Urteil des LAG Hamm vom 14.10.2010

LArbG Hamm (arbeitsvertrag, kapitel, abschluss des vertrages, befristung, verbesserung, arbeitsvermittler, sicherstellung, aufgaben, dauer, arbeit)

Landesarbeitsgericht Hamm, 17 Sa 670/09
Datum:
14.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 Sa 670/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hamm, 1 Ca 1686/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 7 AZN 1335/10
Schlagworte:
Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2
Nr. 7 TzBfG aufgrund des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit für
das Jahr 2006 (3990 Ausgabeermächtigungen zur Beschäftigung von
Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag im Rahmen von Aufgaben zur
Sicherstellung fachlich adäquater Betreuungsschlüssel bis zum
31.12.2008).
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen
vom 12.03.2009 – 1 Ca 1686/08 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis
aufgrund seiner Befristung beendet ist.
2
Die am 26.09.1973 geborene Klägerin ist seit dem 01.02.2005 als vollbeschäftigte
Angestellte aufgrund verschiedener befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten
beschäftigt. Den letzten Arbeitsvertrag schlossen die Parteien am 23.12.2005 (Bl. 6, 7
d.A.). Gemäß § 1 wurde die Klägerin ab dem 01.01.2006 befristet bis zum 31.12.2008
beschäftigt. Gemäß § 2 des Vertrages richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem
Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) und den
diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils
geltenden Fassung. Die Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben
von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte (Anlage SR2 a zum MTA) fanden
keine Anwendung. Seit dem 01.01.2006 gilt der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA).
3
Die Beklagte war zuletzt als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben betraut und
erzielte ein monatliches Bruttogehalt von 3.077,65 €. Seit dem 25.11.2008 befand sie
sich in der Mutterschutzfrist.
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Gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag unterzeichneten die Parteien am 23.12.2005 einen
Vermerk zu dem befristeten Arbeitsvertrag (Bl. 30 d.A.). Zur sachlichen Rechtfertigung
der vereinbarten Befristung wurde auf Folgendes hingewiesen:
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Im Haushaltsplan der BA für das Kalenderjahr 2006 sind bei Kapitel 5 Titel 425
07 für die Haushaltsjahre 2006 bis 2008 insgesamt 150 Millionen Euro zur
Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag mit dem Ziel der
Verbesserung des Betreuungsschlüssels (Kunden/Vermittler) zu Lasten des
Eingliederungstitels (Kapitel 2 Titel 97101) ausgewiesen. Der Haushaltsplan
wurde nach Aufstellung durch den Vorstand und Feststellung durch den
Verwaltungsrat am 22.12.2005 durch die Bundesregierung genehmigt.
6
Die bei der entsprechenden Zweckbestimmung ausgebrachten Mittel können
nur zur Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag für die oben
genannte Aufgabe bis zum Endtermin 31.12.2008 verwendet werden. Die
Agentur für Arbeit S5 wurde ermächtigt, bis zum 31.12.2008 insgesamt 8 Kräfte
zu beschäftigen.
7
Frau S3 J2-S4 wird daher für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2008 als
Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben befristet beschäftigt. Frau J2-S4 wird
als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben im Team 121 im Hauptamt der
Agentur für Arbeit S5 eingesetzt. Sofern im Rahmen der o.a. Maßnahmen zur
Verbesserung des Betreuungsschlüssels funktionale Anpassungen erforderlich
sein werden, ist auch ein Einsatz im Team 151 (U 25) als Arbeitsvermittlerin (U
25) mit Beratungsaufgaben oder als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben
in der Geschäftsstelle O1 möglich.
8
Mit Beschluss vom 26.10.2005 stellte der Vorstand der Beklagten den Haushaltsplan für
das Haushaltsjahr 2006 auf, der mit Beschluss vom 11.11.2005 von dem Verwaltungsrat
der Beklagten festgestellt wurde. Die Bundesregierung erteilte ihre Genehmigung mit
Beschluss vom 20.12.2005.
