in EG 11 bzw. 10 ERA.
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Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte zwei Mitarbeiter,
nämlich die Arbeitnehmer W3 und B3, für dieselbe Funktion eingestellt habe, die er, der
Kläger, ausübe. Diesen Mitarbeitern sei bei der Einstellung gesagt worden, sie könnten
nur eingestellt werden, wenn sie eine Technikerausbildung hätten, also eine zusätzliche
Fachausbildung. Daraus werde deutlich, dass die Beklagte selbst für die Arbeitsaufgabe
eine Technikerausbildung verlange; daran müsse sie sich im Rahmen der
Eingruppierung festhalten lassen.
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Im Übrigen sei es für die Tätigkeit erforderlich, Zeichnungen zu lesen. Dies ergebe sich
aus dem erstinstanzlich vorgelegten Memo. Auch dies erfordere eine zusätzliche
Fachausbildung.
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Des Weiteren erfordere die Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben Berufserfahrung von
mindestens einem Jahr.
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Auch im Bereich der Kooperation sei seine Tätigkeit unzutreffend bewertet worden. Sie
erfordere eine regelmäßige Abstimmung mit der GMIO sowie mit Lieferanten und der
Materialwirtschaftsabteilung.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 19.01.2010 – 2 Ca 1292/09 –
abzuändern und
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.10.2007
nach der Entgeltgruppe 12, hilfsweise nach der Entgeltgruppe 11, äußerst
hilfsweise nach der Entgeltgruppe 10 des Entgeltrahmenabkommens für die
Metall- und Elektroindustrie NRW zu vergüten,
2. die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 11.055,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens beantragt die Beklagte,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Der Kläger kann im Verhältnis zur Beklagten nicht die Feststellung verlangen, dass
diese verpflichtet ist, ihn für den Zeitraum ab Oktober 2007 nach EG 12 ERA, hilfsweise
EG 11 ERA, äußerst hilfsweise EG 10 ERA zu vergüten. Dementsprechend hat er auch
keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Entgeltdifferenzen.
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I. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene sogenannte Eingruppierungsfeststellungsklage ist
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO auch in der Privatwirtschaft zulässig (vgl. zuletzt BAG,
19.05.2010 – 4 AZR 903/08; 03.12.2008 – 5 AZR 62/08 – AP BGB § 307 Nr. 42;
22.10.2008 – 4 AZR 735/07 – AP TVG § 1 Tarifverträge:Chemie Nr. 20; 17.10.2007 – 4
AZR 1005/06 – AP TVG § 1 Nr. 40).
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II. Die Klage ist aber insgesamt unbegründet, weil der Kläger im Zuge der Einführung
des ERA-Tarifwerks zutreffenderweise der EG 9 ERA mit einer Gesamtpunktsumme von
86 zugeordnet wurde.
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1. Maßgeblich für die Eingruppierung eines Beschäftigten nach dem
Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens ist
gemäß § 2 Nr. 3 ERA die Einstufung der übertragenen und auszuführenden
Arbeitsaufgabe. Grundlage dafür sind gemäß § 3 Nr. 1 ERA vier
Anforderungsmerkmale, nämlich Können (Arbeits- sowie Fachkenntnisse und
Berufserfahrung), Handlungs- und Entscheidungsspielraum, Kooperation und
Mitarbeiterführung, wobei jeweils Bewertungsstufen mit zugeordneten Punktwerten
bestehen.
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2. Streiten nun, wie hier, die Parteien um die zutreffende Eingruppierung, entspricht es
allgemeinen Grundsätzen des materiellen und zivilprozessualen Verfahrensrechts, dass
der Kläger diejenigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen hat, aus denen der
rechtliche Schluss möglich ist, dass die im konkreten Einzelfall beanspruchten
tariflichen Merkmale erfüllt sind. Diese im Bereich des öffentlichen Dienstrechts vom 4.
Senat des BAG entwickelten Vorgaben (grundlegend: BAG, 19.03.1980 – 4 AZR 300/78
– AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 32) gelten gleichermaßen auch im Bereich der
Privatwirtschaft (BAG, 21.07.1993 – 4 AZR 486/92 – AP TVG § 1 Tarifverträge:Luftfahrt
Nr. 10; 22.10.2008 – 4 AZR 735/07 – AP TVG § 1 Tarifverträge:Chemie Nr. 20).