9
Der Haushalt weist unter Kapitel 5 Titel 425 07 Vergütungen der Kräfte mit befristetem
Arbeitsvertrag zur weiteren Verbesserung des Betreuungsschlüssels "Arbeitsvermittler
zu Arbeitslosen/Betrieben" bis zum 31.12.2006 und zur Sicherstellung fachlich
adäquater Betreuungsschlüssel bis zum 31.12.2008 in Höhe von null Euro aus. Die
Erläuterungen lauten wie folgt:
10
a Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG) zur weiteren
Verbesserung des Betreuungsschlüssels "Arbeitsvermittler zu
Arbeitslosen/Betrieben" zusätzlich für die Dauer von zwei Jahren bis zum
31.12.2006. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Deckungsfähigkeit
obliegt den Agenturen für Arbeit.
11
b Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG) zur Sicherstellung
fachlich adäquater Betreuungsschlüssel zusätzlich für die Dauer von drei Jahren
bis zum 31.12.2008. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der
12
Deckungsfähigkeit obliegt den Agenturen für Arbeit.
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Leertitel, weil erforderliche Ausgaben durch Einsparungen bei Kapitel 2 Titel 971
01 finanziert werden (vgl. Haushaltsvermerk Nr. 6).
14
Unter Kapitel 2 "Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III
mit Ausnahmen der allgemeinen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 98 Abs. 1
Nr. 1 SGB III), der Leistungen nach § 219 und 235 a SGB III und der Leistungen der
Trägerförderung (§ 248 SGB III) heißt es wie folgt:
15
Ausgaben
16
17
5.
18
Die Ausgaben bei Titel 971 01 – Eingliederungstitel – dienen bis zur Höhe von 150
Millionen Euro zur Deckung der Ausgaben bei Kapitel 5 Titel 425 07 –
Vergütungen der Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag zur weiteren Verbesserung
des Betreuungsschlüssels " Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen/Betrieben" bis zum
31.12.2006 sowie zur Sicherstellung fachlich adäquater Betreuungsschlüssel bis
zum 31.12.2008.
19
Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Deckungsfähigkeit obliegt den
Agenturen für Arbeit.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Haushaltsplanes wird auf die von der Beklagten
mit Schriftsatz vom 06.02.2009 vorgelegte Kopie (Bl. 32 bis 35 d.A.) Bezug genommen.
21
Mit Schreiben vom 18.04.2006 (Bl. 36 bis 40 d.A.) wies die Beklagte der Agentur für
Arbeit S5 ausweislich der Anlage 3 a (Bl. 40 d.A.) unter dem Kapitel 5 Titel 425 07
Ermächtigungen für neun Jahreskräfte zu.
22
Mit ihrer am 24.11.2008 bei dem Arbeitsgericht Siegen eingegangenen Klage wendet
sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 31.12.2008.
23
Sie hat die Auffassung vertreten:
24
Ihr Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG befristet
worden. Sie habe eine Daueraufgabe erfüllt, für die über den 31.12.2008 hinaus ein
weiterer Bedarf bestehe.
25
Entsprechend seien die Arbeitsverträge mit Befristungsende 31.12.2008 von der
Beklagten fast ausnahmslos verlängert bzw. in unbefristete Arbeitsverträge
umgewandelt worden. Das sei geschehen, obwohl die Arbeitslosenzahl in der Region
S5 bis Ende 2008 stark gesunken sei.
26
Sie hat beantragt
27
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Befristung
mit Ablauf des 31.12.2008 aufgelöst wurde.
28
Die Beklagte hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30
Sie hat die Befristung als nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wirksam verteidigt.
31
Sie hat ausgeführt:
32
Die befristete Beschäftigung der Arbeitnehmer nach Kapitel 5 Titel 425 07 des
Haushaltsplanes für das Jahr 2006 diene der Sicherstellung des fachlich adäquaten
Betreuungsschlüssels (Kunden/Vermittler) im Bereich SGB III zu Lasten des
Eingliederungstitels Kapitel 2 Titel 971 01. Die zeitliche Befristung sei erforderlich
geworden zur Durchführung der zeitlich befristeten Projekte bzw. Sonderprogramme des
Bundes zur Verbesserung der Integrationsfortschritte für Betreuungskunden im Bereich
der Arbeitsvermittlung. Sie sei ermächtigt worden, im Rahmen des Titels 425 07 für das
Jahr 2006 bundesweit insgesamt 3.990 Kräfte befristet für die Aufgaben nach dem SGB
III einzustellen.
33
Die Klägerin sei aus dem Titel 425 07 vergütet worden, wie sich aus der Zuordnung der
Vergütung zum Schlüssel 2112 mit der Kennziffer 39 ergebe. Sie sei auch entsprechend
der Zweckbestimmung als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben tätig geworden.
34
Mit Urteil vom 12.03.2009 hat das Arbeitsgericht Siegen festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31.12.2008 aufgelöst
wurde.
35
Es hat ausgeführt:
36
Das Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG habe die
Kammer nicht feststellen können. Deshalb sei die zulässige Klage begründet.
37
Die Beklagte habe die Klägerin nicht mit Aufgaben von nur vorübergehender Dauer
beschäftigt. Nach ihrem eigenen Vorbringen sei sie als Arbeitsvermittlerin mit
Beratungsaufgaben eingesetzt worden. Sowohl die Arbeitsvermittlung als auch die
Beratung von Arbeitslosen und Betrieben gehörten zu den Kernaufgaben der Beklagten
und stellten damit keine Aufgabe von vorübergehender Dauer dar.
38
Aufgaben von vorübergehender Dauer ergäben sich auch nicht aus der
Haushaltsvorschrift selbst, die eine weitere Verbesserung des Betreuungsschlüssels
vorsehe. Die Beklagte müsse zur Sicherung der Daueraufgabe entsprechendes
Personal beschäftigen und einen adäquaten Betreuungsschlüssel sicherstellen. Die
Kammer habe nicht erkennen können, aufgrund welcher tatsächlichen Anhaltspunkte
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe davon ausgegangen werden können, dass
die Sicherstellung eines entsprechenden Betreuungsschlüssels nach Ablauf der
Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin und ihrer Kolleginnen nicht mehr
erforderlich sein werde. Als Indiz sei zu werten, dass nach dem unstreitigen Vorbringen
der Klägerin mindestens sieben befristete Arbeitsverträge von zeitgleich mit ihr
eingestellten Kollegen und Kolleginnen verlängert bzw. entfristet worden seien.
39
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 55 bis 61
d.A. verwiesen.
40
Gegen das ihr am 07.04.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.05.2010 bei dem
Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 05.06.2010
eingehend begründet.
41
Sie rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und trägt vor:
42
Dem streitgegenständlichen Titel des Haushalts liege offenkundig ihre Überlegung
zugrunde, den Betreuungsschlüssel der Arbeitsvermittler im Verhältnis zu Arbeitslosen
und Betrieben vorübergehend bis zum 31.12.2008 zu verbessern mit der Prognose,
dass sich durch die intensivere Betreuung eine Reduzierung der Arbeitslosenzahlen
herbeiführen lasse, so dass im Weiteren bei Beibehaltung des Betreuungsschlüssels im
Hinblick auf eine geringere Arbeitslosenquote die Arbeitsvermittlung mit den
Stammkräften erledigt werden könne.
43
Ihre Prognose habe sich bestätigt. Im Januar 2008 seien gegenüber dem Vorjahr
625.000 Arbeitslose weniger gezählt worden. Die Zahl der Erwerbstätigen sei um
30.000 gestiegen. Im November 2008 sei die Arbeitslosenquote auf 7,1 %
zurückgegangen, während die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen um
578.000 zugenommen hätten.
44
Sie könne als unterstaatliche Körperschaft des öffentlichen Rechts das
Befristungsprivileg des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG in Anspruch nehmen.