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Hier kann dem Vortrag des Klägers nicht entnommen werden, dass die von ihm
verrichteten Arbeiten im Bereich der Abteilung Identifikation, Verpackungs- und
Verkaufsprüfung (IVV) anforderungsmäßig über die beklagtenseits zugestandenen
Bewertungsstufen namentlich in den Bereichen Können und Kooperation hinausgehen.
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a) Was das Anforderungsmerkmal Können angeht, hat die Beklagte den Kläger
aufgrund seiner Ausbildung als Kunststoffformgeber wegen der damit dokumentierten
Fachkenntnisse der Bewertungsstufe 8 mit einem Punktwert von 58 zugeordnet. Der
Kläger hat nun an keiner Stelle substantiiert dargelegt, warum die sachgerechte
Ausübung seiner Tätigkeit zwingend darüber hinaus ein Können erfordert, wie es durch
eine zusätzliche anerkannte einjährige Fachausbildung erworben wird
(Bewertungsstufe 9). Namentlich bedarf es keiner (zweijährigen) Technikerausbildung,
über die die Mitarbeiter W3 und B3 verfügen. Der Kern der klägerischen Arbeitsaufgabe
besteht nämlich in der Inaugenscheinnahme von Material und dem bloßen Abgleich mit
vorgegebenen Standards, die sich aus dem Zugriff auf im Computer enthaltene
Informationen bzw. einen einfachen Blick auf Zeichnungen, dem Messen mit einem
Lineal oder ähnlichen Werkzeugen ergeben. Es handelt sich also im Kern eher um
optische Begutachtungen als um qualitative Überprüfungen, die ggf. von Seiten der
Materialwirtschaft vorgenommen werden.
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Aus welchen Gründen hierfür neben einer dreijährigen Fachausbildung zusätzlich eine
besondere Technikerausbildung zwingend erforderlich ist, erschließt sich aus dem
Klägervorbringen nicht. Der Umstand, dass die insoweit qualifizierten Arbeitnehmer W3
und B3 zunächst mit einer dem Kläger vergleichbaren Tätigkeit betraut wurden, sagt
nichts darüber, ob tatsächlich eine entsprechende zusätzliche Fachausbildung
notwendig ist.
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Auch aus der vorgelegten Stellenausschreibung ergibt sich nichts Abweichendes. Denn
sie stammt bereits aus dem Jahr 1999 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten und
betraf nicht die konkrete Stelle des Klägers, sondern eine solche bei einem externen
Dritten.
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b) Dem Klägervorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, warum er für die Erfüllung
der ihm übertragenen Arbeitsaufgabe zusätzlich zu den vorhandenen Fachkenntnissen
Berufserfahrungen im Umfang von mindestens einem Jahr bzw. mehr als drei Jahren
benötigt.
50
Nach dem Gemeinsamen ERA-Glossar vom 20.12.2005 unter I. 1. wird mit
Berufserfahrungen derjenige Umfang erforderlicher spezifischer Fachkenntnisse,
Fähigkeiten und Fertigkeiten beschrieben, über die ein Beschäftigter in Verbindung mit
den erforderlichen, in der Regel durch Ausbildung erworbenen Fachkenntnissen durch
zusätzliche praktische Tätigkeit verfügen muss, um die übertragene Arbeitsaufgabe
überhaupt ausführen zu können.
51
Es ist nicht ersichtlich, warum es für die Erledigung der Aufgabe des Klägers erforderlich
ist, dass eine mindestens einjährige Berufserfahrung im beschriebenen Sinne
vorhanden ist. So dauert nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der
Beklagten die Einarbeitungszeit für IVV-Tätigkeiten regelmäßig maximal vier bis acht
Wochen. Aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Memo vom 18.06.2001 ergibt sich,
dass die Anlernzeit für Ersatzmitarbeiter in der Abteilung IVV ca. sechs Monate beträgt.
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Aus alledem kann nicht entnommen werden, dass die Tätigkeit des Klägers zusätzliche
Berufserfahrungen im geschilderten Umfang erfordern.