45
Die Beklagte beantragt,
46
das Urteil des Arbeitsgerichts S5 vom 12.03.2009 – 1 Ca 1686/08 – abzuändern
und die Klage abzuweisen.
47
Die Klägerin beantragt,
48
die Berufung zurückzuweisen.
49
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist auf Folgendes hin:
50
Auf ihre konkrete Stelle bezogen sei ein lediglich befristeter Bedarf nicht erkennbar. Die
Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie in Zukunft die fachlich adäquaten
Betreuungsschlüssel nicht mehr gewährleisten und keine Arbeitsvermittler für
Arbeitslose/Betriebe einsetzen wolle. Sie habe eine Daueraufgabe wahrgenommen.
51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
52
Entscheidungsgründe
53
I.
54
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
55
ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 12.03.2009 ist unbegründet.
1. Die angesichts der Berufung der Beklagten auf die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aufgrund seiner Befristung zulässige Feststellungsklage der
Klägerin ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht gemäß § 15 Abs. 1
TzBfG mit dem 31.12.2008 sein Ende gefunden. Es besteht gemäß § 16 Satz 1 TzBfG
auf unbestimmte Zeit fort.
56
a) Die Klägerin hat die Klagefrist gemäß § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Die Klage kann
bereits vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages erhoben werden (BAG 10.03.2004 –
7 AZR 412/03, NZA 2004, 925).
57
b) Zur Überprüfung steht allein der Arbeitsvertrag vom 23.12.2005. Folgen mehrere
befristete Arbeitsverträge aufeinander (Kettenarbeitsverträge), unterliegt jeder befristete
Vertrag für sich der Kontrolle, soweit er innerhalb der Frist des § 17 TzBfG angegriffen
wurde. Gemäß §§ 17 Satz 2 TzBfG, 7 KSchG wird eine unwirksame Befristung wirksam,
wird nicht fristgerecht Klage erhoben (vgl. Annuß
/
Befristungsgesetz, 2. Aufl., § 17 TzBfG Rn. 5).
58
Mit dem Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages haben die Parteien im
Übrigen ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, die künftig für ihre
Rechtsbeziehung allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes
Arbeitsverhältnis aufgehoben.
59
c) Gemäß § 33 Abs. 1 TV-BA sind befristete Arbeitsverträge nach Maßgabe des TzBfG
zulässig. Die Tarifvorschrift ist unstreitig seit dem 01.01.2006 aufgrund der Vereinbarung
in § 2 des Arbeitsvertrages vom 29.12.2005 als ein den MTA ersetzender Tarifvertrag
auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
60
Die Rechtfertigung der letzten Befristung folgt nicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG.
61
Nachdem die Klägerin das Vorliegen eines Sachgrundes bestritten hat, ist es Sache der
Beklagten, die tatsächlichen Grundlagen eines Sachgrundes darzulegen und zu
beweisen (LAG Hamm, 25.10.2007 – 15 Sa 1894/06; LAG Köln, 14.12.2007 – 4 Sa
992/07).
62
Im Arbeitsvertrag vom 23.12.2005 haben die Parteien keinen Befristungsgrund
vereinbart. Weder § 33 Abs. 3 TV-BA noch § 14 TzBfG enthalten ein Zitiergebot. Gemäß
§ 14 Abs. 4 TzBfG ist Wirksamkeitsvoraussetzung nur die Schriftform der
Befristungsvereinbarung an sich. Der Rechtfertigungsgrund muss weder im Vertrag
stehen noch bei Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden (BAG 12.08.2009 – 7 AZR
270/08).
63
Hier hat die Beklagte der Klägerin anlässlich des Vertragsschlusses am 23.12.2005
ausweislich des von beiden Parteien unterzeichneten Vermerks den Befristungsgrund
nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG genannt, auf den sie sich auch im Prozess beruft.
64
Nach dieser Norm liegt ein sachlicher Grund für eine Befristung dann vor, wenn der
Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine
befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend tatsächlich beschäftigt
65
wird. Voraussetzung ist wie im Rahmen der wortgleichen Vorschrift des § 57 b Abs. 2
Nr. 2 HRG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, dass die Vergütung des
Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln erfolgt, die mit einer konkreten Sachregelung auf
der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen sind. Die für die
Vergütung des befristet angestellten Arbeitnehmers verfügbaren Haushaltsmittel
müssen für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer vorgesehen sein (BAG
16.10.2008 – 7 AZR 360/07; 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, BAGE 120, 42). Die
Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 TzBfG liegen nicht vor, wenn Haushaltsmittel
lediglich allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen von befristeten
Arbeitsverhältnissen bereitgestellt werden und keine tätigkeitsbezogene Zwecksetzung
erfolgt ist.
Der Haushaltsplan der Beklagten für das Jahr 2006 sah unter dem Kapitel 5 Titel 42507
Vergütungen für Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag zur weiteren Verbesserung des
Betreuungsschlüssels "Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen/Betrieben" bis zum 31.12.2006
und zur Sicherstellung fachlich adäquater Betreuungsschlüssel bis zum 31.12.2007 zu
Lasten der Ausgaben bei Kapitel 2 Titel 971 01 vor. Nach der Anlage 2 zum
Haushaltsplan waren für Aufgaben nach dem Titel 425 07 für 2006 Ermächtigungen für
3.990 Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag bezogen auf die Regionaldirektionen, die
Arbeitsagenturen und besondere Dienststellen ausgewiesen.
66
aa. Der Haushaltsplan wurde von dem Vorstand gemäß § 71 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV in
der Fassung vom 23.12.2003 aufgestellt und gemäß § 71 a Abs. 1 Satz 2 SGB IV von
dem Verwaltungsrat der Beklagten festgestellt. Die Bundesregierung hat den
Haushaltsplan mit Beschluss vom 20.12.2005 genehmigt.
67
Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag ist nach der Genehmigung des
Haushaltsplanes abgeschlossen worden.
68
(1) Höchstrichterlich nicht geklärt ist die Frage, ob das Merkmal der Haushaltsmittel im
Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nur dann erfüllt ist, wenn die Haushaltsmittel
durch ein Gesetz ausgebracht worden sind mit der Folge, dass sich auf diesen
Befristungsgrund nur der Bund, die Länder und die Gemeinden mit einem von einem
demokratisch legitimierten Parlament beschlossenen Haushaltsplan berufen können,
nicht aber unterstaatlicher Körperschaften des öffentlichen Rechtes mit eigener
Haushaltskompetenz, selbst wenn der Haushalt der Genehmigung z.B. der
Bundesregierung bedarf (BAG 12.03.2010 – 7 AZR 843/08, NJW 2010, 2536;
02.09.2009 – 7 AZR 162/08, NZA 2009, 1257; Arnold-Gräfl, TzBfG, 2. Aufl., § 14 TzBfG
Rn. 21; für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nur dann, wenn die
Haushaltsmittel durch ein Gesetz ausgebracht sind, LAG Berlin-Brandenburg
16.03.2007 – 6 Sa 2102/06, LAGE § 14 TzBfG Nr. 35; a.A. KR-Lipke 9. Aufl., § 14 TzBfG
Rn. 312; ErfK/Müller-Glöge, 10. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 71).
69
Für eine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlautes spricht die
Entstehungsgeschichte der Norm. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
stimmt – wie schon erwähnt – mit dem Wortlaut des § 57 b Abs. 2 Nr. 2 HRG in der bis
zum 31.12.2004 geltenden Fassung überein. Nach der zu dieser Vorschrift ergangenen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der der Gesetzgeber des TzBfG bei
dem Sachgrund der Haushaltsbefristung ausgegangen ist, musste der
Haushaltsgesetzgeber mit der Anordnung der Mittelverwendung für befristete
Beschäftigungen konkrete Sachregelungen auf der Grundlage einer nachvollziehbaren
70
Zwecksetzung getroffen haben (BAG 24.01.1996 – 7 AZR 342/05, AP HRG § 57 b Nr.