Nach alledem ist es zutreffend, dass die Beklagte die Tätigkeit des Klägers hinsichtlich
des Anforderungsmerkmals Können mit der Bewertungsstufe 8 (= 58 Punkte) eingestuft
hat.
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c) Auch hinsichtlich des Anforderungsmerkmals Kooperation kann der Kläger keine
höhere Bewertung verlangen. Namentlich ist nicht ersichtlich, weshalb die Erfüllung
seiner Arbeitsaufgabe eine regelmäßige im Unterschied zu einer bloß gelegentlichen
Abstimmung verlangt.
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Abstimmung in diesem Sinne bedeutet gemäß dem Gemeinsamen ERA-Glossar vom
20.12.2005 unter V. 1. die gemeinsame Koordination von
Arbeitsausführungen/Aufgabenerfüllungen verschiedener Beschäftigter bzw. Bereiche,
um unterschiedliche Interessenlagen und/oder Zielsetzungen, die sich aus den
übertragenen Arbeitsaufgaben ergeben, in Einklang zu bringen.
Abstimmungserfordernisse müssen sich dabei nicht nur auf innerbetriebliche
Abstimmungsprozesse beschränken, sondern können auch den außerbetrieblichen
Bereich umfassen, z.B. im Rahmen außerbetrieblicher Inbetriebnahme- und
Servicetätigkeiten, bei Kunden- und Lieferbeziehungen, bei Kontakten mit Behörden
u.ä.. Abstimmung beinhaltet das Auseinandersetzen mit anderen zu einem bestimmten
Sachverhalt mit Rückwirkung entweder auf die eigene
Arbeitsausführung/Aufgabenerfüllung oder die Arbeitsausführung/Aufgabenerfüllung
anderer. Es bedeutet mehr als nur die bloße formale Weitergabe und Entgegennahme
von Informationen oder Absprachen ohne Rückwirkung auf
Arbeitsausführungen/Aufgabenerfüllungen.
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Dass sich der Kläger bei der Erfüllung seiner Arbeitsaufgaben regelmäßig in diesem
Sinne mit anderen Beschäftigten, Kunden und/oder Lieferanten abstimmen musste, lässt
sich seinen Darlegungen nicht entnehmen. Es fehlen nachvollziehbare Ausführungen
dazu, welche Abstimmungen nach Häufigkeit, Intensität und Komplexität erforderlich
sind. Vor dem Hintergrund ist es sachgerecht, wenn die Beklagte angesichts nur
vereinzelter, situationsbedingter, nicht periodisch wiederkehrender
Abstimmungserfordernisse bei der Kooperation eine Einstufung in Bewertungsstufe 3
und nicht 4 vorgenommen hat.
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III. Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter II. der Entscheidungsgründe steht
dem Kläger auch der geltend gemachte Zahlungsbetrag nicht zu.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
58
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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Landesarbeitsgericht Hamm
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Beschluss
61
In dem Verfahren
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hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
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ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2010
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beschlossen:
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Der Tatbestand des Urteils vom 05.11.2010 wird ergänzt.
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Auf Seite 6 wird nach dem dritten Absatz folgendes eingefügt:
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Im Übrigen habe der damalige Betriebsleiter der Beklagten, J9 S9, ihn, den
Kläger, im Jahre 2001 darauf angesprochen, ob er nicht in der IVV arbeiten
wollte. Er sei vorher im Wareneingang tätig gewesen. Herr S9 habe ihn, den
Kläger, darauf hingewiesen, dass er für diese Tätigkeit in Betracht käme, da er
ja eine Technikerausbildung hätte. Er habe dieses Angebot, in der IVV zu
arbeiten, angenommen.
68
Beweis: Zeugenaussage J9 S9, zu laden über die Beklagte.
69
Gründe:
70
Der fristgerecht am 04.01.2011 eingegangene Antrag des Klägers auf Ergänzung des
Tatbestandes des Urteils vom 05.11.2010 ist begründet.
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Gemäß § 320 I ZPO war der Tatbestand auf Seite 6 nach dem dritten Absatz um die sich
aus dem Tenor ergebende Passage zu ergänzen; sie entspricht dem klägerischen
Vortrag im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 08.06.2010 auf Seite 3.
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