7).
bb. Die Frage war auch hier nicht abschließend zu entscheiden. Selbst wenn sich die
Beklagte als bundesunmittelbare Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen
Rechtes (§ 367 Abs. 1 SGB III) auf den Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
TzBfG berufen könnte, wäre die Befristung dennoch unwirksam. Es fehlt im
Haushaltsplan 2006 an einer Mittelausbringung mit einer konkreten Sachregelung auf
der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung.
71
Die für die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers verfügbaren
Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer vorgesehen sein
(BAG 17.03.2010 – 7 AZR 640/08; NZA 2010, 633; 17.03.2010 – 7 AZR 843/08 a.a.O.;
02.09.2009 – 7 AZR 162/08, NZA 2009, 1257; 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, BAGE 120,
42). Die Ungewissheit zukünftiger haushaltsrechtlicher Entwicklung reicht nicht aus
(BAG 24.01.2001 – 7 AZR 208/99, EzA BGB § 620 Nr. 173).
72
Die Normen, mit denen die Haushaltsmittel ausgebracht sind, müssen selbst die
inhaltlichen Anforderungen für die im Rahmen der befristeten Arbeitsverhältnisse
auszuübenden Tätigkeiten oder die Bedingungen, unter denen sie auszuüben sind,
enthalten (BAG 17.03.2010 – 7 AZR 640/08 a.a.O.). Schon aus Gründen des
europäischen Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts muss die Zwecksetzung so
bestimmt sein, dass sie eine Kontrolle ermöglicht, ob die befristete Beschäftigung der
Deckung eines vorübergehenden Bedarfs dient (BAG, 18.10.2006 – 7 AZR 419/05
a.a.O.; 17.03.2010 – 7 AZR 843/08 a.a.O.).
73
Aus Kapitel 5 Titel 42507 in Verbindung mit Kapitel 2 Ausgabe Nr. 5 ergeben sich Mittel
zur Vergütung der Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag zur weiteren Verbesserung des
Betreuungsschlüssels "Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen/Betrieben" bis zum 31.12.2006
sowie zur Sicherstellung fachlich adäquater Betreuungsschlüssel bis zum 31.12.2008 in
Höhe von 150 Mio. Euro. Die Zweckbestimmung wird in den Erläuterungen wiederholt.
Hier kommt die zweite Alternative der Zweckbestimmung (Erläuterungen b)) in Betracht,
da der Arbeitsvertrag befristet wurde bis zum 31.12.2008.
74
Die Zwecksetzung ist nicht ausreichend konkret. Sie ermöglicht nicht aus sich heraus
die Feststellung eines nur vorübergehenden Bedarfs.
75
Die Aufgaben der Arbeitsvermittler sind Daueraufgaben nach dem SGB III. Ein
vorübergehender Bedarf kann sich entsprechend nur aus dem prognostizierten Umfang
der anfallenden Aufgaben in diesem Arbeitsgebiet ergeben. Die von der Beklagten im
Kammertermin vorgetragene Prognose, durch Verbesserung des Betreuungsschlüssels
"Arbeitsvermittler zu Arbeitslosen/Betrieben" bis zum 31.12.2006 werde sich aufgrund
der intensiveren Betreuung eine Reduzierung der Arbeitslosenzahlen herbeiführen
lassen, so dass im Weiteren bei Beibehaltung des Betreuungsschlüssels im Hinblick auf
eine geringere Arbeitslosenquote die Arbeitsvermittlung mit den Stammkräften erledigt
werden könne, findet sich in der im Haushaltplan ausgebrachten Zweckbestimmung
nicht wieder. Es müssen aber gerade die Normen, mit denen die Haushaltsmittel
ausgebracht sind, selbst die Kontrolle ermöglichen, ob die befristete Beschäftigung der
Deckung eines vorübergehenden Bedarfs dient. Dem Haushaltstitel lässt sich nicht
entnehmen, warum die Beschäftigung befristet angestellter Mitarbeiter nur bis zum
31.12.2008 zur Sicherstellung des fachlichadäquaten Betreuungsschlüssels erforderlich
76
ist. Es wird nicht erkennbar, dass ab dem 01.01.2009 der adäquate
Betreuungsschlüssel, den die Beklagte nicht näher erläutert hat, durch die
Beschäftigung von Stammkräften gewährleistet werden kann. Es ist nicht erkennbar, von
welchem aktuellen Personalbedarf im Bereich der Betreuung durch Arbeitsvermittler der
Haushalt ausgeht und inwieweit er vorübergehend nicht durch den Dauerstellenbestand
abgedeckt ist. Die von der Beklagten behauptete Prognose wird nicht weiter
konkretisiert. Insgesamt sind für das Jahr 2006 im Titel 425 07 nach der Anlage 2 zum
Haushaltplan 3990 Ermächtigungen für Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag
vorgesehen. Den im Kapitel 5 Titel 425 07 ausgebrachten beiden Zweckbestimmungen
sind diese Ermächtigungen nicht zahlenmäßig zugeordnet. Es ist nicht erkennbar,
wieviele zum 31.12.2008 befristete Arbeitsverhältnisse von der Ermächtigung gedeckt
sind. Entsprechend ist auch nicht feststellbar, ob sich die Einstellungspraxis der
Beklagten für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2008 im Rahmen der
Zweckbestimmung gehalten hat.
Die Beklagte wird mit der Anforderung ausreichender Konkretisierung der
Zwecksetzungen der Aufgaben von vorübergehender Dauer im Haushaltsplan nicht
überfordert. Es ist anzunehmen, dass es durchaus Kennzahlen zu dem Personalbedarf
bis zum 31.12.2008 zur Verbesserung und Sicherstellung eines fachlich adäquaten
Betreuungsschlüssels gab. Ebenfalls werden ihr Prognosedaten zum Rückgang der
Arbeitslosenzahlen aufgrund intensiverer Betreuung zur Verfügung gestanden haben.
Die Eckdaten hätten zur Konkretisierung des vorübergehenden Bedarfs in den
Haushaltsvermerk aufgenommen werden können und müssen. Ohne genaue Analyse
kann keine fundierte Prognose hinsichtlich des zukünftigen Beschäftigungsbedarfs
erfolgen.
77
Hier hat die Beklagte noch nicht einmal zu erkennen gegeben, von welchem
Betreuungsschlüssel sie im Rahmen der haushaltsplanmäßigen Festlegungen
ausgegangen ist.
78
II.
79
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
80
Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
81
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, wenn eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Es muss um eine
Frage nach der Gültigkeit oder nach dem Inhalt einer Norm gehen, die durch einen
aufzustellenden Obersatz ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu
beantworten ist. Die Rechtsfrage muss für den Rechtsstreit entscheidungserheblich
sein. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig sein, d.h. ihre Beantwortung darf nicht
offenkundig und sie darf noch nicht höchstrichterlich entschieden sein (Germelmann,
ArbGG, 7. Aufl., § 72 ArbGG Rn. 13, 14).
82
Das Bundesarbeitsgericht hat spätestens mit seiner Entscheidung vom 17.03.2010 (7
AZR 843/08 a.a.O) die inhaltlichen Anforderungen an den den Befristungsgrund nach §
14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG rechtfertigenden Haushaltplan klarstellt. Von dieser
Rechtsprechung ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat die Grundsätze auf
den Einzelfall angewendet.
83
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht
deshalb zu rechtfertigen, weil das Bundesarbeitsgericht ihren Haushaltsplan 2006 noch
nicht einer Beurteilung unterzogen hat.
84
Die Tatsache, dass möglicherweise weitere gleichgelagerte Arbeitsverträge betroffen
sein könnten, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht an sich, wenn es nicht mehr
um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage geht.
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